Pneumologie 2013; 67(04): 205-208
DOI: 10.1055/s-0032-1326365
Serie: Neue Wege in der Thorax-Onkologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Crizotinib – Molekulare Therapie des Lungenkarzinoms

Crizotinib − Molecular Therapy for Lung Cancer
A. Gröschel
1   Ambulantes Aachener Zentrum für Lungenheilkunde, Luisenhospital, Aachen
,
A. Warth
2   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Heidelberg
,
N. Reinmuth
3   Lungenclinic Grosshansdorf
› Institutsangaben

Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik: C. Grohé, Berlin; N. Reinmuth, Grosshansdorf
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. med. Andreas Gröschel
Ambulantes Aachener Zentrum für Lungenheilkunde
Luisenhospital
Boxgraben 95
52064 Aachen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. April 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Die anaplastische Lymphomkinase (ALK) kann durch eine Gen-Translokation überaktiviert werden und dadurch ein Schlüsselonkogen bei der Progression von Tumorzellen werden. Bei ungefähr 5 % aller Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) lässt sich mittels FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung) ein Fusionsgen, bestehend aus EML4 (echinoderm microtubule-associated protein-like 4) und ALK, nachweisen, welches zu einer Überaktivierung von ALK führt. Weitere Labortechniken können eine veränderte ALK-Expression nachweisen, wobei die Vergleichbarkeit mit FISH-Ergebnissen unterschiedlich ist. Crizotinib ist eine kleinmolekulare Substanz, die die ALK-Tyrosinkinaseaktivität hemmt. Die Behandlung mit Crizotinib von vorbehandelten NSCLC-Patienten, bei denen EML4-ALK-Fusionsgene nachgewiesen wurden, zeigte in klinischen Studien ein verbessertes Ansprechen und verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) im Vergleich zur Standard-Chemotherapie. Im Folgenden sollen Nachweismethoden und klinische Daten dargestellt werden.


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Abstract

The anaplastic lymphoma kinase (ALK) can act as a key oncogenic driver after activation by means of processes such as gene rearrangement. In approximately 5 % of patients with advanced non-small cell lung cancer (NSCLC), an oncogenic fusion gene of echinoderm microtubule-associated protein-like 4 (EML4) and ALK has been detected using fluorescence in situ hybridisation (FISH). Moreover, various methods including immunohistochemistry and PCR-based assays can be used for analysing ALK expression. Clinical data have been generated for crizotinib, a small molecule inhibitor of the ALK receptor tyrosine kinase, demonstrating a substantial improvement of objective response rate and prolonged progression-free survival (PFS) compared to standard chemotherapy in pretreated NSCLC patients harbouring EML4-ALK fusion genes. In the current review, recent data on the detection and inhibition of ALK in advanced NSCLC are summarised.


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Einleitung

Bei der Therapie des Lungenkarzinoms gewinnen molekulare Veränderungen im Tumorgenom zunehmend an Bedeutung. Neben der Mutation im EGF-Rezeptor wurde 2007 zuerst über eine erworbene EML4- und ALK-Translokation berichtet, die zur Produktion eines ALK-Onkoproteins bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom führte. Über Phosphatidylinositol 3-kinase (PI3K) und HSP 90 kommt es dann zu einer Zellproliferation und Zellüberleben. Crizotinib, ein oraler Tyrosinkinaseinhibitor, hemmt ALK und zeigt ein deutliches Tumoransprechen in Patienten mit dieser Translokation. Die Zulassung erfolgt durch die EMA im November 2012 zur Behandlung von Erwachsenen mit vorbehandeltem EML4-ALK-positivem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom unter dem Handelsnamen Xalkori. Dies ist somit nach der EGFR-Mutation eine weitere Gruppe von Lungenkarzinom-Patienten, die von einer zielgerichteten Therapie einen erheblichen Nutzen haben.


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Pathologie

Auf Basis groß angelegter molekularer Screeningstudien wurden unterschiedliche Faktoren wie z. B. die anaplastische Lymphomkinase (ALK) identifiziert, welche ggf. eine zielgerichtete Tumortherapie des pulmonalen nicht-kleinzelligen Karzinoms (NSCLC) ermöglichen [1]. Entsprechende Alterationen von ALK finden sich in ~ 3 % [2] [3] der Adenokarzinome (ADC), vorwiegend bei jungen Nichtrauchern (never/light smokers) mit EGFR- und K-RAS-Wildtyp [4] [5], teilweise jedoch auch in Plattenepithelkarzinomen (SQCC) [1] [6] und adeno-squamösen Karzinomen (ASC) [7]. Auf Basis der Literaturdaten und unserer eigenen Beobachtungen kommen ALK-Translokationen im Wesentlichen in prädominant azinären oder prädominant soliden Adenokarzinomen vor [1] [8] [9] [10] [11], wobei auch eine Assoziation zu anderen Tumordifferenzierungen beschrieben ist [3].

Die ALK-Expression ist assoziiert mit einem genomischen Rearrangement (Inversion), in dessen Folge die Kinasedomäne von ALK unter die Promotorkontrolle von EML4 (echinoderm microtubule-associated protein-like 4) gerät [1] [5]. Der chromosomale Bruchpunkt innerhalb von EML4 tritt in unterschiedlichen Bereichen auf, was zu zahlreiche Varianten von EML4-ALK-Fusionen führt [12]. In seltenen Fällen variiert auch der Bruchpunkt innerhalb von ALK [13]. Weitere zwischenzeitlich identifizierte Fusionspartner von ALK sind u. a. TFG [14] und KIF5B [15] [16]. Neben der Translokation von ALK sind Amplifikationen sowohl von ALK als auch von EML4 beschrieben [2] [17], wobei eine alleinige ALK-Amplifikation offenbar nicht zwingend zu einer Expression von ALK auf Proteinebene führt [17]. Jüngere Untersuchungen zeigen zudem, dass in NSCLC-Tumorzellen neben einer aktivierenden EML4-Translokation auch weitere molekulare Veränderungen detektiert werden können, wie eine aktivierende EGFR-Mutation, ALK-Amplifikation oder Mutationen in der ALK-Kinase-Domäne [18]. Viele dieser Veränderungen gelten als möglicher Resistenzmechanismus gegenüber einer Therapie mit Crizotinib, allerdings bleiben der klinische Stellenwert und die Prävalenz dieser weiteren molekularen Veränderungen aktuell noch unklar.


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Diagnostik der ALK-Translokation

Erste klinische Studien zeigen eine signifikante Tumormassenreduktion in den meisten NSCLC-Patienten mit ALK-Translokation, welche mit entsprechenden Inhibitoren behandelt wurden [19]. Der ALK-Status dieser Patienten wurde mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) bestimmt, wobei hierbei der ALK-Genlokus von zwei fluoreszenzmarkierten Sonden (z. B. grün und rot) flankiert ist. Durch die Inversion vergrößert sich der Abstand zwischen den Sonden, wobei hier ein Abstand von 2 Sondendurchmessern zwischen den beiden Signalen als diagnostisches Kriterium für eine Translokation gilt ([Abb. 1]). FISH ist demnach aktuell der Goldstandard, um Patienten zu selektieren, die möglicherweise von ALK-Inhibitoren profitieren [4] [19]. Bei alleiniger FISH-basierter Diagnostik kann jedoch problematisch sein, dass der Abstand des invertierten ALK-Genlokus sehr kurz ist (~12 Megabasen) und nur etwa ~ 5 % der Gesamtlänge von Chromosom 2 betrifft. Da die Inversion ein dreidimensionales Ereignis ist, in der FISH aber nur zweidimensional dargestellt werden kann, kann die Interpretation des Sondenabstandes, insbesondere bei nur wenig vorhandenen Tumorzellen, deutlich erschwert sein. FISH kann daher potenziell zu falsch negativen Ergebnissen führen [9], weshalb ein kombinierter diagnostischer Ansatz mit weiteren Methoden sinnvoll erscheint [9] [20]. Da ALK-Inhibitoren gegen ALK-Proteine und nicht spezifisch gegen eine ALK-Translokation gerichtet sind, könnte perspektivisch der Nachweis einer ALK-Expression auf Proteinebene genügen, um Patienten mit ALK-Inhibitoren zu behandeln. Potenziell könnten z. B. auch epigenetische Veränderungen in Tumoren zu einer ALK-Expression führen. Das Ansprechen entsprechender Tumoren auf ALK-Inhibitoren ist Gegenstand aktueller Studien.

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Abb. 1 Beispiele von Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) und Immunhistochemie.
a FISH mit fusionierten roten und grünen Signalpaaren (gelb), kein Nachweis einer ALK-Translokation; b FISH, Nachweis einer ALK-Translokation. Die Trennung der roten und grünen Signale ist deutlich zu erkennen; c immunhistochemisch schwache Reaktion, geringe ALK-Expression; d immunhistochemisch starke Reaktion, deutliche ALK-Expression.

Als ergänzende Methoden der ALK-Diagnostik bieten sich neben der Immunhistochemie auch PCR-basierte Ansätze mit spezifischem Nachweis entsprechender Fusionstranskripte an, z. B. auf Basis einer Multiplex RT-PCR [21] oder einem Exon-Array-Profiling [12] [22] ( [Tab. 1]). Bei diesen Ansätzen besteht jedoch die Problematik, dass in der Regel nur bekannte EML4-ALK-Varianten bzw. ALK-Translokation mit anderen Fusionspartnern nachgewiesen werden können. Alleine die bis heute berichtete Anzahl unterschiedlicher Varianten und Fusionspartner spricht somit eher gegen diese Methodik. Die Immunhistochemie ist eine verlässlich durchführbare und kostengünstige Methode der gewebsbasierten Diagnostik, welche in Deutschland flächendeckend zur Verfügung steht. Ein Ringversuch zur Detektion ALK-positiver NSCLC wurde aktuell von der Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie durchgeführt (http://www.quip-ringversuche.de) und abgeschlossen. 36 Institute erhielten ein Qualitätszertifikat. Initial bestand das Problem, dass die zur Verfügung stehenden ALK-Antikörper für die Lymphom-Diagnostik etabliert wurden, die ALK-Expressionslevel im NSCLC jedoch deutlich geringer sind. Zwischenzeitlich wurde jedoch ein offenbar sensitiverer Antikörper entwickelt [23], welcher nun auch kommerziell erhältlich ist. Prinzipiell besteht auch nach unseren eigenen Erfahrungen eine hohe Konkordanz zwischen ALK-Translokationen und der immunhistochemisch nachweisbaren ALK-Expression [3] [6] [19].

Tab. 1

Vergleich verschiedener Labormethoden zum Nachweis einer EML4-ALK Translokation.


Immunhistochemie

FISH

RT-PCR

Vorteile

  • kostengünstig

  • einfach auszuwerten

  • überall verfügbar

  • Goldstandard in bisherigen Studien

  • gute Sonden verfügbar (FDA approved)

  • kostengünstig

  • spezifischer Nachweis ggf. auch bei wenig Tumormaterial möglich

Nachteile

  • geringe Sensitivität einiger Antikörper, ggf. in einzelnen Fällen negativ, weitere Validierung erforderlich

  • kein etabliertes Scoring-System

  • Ansprechen positiver Fälle auf ALK-Inhibitoren nicht abschließend geklärt

  • teuer

  • Interpretation schwierig

  • nicht überall verfügbar

  • ggf. nicht überall verfügbar

  • technisch anspruchsvoll

  • nur bekannte EML4-ALK-Varianten und Fusionen mit weiteren Translokationspartnern können nachgewiesen werden

  • keine Studiendaten verfügbar (Ansprechen auf ALK-Inhibitoren)


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Klinik

Patienten mit EML4-ALK-Translokation sind meist jünger und Nichtraucher. Selten besteht eine weitere Mutation wie EGF-R oder KRAS.

Die Halbwertszeit von Crizotinib beträgt ca. 42 h, und die Resorption ist relativ unabhängig von den Mahlzeiten. Bei einer Dosis von 250 mg zweimal täglich ist ein „steady state“ im Plasma nach 15 Tagen erreicht. Die Substanz wird in der Leber über CYP3A4 metabolisiert und ist ein moderater CYP-Inhibitor. Daher die Empfehlung, starke CYP-Induktoren (z. B. Carbamazepin, Phenytoin) und Inhibitoren (z. B. Makrolide, Azole, Grapefruitsaft) zu meiden. Darüber hinaus wurde eine leichte Bradykardie unter Crizotinib ohne QTc-Verlängerung beobachtet, sodass ein EKG unter Substanzen wie Ciprofloxacin empfohlen wurde.

Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Sehstörungen (62 %), Übelkeit (53 %), Durchfall (43 %), Erbrechen (40 %), Ödeme (28 %), Verstopfung (27 %) und Müdigkeit (20 %). Über eine Veränderung der Leberwerte, eine Verlängerung des QT-Intervalls und vereinzelt eine lebensbedrohliche Pneumonitis wurde berichtet.


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Studien

Präklinische Studien wiesen Crizotinib als potenten ALK-Inhibitor aus. Initial zeigte sich jedoch eine Aktivität als c-MET-Inhibitor, der HGF-vermitteltes Endothelzellüberleben, Apoptose und Angiogenese blockierte. Eine stärkere Antitumoraktivität fand sich allerdings bei Zelllinien mit EML4-ALK-Translokation, wobei Zelllinien ohne ALK-Translokation kein Ansprechen auf Crizotinib zeigten.

Ein Reihe von zum Teil noch laufenden klinischen Studien haben vielversprechende Daten zu Crizotinib geliefert [24], sodass die Zulassung im November 2012 auf Grund dieser Ergebnisse durch die EMA in Europa erfolgte.

Die Phase-I-Studie [25] (Profile 1001) untersucht bei ca. 400 Patienten mit ALK-Translokation die Dosiseskalation bei Patienten mit soliden Tumoren. Zuletzt wurden NSCLC-Patienten eingeschlossen mit einer Dosis von 250 mg zweimal täglich. In der Phase-II-Studie (Profile 1005) wurden ebenfalls über 400 Patienten mit vorbehandeltem NSCLC untersucht, die ALK-FISH-positiv waren. Hier wurde ebenfalls eine Dosis von 250 mg zweimal täglich verwendet. Beide Studien zeigten eine Ansprechrate von 60 bzw. 53 %. Das progressionsfreie Überleben betrug 9,2 beziehungsweise 8,5 Monate.

Die beiden Phase-III-Studien untersuchen Crizotinib versus Pemetrexed bzw. Docetaxel bei vorbehandelten Patienten (Profile 1007) bzw. in der ersten Linie versus Platin/Pemetrexed (Profile 1014). In beiden Studien wurden über 300 Patienten eingeschlossen. Erste Ergebnisse wurden beim ESMO 2012 präsentiert und zeigen einen Vorteil für Crizotinib mit einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens auf 7,7 Monate im Vergleich zu 3,0 Monaten im Pemetrexed- bzw. Docetaxel-Arm (HR 0.49; p < 0.0001). Die Ansprechrate war ebenfalls höher mit Crizotinib (65 % vs 20 %; p < 0.0001).


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Therapieversagen

Bei einem durchschnittlichen Ansprechen auf Crizotinib von ca. 8 – 9 Monaten stellt sich die Frage, warum dieser Effekt nicht länger aufrechtzuerhalten ist. Ähnlich wie bei der EGF-R-Mutation scheint es hier genetische Veränderungen zu geben, die einen Resistenzmechanismus vermitteln und über die Mutation von C1156Y und L1196 M in ALK zu einer reduzierten Wirksamkeit von Crizotinib führen [18] [26] [27] [28] [29]. Möglicherweise werden ALK-Inhibitoren der nächsten Generation, die jetzt in Entwicklung sind, hier eine höhere Aktivität haben. Darüber hinaus gibt es Daten zur Veränderung des Tumorgenoms bei Patienten, die unter Crizotinib progredient werden und neue Mutationen, wie z. B. EGF-R-Mutation, erwerben bzw. die ALK-Translokation verlieren. Somit kann also bei Progress unter Crizotinib im Rahmen von Studien eine erneute Biopsie mit Evaluation der Mutationen erforderlich sein, um weitere Therapieoptionen zu erhalten.

Fazit

Zusammenfassend ist der ALK/c-MET-Inhibitor Crizotinib bei vorbehandelten NSCLC-Patienten mit einer Translokation von EML4-ALK der zweite zugelassene zielgerichtete molekulare Therapieansatz beim fortgeschrittenen NSCLC. Eine enge Kooperation mit dem Pathologen ist erforderlich, um eine qualitativ hochwertige und schnelle Diagnostik zu ermöglichen.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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