Aktuelle Dermatologie 2013; 39(03): 95-97
DOI: 10.1055/s-0032-1326395
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

60 Jahre Berufsverband der Deutschen Dermatologen: Vom lokalen Hilfsverein an die Schaltstellen der Gesundheitspolitik

60 Years Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD): From Local Self-help to Nationwide Advocacy
R. Blumenthal
Berufsverband der Deutschen Dermatologen
,
W. Hardt
Berufsverband der Deutschen Dermatologen
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Korrespondenzadresse

Ralf Blumenthal
Berufsverband der Deutschen Dermatologen
Wilhelmstraße 46
53879 Euskirchen

Publication History

Publication Date:
25 March 2013 (online)

 

    Am 1. November 1952 – dem Feiertag Allerheiligen – wird in Köln der Verband der niedergelassenen Dermatologen Deutschlands gegründet. Die Initiative ging von der Interessengemeinschaft der Dermatologen des Regierungsbezirks Köln aus – zwecks Wahrung ihrer wirtschaftlichen Belange. Es war die Initialzündung zu einem bundesweiten Zusammenschluss, der heute als „Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V.“ an den Schaltstellen der Gesundheitspolitik angekommen ist.

    Die Gründungsversammlung war gut vorbereitet. Man hatte bundesweit eingeladen. Selbst von der „Insel Berlin“ waren Hautarztkollegen an den Rhein gekommen, „um Fragen zu besprechen, die für die wirtschaftliche Zukunft aller praktizierenden Fachkollegen von grundlegender Bedeutung sind“, berichtet der zum ersten Vorsitzenden gewählte Dr. Georg Bonk aus Köln 14 Monate später in der Erstausgabe des „Mitteilungsblatts des Verbandes“.

    Im Vordergrund stand von Anfang an und vorrangig die kollektive Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der niedergelassenen Hautärztinnen und Hautärzte: zum einen in der ärztlichen Selbstverwaltung, zum anderen gegenüber den Krankenkassen. Konkreter Anlass für die Gründung war die vom Gesetzgeber betriebene Ausweitung der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht und die damit verbundene wachsende regulative Bedeutung der Kassenärztlichen Vereinigungen.

    Nach damaligen statistischen Angaben gab es 1952 im Bundesgebiet (West) etwa 30 156 Vertragsärzte mit einer Kassenzulassung, darunter 1216 Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten.

    Bonk vertrat in der Gründungsversammlung in Köln mit Nachdruck den Anspruch der Dermatologie, als Organfach zu gelten – mit konkreten Konsequenzen: Haut- oder geschlechtskranke Patienten sollten auch in Zukunft den direkten Zugang zum Dermatologen behalten. Damit wandte sich der Kölner Hautarzt zugleich gegen Bestrebungen, angesichts der Häufigkeit dieser Erkrankungen, durch Fortbildungskurse „Vertreter anderer Arztgruppen zu Hauttherapeuten zu erziehen“.

    Die Therapie des dermatologischen Facharztes sei preisgünstiger als die Fehlversorgung durch weniger fachkundige Ärzte. Oft werde auch das Schädigungspotenzial unterschätzt und durch die Fehlbehandlung eine Allergie ausgelöst, lauteten damals wie heute die Argumente.

    In der Konsequenz beanspruchte der junge Hautärzteverband von Anfang an auch die Versorgung der Patienten mit beruflich bedingten Hauterkrankungen. Hier gelte es „an die Betriebsärzte verlorengegangenes Terrain“ zurückzugewinnen.

    Wirtschaftlich sahen sich die Dermatologen zum einen durch einen ungeregelten Zustrom des Medizinernachwuchses aus den Kliniken in die Niederlassung bedroht. Andererseits fürchtete man, ohne berufspolitisch eigenständige Interessenvertretung bei den laufenden Verhandlungen auf KV-Ebene über eine geplante neue Gebührenordnung unter die Räder zu kommen.

    Bald nach der Gründung legte der junge Berufsverband in den laufenden Auseinandersetzungen über die neue Gebührenordnung einen eigenen Entwurf mit 150 Einzelleistungen und einem eigenen Kapitel zur Röntgentherapie der Haut vor. Demnach sollte die Eingangsuntersuchung inklusive „Ursachenforschung“ und „Arbeitsplatzbesichtigung“, bei Geschlechtskrankheiten samt „Quellenforschung“ und „Heilsplan“, jeweils mit 8 DM vergütet werden. Der Eck-Stundenlohn für Facharbeiter betrug damals 1,66 DM. Zum Vergleich: Heute erhalten Dermatologen bundesweit für die gesamte Regelversorgung eines Kassenversicherten im Quartal 11 bis 13 Euro, für die Eingangsuntersuchung eines Privatpatienten rund 22 Euro. Auf dem Bau bekommt ein Baumaschinen-Fachmeister aktuell einen Tarifstundenlohn von 19,17 Euro.

    Von Anfang an war der junge Verband föderal angelegt. 1954 veröffentlichte das Leitungskollegium im Mitteilungsblatt des Vereins einen Plan zum „Aufbau des Verbandes“, der praktisch die Bezirksstellenstruktur der Kassenärztlichen Vereinigungen in jener Zeit darstellt. Das Konzept war äußerst erfolgreich. Schon 1954 waren rund 700 der insgesamt 1216 vertragsärztlich tätigen Hautärzte in ihrem Berufsverband organisiert, heute sind es annähernd 3500, was einem Organisationsgrad von knapp 96 Prozent entspricht.

    25 Jahre nach seiner Gründung ändert der „Verband der niedergelassenen Dermatologen Deutschlands e. V.“ im Jahr 1977 seine Satzung. Mit der Umbenennung zum „Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V.“ erhalten alle in der Bundesrepublik und in West-Berlin ansässigen Hautärzte die Möglichkeit, als ordentliche Mitglieder beizutreten, auch die klinisch tätigen Dermatologen. „Mit dem politischen und berufspolitischen Gewicht der gesamten Facharztgruppe unterstützt und fördert der Verband die klinischen Ausbildungsstätten und tritt für ihre bestmögliche materielle und personelle Ausstattung ein“, erläutert der damalige Vorsitzende, Dr. Karl-Heinz Böcker, diesen Schritt und ruft die „Noch-Nichtmitglieder“ zum Eintritt auf ([Abb. 1], [Abb. 2]).

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    Abb. 1 Der BVDD und seine Mitglieder gehen, wenn nötig, auch auf die Straße, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen. Das Foto zeigt Hautärzte und ihre Mitarbeiter/innen auf der ersten zentralen Ärzteprotestkundgebung in der Amtszeit von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt 2005 in Berlin.
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    Abb. 2 Der Vorstand des BVDD sucht immer wieder das Gespräch mit gesundheitspolitisch Verantwortlichen, wenn es darum geht, das Leistungsspektrum der Fachgruppe in den gesetzlichen Rahmenbedingungen besser abzubilden. Im Bild: Dr. Michael Reusch und Dr. Erich Schubert im Gespräch mit dem KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Köhler.

    Im Zuge dieser epochemachenden Neuausrichtung erhält auch das „Mitteilungsblatt“ des Verbandes einen neuen Namen. Das Verbandsorgan „Der Deutsche Dermatologe“ erscheint von nun an monatlich.

    Epochemachend sind für die Mitgliederentwicklung schließlich das Jahr der Wende 1989 und der Fall der Mauer. Binnen zwei Jahren gewinnt der Berufsverband mehr als eintausend Mitglieder hinzu. In der Phase des Übergangs ist seine Unterstützung beim Aufbau eigenständiger Facharztpraxen und KV-Strukturen gefordert. Im dritten Jahrzehnt nach Gründung wächst nun endlich zusammen, was für die Gründer des Verbandes 1952 schon immer zusammengehört hat.

    Parallel zur steigenden Zahl der Mitglieder entwickelt sich der Berufsverband zu einem machtvollen Instrument der Berufspolitik. Dies verdeutlicht auch der zwischenzeitliche Umzug des Verbandes nach Berlin in eine gemeinsame Geschäftsstelle mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) – ganz in der Nähe der wichtigsten Schauplätze der Gesundheitspolitik. Damit einher geht eine zunehmende Professionalisierung der Verbandsstrukturen.

    Zu den Erfolgen zählt die Gründung der Deutschen Dermatologischen Akademie 1999 gemeinsam mit der DDG, die flächendeckende Einführung von Qualitätszirkeln, die intensive Leitlinienarbeit mit der DDG, aus der die S3-Leitlinien zur Psoriasis und zum malignen Melanom hervorgegangen sind, und nicht zuletzt die Gründung des Competenzzentrums für Versorgungsforschung in der Dermatologie ([Abb. 3]).

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    Abb. 3 DDA-Chipkarte und Barcode erleichtern die Registrierung der erfolgreichen dermatologischen Fortbildung.

    Darauf verwies der amtierende Präsident Dr. Michael Reusch auf der Jubiläumsfeier zum 60-jährigen Verbandsbestehen. Sein Vortrag machte aber zugleich deutlich, dass die Dermatologie auch heute noch mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen hat wie in den 50er-Jahren. Die Selbstbehauptung im Konzert der übrigen Facharztgruppen ist ein Dauerthema geblieben. „Wir sind das Fach der langen Grenzen, das von anderer Seite auch gerne mitbehandelt wird“, erklärte Reusch. Umso wichtiger sei es, unermüdlich die Leistungsfähigkeit des eigenen Faches herauszustellen.

    Welche Früchte dies tragen kann, betonte Festredner Dr. Rainer Hess, ehemaliger Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der hervorhob, dass es vor allem den von BVDD und DDG initiierten Studien zu verdanken sei, dass die Mitglieder der Fachgruppe heute die ambulante Balneo-Phototherapie und das Hautkrebsscreening als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen und abrechnen können. Hess hatte mit der Verbandsleitung im Vorfeld dieser Weichenstellungen über viele Jahre in Kontakt und Gedankenaustausch gestanden ([Abb. 4]).

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    Abb. 4 Beim Festakt in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung stand der Gedankenaustausch mit Verantwortlichen aus dem Gesundheitswesen im Mittelpunkt. Im Bild (von rechts nach links): BVDD-Präsident Dr. Michael Reusch, Bundesärztekammer-Präsident Prof. Frank. U. Montgomery, Gesundheitsökonom Prof. Gerd Glaeske, der unabhängige Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses a. D., Dr. Rainer Hess, DDG-Präsident Dr. Rudolf Stadler, BVDD-Vizepräsident Dr. Klaus Strömer und der Leiter des Centrums für Versorgungsforschung in der Dermatologie, Prof. Matthias Augustin.

    Die Einführung des Hautkrebsscreenings hat das Fach nicht nur in der Onkologie gestärkt, sondern auch zusammen mit der Vergütung der qualitätsgesicherten Operationen die Grundlage für die wirtschaftliche Stabilisierung dermatologischer Praxen geschaffen ([Abb. 5]).

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    Abb. 5 Mit der Euromelanoma-Kampagne klären der BVDD und seine Mitglieder alljährlich in einer bundesweiten Aktionswoche über Hautkrebsrisiken und die nötige Früherkennung von Hauttumoren auf. Das Thema stößt – wie hier bei der Auftaktpressekonferenz – bei den Medien bundesweit auf großes Interesse.

    Heute stehen die Fachgruppe und damit auch der BVDD vor neuen Herausforderungen. Angesichts der demografischen Entwicklung und der anhaltenden Ausdifferenzierung der Medizin und angesichts des weiterhin rasanten Fortschritts. Dem Zuwachs an älteren und hochbetagten Mitbürgern steht eine sinkende Zahl an dermatologisch qualifizierten Fachärzten gegenüber. Neue Formen der Zusammenarbeit und deutlich familienfreundlichere Formen der Arbeitszeitorganisation sind in Zukunft gefordert.

    Die Jubiläumsfeier hielt sich bewusst nicht mit der Feier verflossener Erfolge auf, sondern richtete den Blick nach vorne. Der Festakt fand übrigens, anders als die Gründungsversammlung, nicht in Köln statt, sondern in der Geschäftsstelle in Berlin, in den Räumen der Kaiserin-Friedrich-Stiftung – an einem Ort, den sich der Gründerpräsident Dr. Georg Bonk sicher nicht hätte träumen lassen.


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    Ralf Blumenthal
    Berufsverband der Deutschen Dermatologen
    Wilhelmstraße 46
    53879 Euskirchen


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    Abb. 1 Der BVDD und seine Mitglieder gehen, wenn nötig, auch auf die Straße, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen. Das Foto zeigt Hautärzte und ihre Mitarbeiter/innen auf der ersten zentralen Ärzteprotestkundgebung in der Amtszeit von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt 2005 in Berlin.
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    Abb. 2 Der Vorstand des BVDD sucht immer wieder das Gespräch mit gesundheitspolitisch Verantwortlichen, wenn es darum geht, das Leistungsspektrum der Fachgruppe in den gesetzlichen Rahmenbedingungen besser abzubilden. Im Bild: Dr. Michael Reusch und Dr. Erich Schubert im Gespräch mit dem KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Köhler.
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    Abb. 3 DDA-Chipkarte und Barcode erleichtern die Registrierung der erfolgreichen dermatologischen Fortbildung.
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    Abb. 4 Beim Festakt in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung stand der Gedankenaustausch mit Verantwortlichen aus dem Gesundheitswesen im Mittelpunkt. Im Bild (von rechts nach links): BVDD-Präsident Dr. Michael Reusch, Bundesärztekammer-Präsident Prof. Frank. U. Montgomery, Gesundheitsökonom Prof. Gerd Glaeske, der unabhängige Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses a. D., Dr. Rainer Hess, DDG-Präsident Dr. Rudolf Stadler, BVDD-Vizepräsident Dr. Klaus Strömer und der Leiter des Centrums für Versorgungsforschung in der Dermatologie, Prof. Matthias Augustin.
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    Abb. 5 Mit der Euromelanoma-Kampagne klären der BVDD und seine Mitglieder alljährlich in einer bundesweiten Aktionswoche über Hautkrebsrisiken und die nötige Früherkennung von Hauttumoren auf. Das Thema stößt – wie hier bei der Auftaktpressekonferenz – bei den Medien bundesweit auf großes Interesse.