Die Medici sind eine der berühmtesten Familien Italiens. Aus dem Bankhaus des Giovanni
Bicci de’ Medici gingen zwei, jeweils wieder weit verzweigte Linien hervor, die ältere,
die vorwiegend im 15. Jh. hoch blühte, und die jüngere, die seit dem 16. Jh. führend
war ([
Abb. 1
]). Sie residierten in Florenz und sie stellten drei Jahrhunderte lang die Herrscher
über das Herzogtum Toskana sowie zwei Päpste und zudem zwei Königinnen. Ihr Name ist
eng verbunden mit der Renaissance, mit Macht, Reichtum und Intrige, aber auch mit
der Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Galileo Galilei genoss ihre Unterstützung,
aber auch die Universität und die Stadt Florenz, welcher die gesamte Kunstsammlung
der Medici von deren letzten Repräsentantin Anna Maria Luise, Kurfürstin von der Pfalz,
1743 bei ihrem Ableben „insgesamt und für immer“ vermacht wurde. Seit jeher ranken
sich viele Mythen und Geschichten um diese Familie, um die Intrigen, die Todesfälle
und nicht zuletzt auch um die Krankheiten, die sich in der Familie angereichert finden.
Abb. 1 Stammbaum der alten Linie der Familie Medici aus Florenz [3].
Während des 2. Weltkrieges waren die Medici-Gräber ausgelagert und blieben unbeschädigt.
Vor der erneuten Grablege untersuchte eine Gruppe Anthropologen der Universität Florenz
Teile der Särge und konnte aufgrund der gefertigten Röntgenbilder den vorherrschenden
Mythos einer Gichtfamilie ernsthaft in Zweifel ziehen [1].
Im Jahre 1966 überflutete der Arno Florenz und damit auch die Basilica San Lorenzo,
Grabeskirche der Medici. Hilfe war nötig. Deshalb wurde die Grablege teilweise eröffnet,
getrocknet und neu konserviert. 2004 wurde die Erlaubnis erteilt zur Eröffnung einzelner
Gräber und zur Untersuchung derer Inhalte. Dies erfolgte im sog. Medici-Projekt, in
welchem Orthopäden, Rheumatologen und Medizinhistoriker der Universitäten Florenz
und Sydney (Australien) sich zusammenfanden.
Seit 2010 erfolgt zudem eine Kooperation mit dem „German-Mummy-Project (GMP)“ der
Reiss-Engelhorn-Museen (REM) in Mannheim. Darauf basiert die Sonderausstellung „Die
Medici, Menschen, Macht und Leidenschaft“, die von Mitte Februar bis Ende Juli 2013
in Mannheim zu sehen ist [2]. Ein kleiner, aber bemerkenswerter Teil dieser Ausstellung stellt die neuesten Befunde
zum sog. „Medici-Syndrom“ vor und wagt eine erste Wertung der neuen, vorwiegend osteologischen
Aspekte. Diese sind in der rheumatologischen Fachliteratur schon präsentiert [3] und sollen nun auch uns Dermatologen nahe gebracht werden.
Die Befunde
In der älteren, bekannteren und auch mächtigeren Linie der Medici sind in den ersten
drei von sechs Generationen insgesamt vier befallene Personen bekannt, bei welchen
die chronisch rezidivierende Polyarthritis nachgewiesen und Hautbefall beschrieben
ist. Es sind dies:
Cosimo der Ältere (1389 – 1464), zwei seiner drei Söhne, Piero der Gichtige (1418 – 1469) und Giovanni di Cosimo (1421 – 1463), sowie der ältere der zwei Söhne von Piero, nämlich Lorenzo der Prächtige (1449 – 1492). Bei allen Vieren traten im Erwachsenenalter multiple Gelenkbeschwerden
auf mit radiologisch nachweisbaren Mutilationen, Ankylosen, Ossifikationen und Fehlstellungen.
Radiologisch konnten die Befunde mit dem Score 3 für Arthritis psoriatica nach CASPAR
[4] als signifikant klassiert werden [3]. Beschrieben sind die entsprechenden akuten Schmerzen, die einer multilokulären
(Hände, Finger und Beine), peripheren Arthropathie mit chronisch rezidivierendem Verlauf
entsprechen. Zudem sind zentrale Veränderungen der Wirbelsäule radiologisch dokumentiert,
die solchen einer Psoriasis arthropathica vom zentralen Typ entsprechen und ähnlich
sind wie bei der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew).
Die Diagnose basiert also auf reichlichen Evidenzen, zumal eine Gicht radiologisch
ausgeschlossen werden kann [1] und keine Anhaltspunkte vorliegen für eine parainfektiöse Arthropathie (Morbus Reiter,
Morbus Crohn u. a.). Serologische Befunde oder Typisierungen liegen allerdings nicht
vor.
Bei alle Vieren werden auch schuppende, krustöse („rogna, eczema“) und teils juckende
Hautveränderungen beschrieben. Diese traten ebenfalls erst im Erwachsenenalter auf,
zumeist sogar später als die Gelenkschmerzen erstmals beschrieben werden. Diese Beschreibungen
umfassen alle entzündlichen, schuppenden Hautkrankheiten, also auch die Psoriasis,
die allerdings damals noch nicht als eigene Krankheit mit charakteristischer Morphologie
abgegrenzt werden konnte. Ausgeschlossen werden kann in unseren Fällen die Krätze,
die, damals schon bekannt, charakteristisch beschrieben und als „rognoso“ bezeichnet
wurde.
In den nachfolgenden drei Generationen der alten Medici-Linie erscheinen zwar gelegentlich
Befunde, die aber keine Diagnose oder gar eine diagnostische Zuordnung erlauben. Eine
Einordnung als „Teilsymptomatik“ oder „incomplete syndrome“ bleibt spekulativ.
Zusammenfassend findet sich bei allen Vieren das typische Bild der Psoriasis-Artritis,
die auffälligerweise sowohl den peripheren als auch den zentralen Typ der Arthropathie
vereinigt. Der Erbgang erscheint autosomal dominant und umfasst vier Männer. Ob dieser
Befund aussagekräftig ist, erscheint fraglich infolge einer „zeitgenössischen Interessantheitsauslese“
sowohl bei der Grablege wie bei der Dokumentation.
In der jüngeren und umfangreicheren Medici-Linie tritt eine massive Polyarthropathie
nur noch einmal auf, und zwar ein Jahrhundert später bei Carlo di Fernando I (1596 – 1666). Dies ist gut dokumentiert [5]
[6]. Als Geburtsfehler besteht ein Schiefhals, der radiologisch als Missbildung der
HWS (Doppelwirbel) mit Kieferanomalie als Klippel-Feil-Syndrom diagnostizert werden
konnte. Dies ist und bleibt unbestritten.
Dem Archiv wird entnommen, dass er im Alter von 8 Jahren eine Tuberkulose durchmachte.
Unabhängig davon wird im 14. Lebensjahr das Auftreten von schuppenden, teils nässenden
Hautveränderungen an Kopf, Hals und Schultern beschrieben, die nach einem Halsinfekt
(„Catharr“) auftraten. Unschwer wäre solches als infektprovozierte Erstmanifestation
der Psoriasis zu deuten. Ab dem 24. Lebensjahr wird mehrfach von juckenden „Ekzemen“
berichtet und Besserung durch Balneotherapie.
Auch ab dem 24. Lebensjahr mehren sich Berichte über eine massiv progrediente Polyarthritis
vieler Gelenke an Armen und Beinen, die in Schüben verläuft, mit enormen Schmerzen
und zunehmenden Entstellungen, Funktionseinbußen und Versteifungen. Im Alter war er
immobilisiert und konnte nicht einmal mehr von Hand unterschreiben.
Die bildgebenden Untersuchungen bestätigen das angeborene Klippel-Feil-Syndrom. An
der Brustwirbelsäule werden blockartige Versteifungen gefunden, die auf die als Kind
durchgemachte Tuberkulose zurückgeführt werden. Auch die periphere Polyarthritis wird
zweifelsfrei als solche bestätigt. Während aber der australische Rheumatologe G. M.
Weisz diese in Analogie zu den Vorbefunden in der alten Medici-Linie als psoriatische
Arthropathie deutet [5], kommen die Onkologen um G. Fornaciari der Medizinischen Fakultät der Universität
Pisa aufgrund molekularbiologischer Ergänzungen zum Schluss, dass eher eine rheumatische
Polyarthritis vorlag und keine psoriatische [7]. Demnach ist eine Analogie zu den zuvor beschriebenen Fällen der alten Linie unwahrscheinlich.
Die Autoren haben anhand von steril entnommenem Material aus einer Rippe molekularbiologische
Untersuchungen mit „PCR-SSP assay“ und „HLA genotyping“ vorgenommen. Die durchgemachte
Tuberkulose konnte bestätigt werden. Nachgewiesen wurde die DR4-Variante und nicht
Cw6, was eine Disposition für die rheumatoide Arthritis nahelegt und nicht eine solche
für Psoriasis arthropathica. Die beiden Publikationen sind pikanterweise im selben
Heft erschienen, direkt nacheinander.
Bewertung
Das Medici-Syndrom als Psoriasis arthropathica mit sowohl peripheren als auch zentralen
polyarthritischen Veränderungen scheint infolge reichlicher Evidenzen naheliegend.
Bei aller Vorsicht mit retrograden Diagnoseversuchen kann diese Zuordnung als sehr
wahrscheinlich festgehalten werden. Sie basiert auf vier auffallend ähnlich verlaufenden
Krankheitsgeschichten in direkter Linie durch drei Generationen der sog. „Alten Medici-Linie“
und sie stirbt mit dieser nach sechs Generationen aus. Ein solitärer Verdachtsfall
bei Carlo di Ferdinando I de’ Medici zeigt zwar einige Analogien, kann aber aufgrund
unklarer Hautbefunde und der serologischen Typisierung nicht als Psoriasis arthropathica
gewertet werden. Die größere, neue Medici-Linie ist also nach dem jetzigen Stand des
Wissens frei von Trägern des „Medici-Syndroms“. Dieses ist demnach auf die alte Linie
beschränkt, in welcher es dominant übertragen wird. Man kann sich fragen, ob es, in
Anbetracht der weit umfangreicheren, aber freien neuen Linie, tatsächlich aus der
gemeinsamen Medici-Vergangenheit über den Ahnherren Giovanni di Bicci de’ Medici stammt
oder möglicherweise aus derjenigen seiner Gattin, der Piccarda Bueri, die er 1386
heiratete.
Die Psoriasis ist eine häufige, polygene und multifaktorielle erbliche Hautkrankheit.
Mindestens neun Gene sind bekannt, welche die psoriatische Disposition ausmachen.
Eine starke Koppelung besteht mit HLA-Cw6. Dazu kommen Realisationsfaktoren exogener
Art.
2 – 3 % der europäischen Bevölkerung sind betroffen. 20 % der Psoriatiker haben zusätzlich
eine Polyarthritis vom peripheren oder zentralen, axialen Typ. Haut- und Gelenkbefall
können synchron oder zeitlich versetzt manifestieren.
Man unterscheidet bei der Psoriasis den schweren Verlaufstyp 1 mit deutlicher intrafamiliärer
Häufung und früher Erstmanifestation vom Typ 2 mit leichtem und späterem Befall. Der
schwere Typ ist häufiger, ca. 70 % aller Fälle, und beinhaltet auch die Patienten
mit Komplikationsformen des sog. Metabolischen Syndroms, also Herz-Kreislauf-Erkankungen,
Hochdruck, Obesitas, Leberstörungen und Diabetes [8]. Diesem Typ sind auch die meisten Patientenfamilien mit Psoriasis arthropathica
zuzuordnen. Es ist schwierig zu werten, inwieweit spezielle Gene diese besonderen
Ausprägungen, Arthropathie oder Metabolisches Syndrom, bedingen und wie stark exogene
Belastungen dazu beitragen. Die Psoriasis selbst beeinflusst als chronische, spürbare
und sichtbare Hautkrankheit auch das psychosoziale Befinden der Betroffenen und führt
zu reaktiven Verhaltensmustern. Besonders hingewiesen wird regelmäßig auf die Absonderung,
ja Trennung der Psoriatiker von den Mitmenschen und, in sich steigernden Wechselwirkungen,
auch durch den Patienten selbst. Diese Einsamkeit durchwirkt alle Bereiche; Familie,
Partnerschaft, Sport, Beruf und Freizeit. Die Folge sind Essstörungen und übermäßiger
Genuss von Alkohol, Medikamenten und auch Drogen, was wiederum das Metabolische Syndrom
befördert.
Andererseits wurden bei Psoriatikern, im Vergleich zu je einer Kontrollgruppe von
Neurotikern und von Gesunden, mittels Fragebogen zur Persönlichkeitsstruktur und in
halboffenen Interviews zur Lebensführung recht deutliche Unterschiede herausgearbeitet
[9]. Die Psoriatiker imponieren durch Selbstsicherheit und Tatenlust, sind aufgeschlossen
und zugänglich. Andererseits sind sie oft gelassen, was auch zu Isolation und Verwahrlosung
führen kann. Auch hier ist schwer zu entscheiden, was zum speziellen polygenen Spektrum
gehört und wie viel der ständigen Herausforderung durch Psoriasis und Behandlung zugemessen
werden kann. Man denkt an Induktion oder Schulung positiver Bewältigungsstrategien
anhand der Krankheit als Vorteil zum Bestehen kommender Herausforderungen aller Arten.
Bei der Häufigkeit der Psoriasis ist es klar, dass auch prominente Personen aller
Prägungen, auch in Politik, Sport, Kunst und Kultur, mit Psoriasis geschlagen sind.
Deren Schicksale werden bekannt durch Berichte aller Arten oder durch Selbstdarstellungen
in autobiografischen Eröffnungen. Solches ist eindrücklich von den Kollegen Prof.
Dr. H. Meffert und Frau Dr. E. Rowe dargestellt worden [10]. Der Revolutionär Jean-Paul Marat, der Politiker Jossif Stalin und die Sängerin
Zarah Leander werden beispielhaft beschrieben, und auch der „autobiografische Aufschrei“
des Schriftstellers John Updike. Prominenten Personen kommen Selbstsicherheit und
Tatenlust sehr zugute, wenn diese Eigenschaften nicht sogar unabdingbar sind, und
eine drohende Isolation des Psoriatikers geht unter in derjenigen des Prominenten,
die er sowieso nicht verhindern kann.
Dazu gehört und passt nun auch die alte Linie der Familie Medici mit der Psoriasis
arthropathica, eben dem Medici-Syndrom. Die Eigenheiten des Psoriatikers gedeihen
zum Vorteil in der fürstlichen Stellung und eine gewisse Isolation kam den damaligen
Fürsten zu. Sie wurde aber eingegrenzt und geregelt durch die höfische Ordnung mit
Gepflogenheiten, die in der Regel stärker wirkten, also individuelle Nöte oder Eskapaden.
Die Führungspersonen der Medici, insbesondere die vier mit Psoriasis arthropathica
befallenen, kamen ihren Fürstenpflichten sogar mit besonderer Stärke nach und stellten
sich der Öffentlichkeit in gebotener Weise. Ihnen kann auch das spätere Aussterben
der alten Medici-Linie nicht angelastet werden. Sie waren fruchtbar und zeugten Nachwuchs.