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DOI: 10.1055/s-0032-1326492
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Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. Mai 2013 (online)
Pneumologie 2012; 66: 645 – 649
Ich danke Herrn Dr. Pommer für seinen Leserbrief, der aufzeigt, wie schwierig die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und der Wissenschaft aufgrund möglicher Interessenkonflikte geworden ist.
Hintergrund für diese Untersuchung waren Ergebnisse populationsbezogener epidemiologischer Untersuchungen [1], die belegten, dass fast die Hälfte aller durch eine Spirometrie bestätigten manifesten Atemwegsobstruktionen nicht diagnostiziert worden waren, obwohl die Patienten wegen typischer Symptome (Husten und Auswurf) einen Arzt aufgesucht hatten. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Lungenfunktionsdiagnostik mittels Spirometrie nicht zur Basisausstattung einer Allgemeinarztpraxis in Deutschland gehört. Qualitativ hochwertige Lungenfunktionsuntersuchungen fordern ein gut geschultes Personal und gehen mit einem nennenswerten zeitlichen Aufwand einher, der durch die Kostenträger nicht oder nur teilweise erstattet wird.
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Eine diagnostische Abklärung aller Patienten mit Luftnot und Husten durch einen Facharzt scheint aufgrund der hohen Zahl an Patienten mit dieser Symptomatik unmöglich. Bei einer Prävalenz alleine der moderaten und schweren COPD von knapp 7 % bei Menschen über 40 Jahren in Deutschland, was etwas mehr als 3 Millionen Patienten mit dieser Diagnose entspricht, kann nicht einmal jeder Patient, geschweige denn jeder Verdachtsfall auch nur einmal fachärztlich betreut werden. Die Entwicklung und Etablierung eines einfach durchzuführenden und zuverlässigen Lungenfunktionstest für die hausärztliche Praxis ist daher von Interesse. Auf diesem Hintergrund wurde ein Lungenfunktions-Schnellmessgerät (Vitalograph copd-6™) im Praxisalltag geprüft. Die Studie belegte, dass die Durchführung von Untersuchungen mit dem Schnellmessgerät im Praxisalltag durchführbar ist. In 83,3 % der Patienten mit den klinischen Symptomen Luftnot und Husten konnte eine COPD ausgeschlossen werden. Dies entbindet den niedergelassenen Hausarzt nicht von der Verpflichtung, weitere differenzialdiagnostische Untersuchungen durchzuführen, wie es der guten ärztlichen Praxis entspricht, einen Grund für die von Dr. Pommer vermutete Unterlassung notwendiger ärztlicher Diagnostik aufgrund der Lungenfunktionsmessung kann ich nicht erkennen.
Die hier vorgelegte Untersuchung war eine reine Diagnostikstudie. Die niedergelassenen Ärzte wurden nicht dazu angehalten, aufgrund der Diagnostik bestimmte therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere gab es keine Empfehlung zu einer pharmakologischen Therapie. Wie bereits in einer ähnlichen Praxisstudie vorher [2], wurde den niedergelassenen Kollegen nahegelegt, Patienten mit manifester Atemwegsobstruktion fachärztlich abklären zu lassen.
Die Studie wurde dankenswerter Weise von Boehringer Ingelheim finanziell und logistisch unterstützt. Einen direkten Vorteil im Sinne einer Werbung für die Produkte der Firma kann ich nicht feststellen, da ja keine therapeutische Empfehlung gegeben und keine Intervention durchgeführt wurde. Man kann natürlich einen indirekten Vorteil darin sehen, dass die Firma ihren Bekanntheitsgrad und ihr Image durch die Unterstützung der Studie verbessert hat. Es ist im Einzelfall sehr schwierig zu definieren, wo ein möglicher indirekter Interessenkonflikt anfängt und ab wann er zu kennzeichnen ist. Hier sei nur daran erinnert, dass die weltweite Tuberkuloseforschung überwiegend durch die Bill and Melinda Gates Foundation gefördert wird, ohne die es praktisch keine Fortschritte in diesem Feld gäbe. Verbessert Gates dadurch die Verkaufszahlen von Microsoftprodukten, wo doch weltweit jedes Kind seinen Namen mit diesem Unternehmen verbindet?
Wenn Herr Dr. Pommer schreibt, dass die universitären Einrichtungen ihre knappen Budgets durch Kooperationen mit der Industrie aufbessern müssen, muss ich ihm ausdrücklich widersprechen. Die Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft mit dem Ziel, wissenschaftliche Ideen in die Praxis zu überführen und dort zu etablieren, ist eine wesentliche Aufgabe universitärer Arbeit. In den meisten wissenschaftlichen Disziplinen ist das eine Selbstverständlichkeit, ohne dass ich bisher in Publikationen beispielsweise der Ingenieurswissenschaften eine Darstellung eines Interessenkonflikts gefunden hätte. Im Gegenteil kommt in diesen Bereichen sogar die Mehrzahl der Hochschullehrer aus der Industrie und hat zusätzlich zur Hochschullehrertätigkeit weiterhin eine Teilanstellung in der Wirtschaft. Einzig in der Medizin ist die Zusammenarbeit per se einem Korruptionsvorwurf ausgeliefert.
Dieses Problem lässt sich nur lösen – und hier gebe ich Herrn Dr. Pommer ausdrücklich Recht – wenn größtmögliche Transparenz im Hinblick auf Interessenkonflikte geschaffen wird. Das sollte sich dann jedoch nicht alleine auf die Zusammenarbeit mit der pharmakologischen Industrie beschränken. Auch staatliche Förderung birgt Interessenkonflikte in sich, es sei hier nur an das Beispiel des Instituts für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen genannt, das neben einem wissenschaftlichen einen eindeutigen politischen Auftrag hat. Und auch die Mitarbeit in Verlagen, für Tageszeitungen und Zeitschriften stellt einen zumindest indirekten Interessenkonflikt dar. In diesem Sinne unterstütze ich eine maximale Transparenz.
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Literatur
- 1 Geldmacher H, Biller H, Herbst A et al. The prevalence of chronic obstructive pulmonary disease (COPD) in Germany. Results of the BOLD study. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 2609-2614
- 2 Kögler H, Metzdorf N, Glaab T et al. Preselection of patients at risk for COPD by two simple screening questions. Respir Med 2010; 104: 1012-1019
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Literatur
- 1 Geldmacher H, Biller H, Herbst A et al. The prevalence of chronic obstructive pulmonary disease (COPD) in Germany. Results of the BOLD study. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 2609-2614
- 2 Kögler H, Metzdorf N, Glaab T et al. Preselection of patients at risk for COPD by two simple screening questions. Respir Med 2010; 104: 1012-1019