Aktuelle Dermatologie 2013; 39(05): 167-170
DOI: 10.1055/s-0032-1326629
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Alter Wein in neuen Schläuchen

Eine Übersicht über die Neuregelungen des PatientenrechtegesetzesOld Wine in New BottlesAn Overview of the New Legislation on Patients’ Rights
A. Wienke
Kanzlei Wienke & Becker, Köln
,
R. Sailer
Kanzlei Wienke & Becker, Köln
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Korrespondenzadresse

Rechtsanwalt Dr. Albrecht Wienke
Fachanwalt für Medizinrecht
Wienke & Becker – Köln
Sachsenring 6
50677 Köln

Publication History

Publication Date:
23 April 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Seit langem angekündigt und in vielen Punkten bereits im Vorfeld heftig diskutiert – das Patientenrechtegesetz ist seit wenigen Wochen in Kraft und soll nun zu mehr Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung beitragen. Unter anderem enthält das Gesetz ausdrückliche Regelungen zur ärztlichen Aufklärung, Dokumentation, Haftung und Fragen der Beweislastverteilung, z. B. bei groben Behandlungsfehlern. Die Regelungen sind im Wesentlichen nicht neu; die Grundsätze waren auch bislang schon dank einer stark ausdifferenzierten Rechtsprechung zu beachten. Neu sind daher insbesondere administrative Vorschriften wie die Verpflichtung, dem Patienten Abschriften von unterzeichneten Einwilligungserklärungen und Aufklärungsbögen auszuhändigen.


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Abstract

The long awaited and in many points already discussed new legislation on patients’ rights came into force a few weeks ago and should provide more legal security with regard to medical treatment. Among others the laws contain explicit rules regarding medical informed consent, documentation, liability and questions with respect to the burden of proof, e. g., in cases of severe malpractice. The rules are essentially not new, the guiding principles were already known thanks to the strongly differentiated legal precedents. On the other hand, new features are the administrative requirement to provide the patient with copies of signed documents concerning informed consent and information sheets.


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Am 26. Februar 2013 ist das viel diskutierte Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) in Kraft getreten [1]. Ohne Übergangsfristen werden damit die Neuregelungen wirksam und sind von jetzt ab von allen Beteiligten zu beachten. Erklärtes Ziel des Patientenrechtegesetzes ist dabei nach der Gesetzesbegründung der mündige Patient: Ihm sollen mehr Rechte verliehen werden, damit er dem Arzt auf Augenhöhe begegnen kann. Durch das Gesetz sollen die Rechte der Patientinnen und Patienten transparent, rechtssicher und ausgewogen gestaltet und in der Praxis bestehende Vollzugsdefizite abgebaut werden [2]. Die Regelungen sollen damit den Patienten in einem Gesundheitswesen, das sich immer stärker an ökonomischen Gesichtspunkten orientiert, mehr Sicherheit an die Hand geben.

So edel die Motivation des Gesetzgebers auch ist, der tatsächliche Nutzen des Gesetzes bleibt fraglich: Von vielen Seiten wurde während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens bereits darauf hingewiesen, dass die vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Neuregelungen sowohl aus rechtswissenschaftlicher als auch aus zivilprozessualer Sicht nicht erforderlich seien, um den verfolgten Zielsetzungen eines besseren Patientenschutzes gerecht zu werden. Diese Ziele könnten auch bisher schon anhand einer stark ausdifferenzierten Rechtsprechung und allgemeingültiger Rechtssätze gewährleistet werden [3] [4] [5].

Die einzelnen Rechte und Pflichten ergaben sich bisher ungeschrieben aus der Natur des Arzt-Patienten-Verhältnisses und waren durch eine stark ausdifferenzierte Rechtsprechung sowie die einzelnen Berufsordnungen und andere Rechtsvorschriften konkretisiert. Auch bislang war der Arzt daher zur standardgemäßen Behandlung, ordnungsgemäßen Aufklärung und sorgfältigen Dokumentation verpflichtet – mit dem Patientenrechtegesetz werden diese Pflichten nun lediglich in Gesetzesform gegossen. Wirklich neu sind daher hauptsächlich administrative Pflichten des Arztes. Ob sinnvoll oder nicht – es gilt das neue Gesetz nunmehr zu beachten, was zum Anlass genommen werden soll, die wichtigsten Regelungen und die Auswirkungen auf den ärztlichen Alltag vorzustellen:

Anforderungen an die Person des aufklärenden Arztes

Einigen Wirbel gab es im Vorfeld um geplante Änderungen in Bezug auf die Frage, wer den Patienten vor der Behandlung aufklären muss und darf [6]. Nach § 630 e Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist der Arzt verpflichtet, den Patienten vor der Behandlung über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, insbesondere über Art, Umfang, Risiken und Folgen der Behandlung. Insofern schreibt das Gesetz lediglich die auch bislang schon geltenden Anforderungen an die Aufklärung vor und ist daher nicht neu.

Für die Person des aufklärenden Arztes gilt nun § 630 e Abs. 2 BGB: Demnach muss die Aufklärung durch den behandelnden Arzt oder eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme erforderliche Ausbildung verfügt. Bis zuletzt hatte der Gesetzentwurf noch die Befähigung zur Durchführung der Maßnahme vorgesehen. Nach der Gesetzesbegründung soll jedoch die Aufklärung auch durch eine Person erfolgen können, die aufgrund ihrer abgeschlossenen fachlichen Ausbildung die notwendige theoretische Befähigung zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahme erworben hat, auch wenn sie möglicherweise noch nicht das Maß an praktischer Erfahrung aufweist, das für die eigenständige Durchführung der Maßnahme selbst unverzichtbar ist. Durch die geforderte „Ausbildung“ sei nach Auffassung des Gesetzgebers weiterhin sichergestellt, dass die Person über die nötigen Kenntnisse verfügt, um den Patienten umfassend über sämtliche für die Durchführung der Maßnahme wesentlichen Umstände aufzuklären. Die Regelung entspreche den Anforderungen aus der bisherigen Praxis und trage insbesondere den Bedürfnissen des Krankenhausalltags Rechnung, um eine gute medizinische Aufklärung und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit dem vorhandenen ärztlichen Personal zu gewährleisten.

Mit dieser Kehrtwendung im Gesetzgebungsverfahren verlangt der Gesetzgeber damit keinen Facharztstandard bei der ärztlichen Aufklärung; vielmehr reicht es aus, wenn der aufklärende Arzt jedenfalls eine theoretische Befähigung zur Durchführung der vorhergesehenen Maßnahme erworben hat. Zukünftig können also auch entsprechend ausgebildete Assistenzärzte die Aufklärungsgespräche mit den jeweiligen Patientinnen und Patienten durchführen, wie dies bisher in Klinik und Praxis bereits gehandhabt wurde. Diese Regelung ist zu begrüßen, hatte doch der Referentenentwurf vom 16. 01. 2012 noch die Aufklärung durch einen an der Durchführung des Eingriffs Beteiligten vorgesehen [7]. Dies hätte die bislang anerkannte Möglichkeit, das Aufklärungsgespräch an nachgeordnete Ärzte zu delegieren, ausgeschlossen, was in einigen Bereichen schwierig bzw. überhaupt nicht praktisch umsetzbar gewesen wäre [8].


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Aufklärungsbögen müssen dem Patienten ausgehändigt werden

Tatsächlich neu ist die ebenfalls heftig diskutierte Verpflichtung nach § 630 e Abs. 3 BGB, dem Patienten Abschriften von Unterlagen auszuhändigen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat. Dies bedeutet für diejenigen, die vernünftigerweise zum Nachweis der Aufklärung vorgefertigte Aufklärungsbögen verwenden und die Einwilligung des Patienten durch Unterzeichnung dieser Aufklärungsbögen dokumentieren lassen, dass den Patienten zukünftig nach Unterzeichnung der Aufklärungsbögen in einem engen zeitlichen Zusammenhang Kopien der unterzeichneten Unterlagen auszuhändigen sind. Hierbei ist nicht nur die letzte Seite des jeweiligen Aufklärungsbogens, auf dem der Patient unterzeichnet hat, als Kopie auszuhändigen; vielmehr ist der gesamte Aufklärungsbogen dem Patienten in Kopie zur Verfügung zu stellen.

Der Zweck der Regelung besteht darin, die Patienten vor nachträglichen Manipulationen an den Unterlagen zu schützen, mit denen der Arzt regelmäßig im Haftungsprozess die erfolgte Aufklärung nachweist. Zwar kann der Patient von sich aus auf die Aushändigung verzichten, was unbedingt dokumentiert werden sollte. Von vorgefertigten Verzichtserklärungen oder entsprechenden Klauseln in den Aufklärungsbögen sollte jedoch abgesehen werden, da diese den Patienten unangemessen benachteiligen können und daher rechtlich bedenklich sind. Zwar führt die Neuregelung des Patientenrechtegesetzes zu einer enormen Zunahme der ohnehin schon bestehenden Dokumentationsflut in Kliniken und Praxis; dennoch sollten die Neuregelungen ernst genommen werden, da ernsthafte rechtliche Konsequenzen zu befürchten sind:

Für die Wirksamkeit der Einwilligung kommt es nicht darauf an, dass der Patient eine Abschrift erhält, da die Einwilligung auch mündlich erteilt werden kann. Jedoch könnten sich beweisrechtliche Konsequenzen ergeben, die an folgendem Beispiel deutlich werden: Ein Patient behauptet Jahre nach dem Eingriff, dass er nicht über die bei ihm eingetretenen Dauerschäden aufgeklärt worden sei und der Arzt den entsprechenden Eintrag im Aufklärungsbogen nachträglich hinzugefügt habe. Hätte man ihm damals eine Kopie des Aufklärungsbogens ausgehändigt, könne er dies – gegenbeweislich – auch beweisen. Verliert der Patient nun allein aus diesem Grund einen Prozess, könnte sich der Arzt schadensersatzpflichtig machen.

Angesichts zum Teil erheblicher im Raum stehender Schadensersatzforderungen kann also die – gegebenenfalls systematische – Nichtaushändigung von Abschriften der Aufklärungsdokumentation zu erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen führen. Die beweisrechtlichen Konsequenzen im vorliegenden Zusammenhang werden aber letztlich von der Rechtsprechung beantwortet werden müssen. Empfehlenswert ist daher auch, die Aushändigung der Unterlagen in der Krankenakte zu dokumentieren und sich vom Patienten gegenzeichnen zu lassen, um dies im Zweifel auch nachweisen zu können.


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Nachträgliche Eintragungen in der Krankenakte

Eine Neuerung im Zusammenhang mit der grundsätzlich unverändert geltenden Dokumentationspflicht des Arztes betrifft nachträgliche Eintragungen in der Behandlungsdokumentation. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte, wozu auch die Aufklärungsdokumentation zählt, sind nach der Neuregelung des § 630 f Abs. 1 BGB nur noch dann zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt und ersichtlich ist, wann die Änderungen vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Relevant ist die Neuregelung insbesondere bei nachträglichen Eintragungen in der Aufklärungsdokumentation: Werden also in der Aufklärungsdokumentation nach Unterzeichnung durch den Patienten Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen, ist zunächst sicherzustellen, dass der Zeitpunkt der Änderung oder Ergänzung festgehalten wird, was bei einer elektronisch geführten Patientendokumentation durch die verwendete Software in aller Regel sichergestellt wird. Zudem muss der ursprüngliche Inhalt der Aufklärungsdokumentation erkennbar bleiben, falls es zu Korrekturen kommt.


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Wirtschaftliche Aufklärungspflicht

Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des Arztes, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wer letztlich die Behandlungskosten trägt. Die Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung ist daher Sache des Patienten. Da immer mehr Leistungen aus dem Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen werden und vermehrt ärztliche Leistungen „hinzugekauft“ werden können, trifft den Arzt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auch eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht.

Nach § 630 c Abs. 3 BGB sollen Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten schriftlich informiert werden, wenn der Arzt weiß, dass eine vollständige Übernahme der Kosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben. Bei gesetzlich versicherten Patienten bestand diese schriftliche Informationspflicht bereits zuvor und ist auch in den jeweiligen Berufsordnungen enthalten [9]; durch die generelle Neuregelung wird diese Pflicht nun auf alle Patienten – also auch auf Privatpatienten – ausgedehnt. Relevant ist die Aufklärung über anfallende Kosten daher insbesondere bei Individuellen Gesundheitsleistungen (IGel), da diese von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen werden und auch eine Erstattung von privaten Krankenversicherungen häufig mit dem Argument der mangelnden Erforderlichkeit abgelehnt wird. Eine Pflicht zur Nachforschung ergibt sich daraus für den Arzt indes nicht; weiß er jedoch z. B. aus seiner eigenen Erfahrung, dass bestimmte Leistungen bei gewissen Versicherungen schon häufiger zu Abrechnungsproblemen geführt haben, muss er den Patienten vorsorglich darauf schriftlich hinweisen.


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Information über Behandlungsfehler

Nach § 630 c Abs. 2 BGB muss der Arzt künftig den Patienten informieren, wenn für ihn Umstände erkennbar sind, welche die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen können. Die Informationspflicht des Arztes in Bezug auf eigene oder fremde Behandlungsfehler knüpft im Wesentlichen an die bisher schon geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Sie ist Ausdruck der Abwägung zwischen den Interessen des behandelnden Arztes am Schutz seiner Person und dem Interesse des Patienten am Schutz seiner Gesundheit. Auf Fragen des Patienten ist der Arzt daher verpflichtet, wahrheitsgemäß zu antworten, wenn er Umstände erkennt, welche die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, auch wenn er dabei Gefahr läuft, nicht nur einen Behandlungsfehler eines Dritten, sondern auch eigene Fehler offenbaren zu müssen. Eine darüber hinausgehende Recherchepflicht des Arztes zur Abklärung möglicher, für ihn aber nicht erkennbarer Behandlungsfehler besteht hingegen nicht. Fragt der Patient nicht ausdrücklich nach einem Behandlungsfehler, muss der Arzt von sich aus (nur) dann sämtliche Umstände offenbaren, soweit dies zur Abwendung von gesundheitlichen Gefahren für den Patienten erforderlich ist. Eine darüber hinausgehende Informationspflicht besteht allerdings nicht.


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Beweislast beim Behandlungsfehler – Wer muss was beweisen?

Mit den Regelungen zur Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler wurde die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesetzlich verankert. Das bedeutet, dass nach wie vor der Patient Behandlungsfehler, Schaden und ursächliche Verknüpfung nachweisen muss. Eine Umkehr der Beweislast wird dagegen – wie dies bisher auch von der Rechtsprechung zugrunde gelegt wird – beim Vorliegen grober Behandlungsfehler angenommen. Ein grober Behandlungsfehler liegt regelmäßig vor, wenn der behandelnde Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Dies gilt – wie bisher auch schon – auch dann, wenn es der Arzt unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, welches Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre. Gleiches gilt bei (nachgewiesenen) Organisationsfehlern, Hygienemängeln und Fehlern im technisch-apparativen Bereich, welche grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Arztes oder Krankenhauses zugerechnet werden. Eine darüber hinausgehende grundsätzliche Umkehr der Beweislast bei Arzthaftpflichtauseinandersetzungen wird es auch nach den Regelungen des Patientenrechtegesetzes nicht geben. Damit sind die im Vorfeld von der Ärzteschaft befürchteten Änderungen der Beweislast dahingehend, dass grundsätzlich der Arzt beweisen muss, keinen Behandlungsfehler begangen zu haben, (erwartungsgemäß) ausgeblieben. Unverändert gilt auch weiterhin, dass der Arzt den Nachweis für die erfolgte und vollständige Aufklärung erbringen muss, weshalb eine sorgfältige Dokumentation des mündlichen Aufklärungsgesprächs unerlässlich ist.


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Versicherungsrechtliche Neuerungen

Eine Regelung, welche die Ärzteschaft auf den ersten Blick wenig zu berühren scheint, hat es tatsächlich in sich: Nach § 66 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) konnten die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern bisher unterstützen. Durch die gesetzliche Änderung ist das Wort „können“ durch das Wort „sollen“ ersetzt worden. Im Rechtssinne sind die Krankenkassen daher ab sofort verpflichtet, die Versicherten bei der Verfolgung etwaiger Schadenersatzansprüche aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Hieraus ergibt sich ein unmittelbarer Handlungsanspruch der Versicherten gegenüber ihrer Krankenkasse auf Unterstützung bei der Verfolgung etwaiger Schadensersatzansprüche aus Behandlungsfehlern. Einige Versicherungsunternehmen haben diese gesetzliche Änderung bereits zum Anlass genommen, ihr jeweiliges Versicherungsportefeuille zu überprüfen und teilweise umzustrukturieren. Dies hat zu einer ungeahnten Versicherungskonzentration auf dem Markt der Berufshaftpflichtversicherungen für Ärzte geführt. Nur noch wenige Berufshaftpflichtversicherungen sind gewillt, die Risiken aus ärztlichem Berufsversehen zu versichern, was unweigerlich auch Auswirkungen auf die zukünftige Prämiengestaltung haben wird. Zudem ist mit einer nicht unerheblichen Zunahme von angemeldeten Ansprüchen aus angeblichen Behandlungsfehlern zu rechnen.


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Mindeststandards für das Qualitätsmanagement

Die Neuregelung in § 137 Abs. 1 d SGB V verpflichtet den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), Richtlinien über die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement aufzustellen, in denen wesentliche Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit und insbesondere Mindeststandards für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme festgelegt werden. Zu diesen bisher bereits bekannten Neuregelungen tritt in § 135 a Abs. 3 eine datenschutzrechtliche Komponente hinzu, welche den Schutz von Daten aus Fehlermeldesystemen gewährleisten soll. Der Gesetzgeber will mit diesen verschärften Datenschutzregelungen sicherstellen, dass die Meldenden keine rechtlichen Nachteile durch ihre Meldungen befürchten müssen. Der erforderliche Bewusstseinswandel im Umgang mit Fehlern und Risikosituationen in der gesundheitlichen Versorgung werde durch eine klare gesetzliche Regelung unterstützt, welche die Meldenden vor der gegen sie selbst gerichteten Verwendung ihrer Meldungen im Rechtsverkehr schützt.


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Fazit

Wirklich wesentliche Neuregelungen enthält das neue Patientenrechtegesetz nicht – vielmehr wird damit hauptsächlich Altes in neuem Gewand präsentiert. Das Gesetz ist daher auch eher als parteipolitisches Instrument und weniger als echtes Verbraucherschutzgesetz zu bewerten. Wirklich neu sind insbesondere administrative Verpflichtungen wie etwa die Aushändigung der Aufklärungsbögen, was zu einem erheblichen personellen, zeitlichen und finanziellen Mehraufwand führen wird mit der Folge, dass künftig noch weniger Zeit für die eigentlich im Vordergrund stehende Behandlung und Patientenzuwendung bleibt. Ansonsten werden die Neuregelungen jedoch wohl nur marginale Auswirkungen auf den beruflichen Alltag der Ärzte haben.

Das Patientenrechtegesetz reiht sich ein in eine lange Liste von Gesetzen und Verordnungen sowie Richtlinien und Verträgen, die im Zusammenhang mit der privatärztlichen und vertragsärztlichen Berufsausübung zu beachten sind. Dieses zusätzlich durch das Europarecht, das Satzungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Ärztekammern sowie die Leitlinien der Fachgesellschaften und Berufsverbände verstärkte Regelungsdickicht wird durch die Neuregelungen des Patientenrechtegesetzes nicht entwirrt, sondern noch verstärkt. Die Rechtsbeziehung zwischen Arzt und Patient wird dabei vermehrt durch juristische Fallstricke belastet und administrative Pflichten eingeengt, sodass die Qualität der ärztlichen Behandlung und die Therapiefreiheit des Arztes in Gefahr sind. Durch die Regelungswut des Gesetzgebers wird der ohnehin schon landläufig bestehende Eindruck verstärkt, der Patient müsse vor seinem Arzt geschützt werden. Dies kann nachhaltige und schädliche Auswirkungen auf das für den Behandlungserfolg unbedingt erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient haben. Mit den Auswirkungen des Patientenrechtegesetzes werden sich daher in Zukunft wohl in erster Linie Juristen und Gerichte zu beschäftigen haben.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. veröffentlicht im Bundesgesetzblatt, Teil 1 2013, Nr. 9 vom 25. 2. 2013: 277 www.bgbl.de
  • 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. – Drucksache 17/10488 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten 28. 11. 2012, Bundestag-Drucksache 17/11710, http://dipbt.bundestag.de
  • 3 Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ vom 17. 10. 2012. www.dkgev.de
  • 4 Gemeinsame Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 9. 3. 2012. www.bundesaerztekammer.de
  • 5 Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch den Medizinrechtsausschuss zum Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD „Für ein modernes Patientenrechtegesetz“. – Bundestag-Drucksache 17/907 anlässlich der Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 26. 1. 2011, http://anwaltverein.de
  • 6 Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Arbeitsgemeinschaften e. V. (AWMF) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) im März 2012. www.awmf.org
  • 7 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) vom 16. 1. 2012. www.bmj.de
  • 8 Stellungnahme des NAV-Virchow-Bundes – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e. V. zum Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten – Patientenrechtegesetz (Referentenentwurf vom 16. 1. 2012) vom 8. 2. 2012. www.nav-virchowbund.de
  • 9 Vgl. § 18 Abs. 8 des Bundesmantelvertrages für Ärzte bzw. § 12 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte.

Korrespondenzadresse

Rechtsanwalt Dr. Albrecht Wienke
Fachanwalt für Medizinrecht
Wienke & Becker – Köln
Sachsenring 6
50677 Köln

  • Literatur

  • 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten. veröffentlicht im Bundesgesetzblatt, Teil 1 2013, Nr. 9 vom 25. 2. 2013: 277 www.bgbl.de
  • 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. – Drucksache 17/10488 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten 28. 11. 2012, Bundestag-Drucksache 17/11710, http://dipbt.bundestag.de
  • 3 Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ vom 17. 10. 2012. www.dkgev.de
  • 4 Gemeinsame Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 9. 3. 2012. www.bundesaerztekammer.de
  • 5 Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch den Medizinrechtsausschuss zum Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD „Für ein modernes Patientenrechtegesetz“. – Bundestag-Drucksache 17/907 anlässlich der Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 26. 1. 2011, http://anwaltverein.de
  • 6 Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Arbeitsgemeinschaften e. V. (AWMF) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) im März 2012. www.awmf.org
  • 7 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) vom 16. 1. 2012. www.bmj.de
  • 8 Stellungnahme des NAV-Virchow-Bundes – Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e. V. zum Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten – Patientenrechtegesetz (Referentenentwurf vom 16. 1. 2012) vom 8. 2. 2012. www.nav-virchowbund.de
  • 9 Vgl. § 18 Abs. 8 des Bundesmantelvertrages für Ärzte bzw. § 12 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte.