Einleitung
Das Schultergelenk weist im Vergleich zu den anderen Gelenken des menschlichen
Körpers eine enorme Beweglichkeit in sämtlichen Freiheitsgraden auf. Um die großen
Bewegungsumfänge zu gewährleisten, sind einige anatomische Besonderheiten
notwendig.
Im Vergleich zum Gelenkkopf ist die Gelenkpfanne des Schultergelenks sehr klein. Nur
ein Viertel des Oberarmkopfs ist von der knöchernen Pfanne umfasst. Um eine
ausreichende Stabilität zu gewährleisten, ist das Zusammenspiel verschiedener
weichteiliger Faktoren besonders wichtig. Ein wichtiger Stabilisator ist das Labrum
glenoidale. Dabei handelt es sich um eine knorpelige Gelenklippe, die, ähnlich wie
der Meniskus am Kniegelenk, die Gelenkkongruenz und Stabilität erhöht. Rein knöchern
ist die Kavität (Form der Tiefe der Gelenkspfanne) gering. Jedoch ist der Knorpel im
Randbereich der Pfanne dicker als in der Mitte. Gleichzeitig verstärkt das Labrum
glenoidale zusätzlich die Gesamtkavität.
Eine gesunde Schulterpfanne hat eine birnenförmige Konfiguration. Zwischen
Humeruskopf und Gelenkpfanne wirkt ein minimaler Unterdruck. Dieses leichte Vakuum
kann nur dann bestehen, wenn das umgebende Labrum intakt ist. Die wichtigsten
Strukturen für die statische Stabilisierung sind jedoch die glenohumeralen Bänder.
Es werden 1 superiores, 1 mittleres, und 2 inferiore glenohumerale Bänder (IGHL)
unterschieden. Besonders das vordere IGHL ist biomechanisch für die
Luxationsrichtung nach vorne unten entscheidend, das mittlere glenohumerale Ligament
ist ebenfalls ein wichtiger Stabilisierungsfaktor.
Aufgrund von akuten oder chronischen Verletzungen, aber auch anlagebedingt kann das
Zusammenspiel der verschiedenen stabilisierenden Faktoren gestört sein. Dies kann zu
Beschwerden führen. Im Folgenden werden wir auf verschiedene Formen eingehen und
Diagnostik- und Therapieoptionen vorstellen.
Was bedeutet Schulterinstabilität?
Was bedeutet Schulterinstabilität?
Die Schulterinstabilität wird häufig als Sammelbegriff dafür verwendet, dass der
Oberarmkopf nicht zentral in der Schultergelenkspfanne positioniert ist. Von der
Instabilität abzugrenzen ist die sog. Laxizität, welche als Normvariante nicht
pathologisch einzustufen ist. Hierbei handelt es sich um eine im Vergleich zur
Normalbevölkerung vermehrte Beweglichkeit und Translation des Oberarmkopfs im
Verhältnis zur Pfanne. Häufig findet sich diese Laxizität auch an anderen Gelenken
des Patienten, d. h. mehrere Gelenke des Körpers sind u. U. überstreckbar. Solange
keine Symptome bestehen, liegt kein Krankheitswert vor, es liegt also lediglich eine
Laxizität vor.
Streng von der Laxizität abzugrenzen ist die Instabilität, die auf dem Boden einer
vermehrten Translationsfähigkeit zwischen Oberarmkopf und Glenoid Symptome
verursacht. Diese Symptome können eine Subluxation oder Luxation sein. Bei der
Subluxation kommt es „beinahe“ zum Auskugeln der Schulter, d. h. der Oberarmkopf ist
bis an den Pfannenrand verrutscht. Bei der Luxation kommt es zum kompletten
Kontaktverlust zwischen dem Oberarmkopf und der Gelenkspfanne (siehe [Abb. 1]).
Abb. 1 Graduierung der glenohumeralen Translation durch Quantifizierung
der Beweglichkeit des Oberarmkopfs in der Gelenkpfanne (nach Hawkins).
Ursächlich für die Subluxation oder Luxation kann ein akutes Ereignis wie ein Unfall
oder ein Krampfanfall sein. Gleichzeitig kann eine Luxation auch durch ein
Bagatelltrauma entstehen, wenn stabilisierende Faktoren angeboren nicht ausreichend
vorhanden sind oder nach vorangegangenem Unfall dauerhaft geschwächt sind (siehe
[Abb. 2] und [3]).
Abb. 2 Einteilung der Schulterinstabilität nach Bayley in 3 Gruppen (Polar
I–III). Gezeigt ist der fließende Übergang zwischen traumatisch-strukturellen
(gut zugänglich für operative Therapien), atraumatisch-strukturellen (ggf.
operativ therapierbar) und nicht strukturellen (durch pathologische
Muskelanspannung verursacht = in der Regel nicht operativ therapierbar)
Instabilitätsformen.
Abb. 3 Einteilung der Schulterinstabilitäten (nach Gerber, Nyffeler
2002).
Bei der Schulterinstabilität ist also das Verhältnis von Belastung zur Belastbarkeit
verschoben. Die dezentrierenden Kräfte sind für die stabilisierenden Faktoren zu
groß.
Die akute Luxation
Durch einen Unfall, z. B. einen Sturz oder Sportunfall, wird der Oberarmkopf durch
eine große Krafteinwirkung aus der Gelenkpfanne herausgedrückt. Fast immer wird der
Oberarmkopf nach vorne gepresst (anteriore Luxation), die Luxation nach hinten ist
wesentlich seltener.
Die Gelenkpfanne ist nun leer, der Oberarmkopf ist oft vor der Pfanne unten
verklemmt. Beim Herausrutschen des Kopfes kann es zu einem Abbruch der vorderen
unteren Gelenkpfanne kommen (knöcherne Bankart-Läsion). Es kann zum Zerreißen der
Kapsel und weiterer weichteiliger Strukturen kommen. Gleichzeitig ist auch möglich,
dass der Humeruskopf eine knöcherne Impression im Sinne eine Delle erhält
(Hill-Sachs-Delle). Gerade beim älteren Patienten ist es möglich, dass durch die
Luxation die Rotatorenmanschette reißt.
Die wichtigsten weichteiligen Stabilisatoren nach vorne und unten, das mediale
glenohumerale Ligament (MGHL) und das anteriore inferiore glenohumerale Ligament
(aIGHL), sind bei der Luxation nach vorne regelhaft verletzt.
Kommt es zum Reißen des Labrums, ist ein weiterer wichtiger Stabilisator geschädigt
und das Risiko von Re-Luxationen sehr groß.
Häufig nimmt der Patient nach stattgehabter Luxation eine typische Schonhaltung ein.
Das Schultergelenk ist nur noch minimal beweglich und meist sehr schmerzhaft. In
manchen Fällen kann der Patient durch eine bestimmte Bewegung die Schulter selbst
reponieren. Dies ist v. a. bei Patienten mit anlagebedingt geschwächten
Stabilisatoren oder nach wiederholten Luxationen möglich. Bei jungen und kräftigen
Patienten mit einer traumatischen Erstluxation muss die Reposition in der Regel
durch den Arzt durchgeführt werden. Hierfür gibt es verschiedene Techniken, auf die
wir im Folgenden noch eingehen werden. Teilweise ist die Reposition deutlich
erschwert und der Patient hat starke Schmerzen. In diesen Fällen muss auf eine
Kurznarkose zurückgegriffen werden, um die luxierte Schulter so schonend wie möglich
zu reponieren.
Zur Bestätigung der Diagnose Schulterluxation und zum Ausschluss von
Begleitverletzungen sollte in der Klinik eine Bildgebung erfolgen. Insbesondere
Brüche des Oberarmkopfs und Oberarms oder Nerven- und Gefäßläsionen müssen vor einem
Repositionsversuch ausgeschlossen werden (siehe [Abb. 4]–[6]).
Abb. 4 Röntgen a.–p. und axial bei anteroinferiorer Schulterluxation.
Abb. 5 Obligat nach der Reposition: erneute Röntgenkontrolle (Patient
identisch zu [Abb. 4]).
Abb. 6 Luxationsfraktur des Oberarmkopfs: Kombination aus
Oberarmkopffraktur und anteroinferiorer Glenoidfraktur.
Deutlich seltener ist die hintere Luxation, welche ebenfalls vor einem
Repositionsversuch im Röntgenbild bestätigt werden sollte.
Epidemiologie
Anatomisch bedingt luxiert das Schultergelenk im Vergleich zu den anderen Gelenken
des menschlichen Körpers am häufigsten. Männer sind insgesamt 3-mal häufiger von
Schulterinstabilitäten betroffen (Hovelius 1996).
Die Luxation nach vorne zeigt eine Häufigkeit von über 95 %, die Luxation nach hinten
zeigt eine Häufigkeit von unter 5 %.
Präklinisch wichtig ist die Abgrenzung von der Schulterluxation zur Humerusfraktur.
Gerade beim älteren Patienten sind subkapitale Humerusfrakturen sehr häufig.
Gleichzeitig haben ältere Patienten bei einer Schulterluxation oft eine begleitende
Rotatorenmanschettenruptur, nach der ebenfalls gefahndet werden muss.
Beim jüngeren Patienten sind begleitende Rotatorenmanschettenrupturen oder
subkapitale Humerusfrakturen eher selten. Allerdings stellt die Gefahr der
Reluxation ein großes Problem dar. So ist die Wahrscheinlichkeit einer Reluxation
beim Jugendlichen und jungen Erwachsen sehr hoch.
Bei hohem Risiko der Reluxation von 94 % für unter 20-jährige Patienten nach
primär traumatischer Erstluxation und gesunder Gegenschulter ist eine operative
Therapie schon nach der 1. Luxation empfehlenswert.
Die Reluxationsrate für die 21- bis 30-Jährigen liegt bei knapp 80 %, die Rate für
die 31- bis 40-jährigen Patienten bei 50 %. Je nach sportlicher Aktivität kann die
Reluxationsrate deutlich erhöht werden. Kommt es zu Reluxationen, ist die Gefahr der
weiteren Rezidive sehr hoch und eine Operation ebenfalls zu empfehlen.
Die dorsale Schulterinstabilität ist deutlich seltener als die ventrale. Sie tritt
ebenfalls in 2 Erscheinungsformen auf, häufiger ist die atraumatische/habituelle
Instabilität, sehr selten ist die traumatische, dorsal verhakte Luxation.
Nervenschäden
In der Literatur werden Häufigkeiten für Verletzungen des N. axillaris von bis zu
14 % angegeben (Walch 1993). Diese finden sich vor allem bei älteren Patienten. Zu
unterscheiden sind temporäre Nervenschäden des N. axillaris mit vorübergehenden
Schädigungen, von dauerhaften Schädigungen oder gar Plexusschäden.
Reposition
Nach erfolgter Akutdiagnostik sollte die luxierte Schulter zügig reponiert werden.
Hierfür stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Von wiederholt brüsken
Repositionsmanövern des unerfahrenen Therapeuten sollte dringend abgeraten werden,
da bei deutlicher Schmerzauslösung ein Gegenspannen des Patienten verursacht, die
Reposition erschwert wird und das Auftreten von Begleitverletzungen durch die
Repositionsversuche deutlich erhöht wird.
Je nach Patient gibt es unterschiedliche Repositionstechniken mit Vor- und
Nachteilen.
Selbstreposition
Bei Patienten, die gut mitarbeiten können, kann der Versuch der Selbstreposition
unternommen werden. Eine ruhige Atmosphäre und die Geduld von Patient und Arzt
sind unabdingbare Notwendigkeit dieser Technik.
Der Patient liegt mit angezogenen Beinen auf der Untersuchungsliege. Beide Hände
werden vor den Kniegelenken mit einer Schlinge fixiert. Nun wird der Patient
aufgefordert, sich zu entspannen und sich ganz langsam zurückzulehnen. Die Hüfte
soll dann ganz langsam gestreckt werden und der Patient sich millimeterweise
nach hinten lehnen. Der gesamte Vorgang dauert einige Minuten und soll so
schmerzarm wie möglich durchgeführt werden. Nach einigen Minuten kommt es zur
Selbstreposition. Gibt der Patienten vor der Reposition starke Schmerzen an,
sollte der Versuch abgebrochen werden. Durch den Schmerz kommt es zum Anspannen
der Muskulatur, was die Reposition verhindert.
Gerade bei sehr ängstlichen, schmerzgeplagten und eher wenig kooperativen
Patienten sollte die Reposition in Analgosedierung erfolgen.
Fremdreposition
Unter Kreislaufüberwachung und Analgosedierung kann die Methode von Hippokrates
verwendet werden. Hierbei wird die Ferse des Arztes in der Achselhöhle der
betroffenen Schulter des Patienten positioniert und langsam ein Zug am Arm
aufgebaut. Bei dieser Methode sind Plexusläsionen durch zu brüskes Reponieren
beschrieben worden. Ohne Analgosedierung kann diese Repositionsmethode Angst
beim Patienten erzeugen, was einen erfolgreichen Repositionsversuch ebenfalls
verhindern kann.
Nach erfolgreicher Reposition sollten erneut Durchblutung, Motorik und
Sensibilität überprüft werden. Weiterhin sollte eine bildgebende Diagnostik
(insbesondere Röntgenuntersuchung, siehe [Abb. 5])
erfolgen.
In den ersten Tagen nach Reposition sollte eine Ruhigstellung in leichter
Außenrotation durchgeführt werden. Eine länger dauernde Immobilisierung (mehr
als 1 Woche) des Schultergelenks ist in der Regel nicht erforderlich oder
sinnvoll.
Traumatisch, dorsal verhakte Luxation
Traumatisch, dorsal verhakte Luxation
Diese kann durch einen Sturz auf den nach vorne ausgestreckten Arm verursacht werden
[1]. Eine besondere Bedeutung liegt im Erkennen dieser
Luxationsform, da sie zum einen selten ist und zum anderen sehr häufig übersehen
wird.
Das klinische Erscheinungsbild ist teilweise nicht so eindeutig, hochgradig
verdächtig ist eine fehlende Außenrotation des Patienten. Radiologisch erscheint in
der a.–p. Röntgenaufnahme der Humeruskopf in einer birnenförmigen Konfiguration. In
der axialen Aufnahme ist die nach dorsal luxierte Schulter in der Regel leicht zu
erkennen ([Abb. 7]).
Abb. 7 Verhakte dorsale Schulterluxation im a.–p. und axialen
Röntgenbild.
Die dorsal luxierte Schulter ist in der Regel schwieriger zu reponieren und meist
nicht durch Verfahren ohne Analgosedierung möglich. Nach Reposition erfolgen auch
bei der dorsalen Luxation die Kontrolle von Durchblutung, Motorik und Sensibilität
sowie die radiologische Kontrolle. Häufig zeigt sich eine Reversed-Hill-Sachs-Delle
am Humeruskopf. Die Größe der Impression bedingt die OP-Indikation. Genauere
Aussagen lassen sich in der Regel mithilfe einer Computertomografie treffen. Bei
kleinen Impressionen ist eine konservative Therapie mit temporärer Ruhigstellung
möglich. Bei mittleren Impressionen zwischen 20 und 40 % der Gelenkfläche sollte im
akuten Fall die Impression durch Aufstößelung oder Unterfütterung mit Spongiosa
durchgeführt werden.
Atraumatische dorsale Instabilität
Atraumatische dorsale Instabilität
Die atraumatische/habituelle dorsale Instabilität ist deutlich häufiger als die akut
traumatische dorsale Luxation. Besonders häufig ist die dorsale Instabilität mit
einer weiteren Instabilitätsrichtung kombiniert. In diesem Falle spricht man von
einer multidirektionalen Instabilität [6]. Die
multidirektionale Instabilität darf nicht mit einer Hyperlaxität verwechselt werden,
welche symptomfrei keinen Krankheitswert hat (siehe oben). Patienten mit
multidirektionaler Instabilität und Hyperlaxität sollten zunächst intensiv
konservativ behandelt werden. Kräftigungs- und Stabilisierungsübungen müssen hierfür
regelmäßig mindestens 2–3-mal die Woche über einen mindestens ½-jährlichen Zeitraum
durchgeführt werden. Führt die konservative Therapie zu keinem Erfolg, können
operative Maßnahmen eingesetzt werden. Wie erwähnt spricht man dann von einer
Instabilität, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, seine Schulter in
bestimmten Stellungen zu kontrollieren und deshalb Beschwerden hat.
Klinische Diagnostik
Bei der chronischen/habituellen vorderen Instabilität berichten die Patienten meist
über große Angst vor Luxationen im Alltag. Oft reichen bestimmte Alltagsbewegungen
aus, um eine Sub-/Luxation hervorzurufen.
Klinisch sollten immer beide Schultern vergleichend untersucht werden.
Sulcus-Zeichen
Der Untersucher zieht den lockeren hängenden Arm des Patienten nach
bodenwärts. Typischerweise lässt sich der Oberarmkopf aus der Gelenkpfanne
nach unten bewegen, was sich an einer vermehrten Bewegung und einer
tastbaren Einziehung an der seitlichen Schulter zeigt (siehe [Abb. 11]).
Abb. 8 Klinische Überprüfung der anteroposterioren Translation im
Glenohumeralgelenk.
Abb. 9 Klinischer Test zur Überprüfung der vorderen Instabilität:
Apprehension-Test.
Abb. 10 Methode zur Reposition der Schulterluxation
(Eigenrepositionsmanöver).
Abb. 11 Klinischer Test zur Überprüfung des Rotatorenintervalls:
Sulcus-Zeichen.
Vermehrte anteriore–posteriore Beweglichkeit
Der Untersucher steht hinter dem Patienten und hält den Oberarmkopf zwischen
Daumen und Mittelfinger. Nun drückt er mit dem Daumen den Oberarmkopf nach
vorne aus der Gelenkpfanne und anschließend mit dem Mittelfinger nach hinten
aus der Gelenkpfanne ([Abb. 8]). Ein leichtes
Gelenkspiel von bis zu 8 mm ist physiologisch. Wichtig ist es, darauf zu
achten, ob im Seitenvergleich oder in einer Richtung eine deutlich
vergrößerte Verschieblichkeit vorliegt.
Apprehension-Test
Hierbei wird die eine Hand des Untersuchers ebenfalls im Codmann-Handgriff
auf die zu untersuchende Schulter gelegt. Mit der 2. Untersucherhand wird
der Arm des Patienten in die maximal mögliche Außenrotationsposition bewegt.
Nun wird in den Abduktionspositionen 0°, 30°, 60°, 90° und 120° nach „Angst“
(Apprehension) oder Schmerzen bei der jeweilig vorliegenden Armposition
gefahndet, ggf. kann durch leichten Druck von dorsal auf den Oberarmkopf der
Stress noch verstärkt werden ([Abb. 9]).
Bildgebende Diagnostik
Sowohl bei der akuten Luxation als auch bei der Diagnostik chronischer Instabilitäten
bei Patienten mit wiederholten Verrenkungen sollten obligat Röntgenaufnahmen in
mindestens 3 Ebenen durchgeführt werden: true a.–p., axial (ggf. Bernageau), y-view.
Neben proximalen Humerusfrakturen sind Luxationsrichtung, das Vorliegen einer
Hill-Sachs-Delle und die knöcherne Bankart-Läsion von Interesse (siehe [Abb. 4]–[7]).
In der Ultraschalluntersuchung sollte nach Läsionen der Rotatorenmanschette gefahndet
werden. Diese treten mit zunehmender Häufigkeit beim älteren Patienten auf, können
aber auch akut traumatisch beim jüngeren Patienten vorhanden sein. Insbesondere die
akute Läsion der Subscapularissehne stellt eine sehr wichtige OP-Indikation dar. Die
Refixation der Subscapularissehne sollte so zeitnah wie möglich erfolgen. Sie hat
eine zentrale Bedeutung für die dynamische Stabilität in der Schulter.
Die Kernspintomografie kann die Lokalisation und das Ausmaß des Weichteilschadens
erfassen und ist insbesondere bei der akuten Luxation indiziert. Läsionen der
Gelenklippe („Bankart-Läsion“), der Gelenkkapsel und des Bandapparats sind bei
entsprechender Aufnahmetechnik zu sehen.
Die Diagnostik knöcherner Defekte an der Pfanne und am Oberarmkopf, die bei
chronischen Instabilitäten nicht selten sind, erfolgt am besten in der
Computertomografie. Mittels moderner 2-D- oder 3-D-Rekonstruktion können relevante
Defekte, welche im Röntgen oder MRT ggf. unterschätzt werden, sehr anschaulich und
exakt quantitativ erfasst werden.
Operative Therapie der Schulterinstabilität
Operative Therapie der Schulterinstabilität
Operationsziel
Die klassische Bankart-Läsion ist das typische Verletzungsmuster bei der vorderen
Schultergelenksluxation. Hierbei kommt es zu einem Abriss des vorderen
Kapsel-Labrum-Komplexes vom Pfannenrand (siehe [Abb. 12]). Ziel der Operation ist, den abgerissenen
Kapsel-Labrum-Komplex wieder am Glenoidrand zu refixieren. Die Ergebnisse
moderner arthroskopischer Verfahren der Bankart-OP sind mit denen der offenen
Technik vergleichbar.
Abb. 12 Arthroskopisches Bild bei Bankart-Läsion (linke Schulter,
Blick von posterior): Tasthaken zwischen abgerissenem anterioren Labrum und
Pfannenrand.
Kontraindikationen für die Bankart-Operation sind ein relevanter Knochenverlust
an Gelenkpfanne oder Kopf, eine schlechte Kapselqualität, sog. „HAGL-Läsionen“
(Kapselverletzungen am Oberarmkopf).
OP-Technik
Anästhesie/Lagerung
Die Patienten werden einer Allgemeinanästhesie mit Intubationsnarkose zugeführt.
Sowohl die Seitenlagerung als auch die Beach-Chair-Position sind mögliche
Lagerungsformen für den arthroskopischen Eingriff. Zunächst wird eine
Narkoseuntersuchung durchgeführt. Die vermehrte Translation des Oberarmkopfs
sollte in alle Richtungen geprüft werden. Anschließend sollte darauf geachtet
werden, ob ein positives Sulcus-Zeichen als Zeichen einer Insuffizienz des
Rotatorenintervalls vorliegt.
In unserer Klinik verwenden wir die Beach-Chair-Position mit Lagerung des Arms in
einem Armhalter (z. B. Spider, Fa. Smith & Nephew). Der Arm wird in
Neutralrotation ohne wesentlichen Längszug gelagert.
Instrumente und Implantate für die arthroskopische Bankart-Operation
-
– Spülpumpe, Shaver, Radiofrequenzinstrumente
-
– scharfes Elevatorium und Raspatorium
-
– kanülierte, gebogene Nadeln mit verschiedenen Richtungen
-
– Fadenankersystem
-
– ggf. Knotenschieber
-
– optional Arbeitskanülen (Durchmesser 8 mm)
Operationstechnik
Nach gründlicher steriler Desinfektion und Abdeckung werden die knöchernen
Landmarken eingezeichnet. Es werden 3 Standardportale angelegt. Ein dorsales
Standardportal für das Arthroskop, ein anterosuperiores Arbeitsportal durch das
Rotatorenintervall und ein anteroinferiores Portal zur Ankerpositionierung
direkt oberhalb der Subscapulrissehne. Der Eintritt der vorderen Zugänge wird
unter Sichtkontrolle mit einer Braunüle kontrolliert. Zunächst wird ein
glenohumeraler diagnostischer Rundgang des ventralen Gelenkabschnitts
durchgeführt. Neben Kapsel-Labrum-Verletzungen sollte dabei auf das
Rotatorenintervall geachtet werden. Falls nötig kann eine dynamische
Untersuchung nach Portalwechsel erfolgen.
Kapsel-Labrum-Rekonstruktion
Die klassische Bankart-Läsion beschreibt den Abriss des vorderen
Kapsel-Labrum-Komplexes vom vorderen Pfannenrand von der 2-Uhr- bis zur
5-Uhr-Position. Ziel ist nun die Refixation des abgerissenen
Kapsel-Labrum-Komplexes mittels Fadenankern am Pfannenrand.
Da das sog. inferiore glenohumerale Ligament (IGHL) als wichtigster
statischer Stabilisator weit inferior an der Kapsel inseriert, ist der erste
inferiore Anker der entscheidende, da hierüber der Kapselshift und die
Rekonstruktion des Bandapparats erreicht wird.
Beim Vorliegen einer Bankart-Läsion wird der Kapsel-Labrum-Komplex mit einem
Elevatorium bis weit nach medial und inferior vom Glenoidrand mobilisiert.
Dieser Schritt muss sehr gründlich durchgeführt werden, dass alle Adhäsionen
zwischen Kapsel-Labrum-Komplex und Knochen gelöst werden. Bei Vorliegen einer
sog. ALPSA-Läsion (anterior labrum periostal sleeve avulsion) kann optional ein
zusätzliches Portal lateral der langen Bizepssehne angelegt werden
(suprabizipitales Portal). Bei diesen Läsionen ist das Kapsel-Labrum-Gewebe am
Glenoidhals u. U. weit medial vernarbt und kann mit dem Arthroskop von dorsal
schlecht eingesehen werden. Mit dem Arthroskop im suprabizipitalen Portal kann
die ALPSA-Pathologie viel besser visualisiert und die Mobilisation besser
kontrolliert werden. Anschließend wird die Glenoidkante mit einem
Bankart-Raspatorium oder einem motorisierten Shaver angefrischt, um eine
fibroblastische Einheilung zu gewährleisten. Das mobilisierte
Kaspel-Labrum-Gewebe wird nun mit einem kanülierten Nahthaken geeigneter
Krümmung durchstochen und ein Shift nach kranial und medial durchgeführt ([Abb. 13]). Dabei muss das IGHL perforiert werden, um
einen ausreichenden Kapselshift zu ermöglichen. Eine alleinige
Labrumrekonstruktion ist nicht ausreichend, da es über den verbliebenen
Kapselpouch erneut zu Luxationen kommen kann. bei Ein monofiler Faden (PDS USP
2–0) wird durch die Nadel geschoben, der Nahthaken entfernt und die nun
intraartikulär liegenden Fäden mit einem Fadenholer erneut durch das
anteroinferiore Portal ausgeleitet. Mithilfe dieses PDS Shuttle Relay wird ein
Fiberwire-Faden durch den mobilisierten Kapsel-Labrum-Komplex transportiert. Mit
dem Fadenholder werden beide Enden des Fiberwire-Fadens durch das
anteroinferiore Portal ausgeleitet. Dabei werden die Enden durch die Schlaufe
des Fadens herausgezogen. Für die Ankerpositionierung wird nun über eine eine
Führungsbuchse ein Bohrloch in einem 45°-Winkel zur Glenoidlängs- und -querachse
über das anteroinferiore Portal weit inferior angelegt ([Abb. 14]). Der Vorteil des vorgelegten Faden (suture first-Technik)
besteht nun darin, dass durch dosiertes Anspannen der Fäden kontrolliert werden
kann, wo genau die Ankerplatzierung erfolgen muss, um einen ausreichenden
Kapselshift zu erreichen. Nach Anlage der Bohrung wird die Führungshülse
entfernt. Beide Enden des Fadens werden durch die Öse des Ankers außerhalb des
Gelenks eingefädelt und diese unter dosiertem Anspannen des Fadenpaars in das
zuvor angelegte Bohrloch eingeschlagen. Die Fäden werden anschließend gekürzt
([Abb. 15]). Durch Anlage des ersten Ankers
kommt es durch den Kapselshift zu einer signifikanten Reduktion des
Kapselvolumens. In identischer Technik werden nun weitere Anker nach
Durchstechen des Kapsel-Labrum-Komplexes angelegt ([Abb. 16]). In der Regel werden 2–3 Anker in der 5-Uhr-, 3-Uhr- und
ggf. 1-Uhr-Position angelegt.
Abb. 13 Kapselshift durch Durchstechen des mobilisierten
Kapsel-Labrum-Gewebes mittels eines kanülierten Nadelsystems.
Abb. 14 Anschlingen des Gewebes mit Fiberwire-Faden
(Cinch-Stitch-Technik), dann Vorbohren für einen knotenlosen Anker.
Abb. 15 Einschlagen eines knotenlosen Ankers (pushlock PEEK
3,5 mm).
Abb. 16 Fortführen der Kapselrekonstruktion durch schrittweises
Arbeiten von inferior nach superior mit Refixation durch weitere Anker.
Abb. 17 Röntgenbild nach arthroskopischer Latarjet-Operation bei einer
Patientin mit Knochenverlust am vorderen Pfannenrand.
Rehabilitation
Die Patienten sollten zunächst in einer Schulterorthese (z. B. Medi Arm Fix) für
die ersten 6 postoperativen Wochen immobilisiert werden. Innerhalb der ersten
6 Wochen kann die Abduktion und Flexion bis 60° freigegeben werden. Die
Außenrotation ist bei 0° limitiert. Nach 6 Wochen kann das Bewegungsausmaß
sukzessiv gesteigert werden, bis eine freie glenohumerale Beweglichkeit erreicht
wird. Zuletzt sollten auch die Rotatorenmanschette, der M. deltoideus und die
Scapulastabilisatoren auftrainiert werden. Überkopf- oder Kontaktsport sollte
für die Dauer von 6 Monaten nicht durchgeführt werden.
Hintere Instabilität
Die hintere Schulterinstabilität ist mit 2–5 % aller Instabilitätsformen eine seltene
Entität. Im Gegensatz zur meist traumatischen vorderen Schulterinstabilität ist die
hintere Instabilität häufig atraumatisch und mit einer multidirektionalen
Instabilität vergesellschaftet [6]. Neben Weichteilverletzungen, wie
Kapsel-Labrum-Verletzungen, spielen bei dieser Form der Instabilität auch knöcherne
Veränderungen am Pfannenrand, muskuläre Fehlsteuerungen oder eine gestörte
skapulothorakale Kinematik eine wichtige Rolle.
Indikation
Patienten mit hinterer Instabilität sprechen besser auf ein intensives
Krankengymnastikprogramm an als Patienten mit vorderer Instabilität. Daher
sollte zunächst ein konservatives Therapieprogramm mit Kräftigung des M.
infraspinatus bei dieser Form der Instabilität gewählt werden. Ein
besonderes Augenmerk sollte dabei auch auf die Scapulasteuerung und
muskuläre Koordination gerichtet werden. Sollte nach einem Zeitraum von
mindestens 6 Monaten keine nachhaltige Besserung der Symptome zu verzeichnen
sein, sollten operative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen
werden.
Arthroskopische Operationstechnik bei dorsaler Schulterinstabilität
Arthroskopische Operationstechnik bei dorsaler Schulterinstabilität
In Intubationsnarkose werden die Patienten in Seitenlagerung positioniert.
Prinzipiell ist auch eine Beach-Chair-Lagerung möglich, allerdings bietet die
Seitenlagerung den Vorteil, durch den axialen Längszug und falls nötig zusätzlicher
Lateraltraktion ausreichend Gelenkdistraktion und somit bessere Visualisierung aller
Gelenkabschnitte zu schaffen. Es sollte zunächst eine ausgiebige Narkoseuntersuchung
durchgeführt werden, um das Ausmaß und die Richtung der Translation des Oberarmkopfs
zu überprüfen.
Dorsale Stabilisierung
Für die dorsale Stabilisierung muss meist ein zusätzliches posteroinferiores
Portal angelegt werden, über das ein korrekter Einbring-Winkel für Anker am
dorsalen Glenoidrand möglich ist. Dieses Portal liegt 3 cm distal und 1 cm
medial der posterolateralen Akromionecke. Zunächst wird ein glenohumeraler
diagnostischer Rundgang des ventralen Gelenkabschnitts durchgeführt. Neben
Kapsel-Labrum-Verletzungen sollte dabei auf das Rotatorenintervall geachtet
werden.
Beim Vorliegen einer dorsalen Bankart-Läsion wird analog zur vorderen
Stabilisierung der hintere Labrumkomplex mit dem hinteren Anteil des IGHLs vom
Glenoidrand mobilisiert. Die Glenoidkante wird mit einem Bankart-Raspatorium
oder einem motorisierten Shaver angefrischt. An die Glenoidkante wird ein
Fadenanker in einem 45°-Winkel zur Glenoidlängs- und -querachse über das
posterolaterale Portal eingebracht. Im Gegensatz zur Ankerplatzierung am
vorderen Glenoid ist die Ankerplatzierung am dorsalen Glenoid aufgrund der
knöchernen Geometrie nicht ganz unproblematisch. Der Winkel zwischen der
Gelenkfläche und dem hinteren Kortex ist steiler als der Winkel zwischen dem
vorderen Kortex und der Gelenkfläche. Anschließend wird das mobilisierte
Kapsel-Labrum-Gewebe mit einem kanülierten Nahthaken von geeigneter Krümmung
durchstochen und ein Shift nach kranial und medial durchgeführt. Dabei muss das
posteriore IGHL perforiert werden, um einen ausreichenden Kapselshift zu
ermöglichen. Anschließend erfolgt das stabile Verknoten unter Zuhilfenahme eines
arthroskopischen Knotenschiebers. Bei Verwendung des Pushlock-Ankers wird ein
gedoppelter Fiberwire-Faden mithilfe des PDS Shuttle Relay durch das
mobilisierte Kapsel-Labrum-Gewebe transportiert. Beide Enden des Fadens werden
durch die Öse des Ankers außerhalb des Gelenks eingefädelt und diese unter
dosiertem Anspannen des Fadenpaars in das zuvor angelegte Bohrloch
eingestösselt.
Kapselplikaturen
Zur Reduktion einer Kapselredundanz wird die hintere Kapsel, die dünner als
die vordere ist, zunächst sehr vorsichtig angefrischt, um eine
fibroblastische Einheilung zu ermöglichen. Mit kontinuierlichem Flow wird
die oberflächliche Synoviaschicht mit dem Synovator oder mit einem
Raspartorium angefrischt, indem sie tangential mit gleichmäßigen
scheibenwischerartigen Bewegungen ausgestrichen wird. Mit einem kanülierten
Nahthaken wird die Kapsel, beginnend in der 6-Uhr-Position, mit einem
Abstand von 1 cm zum Glenoid perforiert, die Nadelspitze ausgestochen, und
das nach kranial geraffte Kapselgewebe durch das intakte Labrum
durchstochen. Ein monofiler Faden (PDS USP 2–0) wird durch die Nadel
geschoben, und der Nahthaken entfernt. Mit einem Fadenholer wird der nun
intraartikulär liegende Faden nach posterior ausgeleitet und ein
Orthocord-Faden durch das Kapsel-Labrum-Gewebe durchgeshuttelt. Anschließend
wird das verkürzte Kapselgewebe unter dosiertem Anspannen unter Zuhilfenahme
eines arthroskopischen Knotenschiebers geknüpft. Das Verknoten muss
vorsichtig erfolgen, um die dünne Kapsel nicht durchzureißen. Alternativ
kann auch ein PDS-USP-0-Faden benützt werden. Mit einem Abstand von 1 cm
werden nun Plikaturen von der 6-Uhr- bis zur 11-Uhr-Position angelegt, bis
die hintere Kapselredundanz in allen Bereichen aufgehoben ist. In der Regel
sind 4–6 Plikaturen notwendig, um eine suffiziente Kaspelreduktion zu
erreichen. Es empfiehlt sich, nach diesem Schritt erneut eine dynamische
Untersuchung durchzuführen, um die veränderte Gelenkkinematik zu
kontrollieren. Es sollte unbedingt darauf geachtet werden, nicht zu viel
Kapselgewebe zu verkürzen, da ansonsten eine ausgeprägte
Innenrotationseinschränkung resultiert.
Bei den multidirektionalen Instabilitätsformen erfolgt nach Portalwechsel in
identischer Technik die Anlage von Kapselplikaturen im ventralen Abschnitt.
Von anteroinferior beginnend werden Plikaturen im Abstand von 1 cm zum
Glenoid angelegt, bis die ventrale Kapselredundanz aufgehoben ist. Insgesamt
sollten ebenfalls 4–6 Plikaturen von der 6-Uhr- bis zur 1-Uhr-Position
angelegt werden. Anschließend sollte erneut die korrigierte Gelenkkinematik
dynamisch untersucht werden.
Bei Insuffizienz des Rotatorenintervalls, welche sich klinisch in einem
vermehrten Sulcuszeichen ([Abb. 11]) in
Neutralstellung und in 20°-Außenrotation zeigt, ist ein Verschluss des
Rotatorenintervalls sinnvoll.
Nachbehandlung bei dorsaler Stabilisierung
Die Patienten sollten zunächst in einer Orthese in 15° Außenrotation für die
ersten beiden postoperativen Wochen immobilisiert werden. Von der
3.–6. Woche kann die Abduktion und Flexion bis 60° freigegeben werden. Die
Außenrotation ist bei den reinen dorsalen Stabilisierungen freigegeben. Die
Innenrotation ist bei adduziertem Arm zum Bauch freigegeben. In den ersten 6
Wochen sollten keine forcierten Innenrotationsübungen durchgeführt werden.
Nach 6 Wochen kann das Bewegungsausmaß sukzessiv gesteigert werden, bis eine
freie glenohumerale Beweglichkeit erreicht wird. Zuletzt sollten auch die
Rotatorenmanschette, der M. deltoideus und die Scapulastabilisatoren
auftrainiert werden. Überkopf- oder Kontaktsport sollte für die Dauer von 6
Monaten nicht durchgeführt werden.
Knöcherne Defekte
Die beschriebenen Operationstechniken der weichteiligen Kapsel-Labrum-Rekonstruktion
sind bei relevanten knöchernen Defekten am Glenoidrand nicht mehr geeignet.
Durch biomechanische und klinische Studien wurde gezeigt, dass bei einem Verlust
des anteroinferioren Glenoidknochens von mehr als 20 % des a.–p. Durchmessers
der Knochenverlust durch ein geeignetes Verfahren ausgeglichen werden muss. In
unserer Klinik hat sich hierfür der Transfer des Processus coracoideus (sog.
Latarjet-Operation) bewährt, der neben dem Aufbau des Glenoidknochens die
Schulter durch Umlenkung der am Korakoid inserierenden Sehnen („sling-Effekt“)
weichteilig stabilisiert.
Die Indikation für den Korakoidtransfer und Kontraindikation für die
Bankart-Operation ist somit gegeben, wenn ein ausgedehnter knöcherner Defekt an
Glenoid (und/oder Humerus), eine nicht reparable Weichteilsituation (z. B. großer
chronischer HAGL-Defekt, evidenter IGHL-Defekt, Labrumzerstörung) oder Kombinationen
aus diesen Pathologien vorhanden sind.
Darüber hinaus ist die Latarjet-Technik eine sehr gute Option für das Management von
Rezidiven nach Bankart-Operationen, insbesondere bei sehr aktiven Patienten und
Schultersportlern, bei denen aufgrund der komplexen Pathomorphologie der
Instabilität eine erneute Bankart-Operation meist kontraindiziert ist.
Die Operationstechnik kann offen oder bei entsprechender Expertise auch
arthroskopisch durchgeführt werden; sie ist von hoher Komplexität, zeigt bei
korrekter Durchführung aber exzellente Ergebnisse mit niedrigen Reluxationsraten
auch über einen langfristigen Zeitraum.