Quelle: Cano NJM, Fouque D, Roth H et al. Intradialytic parenteral nutrition does not improve
survival in malnourished hemodialysis patients: a 2-year multicenter, prospective,
randomized study. J Am Soc Nephrol 2007; 18: 2583–2591; Marsen T, Fiedler R, Hofmann
C et al. Intradialytic parenteral nutrition (IDPN) increases serum prealbumin (PreAlb)
levels in malnourished hemodialysis (HD) patients – prospective multicenter open phase
IV study. Poster Am Soc Nephrol Annual Meeting 2011
Thema: Es handelt sich um den Vergleich einer Studie der französischen Studiengruppe für
Ernährung bei der Dialyse (FineS[
1
]) und einer von Fresenius Kabi gesponserten deutschen Studie (Kabi-Studie).
Projekt: Die Studiendesigns sowohl bei FineS als auch bei der Kabi-Studie sind prospektiv,
randomisiert und multizentrisch mit Interventions- und Kontrollgruppe. In der FineS
dauerte die Intervention (orale Nahrungsergänzung, zusätzlich IDPN ("intention to
treat")) bei den 93 Patienten 1 Jahr mit 1 Jahr Nachbeobachtung. Die Intervention
in der Kabi-Studie (Ernährungsberatung, IDPN bei jeder Dialyse, während der gesamten
Intervention keine orale Nahrungsergänzung) dauerte bei den 32 Patienten 4 Monate
mit 3 Monaten Nachbeobachtung. Die 93 Patienten der Kontrollgruppe in der französischen
Studie erhielten eine orale Nahrungsergänzung (500 kcal und 25 g Protein/d), während
die 32 Patienten der Kontrollgruppe der Kabi-Studie nur eine Ernährungsberatung erhielten.
Die Einschlusskriterien der FineS waren ein BMI von weniger als 20 kg/m2, mehr als 12 h Dialyse/Woche, ein Albuminwert von weniger als 35 g/l, ein Präalbuminwert
von weniger als 300 mg/l, ein Alter von 18–80 Jahren und ein Gewichtsverlust von mehr
als 10 % in 6 Monaten. Bei der Kabi-Studie waren die Einschlusskriterien ein SGA-Score
Grad B oder weniger, 3 Dialysebehandlungen pro Woche, ein Albuminwert von weniger
als 35 g/l, ein Präalbumin von weniger als 250 mg/l und ein Alter von 18 Jahren oder
darüber.
Bei FineS waren die Ausgangslaborwerte: nPCR 1,09–1,10 g/(kg*d), Albumin 31,5–31,6
g/l, Präalbumin 239–240 mg/l und BMI 22,4–23,1 kg/m2. Die Ausgangslaborwerte bei der Kabi-Studie waren: nPCR 0,7–0,8 g/(kg*d), Albumin
34,0–34,8 g/l, Präalbumin 209–225 mg/l, BMI 22,4–22,7 kg/m2, SGA-Score Grad B oder weniger und Phasenwinkel α kleiner als 4,5°. Der primäre Endpunkt
von FineS war die Mortalität, bei der Kabi-Studie der Präalbuminwert. Die sekundären
Endpunkte der FineS waren Hospitalisierung, Karnofsky-Index, BMI, Albumin- und Präalbuminwert.
Bei der Kabi-Studie waren dies SGA-Score, Phasenwinkel, Transferrin- und Albuminwert
sowie proteinkatabole Rate.
Ergebnisse: Die Mortalität bei der FineS war in beiden Gruppen gleich und in beiden Gruppen stieg
der BMI sowie der Albumin- und Präalbuminwert signifikant an. Zudem führte der Anstieg
des Präalbuminwerts um über mehr als 30 mg/l zu einer 2-fach erhöhen Überlebensrate.
In der Kabi-Studie zeigte sich ebenfalls ein signifikanter Anstieg des Präalbuminwerts,
allerdings nur in der Interventionsgruppe. Die sekundären Endpunkte blieben unverändert.
Fazit: Während in der FineS in beiden Gruppen eine orale Nahrungsergänzung verordnet wurde,
wurde in der Kabi-Studie alle Patienten der Interventionsgruppe während der gesamten
Beobachtungszeit ausschließlich mit IDPN behandelt. Die Kontrollgruppe der Kabi-Studie
erhielt zu keinem Zeitpunkt eine orale oder parenterale Nahrungsergänzung. In der
FineS wurde in der Interventionsgruppe mit Hilfe der IDPN lediglich die Differenz
zwischen empfohlener und oral erfolgter Nahrungsaufnahme ausgeglichen. Nach 12 Monaten
erhielten in dieser Studie nur noch 67 % der Interventionsgruppe eine IDPN, während
70 % der Kontrollgruppe und 61 % der Interventionsgruppe eine orale Nahrungsergänzung
bekamen. Nach 18 Monaten erhielten sogar 6 % der Kontrollgruppe – aber nur 13 % der
IDPN-Gruppe – eine intradialytische parenterale Ernährung.
In der FineS ist die Mortalität in beiden Gruppen gleich. Hieraus schlossen die Autoren,
dass eine zusätzliche IDPN zu einer oralen Nahrungsergänzung keine Vorteile bringt.
Als Nebenbefund zeigte sich in dieser Untersuchung jedoch, dass ein Anstieg des Präalbumins
um mehr als 30 mg/l eine 2-fache Verbesserung der Überlebensrate dieser Patienten
bewirkt. In der Kabi-Studie konnte dieser Anstieg des Präalbumins bei alleiniger IDPN
ebenfalls nachgewiesen werden. Die übrigen sekundären Endpunkte zeigten allerdings
keine Verbesserung.
Schlüsselwörter: Hämodialyse – Mangelernährung – orale Ernährung – parenterale Ernährung
Prof. Dr. Helmut Mann, Aachen
Zu der FineS[
1
] muss kritisch angemerkt werden, dass eine klare Trennung von parenteraler und oraler
Nahrungsergänzung nicht vorgenommen wurde. Beide Gruppen erhielten eine orale Zusatznahrung.
Gegen Ende der Studie erhielten sogar Patienten der Kontrollgruppe eine IDPN. Aus
diesem Grund kann auch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine IDPN keinen Einfluss
auf das Überleben mangelernährter Dialysepatienten hat.
In beiden Studien (also auch bei ausschließlicher IDPN in der Kabi-Studie) zeigte
sich ein signifikanter Anstieg des Präalbuminwerts als Messgröße einer Malnutrition.
Hieraus kann man nur den Schluss ziehen, dass eine IDPN durchaus in der Lage ist,
den Präalbuminwert im Blut und damit auch die Überlebensrate dieser Patienten anzuheben.
Die FineS besagt lediglich, dass dieses Ziel auch mit einer oralen Nahrungsergänzung
erreicht werden kann, sofern die Patienten diese auch tatsächlich durchführen. Es
werden hierbei allerdings diejenigen Patienten vernachlässigt, die nicht in der Lage
sind, eine orale Nahrungsergänzung in ausreichendem Maße vorzunehmen, und solche,
die aufgrund der klinischen Situation dringend und kurzfristig einer Verbesserung
ihres Ernährungszustands bedürfen.
Prof. Dr. Helmut Mann, Aachen