Zu viel ist zu viel, auch wenn es ums Trinken geht. Die Gefahr, dass Sportler bei Wettkämpfen eine Hyponaträmie erleiden, scheint sogar größer zu sein als das Risiko einer Dehydrierung. Warum Sportler nicht über den Durst hinaus Flüssigkeit zu sich nehmen sollten, erklärte aktuell der Humanbiologe und Sportwissenschaftler Timothy D. Noakes im British Medical Journal.
BMJ 2012; 344:e10.1136/bmj.e4171
Trinken, wenn man Durst hat
"Menschen haben die Kapazität, ihre Körpertemperatur während langer körperlicher Aktivität in trockener Hitze zu regulieren und zwar trotz relativ großer Verluste der totalen Körperflüssigkeit", erklärt Noakes. Kein anderes Säugetier habe eine so hohe Kapazität. Mit Blick auf unsere afrikanischen Ahnen erklärt der Wissenschaftler, dass unser Körper nicht darauf angewiesen sei, seine Flüssigkeitsbilanz von jetzt auf gleich zu regulieren: "Wir sind verzögerte Trinker."
Dieser Umstand könnte auch erklären, warum die Wissenschaftler um Carl Heneghan vom "Center of Evidence based Medicine" der Universität Oxford, keine Studie gefunden haben, die einen Grund dafür liefert, warum ein Sportler trinken sollte, bevor er durstig ist (BMJ 2012; 345:e4848). Im Gegenteil berichten die Autoren von einer Untersuchung an Ausdauerradfahrern, die keine Leistungsfähigkeit eingebüßt hatten trotz eines Körpergewichtverlusts von 1,8–3,2% (entsprechend etwa 1,5 L Schweiß bei einem 60kg schweren Menschen). Ein neueres von Heneghan et al. angeführtes Review hatte berichtet: Radfahrer, die nur und immer dann tranken, wenn sie durstig waren, lieferten bessere Leistungen als solche, die öfter oder seltener tranken. Eine Studie hatte sogar ergeben, dass eine durch den Sport hervorgerufene Dehydration von 2,8% Körpergewichtsverlust mit einer besseren Performance assoziiert war – u.U. auch, weil Trinken während des Wettkampfs Zeit kostet.
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Dehydration sei keine Krankheit, so Noakes, und ihr einziges Symptom der Durst. Läufer die nach einem Marathon kollabierten, täten dies i.d.R. nicht aufgrund einer durch Wassermangel induzierten Überhitzung. Noakes führt Untersuchungen an, nach denen kollabierte Athleten weder überhitzter noch dehydrierter waren als die Läufer, die dieselbe Strecke ohne Zusammenbruch bewältigt hatten.
Hyponatriämie: die Folge von zu viel Wasser
So fanden wiederum Heneghan und Kollegen keine einzige Studie, bei der die Dehydrierung tatsächlich eine Todesursache bei Marathonläufern war. Allerdings berichteten zwei Publikationen, von Robinson et al. und Noakes et al., von – wenn auch seltenen – Todesfällen durch Hyponatriämie. Trinken Sportler zu viel, verdünnen sich die Körperflüssigkeiten zu stark. Die Folge können schon bei einem Anstieg von 2% des körperlichen Wassergehalts generalisiserte Ödeme sein. Höhere Grade der "Überwässerung" münden u.U. in hyponatriämischer Encephalopathie, also schweren Hirnödemen, die zu Verwirrtheit, Koma und Tod durch Atemstillstand führen können.
Symptome richtig deuten
Die ersten Symptome der Hyponatriämie
dürfen nicht als Dehydratation missinterpretiert werden. Athleten glauben häufig, ihr Unwohlsein sei ein Resultat von zu wenig Flüssigkeit. Trinken sie dann zusätzlich, wird das Problem noch verstärkt. Wird ein Läufer mit Hyponatriämie so behandelt oder beraten wie ein dehydrierter, kann er in kürzester Zeit schwerwiegende Komplikationen erleiden oder sogar sterben. Beim London Marathon 2007 war ein Läufer aufgrund einer Hyponatriämie verstorben (weitere Informationen: www.sfsn.ethz.ch/sportnutr/tipps/Drinking/Zuviel/Hyponatremia).
Der derzeitige Stand der Wissenschaft bestätigt die Sinnhaftigkeit unserer körperlichen Signale: Athleten scheinen die beste Leistung zu erbringen, wenn sie einfach auf ihr Durstgefühl vertrauen.
Hr