Sportverletz Sportschaden 2012; 26(03): 130-132
DOI: 10.1055/s-0032-1329367
Für Sie notiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hochleistungssport – Medizinische Voruntersuchungen bei Kindern sinnvoll

Contributor(s):
Britta Brudermanns
Mayer Frank et al.
Br J Sports Med 2012;
46: 524-530
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 October 2012 (online)

 
 

Die Eignung jugendlicher Athleten für den Leistungssport wird häufig anhand medizinischer Voruntersuchungen eingeschätzt. Frank Mayer et al. überprüften nun die Effektivität dieser zeit- und kostenaufwendigen Untersuchungen, deren Validität immer noch kontrovers diskutiert wird.
Br J Sports Med 2012; 46: 524–530

Ziel der Arbeitsgruppe von Mayer, Zentrum für Sportmedizin Potsdam, war:

  1. die Ergebnisse einer regulären Voruntersuchung heranwachsender Athleten zu evaluieren und zwar vor dem Eintritt in einen kompetetiven Level mit hoher täglicher Trainingslast,

  2. die Häufigkeit und medizinischen Gründe einer Untauglichkeit der jungen Athleten zu analysieren und

  3. die Empfehlungen für präventive und therapeutische Interventionen, die sich aus der Voruntersuchung ergeben, zu quantifizieren.

An der Studie beteiligten sich insgesamt 733 12-jährige Athleten 16 verschiedener Sportdisziplinen, die sich um die Aufnahme an einem Sportgymnasium bewarben (318 Mädchen, 415 Jungen, Alter 12,3±0,4 Jahre). Die Eignung der Teilnehmer wurde im Laufe des Qualifikationsprozesses überprüft sowohl anhand

  • der Krankheits-,

  • Trainings- und

  • Familiengeschichte, als auch

  • klinischer Untersuchungen des Bewegungsapparats (Skelett/Muskulatur/Sehnen),

  • des Herz-Kreislauf-Systems (Ruhe- und Belastungs-EKG) und

  • einer allgemeinmedizinischen Beurteilung (inkl. Blutwerte).

Die Erfassung der medizinischen Daten komplettierten die Mediziner mit Röntgen- und Sonografie-Aufnahmen, falls es aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse angebracht schien oder der Athlet einen Sport mit starker Belastung der lumbalen Wirbelsäule ausübte.

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Eine umfassende medizinische Voruntersuchung führt nur selten zum Ausschluss vom Leistungssport. Allerdings sprachen die Ärzte allein aufgrund der allgemeinmedizinischen Befunde bei jeweils 10 und 14 % der 12-Jährigen Therapie- und Präventionsempfehlungen aus.(© Jupiterimages)

Grund meist Bewegungsapparat

Die meisten Auffälligkeiten innerhalb der Krankheitsgeschichten (KG) und der klinischen Ergebnisse der Voruntersuchungen (VU) betrafen das muskulosketale System:

  • in der KG gab es 120 Fälle bzw. 16,4% Betroffene und

  • bei der VU fielen 247 Fälle bzw. 33,7% der Kinder auf.

Herz-Kreislauf- und allgemeinmedizinische Befunde wurden hingegen deutlich seltener diagnostiziert und lagen in der KG zu 1,2 und 15,8% vor. Allerdings fiel auch hier der eine oder andere Fall bei der VU selbst auf:

  • Herzkreislauf: n=23 bzw. 3,1%

  • Allgemeinmed.: n=71 bzw. 9,7%

  • Belastungs EKG mit relevanten Anomalien: n=17 bzw. 2,3%

  • EKG in Ruhe mit moderaten Anomalien: n=46 bzw. 6,3%

Von den 17 Jugendlichen (2,3%) mit relevanten EKG-Anomalien wurden zwei vom Leistungssport ausgeschlossen.

Bei insgesamt 48,8% der 733 Athleten (n=358) wurden Röntgenaufnahmen angefertigt. Diese waren in 9,6% der Fälle (n=70) medizinisch bedingt – aufgrund von Untersuchungsergebnissen oder Schmerzen. Insbesondere lumbale Aufnahmen wurden routinemäßig angefertigt, weil die Athleten einen Sport mit entsprechend starker Belastung ausübten – so wurden 93,3% der Aufnahmen von der lumbalen Wirbelsäule angefertigt. Deutlich seltener betroffen waren Thorax (n=6, 1,7%), Schulter (n=1, 0,3%), Knie (n=13, 3,6%), Knöchel (n=1, 0,3%) und andere Bereiche (n=3, 0,8%). Aus diesen Röntgenaufnahmen ergaben sich Diagnosen in 14,5% der Fälle (52 von 358).


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Hohe Anzahl an Empfehlungen

Die Eignung zum Leistungssport wurde bei 41 Jugendlichen (5,6%) als "temporär eingeschränkt" eingestuft (‣ Abb. [ 1 ]). Dabei ging man von einem Trainingspensum auf entsprechendem Level von 20 Stunden pro Woche aus. Drei Athleten (0,4%) mussten komplett vom Leistungssport ausgeschlossen werden. Rehabilitative Therapieempfehlungen (z.B. Physiotherapie, Medikation) oder Empfehlungen für Präventionsmaßnahmen (z.B. sensomotorisches Training, Impfung) sprachen die behandelnden Ärzte allerdings relativ häufig aus. Aufgrund von Diagnosen am Bewegungsapparat empfahlen sie Trainings- und Prävetniosmaßnahmen bei 10,3 und 9,8% der Kinder, aufgrund des allgemeinmedizinischen Befunds zu 10,9 und 14,1%.

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Abb. 1 Häufigkeit und Konsequenzen der Befunde einer Vorsorgeuntersuchung junger Athleten.
Fazit

Die Eignung zum Leistungssport wurde nur bei 5,8% der jugendlichen Athleten im Alter von 12 Jahren mit "eingeschränkt" beurteilt. Diese Rate ist sehr gering. Dennoch wurden häufig Therapie- und Präventionsempfehlungen ausgesprochen, besonders das muskuloskeletale System betreffend. Die Autoren sehen damit den Zeit- und Kostenaufwand der medizinischen Voruntersuchungen für junge Athleten, die eine Karriere im Leistungssport anstreben, als gerechtfertigt an.


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Eine umfassende medizinische Voruntersuchung führt nur selten zum Ausschluss vom Leistungssport. Allerdings sprachen die Ärzte allein aufgrund der allgemeinmedizinischen Befunde bei jeweils 10 und 14 % der 12-Jährigen Therapie- und Präventionsempfehlungen aus.(© Jupiterimages)
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Abb. 1 Häufigkeit und Konsequenzen der Befunde einer Vorsorgeuntersuchung junger Athleten.