Aktuelle Urol 2012; 43(05): 295-296
DOI: 10.1055/s-0032-1329381
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kurzmitteilung – DGU und AUO befürworten aktive PCa-Therapie mit umfassender Aufklärung

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Publication Date:
08 October 2012 (online)

 
 

Die grundsätzliche Bedeutung des PSA-Werts im Rahmen des Screenings und der Früherkennung des Prostatakarzinoms wird in öffentlichen Medien zunehmend in Zweifel gezogen. Nachfolgende diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Feststellung eines krankhaft erhöhten PSA-Wertes werden kritisiert. Anlass hierzu sind nicht nur Empfehlungen der U.S. Preventive Services Task Force vom Oktober 2011, sondern auch die im Juli 2012 im NEJM veröffentlichten Daten der sogenannten PIVOT-Studie und der GEK-Krankenhausreport der Barmer Krankenkasse.

Die aktuell publizierte US-amerikanische PIVOT-Studie schloss 731 Männer mit klinisch lokalisiertem Prostatakarzinom zwischen Radikaloperation und Beobachtung in einem Zeitraum von 1994 bis 2002 ein. Das mittlere Alter der Studiengruppe lag bei 67 Jahren und der mediane PSA-Wert bei 7,8ng/ml. Etwa 50% der Männer hatten ein nicht palpables (cT1c) Stadium der Erkrankung, 75% wiesen einen Gleason-Score < 7 auf. Die Autoren schlossen 40% der Tumoren als eine Erkrankung mit niedrigem Risikograd ein.

Hohe Gesamtmortalität nach 10 Jahren Follow-up in PIVOT-Studie

Nach einem medianen Follow-up von 10 Jahren waren 47% der Patienten in der operierten Gruppe (n=171) und 50% in der Beobachtungsgruppe (n=183) verstorben. Die beobachtete absolute Reduktion des Risikos um 2,9% war statistisch nicht signifikant. Auffällig in dieser Studie ist die hohe Gesamtmortalität nach 10 Jahren. Dies deutet auf eine hohe Komorbidität der behandelten Patienten hin. Dieses Ergebnis unterscheidet sich wesentlich von anderen Studien, wie bspw. der kontrollierten schwedischen Vergleichsstudie von Bill-Axelson und Kollegen, in der die Gesamtmortalität nach 12 Jahren Nachbeobachtung bei lediglich 25% lag. Im Gegensatz zum Gesamtkollektiv verbesserte sich in der PIVOT-Studie bei Patienten mit intermediärem Risikoprofil das Überleben durch die Operation signifikant um 12,6% und bei Patienten mit einem PSA-Wert über 10ng/ml signifikant um 13,2%. Neben der potenziellen Reduktion der Sterblichkeit wird die Beeinflussung der oft mit erheblichen Symptomen verbundenen Metastasierung im Knochen im Rahmen dieser über viele Jahre verlaufenden chronischen Tumorerkrankung oftmals vernachlässigt. Die Entwicklung von Knochenmetastasen betrug in dieser Studie bei operierten Patienten 4,7 vs. 10,6% im Beobachtungsarm.


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Funktionserhaltende OP-Techniken zu selten eingesetzt

Kritisch diskutiert wurden auch die möglichen Nebenwirkungen der Behandlung. Bei 21,4% der operierten Männer registrierten die Autoren postoperativ Komplikationen innerhalb der ersten 30 Tage nach der Operation. Nach 2 Jahren war die vom Patienten angegebene Rate an Inkontinenz und Potenzstörungen in der Gruppe operierter Patienten statistisch erhöht gegenüber der Beobachtungsgruppe. Allerdings wurde nur bei gut einem Drittel der Patienten ein nervenschonendes, potenzerhaltendes Operationsverfahren eingesetzt. Laut dem Bericht der Barmer GEK wird ein solches Verfahren in Deutschland bereits bei 55% der Operationen eingesetzt. In spezialisierten deutschen Zentren liegt diese Rate bei >80%. Konsequenterweise lag die Rate an Erektionsstörungen in der US-Studie bei rund 80%, doch wiesen auch 44% der beobachteten Patienten eine Erektionsstörung auf, die in diesem Alterskollektiv durchaus schon per se häufig ist. Die Inkontinenzrate war gegenüber der Kontrollgruppe ebenfalls um rund 10% erhöht, was erneut den mangelnden Einsatz funktionserhaltender OP-Techniken widerspiegelt.


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6,5% der operierten Patienten generell unzufrieden

Nach den aktuellen Daten der Barmer GEK und einer Befragung von 825 ihrer Prostata-Patienten lag die Rate an inkontinenten Patienten bei 19,6%. Dennoch berichten 49% der operierten Patienten über uneingeschränkte Zufriedenheit mit dem Behandlungsergebnis und der Behandlungsentscheidung. Weitere 45% der Patienten gaben eine eingeschränkte Zufriedenheit und 6,5% eine generelle Unzufriedenheit mit dem Ergebnis an.


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Junge PCa-Patienten aggressiv zu therapieren kann sich lohnen

Zusammenfassend ist die Bewertung von Therapieverfahren des Prostatakarzinoms sehr komplex. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes ist im Rahmen der demografischen Entwicklung stark angestiegen und so werden immer mehr Männer mit entsprechend langer Lebenszeitprognose auch an einem Prostatakarzinom sterben – sofern dieses unbehandelt bleibt. Alle Daten aus kontrollierten Studien zeigen, dass es sich lohnt, bei jüngeren Männern frühzeitig ein potenzielles Karzinom zu finden und es, wenn nötig, aggressiv zu therapieren. Weiterhin scheint die funktionserhaltende, radikale Prostataentfernung neben der Strahlentherapie die beste von mehreren Optionen zu sein, gleichwohl fehlen wissenschaftlich gesehen hier abschließende Beweise. Auch die Früh- und Spätkomplikationen der verschiedenen Therapie­optionen sind bisher nicht sauber erfasst. Ein möglicher Weg, um die Frage nach der besten Therapieform beim gesicherten, lokal begrenzten Prostatakarzinom zu beantworten, könnte unter anderem die PREFERE-Studie sein. Diese Studie wird wesentlich von der DGU und der AUO mitgetragen, um die Frage des Nutzens und der Nebenwirkungen etablierter Verfahren wie

  • Aktive Beobachtung,

  • Operation,

  • permanente Seed-Implantation und

  • perkutane Strahlentherapie

möglichst rasch anzugehen.

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Die öff entliche Medienberichterstattung lässt an der Bedeutung des PSA-Werts im Rahmen des Screenings und der Früherkennung von Prostatakarzinomen zweifeln. Dazu bezieht die DGU und AUO aktuell Stellung: Eine aktive Therapie mit vorheriger umfassende Aufklärung des Patienten über potenzielle Risiken und Chancen seien einer abwartenden Haltung klar vorzuziehen.(©Thieme / Thomas Möller (nachgestellte Situation))

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PSA-Test ist wichtigstes Instrument zur Früherkennung des PCa

Der PSA-Test ist nach wie vor das wichtigste Instrument für die Früherkennung von Prostatakrebs. Patienten, bei denen auf Grund eines erhöhten PSA-Wertes ein Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko diagnostiziert wird, werden von deutschen Urologen analog zu den Empfehlungen der S3-Leitlinie Prostatakarzinom nicht nur über definitive Behandlungsoptionen wie Operation oder Bestrahlung, sondern auch über alternative Vorgehensweisen beim Umgang mit der Erkrankung, wie etwa der aktiven Beobachtung (active surveillance) informiert. Die sichere Abwägung zwischen Beobachtung und Operation bleibt dabei schwierig und eine umfangreiche und komplexe Beratung und Aufklärung ist notwendig. Insbesondere bei jüngeren Männern mit einem Prostatakarzinom niedrigen Risikos ist die frühe Therapie mit sehr guten funktionellen und onkologischen Ergebnissen gegenüber einer zeitlich verzögerten Therapie mit geringerem Behandlungserfolg und höheren Risiken abzuwägen.


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Fazit

In Anbetracht der anhaltend hohen Mortalität des Prostatakarzinoms als dritthäufigste Krebstodesursache beim Mann und der insgesamt steigenden Lebenserwartung scheint die grundsätzliche Ablehnung von Früherkennung mittels PSA-Test und gegebenenfalls aktiver, kurativer Therapie in der Medienberichterstattung fragwürdig. Demgegenüber bezieht die DGU gemeinsam mit der AUO hier eine klare medizinethische Position im Sinne der Prostatakarzinompatienten und plädiert für eine umfassende Aufklärung über potenzielle Risiken und Chancen einer aktiven Therapie gegenüber einer abwartenden Haltung.


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Hintergrunddaten Prostatakarzinom

Das Prostatakarzinom ist mit über 60000 Neuerkrankungen pro Jahr weiterhin die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung des Mannes und steht nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei der Sterblichkeit mit mehr als 12000 Todesfällen pro Jahr an 3. Stelle. Prostatakarzinome sind pathologisch und biologisch sehr heterogen, bei dem oft langsam wachsenden Tumor ist der Vor- oder Nachteil verschiedener Therapieoptionen meist erst nach mehr als 10 Jahren statistisch zu bewerten. Dies lässt die zur Verfügung stehenden therapeutischen Optionen insbesondere bei Patienten mit einem Niedrigrisikokarzinom und im höheren Alter auf den ersten Blick kritisch erscheinen.

Nach einer Pressemitteilung (DGU)


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Die öff entliche Medienberichterstattung lässt an der Bedeutung des PSA-Werts im Rahmen des Screenings und der Früherkennung von Prostatakarzinomen zweifeln. Dazu bezieht die DGU und AUO aktuell Stellung: Eine aktive Therapie mit vorheriger umfassende Aufklärung des Patienten über potenzielle Risiken und Chancen seien einer abwartenden Haltung klar vorzuziehen.(©Thieme / Thomas Möller (nachgestellte Situation))