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DOI: 10.1055/s-0032-1329633
Metall-Metall-Gleitpaarungen bei Hüftendoprothese – Labor alleine reicht nicht!
Publication History
Publication Date:
17 October 2012 (online)
Erhöhte Metallionenkonzentrationen im Blut lassen sich nicht als alleiniges diagnostisches Kriterium für das Vorhandensein eines Metallionenabriebs verwenden. Dies zeigt die vorliegende Studie, der es gelungen ist, die Problematik bei der Bestimmung eines Referenzwertes für Metallionenkonzentrationen im Blut bei vorhandenen Metall-Metall-Gleitpaarungen rechnerisch aufzuzeigen.
The sensitivity, specificity and predictive values of raised plasma metal ion levels in the diagnosis of adverse reaction to metal debris in symptomatic patients with a metal-on-metal arthroplasty oft the hip. J Bone Joint Surg. Br. 2012;94-B: 1045–50
Einleitung
Im klinischen Alltag zeigen sich zahlreiche Komplikationen nach alloarthroplastischem Gelenkersatz der Hüfte mit Metall-Metall-Gleitpaarung. Ursächlich ist ein erhöhter Metallionenabrieb, der in der Umgebung des Gelenkes zu entzündlichen Veränderungen, Pseudotumoren, aseptischen Lockerungen des Implantates, Osteolysen, Knochennekrosen und Frakturen führen kann. In der englischsprachigen Literatur werden diese Komplikationen unter dem Begriff ARMD, adverse reaction to metal debris zusammengefasst. Des Weiteren führt der Metallionenabrieb zu einem Anstieg der Kobalt- und Chromkonzentration in Blut und Urin. Dies kann neben dem Metallartefakte reduziertem MRT [engl. MARS-MRI, Metal Artefact Reduction Sequence- MRI] diagnostisch genutzt werden. Bezüglich möglicher Grenzwerte für Metallionenkonzentrationen im Blut des Menschen gibt es jedoch bisher keine einheitliche Aussage in der Literatur.
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Methodik
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden 285 symptomatische Patienten mit einer Metall-Metall-Gleitpaarung im Hüftgelenk, die sich zwischen Januar 2009 und Mai 2011 klinisch vorgestellt hatten nachuntersucht. Eingeschlossen wurden sowohl Patienten mit Großkopf-Hüfttotalendoprothesen, als auch Patienten mit Oberflächenersatz am Hüftgelenk. Es wurde bei diesen Patienten (nach speziellem Blutentnahmeprotokoll) mittels Spektrometrie eine Metallionenbestimmung für Kobalt und Chrom aus dem Plasma durchgeführt. Des Weiteren erhielten die Patienten zur bildgebenden Diagnostik ein MARS-MRI. Dieses wurde bei Vorliegen eines ausgeprägten Gelenkergusses oder einer weichteiligen Raumforderung mit Verbindung zur Gelenkkapsel als pathologisch gewertet. Im Rahmen der statistischen Auswertung wurden Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte für Plasmaionenkonzentrationen von Kobalt und Chrom von > 7 µg / l (und > 3,5 µg / l) auf pathologische Ergebnisse im MARS-MRI bezogen.
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Ergebnisse
Es konnten die Ergebnisse von 205 Patienten in die Auswertung einbezogen werden, wovon 83 Frauen und 126 Männer waren. 19 Patienten hatten einen Oberflächenersatz am Hüftgelenk erhalten, 190 waren mit einer Großkopf-Totalendoprothese versorgt worden. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung betrug der Median der Prothesenstandzeit 1,9 Jahre (0,5 bis 5,5 Jahre). Der Median der Plasmaionenkonzentration für Kobalt betrug 4,2 µg / l (0,4 bis 335,4), für Chrom 4,9 µg / l (0,2 bis 163). Beide Werte korrelierten gut miteinander (Korrelationskoeffizient 0,722, p < 0,001).
Patienten ohne Pathologien im MARS-MRI zeigten einen Median der Plasmakonzentrationen von 3,5 µg / l (0,06 bis 335,4) für Kobalt und 4,3 µg / l (0,2 bis 163,0) für Chrom. Im Fall des Vorliegens von Pathologien im MARS-MRI betrugen diese Werte für Kobalt 8,5 µg / l (0,5–153,3) und für Chrom 5,9 µg / l (0,2-66,9). Das MARS-MRI zeigte einen pathologischen Befund bei 84 Patienten. Unter Verwendung des MARS-MRI als Vergleichsverfahren zum Nachweis von Metallionen assoziierten Komplikationen (ARMD) zeigte sich bei Metallionenkonzentration mit Werten > 7 µg / l eine Sensitivität von 57 %, Spezifität von 65 %, der positive prädiktive Wert (PPW) betrug 52 %, der negative prädiktive Wert (NPW) betrug 69 %. Eine Absenkung des Referenzwertes auf 3,5 µg / l steigerte die Sensitivität auf 86 %, den NPW auf 74 %. Gleichzeitig sanken jedoch die Spezifität auf 27 % und der PPW auf 44 %. Die Nutzung der Metallionenkonzentration als alleiniges diagnostisches Kriterium ist somit nicht möglich. Eine Erweiterung der Diagnostik um klinische Untersuchung und das MARS-MRI wird entsprechend empfohlen!
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Kommentar
Nach einer zunehmenden Anwendung von Metall-Metall-Gleitpaarungen am Hüftgelenk in den letzten Jahren steigt nun die Zahl der Patienten, die sich mit Beschwerden im Bereich des operierten Gelenkes beim Orthopäden / Orthopädischen Chirurgen vorstellen. Es fehlt jedoch entsprechende Erfahrung mit Implantat assoziierten Komplikationen, ebenso wie Diagnose- und Behandlungspfade. Metallionenkonzentrationen werden seit der Publikation der Problematik des Metallionenabriebs bestimmt, Referenzwerte sind jedoch umstritten. Den Autoren der vorliegenden Arbeit ist es gelungen, die Problematik bei der Bestimmung eines Referenzwertes für Metallionenkonzentrationen im Blut bei vorhandenen Metall-Metall-Gleitpaarungen rechnerisch aufzuzeigen und somit diese Laborwerte als alleiniges diagnostisches Kriterium auszuschließen. Bei persistierenden Beschwerden muss entsprechend auch bei niedrigen Blutionenkonzentrationen die Indikation zur Ausweitung der bildgebenden Diagnostik auch mittels MARS-MRI gestellt werden. Somit stellt diese Arbeit ein wichtiges Element bei der Entwicklung von Nachuntersuchungskonzepten für Patienten mit Beschwerden im Bereich des Hüftgelenkes nach Implantation eines Gelenkersatzes mit Metall-Metall-Gleitpaarung dar.
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