Z Orthop Unfall 2012; 150(05): 458-459
DOI: 10.1055/s-0032-1329634
Für Sie gelesen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zugang bei Bizepssehnenruptur – Einfach oder Doppelt?

Contributor(s):
Stephan Quest
Gewal R et al.
Single versus Double-Incision Technique fort he Repair of Acute Distal Biceps Tendon Ruptures.

J Bone Joint SurgAm. 2012;
94: 1166-74
Further Information

Publication History

Publication Date:
17 October 2012 (online)

 
 

Diese randomisierte klinische Studie befasst sich mit den Vor- und Nachteilen des Einfach- oder Doppelzugang für die Versorgung der akuten distalen Bizepssehnenruptur.
Single versus Double-Incision Technique fort he Repair of Acute Distal Biceps Tendon Ruptures; J Bone Joint SurgAm. 2012; 94: 1166–74

Einleitung

Eine Ruptur der distalen Bizepssehne kommt am häufigsten bei Männern im mittleren Alter vor, die eine starke exzentrische Kontraktion ausführen. Ohne Operation tritt regelhaft eine Einschränkung in Ausdauerkraft und bei Supination (40 %) und Flexion (30 %) auf.

Für die operative Versorgung sind der einfache und der Doppelzugang bekannt. Beide werden kontrovers, v. a. hinsichtlich der Komplikationsraten, diskutiert und es gibt keinen klaren Hinweis für die Überlegenheit eines Zuganges.

Der einfache, anteriore Zugang ist aufgrund der Schnittgröße und Nachbarschaft mit einer erhöhten Gefahr der Nervenverletzung vergesellschaftet. Der Doppelzugang sollte durch den verkleinerten Zugangsweg dieses Risiko verringern helfen. Jedoch wird dadurch eher eine radioulnare Synostose befördert, zudem kann der posteriore interossäre Nerv verletzt werden.


#

Material und Methoden

Männliche Patienten mit einer distalen Bizepssehnenruptur wurden in 2 Gruppen randomisiert aufgeteilt: 47 Patienten in die Gruppe mit dem einfachem Zugangsweg im mittleren Alter von 45,3+-7,4 Jahren; bei 68 % war der dominante Arm beteiligt. 44 Patienten wurden in die Gruppe mit dem Doppelzugang zugeteilt mit einem durchschnittlichen Alter von 44,9 +- 9.3 Jahren; hier war bei 59 % der Patienten der dominante Arm verletzt. Die operative Versorgung fand bei beiden Gruppen für ca. 2/3 der Patienten zwischen dem 1. und 13. Tag nach Unfall statt. Das andere Drittel wurde erst zwischen dem 14. und 30. Tag versorgt. Die postoperative Behandlung fand unter Applikation einer Gipsschiene in 90 ° Flexion statt. Der Einfachzugang wurde mit einer Doppelnahtankertechnik verknüpft, beim Doppelzugang wurden eine Rinne und Bohrlöcher entsprechend der Originaltechnikbeschreibung angelegt. Aus der Schiene heraus wurde in den ersten Tagen nach OP aktive Extension, passive Flexion mit supiniertem Ellenbogen, aktive Pronation und passive Supination beübt. Die Schiene wurde für insgesamt 6 Wochen getragen. Danach konnte eine aktive Bewegung frei vollzogen werden. Untersuchungen der Probanden fanden nach 3, 6, 12 und 24 Monaten statt.

Eine Beurteilung des Ergebnisses erfolgte mit dem ASES (American Shoulder and Elbows Surgeons) -Score und weiterhin mit dem DASH (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand)-SCore und dem PREE-(Patient-Rated Elbow Evaluation)-Score. Der Kraftgrad wurde im Vergleich mit dem Kontralateralen Arm bestimmt.


#

Ergebnisse

Von 91 Probanden konnte bei 83 eine klinische u./o. telefonische Beurteilung über den Beobachtungszeitraum von 24 Monaten erfolgen.

Zoom Image
© Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Titel des Bandes. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011.

Insgesamt erbrachten beide Gruppen beim ASES-Schmerzscore, ASES-Funktionsscore, DASH-Score und PREE-Score vergleichbare Werte. Beim Vergleich in der isometrischen Testung mit dem kontralateralen Arm hinsichtlich der Extensionskraft, am Unterarm hinsichtlich Pronationskraft und Supinationskraft konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Bei der isometrischen Flexionskraft zeigte die Gruppe mit dem Doppelzugang einen um 10 % höheren Kraftgrad als die Vergleichsgruppe. Zwischen beiden Gruppen bestanden keine Unterschiede in der Zeit bis zum Erreichen der vollen Flexion oder der Supinationskraft. Der Bewegungsumfang war zu allen Zeitpunkten ohne signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Eine minimal bessere Pronation war in der Einzelzugangsgruppe mit 76,7 ° gegenüber der Doppelzugangsgruppe mit 72,4 ° zu verzeichnen.


#

Komplikationen

Die Gruppe mit dem Einzelzugang wies eine erhöhte Zahl an Komplikationen auf. Dabei kam es bei 19 Probanden zu temporären Beeinträchtigungen des Nervus cutaneus antebrachii lateralis versus 3 Patienten der anderen Gruppe. Von den 19 Patienten mit Beeinträchtigung zeigten nach 24 Monaten nur noch 3 Patienten eine diskrete nervale Symptomatik. Insgesamt traten 4 Sehnenrerupturen auf, wobei alle aufgrund Noncompliance entstanden.

Bei 2 Patienten manifestierte sich eine milde heterotope Ossifikation ohne Einschränkung des Bewegungsumfangs. Einer der beiden hatte Indomethacin erhalten, der andere konnte aufgrund gastroösophagalen Refluxes keine Prophylaxe bekommen.

Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der OP und den spezifischen Komplikationen gefunden werden.


#

Zusammenfassung

Laut den Autoren ist die vorliegende Studie der erste prospektive randomisierte Vergleich der beiden möglichen Zugangswege hinsichtlich Funktionalität und klinischem Ergebnis nach Ruptur der distalen Bizepssehne.

Das Outcome bei der Einzelzugangstechnik und der Tunneltechnik beim Doppelzugang ist durchaus vergleichbar. Beim Einfachzugang ist das Risiko einer temporären Neurapraxie deutlich erhöht. Beide Techniken sind effektiv in der Wiederherstellung der Funktion. Die Zugangswahl kann also nach den Vorlieben und Erfahrungen des Operateurs im Dialog mit dem Patienten gewählt werden.


#

Kommentar

Es handelt sich um eine valide Studie die aufzeigt, dass das Outcome nach distaler Bizepssehnenruptur und operativer Behandlung eher von der Erfahrung und den Vorlieben des Operateurs für den jeweiligen Zugang abhängt. Komplikationen treten in einem recht geringen Maße auf.


#
#


 
Zoom Image
© Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Titel des Bandes. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011.