Dialyse aktuell 2012; 16(10): 586-588
DOI: 10.1055/s-0032-1332763
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Atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom – Antikörpertherapie schützt vor den Folgen der thrombotischen Mikroangiopathie

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Publication Date:
11 December 2012 (online)

 
 

Das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) ist eine genetisch bedingte chronische Erkrankung, die durch eine komplementvermittelte thrombotische Mikroangiopathie (TMA) gekennzeichnet ist. Die Antikörpertherapie mit Eculizumab (Soliris®) hemmt zielgerichtet die unkontrollierte Komplementaktivierung und führt bei etwa 90 % der Patienten zu einer Normalisierung der hämatologischen Parameter sowie zu einer signifikanten Reduktion der TMA-Ereignisse (Abb. [ 1 ]). Die Nierenfunktion bessert sich umso stärker, je früher mit der Antikörpertherapie begonnen wird – Experten plädieren deshalb bei Verdacht auf aHUS für eine zeitnahe Diagnostik und Therapieeinleitung.

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Abb. 1 Eculizumab (Soliris®) verhindert eine systemische thrombotische Mikroangiopathie.
Quelle: Alexion Pharma Germany GmbH, München

Beim aHUS besteht ein genetisch bedingter Mangel an Komplementinhibitoren, die zur Regulierung der Immunantwort benötigt werden. Die Folge ist ein überaktiviertes Komplementsystem mit permanenter Aktivierung von Thrombozyten, Endothelzellen und Leukozyten. Die endotheliale Schädigung verursacht eine systemische TMA mit hämolytischer Anämie und Verbrauchsthrombozytopenie. Die Erkrankung kann sich an zahlreichen Organen manifestieren, wobei nach Angaben von PD Jan Menne, Hannover, die Nierenbeteiligung im Vordergrund steht. Menne wies darauf hin, dass bei Patienten mit aHUS zahlreiche Mutationen in komplementregulierenden Genen beschrieben worden sind [ 1 ]. Da jedoch bei bis zu 50 % der Patienten keine Mutation gefunden werden kann, ist für die Diagnose "aHUS" kein Gentest erforderlich.

aHUS ist potenziell lebensbedrohlich

Die Prognose von Kindern und Erwachsenen mit aHUS ist ungünstig, da die Erkrankung häufig progredient verläuft und zu schweren Organschäden führt. 65 % der Patienten versterben, werden dialysepflichtig oder entwickeln eine chronische Niereninsuffizienz bereits innerhalb des ersten Jahres nach Diagnosestellung – und dies trotz Plasmaaustausch oder Plasmainfusion [ 2 ]. Ursache der hohen Morbidität und Mortalität bei aHUS ist die chronische TMA, die zu plötzlichen, fatalen Komplikationen und rasch fortschreitendem Versagen von Nieren-, Herz- oder Hirnfunktion führen kann. Bei Patienten mit den Symptomen einer systemischen TMA sollte umgehend eine Diagnostik vorgenommen werden, die außer aHUS auch die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und das shigatoxinproduzierende, E.-coli-assoziierte HUS (STEC-HUS) abklärt (Abb. [ 2 ]). Aufgrund der schwerwiegenden Folgen eines aHUS ist eine frühe Diagnose und baldige Therapieeinleitung entscheidend.

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Abb. 2 Differenzialdiagnose thrombotischer Mikroangiopathien.

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Terminale Komplementkaskade effektiv blockieren

Wie Prof. Christoph Licht, Toronto (Kanada), berichtete, wurden bislang verschiedene supportive Therapien bei aHUS eingesetzt, einschließlich der kombinierten Leber-Nieren-Transplantation. Weder hier- für noch für die Plasmapherese gibt es jedoch prospektive Therapiestudien. "Die Therapie des aHUS bleibt eine Herausforderung", so Licht. "Ein großer Fortschritt ist die Einführung der Antikörpertherapie mit Eculizumab, mit der die terminale Komplementkaskade blockiert wird – dieser Eingriff in die kausalen Abläufe bei aHUS leitet eine neue Ära der Therapie ein."

Eculizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG-Antikörper. Er hat einen großen humanspezifischen Abschnitt sowie murine komplementaritätsbestimmende Regionen, die auf die variablen Regionen der leichten und schweren Ketten des humanen Gerüsts aufgesetzt sind. Eculizumab bindet spezifisch und mit hoher Affinität an das humane Komplementprotein C5, das der terminalen Komplementkaskade zuzuordnen ist. C5 und insbesondere der terminale Komplementkomplex führen über entsprechende Aktivierungsschritte zu Hämolyse, Entzündung und Thrombose. Die Antikörpertherapie kappt diesen Aktivierungsweg, greift aber nicht in die Funktion des proximalen Komplementes ein. Daher bleiben wesentliche Immunabwehrstrategien wie die mikrobielle Opsonierung und die Elimination von Immunkomplexen erhalten.


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Studien mit Eculizumab weisen hohe Effektivität nach

Der Anti-CD5-Antikörper wurde in einem internationalen, multizentrischen Programm mit 3 Einzelstudien geprüft. Es handelt sich um 2 prospektive Langzeitstudien, an denen Patienten mit lange bestehender aHUS-Erkrankung (C08-003-Studie) und aHUS-Patienten mit progredienter TMA (C08-002-Studie) teilgenommen haben. Ferner liegen die Ergebnisse einer retrospektiven Studie mit einer Subgruppe pädiatrischer Patienten vor. Insgesamt haben 67 Patienten im Erwachsenen- und Jugendlichenalter das Studienprogramm durchlaufen.

Das Studienprogramm deckte ein breites Spektrum ab und schloss unter anderem Patienten mit hochgradiger Organschädigung ein sowie solche mit chronischer Dialyse, Nierentransplantation und multiplem Plasmaaustausch. Der Antikörper wurde nach einem festen Anwendungsschema mit Induktions- und Erhaltungsphase appliziert, wobei für Kinder und Jugendliche eine gewichtsadaptierte Dosierung gewählt wurde. Die Infusion des Antikörpers erfolgte über mindestens 35 min. Zur Verringerung des Infektionsrisikos ist eine Meningokokkenimpfung vor Therapiebeginn obligat, Patienten unter 18 Jahren müssen auch gegen Haemophilus influenzae und Pneumokokken geimpft sein.

In den beiden prospektiven Studien reduzierte Eculizumab bei allen Patienten signifikant und dauerhaft die Komplementaktivität, beginnend innerhalb von einer Stunde nach der ersten Infusion [ 3 ], [ 4 ]. Die Patienten mit lange bestehender aHUS-Erkrankung wurden zu 85 % dauerhaft frei von TMA-Ereignissen mit einer medianen Ereignisfreiheit von 62 Wochen. Die TMA-Ereignisfreiheit (primärer Endpunkt) war definiert als Abnahme der Thrombozytenzahl um weniger als 25 % und keine Notwendigkeit für Plasmaaustausch oder Plasmainfusion sowie keine neue Dialysepflichtigkeit für mindestens 12 aufeinanderfolgende Wochen.

Für ebenfalls median 62 Wochen erreichten 90 % der Studienteilnehmer eine Normalisierung der hämatologischen Parameter. Bei allen Patienten konnte unter Therapie mit Eculizumab der wiederholte Plasmaaustausch bzw. die Plasmainfusionen innerhalb eines halben Jahres beendet werden. Die langfristige Eculizumabtherapie stabilisierte und verbesserte die Nierenfunktion trotz vorbestehender Niereninsuffizienz. Die eGFR lag vor Studienbeginn bei 90 % der Patienten unter 60 ml/min/1,73 m2 und verbesserte sich konsekutiv um im Mittel 6,1 ml/min/1,73 m2 (Woche 26) bzw. 9,0 ml/min/1,73 m2 (Woche 62).

Bei 17 Erwachsenen und Jugendlichen mit kürzerer Dauer der aHUS-Erkrankung und progredienter TMA gelang es ebenfalls, mit Eculizumab die Thrombozytenzahl langfristig zu stabilisieren. Bereits 7 Tage nach Beginn der Therapie war die Zahl der Thrombozyten signifikant gestiegen (p = 0,0001; primäres Studienziel). Die Studienteilnehmer hatten zu Therapiebeginn eine vergleichbare Nierenfunktion wie die Teilnehmer der Studie C08-003 (lange Krankheitsdauer), profitieren jedoch vergleichsweise noch stärker von der Eculizumabtherapie mit einem Anstieg der eGFR um durchschnittlich 31 ml/min/1,73 m2. "Der größte Benefit lässt sich offenbar erzielen, wenn die Antikörpertherapie früh beginnt", sagte Licht. Es wurden 4 von 5 Patienten mit Dialysepflicht dialysefrei, und dies konnte über die gesamte Studiendauer von median 64 Wochen aufrecht- erhalten werden.

Die retrospektive Analyse der Krankheitsverläufe von 15 an aHUS erkrankten Kindern im Alter von 2 Monaten bis 11 Jahren ergab, dass sich bei 14 Kindern die Thrombozytenzahl unter Eculizumabtherapie normalisierte und 4 von 6 Kindern mit vorbestehender Dialysepflichtigkeit wieder dialysefrei wurden [ 5 ]. Die mediane TMA-Interventionsrate (definiert als Häufigkeit von Plasmaaustausch/Plasmainfusionen oder neue eingeleitete Dialyse pro Patient und Woche) sank von 3 auf 0.

Die Verträglichkeit von Eculizumab war in allen Patientengruppen gut, die Nebenwirkungen fielen mild bis moderat aus. Während der median 26-wöchigen (Erwachsenenstudien) bzw. 29-wöchigen (pädiatrische Studie) Behandlung mit dem Antikörper traten keine Meningokokkeninfektionen auf, auch gab es keine Todesfälle. Aufgrund der hohen Effektivität und guten Verträglichkeit von Eculizumab wird eine lebenslange Therapie mit dem Antikörper empfohlen, um eine kontinuierliche Kontrolle der komplementvermittelten TMA zu gewährleisten.

Dr. Beate Grübler, Hannover

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Alexion Pharma Germany GmbH, München.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Zielgerichtete Therapie des atypischen hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS) mit Eculizumab – eine neue Ära hat begonnen", veranstaltet von der Alexion Pharma Germany GmbH, München, auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Hamburg.

Die Autorin ist freie Journalistin.


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  • Literatur

  • 1 Noris M, Remuzzi G. Atypical hemolytic-uremic syndrome. N Engl J Med 2009; 361: 1676-1687
  • 2 Caprioli J, Noris M, Brioschi S et al. Genetics of HUS: the impact of MCP, CFH, and IF mutations on clinical presentation, response to treatment, and outcome. Blood 2006; 108: 1267-1279
  • 3 Licht C et al. Ph II Study of Eculizumab (ECU) in Patients (PTS) with Atypical Hemolytic Uremic Syndrome (aHUS) Receiving Chronic Plasma Exchange/Infusion (PE/PI). J Am Soc Nephrol 2011; 22 ASN Kidney Week, Poster TH-PO366
  • 4 Greenbaum L et al. Continued Improvements in Renal Function with Sustained Eculizumab (ECU) in Patients (PTS) with Atypical Hemolytic Uremic Syndrome (aHUS) Resistant to Plasma Exchange/Infusion (PE/PI). J Am Soc Nephrol 2011; 22 ASN Kidney Week, Poster TH-PO367
  • 5 Simonetti GD et al. Eculizumab therapy for atypical haemolytic uremic syndrome (aHUS) in pediatric patients: efficacy and safety outcomes from a retrospective study. ESPN Congress Dubrovnik 2011, Poster P288

  • Literatur

  • 1 Noris M, Remuzzi G. Atypical hemolytic-uremic syndrome. N Engl J Med 2009; 361: 1676-1687
  • 2 Caprioli J, Noris M, Brioschi S et al. Genetics of HUS: the impact of MCP, CFH, and IF mutations on clinical presentation, response to treatment, and outcome. Blood 2006; 108: 1267-1279
  • 3 Licht C et al. Ph II Study of Eculizumab (ECU) in Patients (PTS) with Atypical Hemolytic Uremic Syndrome (aHUS) Receiving Chronic Plasma Exchange/Infusion (PE/PI). J Am Soc Nephrol 2011; 22 ASN Kidney Week, Poster TH-PO366
  • 4 Greenbaum L et al. Continued Improvements in Renal Function with Sustained Eculizumab (ECU) in Patients (PTS) with Atypical Hemolytic Uremic Syndrome (aHUS) Resistant to Plasma Exchange/Infusion (PE/PI). J Am Soc Nephrol 2011; 22 ASN Kidney Week, Poster TH-PO367
  • 5 Simonetti GD et al. Eculizumab therapy for atypical haemolytic uremic syndrome (aHUS) in pediatric patients: efficacy and safety outcomes from a retrospective study. ESPN Congress Dubrovnik 2011, Poster P288

 
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Abb. 1 Eculizumab (Soliris®) verhindert eine systemische thrombotische Mikroangiopathie.
Quelle: Alexion Pharma Germany GmbH, München
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Abb. 2 Differenzialdiagnose thrombotischer Mikroangiopathien.