CKD-Patienten haben ein dramatisch erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und somit eine
deutlich verringerte Lebenserwartung [
1
]. Grund dafür ist vor allem eine spezielle Form der Gefäßverkalkung: Neben der "klassischen
Verkalkung" mit Intimaveränderungen, konsekutiver Plaqueentstehung und Lumenverengung
kommt es bei chronisch nierenkranken Patienten zur Verkalkung und Versteifung der
Media (Mediasklerose). Das Thema eines Lunch-Symposiums der Firma Sanofi und des anschließenden
Expertengesprächs auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie
(DGfN) Anfang Oktober in Hamburg waren daher diagnostische und therapeutische Überlegungen
zur Senkung der hohen Mortalität nierenkranker Patienten.
Eine effektive Methode, die kardiovaskuläre Mortalität positiv zu beeinflussen, ist
die Wahl der Phosphatbindertherapie, wie Dr. Antonio Bellasi, Bologna (Italien), auf
dem Kongress hervorhob. Wie mehrere Studien belegt haben, kann die Therapie mit dem
kalzium- und metallfreien Phosphatbinder Sevelamer (Renvela®) den Progress der Gefäßverkalkung
im Vergleich zu kalziumhaltigen Präparaten deutlich verlangsamen.
Die erste prospektive randomisierte Studie, die das eindrucksvoll belegte, war die
"Treat-to-Goal"-Studie [
2
] im Jahr 2002: Dort wurden 200 Hämodialysepatienten randomisiert und erhielten entweder
Sevelamer oder kalziumhaltige Phosphatbinder. Während die Verkalkung der Koronararterien
in Woche 52 um 25 % unter kalziumhaltiger Therapie angestiegen war, wurde in der Sevelamergruppe
lediglich ein Fortschreiten um 6 % beobachtet. Der Unterschied war statistisch signifikant
und bestätigte sich auch in den nachfolgenden prospektiven Studien [
3
], [
4
], [
5
]]. Dass dieser verkalkungsinhibierende Effekt bereits in den Prädialysestadien zum
Tragen kommt, konnten Russo et al. [
6
] 2007 zeigen: Auch in dieser Patientengruppe verlangsamte Sevelamer den Progress
der Kalzifizierung signifikant.
Neue Studie zeigt: geringere Mortalität unter Sevelamertherapie
Neue Studie zeigt: geringere Mortalität unter Sevelamertherapie
Zwar ist die Kausalkette "höhere Gefäßverkalkung → höhere Mortalitätsrate" pathophysiologisch
mehr als einleuchtend, aber bislang lagen nur wenige klinische Daten dazu vor. Die
DCOR[
1
]-Studie [
7
], in der 2103 Dialysepatienten beobachtet wurden, verfehlte das Signifikanzniveau.
Allerdings zeichnete sich in den Subgruppen der über 65-Jährigen sowie der Patienten,
die über 2 Jahre dialysepflichtig gewesen waren, ein signifikanter Nutzen der Therapie
mit Sevelamer hinsichtlich des Überlebens ab. Die Langzeitauswertung der RIND[
2
]-Studie [
8
] konnte dann auch insgesamt eine signifikant gesenkte Mortalität zeigen.
Auf dem Kongress stellte Bellasi nun neueste Outcomedaten vor, denen zufolge Sevelamer
die Prognose der Patienten nachhaltig verbessern kann. Wie die Daten zeigen, geht
der gefäßschützende Effekt von Sevelamer auch mit einem verbesserten Überleben der
Patienten einher.
Bellasi präsentierte die vor einem halben Jahr publizierte Studie [
9
] der INDEPENDENT Study Investigators zur Prädialysepopulation. 239 nicht dialysepflichtige
CKD-Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder Sevelamer (n = 107) oder
ein kalziumhaltiges Phosphatbinderpräparat (n = 105), um das Serumphosphat in die
Zielbereiche von 2,7–4,6 mg/dl (bei CKD 3–4) bzw. 3,5–5,5 mg/dl (CKD 5) zu senken
und zu halten. Initial sowie nach 6, 12, 18, und 24 Monaten wurde der Verkalkungsgrad
der Koronargefäße bestimmt.
Es zeigte sich, dass bei 24 Patienten mit vorbestehenden Kalzifizierungen ein signifikanter
Rückgang der Koronarverkalkung durch die Sevelamertherapie erreicht werden konnte,
während ein solcher nur bei 2 Patienten aus der Kalziumgruppe zu beobachten war. Bei
den Patienten, die anfangs keine Koronarverkalkung aufwiesen, wurde nach 24 Monaten
unter Sevelamertherapie lediglich bei 5 Patienten eine Neuverkalkung gefunden – in
der Gruppe, die mit kalziumhaltigen Phosphatbindern behandelt worden waren, immerhin
bei 45 Patienten.
Wie das Ergebnis zeigt, überträgt sich dieser gefäßprotektive Effekt auch auf die
Prognose der Patienten: Die Gesamtmortalität war nach 36 Monaten (primärer Endpunkt)
in der Sevelamergruppe signifikant niedriger (12 von 107 vs. 22 von 105, p < 0,05)
(Abb. [
1
]). Mit der vorgestellten Arbeit liegen nun erstmals harte Outcomedaten für die Prädialysephase
vor.
Abb. 1 Bessere Überlebenswahrscheinlichkeit (p < 0,05) unter Sevelamer vs. kalziumhaltigem
Phosphatbinder.
Noch eindrucksvoller seien sogar die Ergebnisse der "Parallelstudie", die am Dialysekollektiv
durchgeführt wurde. Wie Bellasi ausführte, waren in dieser Erhebung 466 Neudialysepatienten
randomisiert worden und erhielten entweder Sevelamer oder kalziumhaltige Phosphatbinder.
Primärer Endpunkt dieser noch unveröffentlichten, prospektiven Studie mit Open-Label-Design
war der plötzliche Herztod. Dieser war nach 36 Monaten bei 27 Patienten aus der Kalziumgruppe
eingetreten, aber lediglich bei 2 Patienten aus der Gruppe, die mit Sevelamer behandelt
worden war. Auch die Gesamtmortalität war unter Sevelamer deutlich niedriger.
Allerdings habe die Studie eine Schwäche im Hinblick auf die Randomisierung, wie Bellasi
einräumte: So waren die Studiengruppen zwar hinsichtlich Alter, Geschlecht und der
Prävalenz von Diabetes mellitus ausgewogen, aber die Ausgangskalzifizierung war nicht
berücksichtigt worden. Daher wurde im Nachgang eine Adjustierung der Auswertung auf
verschiedene Kovarianten – mitunter auch des Ausgangs-Verkalkungs-Scores – vorgenommen,
doch selbst nach Adjustierung blieb das Ergebnis signifikant, so Bellasi. Er sprach
von einem "deutlichen Signal", das beide Studien geben.
Die pleiotropen Effekte machen Sevelamer zu einer extrem interessanten Substanz
Die pleiotropen Effekte machen Sevelamer zu einer extrem interessanten Substanz
Prof. Lars Christian Rump, Düsseldorf, Vorsitzender des Symposiums, bat Bellasi um
seine Einschätzung, welche Eigenschaften von Sevelamer zu dieser bemerkenswerten Outcomeverbesserung
geführt haben könnten. Mit Blick auf große Osteoporosestudien [
6
] erklärte dieser, dass Kalzium die Gefäßverkalkung forciere und das kardiovaskuläre
Risiko erhöhe. Doch wahrscheinlich sei das bessere Outcome nicht allein der Kalziumfreiheit
geschuldet: "Wie wir wissen, senkt Sevelamer auch das LDL-Cholesterin, das CrP und
die Serumharnsäure, erhöht aber das verkalkungsinhibierende Fetuin A".
Prof. Matthias Blumenstein, München, hob in der anschließenden Diskussion besonders
die aktive Einflussnahme des Präparats auf den Fettstoffwechsel und die verkalkungsinhibierende
Wirkung auf Proteinebene (Anstieg von Fetuin A, Senkung von FGF-23) als naheliegende
Gründe für die Verbesserung des kardiovaskulären Outcomes hervor und schlussfolgerte:
"Die pleiotropen Effekte machen Sevelamer zu einer extrem interessanten Substanz,
gerade auch im Hinblick auf das kardiorenale Syndrom".
Das kardiorenale Syndrom erfordert eine interdisziplinäre Behandlung
Das kardiorenale Syndrom erfordert eine interdisziplinäre Behandlung
Denn wie PD Vincent Brandenburg, Aachen, erläuterte, greife die isolierte Betrachtung
des Organs Niere zu kurz. Da es im Verlauf der Niereninsuffizienz häufig zu kardiovaskulären
Ereignissen komme, sei es umso wichtiger, die Wechselwirkung zwischen Herz und Nieren
bei der Behandlungsstrategie zu berücksichtigten. Er verwies auf die relativ junge
Indikation des kardiorenalen Syndroms, das die Wechselbeziehung der beiden Organsysteme
illustriere und welches Ronco et al. [
10
] in 5 Subtypen klassifiziert haben, je nach Ausgangspunkt (renokardial/kardiorenal)
und Dynamik der Erkrankung (akut/chronisch). "Sprichwörtlich wurden Herz und Nieren
zwar immer schon in einem Atemzug genannt, aber erst seit wenigen Jahren wird dieser
Zusammenhang auch in Klinik und Forschung reflektiert", ergänzte Rump.
Wie Brandenburg ausführte, ist das kardiovaskuläre Risiko von CKD-Patienten multimodal
bedingt. Eine große Bandbreite an Faktoren – unter ihnen auch die Parameter des gestörten
Mineralstoffhaushalts wie steigende Serum-Phosphat-Werte – tragen zum erhöhten Herz-und
Gefäßrisiko von Nierenpatienten bei. Daher müsse auch die Therapie multimodal und
interdisziplinär erfolgen. Gerade auch im Bereich der Diagnostik ist die Zusammenarbeit
von Nephrologen und Kardiologen aussichtsreich. Zur Risikostratifizierung von CKD-Patienten
könne beispielsweise die Echokardiografie, Bestandteil der kardiologischen Diagnostik,
herangezogen werden.
Ebenso wichtig sei aber auch die Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizinern und Nephrologen,
gerade im Hinblick auf eine rechtzeitige Intervention: "Unsere Patienten sind nicht
erst krank, wenn sie an die Dialyse kommen. Wie die von Dr. Bellasi vorgestellten
Daten zeigen, lohnt sich eine rechtzeitige Intervention", so das Fazit von Blumenstein,
"dafür müssten die Patienten aber frühzeitiger, also nicht erst kurz vor der Dialysepflichtigkeit,
einem Nephrologen vorgestellt werden."
Dr. Bettina Albers, Weimar
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Sanofi-Aventis Deutschland
GmbH, Frankfurt am Main.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Nephrologie trifft Kardiologie – Können
wir gemeinsam das Outcome verbessern?", veranstaltet von der Sanofi-Aventis Deutschland
GmbH, Frankfurt am Main, auf der 4. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie
(DGfN), Hamburg.
Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept, Weimar.