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DOI: 10.1055/s-0032-1332986
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)
Ethische und rechtliche Gesichtspunkte der Künstlichen ErnährungGuideline of the German Society for Nutritional Medicine (DGEM)Ethical and Legal Aspects of Arteficial Nutrition- Zusammenfassung
- Abstract
- 1 Einführung
- 2 Methodisches Vorgehen
- 3 Grundsätze
- 4 Besondere Situationen
- 5 Wille, Aufklärung und Einwilligung des Patienten
- Literatur
Zusammenfassung
Fragestellung: Welche ethischen und juristischen Rahmenbedingungen und Problemsituationen bestehen in der Anwendung pflegerischer und ärztlicher Maßnahmen der künstlichen Ernährung?
Material und Methodik: Die Literaturrecherche erfolgte zu den Stichworten künstliche Ernährung, enterale Ernährung, orale Ernährungssupplemente, parenterale Ernährung, Ethik und Recht. Eine Evidenzbewertung der Literatur war mit den im klinischen Bereich üblichen Methoden nicht möglich. Der Textentwurf der Arbeitsgruppe wurde sowohl bei der ersten Konsensus-Konferenz als auch dem gesamten Plenum der Leitliniengruppe zur Diskussion gestellt. Die Rückmeldungen wurden berücksichtigt und der Text schließlich von allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe und den Mitgliedern des DGEM Steering Committee konsentiert.
Ergebnisse: Die Hilfe bei der natürlichen Nahrungsaufnahme ist integraler Bestandteil einer angemessenen pflegerischen Fürsorge. Für ernährungstherapeutische Maßnahmen stehen verschiedene Substrate und unterschiedliche Wege der künstlichen Nahrungszufuhr zur Verfügung. Wie bei jeder ärztlichen Intervention bedarf es sowohl einer entsprechenden Indikation, welche vor dem Hintergrund eines angemessenen Behandlungszieles beurteilt werden muss als auch einer Einwilligung des Patienten bzw. seines Stellvertreters.
Schlussfolgerung: Das Kapitel „Ethik und Recht“ behandelt übergreifende Regeln, Probleme und Grenzfragen, die für die Sicherheit und Orientierung des Entscheidens und Handelns bei der Anwendung künstlicher Ernährung in allen medizinischen Gebieten von Bedeutung sind. Es verweist auf die Notwendigkeit der Festlegung von Therapiezielen sowie der Indikationsstellung im Einzelfall und auf die Bedeutung des Patientenwillens.
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Abstract
Purpose: Which ethical and legal framework and problem situations exist in the using of caring and medical measures in relation to artificial nutrition?
Material and methods: The literature research is be done concerning the following keywords: artificial nutrition, enteral nutrition, oral nutrition supplements, parenteral nutrition, ethics and law. The evidence valuation of the literature was not possible with the usual methods in the clinical field. The draft of a text worked out by the Working Group was put up for discussion as well as in the first consensus conference as the whole plenum of the guideline group. The feedbacks were taken into account and finally all members of the working group and the DGEM Steering Committee achieved a consensus.
Results: Assisting in the natural food ingestion is an integral part of an appropriate nursing care. Recording nutritional therapeutic measures different substrates and different ways of artificial food supply are available. As with any medical intervention, it requires an appropriate indication, which has to be judged against the background of an appropriate treatment goal, as well as consent of the patient or his representative.
Conclusion: The chapter “Ethics and Law” deals with comprehensive rules, problems and boundary issues that are important concerning to the safety and orientation of decision-making and action by using artificial nutrition in all medical fields. It points to the need to establish treatment aims and the indication in the individual case and the importance of the patient's wishes.
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1 Einführung
Die Deckung des Bedarfs an Flüssigkeit und Nährstoffen ist für den Menschen lebensnotwendig. Mit der Nahrungszufuhr kann gleichzeitig das Hunger- und Durstgefühl als natürliches Bedürfnis befriedigt werden. Jeder Mensch hat deshalb einen Anspruch auf eine ausreichende Ernährung.
Die Hilfe bei der natürlichen oralen Nahrungsaufnahme ist ein integraler Bestandteil einer angemessenen pflegerischen Fürsorge. Bei Einschränkungen dieser natürlichen Form der Nahrungsaufnahme dienen pflegerische und ärztliche Maßnahmen sowohl der Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs als auch der Befriedigung dieser natürlichen Bedürfnisse mit dem Ziel der Ermöglichung einer optimalen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Für ernährungstherapeutische Maßnahmen stehen orale, enterale und parenterale Wege der künstlichen Nahrungszufuhr zur Verfügung [1].
Während die medizinischen Begründungen der Ernährungstherapie in den fachgebietsbezogenen Kapiteln der Leitlinie „Klinische Ernährung“ der DGEM dargestellt werden, sind im folgenden Teil „Ethik und Recht“ übergreifende Regeln, Probleme und Grenzfragen behandelt, die für die Sicherheit und Orientierung des Entscheidens und Handelns bei der Anwendung künstlicher Ernährung in allen medizinischen Gebieten von Bedeutung sind.
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2 Methodisches Vorgehen
Das Kapitel stellt eine zusammenfassende und aktualisierte Fortschreibung der vergleichbaren Kapitel der bisherigen Leitlinien zur enteralen und zur parenteralen Ernährung der DGEM [2] [3] [4] [5] [6] und der ESPEN [7] dar.
Die Arbeitsgruppe für das Kapitel „ethische und rechtliche Gesichtspunkte“ war sowohl multiprofessionell mit Vertretern der Medizin, der Pflege und der Rechtswissenschaft als auch international mit Vertretern aus der Schweiz, Österreich und Deutschland besetzt.
Die Literaturrecherche erfolgte zu den Stichworten künstliche Ernährung, enterale Ernährung, orale Ernährungssupplemente, parenterale Ernährung, Ethik, Recht bzw. arteficial nutrition, enteral nutrition, oral nutrition supplements, parenteral nutrition, ethics, law. Eine Evidenzbewertung der Literatur war mit den im klinischen Bereich üblichen Methoden bei der Spezifität des im Kapitel verhandelten Themas nicht möglich.
Ein erster Entwurf der Schwerpunkte des Kapitels wurde im November 2010 auf einer Fortbildungsveranstaltung der DGEM in Machern vorgestellt. Im Mai 2011 folgte ein 2-tägiges Treffen der Arbeitsgruppe, in welchem die Gliederung des Kapitels präzisiert und die inhaltlichen Schwerpunkte diskutiert wurden. Der daraus entwickelte Textentwurf zirkulierte in der gesamten Arbeitsgruppe. Nach der Einarbeitung aller Anmerkungen und Korrekturen präsentierte der Arbeitsgruppenleiter das Zwischenergebnis bei der ersten Konsensus-Konferenz der Leitlinie Klinische Ernährung im September 2011. Nachdem der entsprechend überarbeitete Textentwurf in der Arbeitsgruppe abgestimmt worden war, erfolgte der Versand des Entwurfs an das gesamte Plenum mit der Bitte um kritische Durchsicht. Die Rückmeldungen wurden ebenfalls berücksichtigt und der Text schließlich von allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe und den Mitgliedern des DGEM Steering Committee konsentiert.
Die Tätigkeit der Mitglieder der Arbeitsgruppe war ehrenamtlich, die Kosten des einmaligen Treffens der Arbeitsgruppe wurden von der DGEM übernommen.
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3 Grundsätze
Orale Nahrungsergänzung und Sondenernährung
Wenn ein spezieller medizinischer Bedarf vorliegt oder die Möglichkeit der oralen Nahrungsaufnahme eingeschränkt ist, besteht die Möglichkeit, die natürliche Kost durch zusätzliche Trinknahrung (orale Nahrungssupplemente) zu ergänzen. Ist dieses Vorgehen unzureichend, kann durch eine Sondenernährung unter Umgehung des Schluckvorgangs die entsprechende Sondennahrung verabreicht werden. Dabei ist es das Grundanliegen der oralen Nahrungsergänzung bzw. der Sondenernährung (und ein Vorzug gegenüber parenteraler Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr), die biologischen Vorgänge der Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme im Magen-Darm-Trakt soweit wie möglich aufrechtzuerhalten.
Industriell gefertigte Trinksupplemente zur oralen und Sondennahrung zur gastralen bzw. enteralen Zufuhr dienen in definierten Zusammensetzungen und Zubereitungsformen klar definierten therapeutischen Zielen und stellen somit eine Form künstlicher Ernährung dar.
Die Sondenernährung ist in zweierlei Hinsicht künstliche Ernährung: Sie verwendet zum einen industriell gefertigte Nahrung für bestimmte therapeutische Ziele in definierter Zusammensetzung und Zubereitungsform und zum anderen nutzt sie besondere Zugangswege (oro- bzw. nasogastrale Sonde, perkutane endoskopische Gastrostomie [PEG] bzw. Jejunostomie [PEJ] oder Feinnadel-Katheter-Jejunostomie [FKJ]).
Sowohl die Art als auch der Zugangsweg künstlicher enteraler Ernährung haben jeweils eigene Risiken.
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Parenterale Ernährung
Bei unzureichender oder vollständig fehlender Möglichkeit, den Bedarf an Flüssigkeit und Nährstoffen auf oralem bzw. enteralem Weg zu decken, kann die Zufuhr auch intravenös erfolgen. Hierzu bedarf es eines entsprechenden Zugangs zum Gefäßsystem, über den dann die Flüssigkeiten bzw. Ernährungslösungen gegeben werden. Parenterale Ernährung und der damit verbundene Zugangsweg sind ebenfalls mit speziellen medizinischen Risiken verbunden.
Der Einsatz von künstlicher Ernährung erfolgt auf der Basis eines nach ärztlicher und pflegerischer Einschätzung realistischen und durch den Patienten maßgeblich bestimmten Behandlungszieles [8]. Dabei ist der Patientenwille stets in den Rahmen der realisierbaren, d. h. indizierten medizinischen Handlungsoptionen wie auch in einen Kontext sozialer und kultureller Werthaltungen gestellt. Sowohl mit Sondenernährung als auch mit parenteraler Ernährung kann der Bedarf an Nährstoffen komplett gedeckt werden. Bedürfnisse, wie der Genuss der Nahrung und soziale Aspekte der Nahrungsaufnahme hingegen, werden durch diese Wege der Nährstoffzufuhr nicht befriedigt, dürfen aber grundsätzlich nicht vernachlässigt werden [9] [10] [11] [12] [13] [14].
Die medizinische Behandlung erfolgt entweder mit dem Ziel der Verlängerung/Erhaltung des Lebens (ggf. unter Akzeptanz einer temporären Verschlechterung der Lebensqualität) oder mit dem Ziel der Erhöhung bzw. der Erhaltung der Lebensqualität (ggf. unter Akzeptanz der Verkürzung der Lebensdauer).
Nach Festlegung des Therapiezieles können aus ärztlicher und pflegerischer Sicht geeignete Methoden vorgeschlagen werden, die dem Erreichen dieses Zieles dienen [15]. Dabei sind verschiedene Methoden in der Regel mit unterschiedlichen Vorteilen und Nachteilen bzw. Risiken behaftet. Aus fachlicher Sicht ist diejenige Methode vorzuschlagen, welche wirksam ist und mit der das angestrebte Ergebnis mit realistischer Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Dabei sollte sie in der Abwägung das geringste Komplikationsrisiko aufweisen. In dieser Abwägung sind sowohl die Risiken der zuzuführenden Substanz als auch des Zugangswegs zu berücksichtigen. Bei der Überbrückung einer akuten und reversiblen Erkrankung oder aber bei einem Dauerzustand können sich hierbei unterschiedliche Bewertungen ergeben.
Bei Unsicherheit der Wirksamkeit der künstlichen Ernährung wird ein Therapieversuch empfohlen. Beim Eintreten von Komplikationen oder bei Ausbleiben des gewünschten Therapieerfolgs ist der Therapieversuch zu beenden.
Das Fortbestehen der medizinischen Rechtfertigung für eine künstliche Ernährung muss in regelmäßigen und dem Zustand angemessenen Abständen überprüft werden. Am Lebensende verliert die an einem kalorien- und inhaltsstoffbezogenen objektivierten Bedarf orientierte Nahrungszufuhr zunehmend an Bedeutung.
Der Arzt muss in Situationen, in denen die Indikation nicht mehr gegeben ist (v. a. bei Wirkungslosigkeit, bei therapierefraktären Komplikationen, im unmittelbaren Sterbeprozess), bereit sein, die Entscheidung zum Abbruch der Ernährungstherapie zu treffen und dies dem Patienten, ggf. seinem Stellvertreter und den Angehörigen aber auch dem Behandlungsteam nachvollziehbar vermitteln.
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4 Besondere Situationen
4.1 Die Ernährung im Alter
Altersbedingte Veränderungen fordern im Hinblick auf vielschichtige medizinische Möglichkeiten vielschichtige ethische Entscheidungen [16] [17] [18].
Erstens wird die Nahrungsaufnahme bei älteren Menschen teils beschwerlich und die Nahrungsvielfalt wird reduziert. Die ärztliche Sorge um eine in Qualität und Quantität angemessene Ernährung hat eine zentrale Bedeutung zur Bewahrung von Gesundheit und Lebensqualität für die älteren Menschen. Hinzukommend folgt aus dem Umstand, dass wir Menschen im normalen Leben die Ernährung zu einem Grundvergnügen und einem Ausdruck der Lebensqualität kultiviert haben, die ethische Verpflichtung für die Ernährungsmedizin, die Ernährung soweit irgend möglich als Mittler für ein positives Lebensgefühl zu gestalten.
Zweitens ist gelegentlich festzustellen, dass im höheren Alter mit fortgeschrittener Hinfälligkeit und angesichts von Vereinsamung und Zukunftsleere Menschen keinen Lebenswillen mehr haben und dann die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme einstellen um zu sterben. Der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken kann als Ausdruck des selbstbestimmten Sterbens im Sinne des autonomen Umgangs mit dem eigenen Leben gesehen werden [19], darf aber nicht mit krankheitsbedingter Inappetenz verwechselt werden. Dabei ist die Grenze zwischen bewusster Aufgabe des Lebenswillens und einer therapiebedürftigen psychischen Erkrankung sehr schwer zu ziehen und bedarf einer psychiatrischen Beurteilung. Sofern keine psychische Erkrankung vorliegt bzw. die psychische Erkrankung durch einen Therapieversuch nicht wesentlich zu bessern ist, bedarf die Einleitung bzw. die Fortführung der Ernährungstherapie der Rechtfertigung, indem für den Betroffenen zugleich eine realistische Perspektive verbesserter Lebensqualität eröffnet wird, in die dieser auch einwilligt.
Drittens dient die Ernährungstherapie bei älteren Patienten häufiger nicht der vorübergehenden, sondern der dauerhaften Sicherstellung der Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit bis zum Lebensende. Dabei kann die Ernährungstherapie in einer chronisch auf den Tod zulaufenden Entwicklung bis in die Sterbephase wirksam sein und diese auch verlängern. Die Rechtfertigung für diese Therapie ist vor dem Hintergrund, ob es sich hier vorrangig um eine Lebensverlängerung oder eine Leidensverlängerung handelt, immer wieder kritisch zu überprüfen. Gegenüber der „akutmedizinischen Anwendung“ unterscheidet sich die „Ernährung auf das Lebensende hin“ dennoch nicht prinzipiell. Es sind hier in gleicher Weise – unter Wahrung der Selbstbestimmung des Patienten – die Kriterien des Therapiezieles und der Indikation für Beginn und Beendigung der Therapie zu erfüllen.
Viertens folgt aus dem typischen Verlauf des Alterns (wie: fortschreitende Multimorbidität; biopsychosozial ganzheitliches Betroffensein der kranken älteren Menschen; oft unmerklich schleichender Verlauf; fortschreitende Therapieineffektivität), dass Patienten sich für bestimmte Zeit in einem hinsichtlich möglicher Behandlungsalternativen nicht eindeutig entscheidbaren Zustand befinden können. Solange nicht klar begründet eine Entscheidung zu treffen ist, gilt – wie auch sonst an Grenzen der Lebenserhaltung – das Hilfsprinzip „in dubio pro vita“ (im Zweifel für das Leben). Die Anwendung dieses Prinzips schließt aber die unbedingte Verpflichtung ein, die Unsicherheit zeitnah durch diagnostische und sonstige geeignete Bemühung zu minimieren bzw. zu beseitigen.
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4.2 Künstliche Ernährung kann Pflege erleichtern
Eine künstliche Ernährung darf nicht allein zum Zweck der Reduktion des Pflegeaufwands erfolgen. Insbesondere bei Sondenernährung bedarf es der kritischen Prüfung. Auch bei liegender PEG sind alle Möglichkeiten einer natürlichen Nahrungszufuhr auszuschöpfen (Nahrungsgenuss, Zuwendung von Pflegenden, Training der Nahrungsaufnahme) [20] [21] [22] [23] [24] [25]. Bei Demenzkranken und bei Patienten mit schweren Hirnschädigungen kann in besonderen Konstellationen eine Ernährungssonde aber dennoch auch eine legitime pflegerische Entlastung darstellen [26] [27] [28] [29]. Die Entlastung durch die weniger zeitaufwendige Ernährung über eine Sonde kann die Situation entspannen, da zumindest die Sorge um eine ausreichende Zufuhr an Flüssigkeit und Kalorien den pflegerischen Alltag nicht mehr unangemessen belastet.
Allerdings ist in diesen speziellen Situationen dafür Sorge zu tragen, dass
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alle anderen Möglichkeiten zu einer bedarfsgerechten natürlichen Nahrungsaufnahme ausgeschöpft sind,
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ein klares therapeutisches Ziel und eine medizinische Indikation vorliegen,
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die Ernährungssonde supportiv eingesetzt wird und
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ein Nutzen für den betroffenen Patienten selbst absehbar ist, etwa weil die eingesparte Zeit für den Betroffenen eingesetzt und so bspw. eine Versorgung im eigenen Zuhause ermöglicht wird.
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4.3 Die ärztliche Verantwortung bei Sterbenden
Weil der Beginn der Sterbephase wissenschaftlich nicht weiter objektivierbar ist, kann eine ernährungsmedizinische Intervention in dieser Lebensphase keinem evidenzbasierten Algorithmus folgen. Im Vordergrund der Behandlung bei Sterbenden steht die Aufgabe, Hunger und Durst zu stillen [30] [31] [32]. In der letzten Lebensphase können sich die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten ändern, wobei jeder einzelne Mensch sein individuelles Verhalten zeigt bis hin zum Tod [33] [34]. Die Indikation zu einer künstlichen Ernährung ist jetzt mit einer sorgfältigen, individuellen Abwägung der möglichen Risiken und dem Nutzen unter der neuen Zielsetzung der Sterbebegleitung zu stellen [35] [36]. Eine durchgängige Notwendigkeit zur künstlichen Flüssigkeits- oder Energiezufuhr kann in dieser Lebensphase nicht angenommen werden. Zwar empfinden Patienten häufig Mundtrockenheit, ein frühzeitiges Sättigungsgefühl, Übelkeit und Geschmacksstörungen, aber selten Hunger und Durst. Hunger und Durst können oft mit geringen Mengen an oraler Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr gestillt werden. Eine genaue Beobachtung des Patienten ist nötig, weil die Symptome von Mundtrockenheit und Durst nicht mit dem Hydrierungszustand des Körpers korrelieren und eine parenterale Flüssigkeitszufuhr nicht zwangsläufig zur Besserung des Symptoms Durst führt [37] [38] [39] [40] [41]. Zudem werden die Symptome Mundtrockenheit und Durst auch durch Medikamenten(neben)wirkungen, Sauerstofftherapie, Mundatmung sowie Angst und Depression hervorgerufen. Am Anfang der Therapie von Mundtrockenheit und Durst stehen daher pflegerische Maßnahmen, bspw. Lippenpflege (Reinigen und Feuchthalten der Lippen) und Mundpflege mit Mundspülung, häufigem Angebot von Flüssigkeit. Klagt ein Patient trotz optimaler Pflege weiterhin über Durst, kann die Wirksamkeit einer künstlichen Hydrierung geprüft werden. Weitere Gründe für den Versuch einer Flüssigkeitsgabe sind bspw. Verwirrtheits- oder Unruhezustände. Bei ausbleibender Wirkung ist die Flüssigkeitsgabe wieder einzustellen.
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5 Wille, Aufklärung und Einwilligung des Patienten
Der Wille des einwilligungsfähigen bzw. urteilsfähigen Patienten[2] ist zu berücksichtigen [42] [43].
Die grundsätzlichen Erfordernisse der Aufklärung und Einwilligung müssen bei der Ernährungstherapie umfassend beachtet werden. Die künstliche Ernährung bedarf als ärztlicher Eingriff der Einwilligung [44] des informierten Patienten bzw. des Vertretungsberechtigten (Eltern, Betreuer/Sachwalter oder Bevollmächtigter, bei automatischer Vertretungsberechtigung Auswahl der Person gemäß den im entsprechenden Gesetz festgelegten Rahmenbedingungen[3]). Dabei ist darauf zu achten, dass bei fehlender medizinischer Indikation für eine Ernährungstherapie eine entsprechende Information des Patienten bzw. seines Stellvertreters durch den Arzt erforderlich ist. Die Verantwortung für die Feststellung und die Begründung der fehlenden Indikation liegt beim Arzt.
Wie bei jeder ärztlichen Maßnahme ist der Patient bzw. der Vertretungsberechtigte über Wesen, Bedeutung und Tragweite der Maßnahme einschließlich möglicher Komplikationen und nicht auszuschließender Risiken aufzuklären. Die Aufklärung muss alternative Behandlungsmöglichkeiten (d. h. alternative Ernährungswege) einschließlich des Verzichts auf künstliche Ernährung und deren Konsequenzen umfassen.
Gegen die ethischen Grundsätze einer Aufklärung wird verstoßen, wenn auf den Entscheidungsträger Druck ausgeübt wird (bspw. bei bewusstlosen Patienten durch Drohen, der Patient werde bzw. dürfe nicht verhungern oder verdursten).
Die Einwilligungserklärung und die Details der Aufklärung sind zu dokumentieren.
Der Patient bzw. der Vertretungsberechtigte kann auf nähere Aufklärung verzichten. Dieser Aufklärungsverzicht muss ebenfalls sorgfältig dokumentiert werden.
5.1 Die Einwilligungsfähigkeit des Patienten
Die Einwilligungsfähigkeit bzw. die Urteilsfähigkeit des Patienten ist nicht gleichzusetzen mit der bürgerlich-rechtlichen Geschäftsfähigkeit. Der Patient ist einwilligungsfähig bzw. urteilsfähig, wenn er in der Lage ist, Nutzen, Risiken und die Tragweite des Eingriffs sowie dessen Unterlassens zu erkennen und eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann. Die Entscheidung über eine künstliche Ernährung kann intellektuell als einfache, emotional jedoch als komplexe Frage gesehen werden. Die Einwilligungsfähigkeit ist vom behandelnden Arzt grundsätzlich für jede einzelne Therapieentscheidung erneut zu überprüfen und wie der Inhalt der Aufklärung zu dokumentieren.
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5.2 Der einwilligungs- bzw. urteilsunfähige Patient
Beim nicht einwilligungsfähigen bzw. urteilsfähigen Patienten entscheidet der Vertretungsberechtigte, dabei hat er den ggf. mutmaßlichen Willen des Patienten umzusetzen.
Bei einem nicht einwilligungsfähigen Patienten ist zunächst zu prüfen, ob zur Anwendung der künstlichen Ernährung die Einwilligung vorab, z. B. mündlich oder in einer schriftlichen Patientenverfügung erteilt oder eben nicht erteilt bzw. abgelehnt wurde [45] [46].
Eine Patientenverfügung ist direkter Ausdruck des Patientenwillens. Sie ist für Ärzte und Pflegende verbindlich, sofern sie hinreichend konkrete Festlegungen für eine genau beschriebene Situation enthält.
Eine Willensäußerung bzw. Patientenverfügung kann vom Patienten jederzeit formlos widerrufen werden. Dies kann ausdrücklich, bspw. mündlich geschehen, aber auch durch entsprechendes Verhalten. Konkrete Anhaltspunkte, welche auf einen aktuellen Widerruf schließen lassen, können sich z. B. aus situativ spontanem, immer wieder gleichem Verhalten des Patienten gegenüber vorzunehmenden oder zu unterlassenden ärztlichen Maßnahmen, nicht jedoch bei unwillkürlichen, rein körperlichen Reflexen ergeben.
5.2.1 Mutmaßliche Einwilligung
Liegt keine wirksame Willensäußerung des Patienten für die konkrete Situation vor, so ist gemäß seinem mutmaßlichen Patientenwillen zu verfahren. Der Vertretungsberechtigte des Patienten ist verpflichtet, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln.
Die Anhaltspunkte für den Willen des Patienten müssen hinreichend dokumentiert werden. Mitteilungen von Angehörigen, Ärzten, Pflegenden und anderen Zeugen sind entsprechend einzubeziehen, wenn sie aufgrund der Nähe zu dem Patienten wichtige Aspekte zur Klärung des mutmaßlichen Willens liefern können.
Entscheidungen über künstliche Ernährung auf Basis der mutmaßlichen Einwilligung sollen im Konsens mit allen Beteiligten getroffen werden, um eine breite Akzeptanz für die geplante Vorgehensweise zu finden. Ausgangspunkt ist dabei die Selbstbestimmung des Patienten.
Vom Arzt und vom Vertretungsberechtigten des Patienten ist zu prüfen, ob die Entscheidung zum mutmaßlichen Patientenwillen durch emotionale Betroffenheit oder eigene Interessen überlagert ist. Es ist sicherzustellen, dass Vertretungsberechtigte, die dem Patienten häufig in persönlicher Verbundenheit nahestehen, im Sinne des Patienten und nicht aus sachfremden Erwägungen heraus eine Einwilligung geben oder verweigern. Wie auch bei Patienten gilt, dass Vertretungsberechtigte Nutzen und Risiken von Maßnahmen nachvollziehen müssen und eine authentische, nachvollziehbare Willensäußerung abgeben. Bestehen unterschiedliche Bewertungen des mutmaßlichen Willens, kann jeder Beteiligte eine gerichtliche Entscheidung anregen.
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5.2.2 Lebensqualität des Patienten und natürlicher Wille
Die Lebensqualität ist ein stets zu berücksichtigendes Kriterium bei medizinischen Behandlungen [47] [48] [49]. Allerdings existieren bisher keine allgemein anerkannten und alltagstauglichen Assessments zur Beurteilung der Lebensqualität von Patienten mit kognitiven Einschränkungen. Jedoch liefert auch der in seiner Kompetenz weitgehend eingeschränkte Patient durch Äußerungen Indizien für sein Empfinden der eigenen Lebensqualität.
Auch der nicht einwilligungsfähige bzw. nicht urteilsfähige Patient ist seinem Auffassungsvermögen gemäß über die geplanten Maßnahmen zu informieren. Seine Äußerungen bzw. Reaktionen sind angemessen zu berücksichtigen. Ob ein Patient eine Ernährungssonde selbst zieht, weil ihn der Fremdkörper stört oder er damit andeuten will, dass er eine „lebenserhaltende“ Ernährung verweigert, bedarf der Interpretation auf der Grundlage früherer Äußerungen, Werthaltungen und Lebensentscheidungen. Es ist in jedem Falle zu vermeiden, dass die in eigenverantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung unter spekulativer Berufung darauf unterlaufen wird, dass der Patient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes wollen würde.
Wenn ein nicht einwilligungsfähiger bzw. urteilsfähiger Patient allerdings einen durchgängig aufrechterhaltenen, deutlichen Widerstand gegen die Ernährungstherapie im Sinne der Äußerung eines natürlichen Willens zeigt, ist auf diese Behandlungsoption zu verzichten.
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5.2.3 Vorgehen bei schwierigen Entscheidungen bzw. im Dissens
Schwierige Entscheidungen bzw. Dissens resultieren aus unterschiedlichen Bewertungen im Hinblick auf ein angemessenes oder ein realistisches Therapieziel und daraus resultierend auf die mögliche Indikation unterschiedlicher medizinischer Maßnahmen [50]. Auch können der ggf. mutmaßliche Wille und das Wohl eines Patienten von den an der Entscheidung beteiligten Personen unterschiedlich interpretiert werden [51] [52].
Zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung bzw. eines Kompromisses sind alle Möglichkeiten zu nutzen [53]. Hierzu zählen das Einholen einer Zweitmeinung, eine ethische Fallbesprechung, eine klinische Ethikberatung oder das Einholen des Votums eines klinischen Ethikkomitees.
Im Konfliktfall bei der Ermittlung des Patientenwillens ist die Einschaltung des zuständigen Gerichts als letzte Option anzusehen, die nur in Ausnahmenfällen notwendig sein sollte, da sie unabhängig vom Ausgang der Entscheidung je nach Fallgestaltung zu einer Belastung des Verhältnisses zwischen Patienten und ihren Vertretern einerseits und pflegerischen wie auch ärztlichem Personal andererseits führen kann. Verzichtbar ist die gerichtliche Klärung, wenn eindeutig keine medizinische Indikation für eine Ernährungstherapie besteht (z. B. bei Wirkungslosigkeit, bei therapierefraktären Komplikationen, im unmittelbaren Sterbeprozess).
Bei fehlender Indikation oder bei fehlender Einwilligung ist die Ernährungstherapie zu beenden. Dabei kann es bei Angehörigen oder bei Teammitgliedern (Ärzten, Pflegekräften und Angehörigen anderer therapeutischer Berufe), welche in die weitere Betreuung einbezogen sind, zu individuellen moralischen bzw. ethischen Konfliktsituationen kommen.
Personen, die aus Gewissensgründen einen Abbruch der künstlichen Ernährung ablehnen, können nicht gezwungen werden, sich an einer Behandlung unter der Maßgabe des Ernährungsabbruchs zu beteiligen.
Unabhängig von diesen individuellen Gewissensgründen müssen in stationären und ambulanten Behandlungs- und Pflegestrukturen geeignete organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, dass dennoch eine entsprechende sterbebegleitende Pflege und Behandlung stattfinden kann.
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5.3 Ernährung gegen den Willen
Die Ernährung gegen den Willen des einwilligungsfähigen bzw. urteilsfähigen Patienten („Zwangsernährung“) ist, soweit nicht gesetzlich ausnahmsweise anders geregelt, unzulässig.
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Interessenkonflikt
Gemäß den AWMF-Richtlinien wurden die bestehenden potenziellen Interessenkonflikte zu Beginn der Leitlinienarbeit von allen Autoren dargelegt. Die Autoren haben bei folgenden Punkten Angaben gemacht:
Berater- bzw. Gutachtertätigkeit oder Mitglied eines wissenschaftlichen Beirats eines Unternehmens: J. Ockenga, S. C. Bischoff, H. Lochs, C. Sieber
Vortragshonorare von Unternehmen: C. Kolb, A. Weimann, H. Lochs, J. Ockenga, S. C. Bischoff, C. Sieber, M. Adolph
Finanzielle Zuwendungen für Forschungsvorhaben vonseiten eines Unternehmens: P.E. Ballmer, A. Weimann, S.C. Bischoff, C. Sieber
Die anderen Autoren haben keinen Interessenkonflikt.
Einzelheiten sind beim AWMF hinterlegt.
* DGEM Steering committee: Lochs H, Weimann A, Ockenga J, Bischoff SC, Sieber C, Adolph M.
2 Da die Leitlinie im gesamten deutschsprachigen Raum anwendbar sein soll, werden unterschiedliche, aber inhaltlich weitgehend vergleichbare juristische Begriffe der verschiedenen Rechtssysteme Deutschlands, Österreichs und der Schweiz nebeneinander aufgeführt.
3 Im Text wird bewusst nicht weiter auf die in den drei Ländern uneinheitliche Rechtslage der Vertretungsberechtigung eingegangen – s. hierzu die einschlägigen gesetzlichen Regelungen, insbesondere: 3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts 2009 (Deutschland), Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006; Patientenverfügungs-Gesetz 2006; Vorsorgevollmacht – § 284 f ABGB (Österreich) und Art. 377 und 378 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Schweiz, ab 2013).
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Korrespondenzadresse
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