Sportverletz Sportschaden 2012; 26(04): 171-172
DOI: 10.1055/s-0032-1333368
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gastrointestinaltrakt – Abdominale Beschwerden während des Trainings: Ischämie im GI?


Br J Sports Med 2012;
46: 934-935
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Publication Date:
07 January 2013 (online)

 
 

Niederländische Gastroenterologen unterstreichen aktuell die Rolle einer Ischämie des Gestrointestinaltrakts bei sportinduzierten Beschwerden des Abdomens. Anhand von 12 Fällen beschreiben sie ihr diagnostisches Vorgehen, wenn Sportler bei ihnen vorstellig werden, und auch wie die Beschwerden gelindert werden können.
Br J Sports Med 2012; 46: 934–935

Laut der aktuell verfügbaren Literatur leiden bis zu 70 % der Ausdauerathleten untergastrointestinalen (GI) Symptomen während des Trainings. Dazu gehören Übelkeit, Aufstoßen, Stuhldrang und Bauchkrämpfe. Während der Erholungsphase können blutiger Durchfall und selbst Kollaps hinzukommen. In der Regel werden für diese Symptome Motilitätsstörungen und eine veränderte Sekretion der neuroendokrinen Hormone verantwortlich gemacht. Immer mehr in den Vordergrund rückt allerdings auch die GIIschämie, auch wenn die Hintergründe noch unverstanden sind. Man weiß, dass die Blutversorgung des GI während des Ausdauersports um bis zu 70 % zurückgehen kann, weil das Blut stärker auf die Muskeln verteilt wird. Symptome einer Ischämie des Verdauungstrakts werden bereits ab 50 % angenommen. Eine Studie aus 2001 an 10 gesunden Probanden hatte ergeben, dass keiner der Athleten unter submaximaler Belastung eine gastronintestinale Ischämie entwickelte, aber nahezu alle an der Belastungsgrenze.

Vor diesem Hintergrund beschreiben die Autoren um Erstautor Rinze W.F. ter Steege, Universitätsmedizin Groningen / Niederlande, ihre Diagnostik bei 12 Athleten, die zwischen den Jahren 1999 und 2010 in ihrer gastroenterologischen Klinik aufgrund von sportinduzierten Beschwerden vorstellig wurden. Die 5 Männer und 7 Frauen hatten ein Alter von 15–46 Jahren. Ihre Sportarten waren Radfahren (n = 6), Ausdauerlauf (n = 4) und Triathlon (n = 2), 3 Patienten waren professionelle Sportler, 4 nahmen an Wettkämpfen teil. Die Dauer der Symptome rangierte zwischen 7 und 240 Monaten (Median: 32 Monate).

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Die Ausdauerathleten dieser Studie hatten trainingsinduzierte Symptome wie Magenkrämpfe und Übelkeit. Für diese Patienten scheint es wichtig und hilfreich zu sein, dem Magen-Darmtrakt etwas Ruhe zu gönnen. So kann er sich von Ischämien erholen, die unter starker Belastung regelmäßig auftreten können.(Grafik: Voll M; Prometheus LernAtlas der Anatomie; Hrsg. Schünke M, Schumacher E, Schulte U; Thieme 2005)

Die Diagnostik umfasste

  • Duplex-Ultraschall der Magen-Darm-Arterien

  • Ggf. digitale Subtraktionsangiografie der Eingeweideartieren

  • Gastronintestinale Tonometrie unter körperlicher Belastung (bis zur Maximalbelastung)

  • Herzrate während der Belastung und geleistete Arbeit in Watt

  • Luminaler CO2-Partialdruck während der Belastung (alle 10 Minuten)

Die Ergebnisse der gastronintestinalen Tonometrie setzten die Autoren mit etwaigen Symptomen während der Belastung in Zusammenhang. Die Beschwerden, aufgrund derer die Athleten vorstellig geworden waren, sind in ‣ Tab. [ 1 ] aufgeführt.

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Tab. 1 Trainingsassoziierte Beschwerden der Athleten, die auf eine gastrointestinale Ischämie hin untersucht wurden (n = 12).

Für die körperliche Bealstung verwendeten die Ärzte ein Fahrradergometer. Das Belastungsprotokoll während der tonometrischen Messung gestaltete sich wie folgt:

  1. Phase, normale Belastung: von 0 bis10. Minute Leistungssteigerung bis zu einem submaximalen Level, definiert als Lactatwert von 3–5,5 mmol / L, Messung des Lactatwerts alle 2 Minuten

  2. Phase, submaximale Belastung: 10.–20. Minute Belastung mit submaximaler Intensität, Last angepasst anhand des Lactats, das alle 3 Minuten getestet wurde

  3. Phase, maximale Belastung: von der 20.–30. Minute wurde die Blastung weiter gesteigert in Schritten von 10 % der submaximalen Belastung alle 3 Minuten bis zur Erschöpfung, Laktat wurde alle 3 Minuten gemessen

Die validierten Kriterien für eine GI-Ischämie während der GI-Tonometrie unter Belastung waren in

  • Phase 1

    - Serumlaktat < 8 mmol / L

    - erhöhter luminaler CO2-Partialdruck verglichen zum Basiswert

    -CO2-Gradient zu den Magenarterien > 0,8 kPa und zu den Darmarterien > 1,4 kPa

  • in Phase 2 und 3

    - erhöhter luminaler CO2-Partialdruck

    CO2-Gradient zu den Magenarterien > 0,8 kPa und zu den Darmarterien > 1,4 kPa

Ischämie teilweise bereits unter submaximaler Belastung

Alle Sportler hatten während der maximalen Belastungsphase eine Ischämie des GI. Während der ersten Phase der Belastung war der GI bei 50 % der Sportler ischämisch. Die Zeit bis zum Eintreten der Symptome betrug im Durchschnitt 20 Minuten. Signifikante Stenosen im Bereich der Magen-Darm-Arterien konnten nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Allerdings fanden die Autoren auch keine Korrelation zwischen dem Schweregrad einer Ischämie und etwaig auftretenden Symptomen.

Die Sportler, die Symptome entwickelten, hatten einen höheren Laktatwert als Sportler ohne Symptome. Das war der einzige Unterschied, der in Phase 3 der Belastung auch signifikant wurde: 9,8 vs. 7,3 mmol / L (p = 0,03).


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GI-Tonometrie überzeugt übereifrige Athleten

Die Messung des CO2-Partialdrucks in den Magen-Darm-Arterien unter Belastung als Anzeichen für eine Ischämie des Gastrointestinaltrakts war zwar nicht in der Lage einen direkten Zusammenhang zu den Symptomen herzustellen. Die Autoren stellen allerdings die Hypothese auf, dass wiederholte Ischämien des Magendarmtrakts Reperfusionsschäden hervorrufen können, die das System ab einer bestimmten Frequenz nicht ausgleichen kann. Die Autoren verwendeten die Tatsache, dass sie eine Ischämie nachweisen konnten, daher auch dazu, die Sportler zur temporären Anpassung der Trainingsintensität zu bringen.

Solange eine arterielle Stenose und andere Ursachen, wie rektale Blutungen, für eine GI-Ischämie unter Belastung ausgeschlossen werden können, geben die Ärzte den Athleten die folgenden Anweisungen:

  1. im Training eine Herzrate anpeilen, die 5–10 Schläge unter der Rate liegt, bei der die Symptome typischerweise auftreten

  2. direkt vor und während des Trainings geringe Mengen essen und trinken

  3. Reduktion der Trainingsbelastung für einige Monate und danach langsame Steigerung

  4. Vermeiden von NSAR oder COX2-Inhibitoren, da sie in zusätzlichem ischämischem Schaden resultieren können (indem sie die Synthese vasodilatatorischer Substanzen hemmen und die Mitochondrien schädigen)

Fazit

Alle Sportler entwickelten unter maximaler Belastung Ischämien des GI, 6 der 12 Sportler bereits unter submaximaler Anstrengung. Die Autoren fanden auch tendenziell höhere CO2-Partialdruckgradienten relativ zum Laktatanstieg. Athleten, die im Belastungstest Symptome hatten, wiesen außerdem höhere Laktatwerte auf. Die GI-Tonometrie konnte allerdings keinen direkten Zusammenhang herstellen zwischen einer auftretenden Ischämie und den Symptomen, die nur einige Athleten im Belastungstest entwickelten. Die Autoren halten die von ihnen unter Belastung nachgewiesenen Ischämien trotzdem für einen wichtigen Faktor bei den Beschwerden der Patienten. Die temporäre Anpassung der Belastung half den meisten Athleten, die Symptome zu reduzieren. U.u. erhält der GI-Trakt so die Möglichkeit zur Erholung.

Hr


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Die Ausdauerathleten dieser Studie hatten trainingsinduzierte Symptome wie Magenkrämpfe und Übelkeit. Für diese Patienten scheint es wichtig und hilfreich zu sein, dem Magen-Darmtrakt etwas Ruhe zu gönnen. So kann er sich von Ischämien erholen, die unter starker Belastung regelmäßig auftreten können.(Grafik: Voll M; Prometheus LernAtlas der Anatomie; Hrsg. Schünke M, Schumacher E, Schulte U; Thieme 2005)
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Tab. 1 Trainingsassoziierte Beschwerden der Athleten, die auf eine gastrointestinale Ischämie hin untersucht wurden (n = 12).