Aktuelle Urol 2013; 44(01): 8-9
DOI: 10.1055/s-0033-1334833
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom – Progression verlangsamt bei Low-Risk-Tumoren

Rezensent(en):
Johannes Weiß
Fleshner NE. University of Toronto / Kanada et al.
Lancet 2012;
379: 1103-1111
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. Februar 2013 (online)

 
 

    Einige Studien legen nahe, dass lokalisierte Prostatakarzinome häufig zu aggressiv behandelt werden. Eine aktive Überwachung mit regelmäßigen digitalen Tastuntersuchungen, Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) und Rebiopsien könnte hier eine Alternative sein. N. E. Fleshner, University of Toronto / Kanada, et al. haben aktuell gezeigt, dass der 5α-Reduktase-Inhibitor Dutasterid die Progression eines Low-Risk-Prostatakarzinoms im Vergleich zu Placebo verlangsamt.
    Lancet 2012; 379: 1103–1111

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    Prostatabiopsie unter transrektaler Ultraschallkontrolle. Laut der aktuellen kanadischen Studie profitieren Männer mit klinisch diagnostiziertem Low-Risk-Prostatakarzinom neben einer aktiven Überwachung von Dutasterid. Nach 3 Jahren wiesen 38 % der Patienten der Dutasteridgruppe eine Progression des Prostatakarzinoms auf – im Vergleich zu 48 % in der Kontrollgruppe. (Zeichnung: Voll M, aus Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012)

    Die randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Multicenterstudie REDEEM (reduction by dutasteride of clinical progression events in expectant managing) war offen für Männer im Alter zwischen 48 und 82 Jahren, die

    • ein klinisch diagnostiziertes Low-Risk-Prostatakarzinom (T1c-T2a) hatten,

    • einen Gleason Score von ≤ 6 sowie

    • einen Serum-PSA-Spiegel von ≤ 11 ng / ml aufwiesen und

    • sich für eine aktive Überwachung entschieden hatten.

    Die Studie wurde maßgeblich unterstützt von GlaxoSmithKline, Brentford / UK. Die Autoren randomisierten die Männer in 2 Gruppen. Die eine erhielt einmal täglich 0,5 mg Dutasterid, die andere Placebo. Die Nachbeobachtungszeit betrug 3 Jahre, wobei nach 18 Monaten und 3 Jahren jeweils 12 Prostatabiopsien erfolgten. Zusätzlich erfolgte im ersten Jahr alle 3 Monate eine Kontrolluntersuchung, anschließend alle 6 Monate. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Progression des Karzinoms.

    Zwischen August 2006 und März 2007 rekrutierten die Autoren 302 Patienten, von denen sich 96 % (n = 289) seit Studienbeginn mindestens einer Prostatabiopsie unterzogen hatten und in die Analyse eingeschlossen wurden. Nach 3 Jahren wiesen 54 von 144 Patienten (38 %) in der Dutasteridgruppe und 70 von 145 Patienten (48 %) in der Kontrollgruppe eine Progression des Prostatakarzinoms auf; dies entsprach einem Risikoverhältnis von 0,62 und einem signifikanten Unterschied. Unter Dutasterid hatten 24 % der Patienten (n = 35) und unter Placebo 15 % (n = 23) Nebenwirkungen in Form von sexuellen Störungen, Brustvergrößerungen oder Brustspannen. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen hatten jeweils 5 % der Patienten in der Dutasterid-Gruppe (n = 8) und der Placebogruppe (n = 7).

    Fazit

    Dutasterid könnte bei Low-Risk-Prostatakarzinomen im Rahmen der aktiven Überwachung eine mögliche Zusatztherapie sein, so die Autoren.

    Kommentar

    Aktive Überwachung plus Dutasterid – eine attraktive Therapiestrategie?

    Die aktive Überwachung (Active Surveillance) des lokal begrenzten Niedrig-Risiko-Prostatakarzinoms stellt derzeit weiterhin den geringsten Anteil der durchgeführten Therapiestrategien neben der radikalen Prostatektomie und den verschiedenen Formen der Strahlentherapie dar. Die Angst vor einer Progression ist dabei der häufigste Grund für einen Patienten, die aktive Überwachung nicht als Therapiestrategie zu wählen, sondern sich für eine aktive Therapieform zu entscheiden. Die Psyche des Patienten spielt daher ein entscheidende Rolle in der Therapiewahl: nur ein Patient, der von seiner psychischen Konstellation her in der Lage ist, das scheinbare "Nichtstun" im Rahmen der aktiven Überwachung psychisch zu verkraften, ist für diese Therapieform geeignet. Eine Reduktion der Progressionsangst als Hauptargument gegen eine aktive Überwachung stellt daher einen entscheidenden Faktor dar, die aktive Überwachung als Therapiestrategie für Patienten attraktiver zu machen.

    Einen Ansatz dazu stellt die Kombination der aktiven Überwachung mit einer Therapieform dar, die ein niedriges Toxizitätsspektrum aufweist. Die klassische Hormontherapie, z. B. mit einem LHRH-Analogon oder einem Androgen-Rezeptor- Antagonist, ist dabei aufgrund der bekannten Nebenwirkungen keine sinnvolle Kombination.

    Die von Fleshner et al. vorgestellte Studie ist die erste Studie, die einen 5-α-Reduktase-Inhibitor in Kombination mit einer aktiven Überwachung randomisiert und placebokontrolliert untersucht hat. Die Ergebnisse der Studie zeigen eine signifikante Reduktion der pathologischen und therapeutischen Progression nach 3 Jahren zugunsten von Dutasterid bei gleichzeitiger Reduktion der Progressionsangst der Patienten. Die Autoren schlussfolgern daher, dass die Addition von Dutasterid zur aktiven Überwachung einen Benefit für die Patienten darstellt und dass diese Kombination in Zukunft die Vergleichstherapie für Therapiestudien zur medikamentösen Therapie von Patienten unter aktiver Überwachung darstellen sollte.

    Auch wenn diese Studie vom Design und der Durchführung eine hohe Qualität aufweist, so können die Ergebnisse derzeit noch nicht in eine generelle Empfehlung übersetzt werden, Dutasterid additiv zur aktiven Überwachung einzusetzen. Der primäre Endpunkt der Studie mit Reduktion der Progression (pathologisch und klinisch) wird in der Studie scheinbar dadurch erreicht, dass in dem Placebo-Arm in der Rebiospie häufiger mehr als 4 tumorbefallene Stanzen vorliegen, weshalb dann eine aktive Therapie durchgeführt wurde. Zusammen mit der höheren kumulativen Tumorlänge spiegeln diese Ergebnisse das scheinbare Wachstum des intraprostatischen Tumors wider, welches durch den Einsatz von Dutasterid verhindert werden kann. Diese Parameter können jedoch nur als Surrogatmarker angesehen werden – ob es sich tatsächlich um einen Progress des Tumors handelt, der dann auch zu einem schlechteren tumorspezifischen Überleben führt, zeigen die Ergebnisse der Studie nicht.

    Die Studie zeigt neben der Reduktion der Progression eine Verminderung der Progressions-Angst der Patienten unter Dutasterid, die am ehesten durch ein Absinken des PSA-Wertes dieser Patienten erreicht wird. In der Kontrollgruppe bleibt die Progressions-Angst konstant, was im Einklang zu früheren Studien steht, die ebenfalls eine Konstanz der psychischen Belastung der Patienten unter aktiver Überwachung zeigen konnten. Da in der Studie das tumorspezifische Überleben nicht als Endpunkt ausgewertet wurde, bleibt abzuwarten, ob die Reduktion der Progressions-Angst der Patienten berechtigt ist.

    Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist allerdings die Tatsache, dass Dutasterid nicht zu einer Zunahme von Tumoren mit einem höheren Gleason Score führt, was anhand der Ergebnisse in den Präventionsstudien zum Prostatakarzinom vermutet wurde. Darüber hinaus finden sich mehr Patienten in der Dutasterid-Gruppe, bei denen in der Rebiopsie kein Tumor mehr nachgewiesen werden konnte. Ob bei diesen Patienten ein Absetzen der Therapie mit Dutasterid möglich ist, wird in der Publikation leider nicht beantwortet.

    Das niedrige Toxizitätsspektrum, die positiven Auswirkungen auf die Psyche der Patienten und die Verlängerung der Zeit bis zum Einleiten einer kurativen Therapie machen die Kombination aus aktiver Überwachung und Dutasterid zu einer attraktiven Therapiestrategie. Zudem erlaubt ein PSA-Anstieg unter laufender Therapie mit Dutasterid eine bessere Beurteilung, ob ein wirklicher Tumorprogress vorliegt oder der PSA-Anstieg durch entzündliche Vorgänge oder die Zunahme gutartigen Prostatagewebes verursacht wird. Dennoch ist zu fordern, dass die Schlussfolgerungen der Studie in einer prospektiv randomisierten Phase-III-Studie mit dem Endpunkt des tumorspezifischen Überlebens bestätigt werden – erst dann ist eine generelle Empfehlung zum Einsatz der Kombination möglich.

    PD Dr. Carsten-Henning Ohlmann, Homburg / Saar


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    PD Dr. Carsten-Henning Ohlmann


    ist Oberarzt an der Klink für Urologie und Kinderurologie des Universitätsklinikums des Saarlandes, Homburg / Saar

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    Prostatabiopsie unter transrektaler Ultraschallkontrolle. Laut der aktuellen kanadischen Studie profitieren Männer mit klinisch diagnostiziertem Low-Risk-Prostatakarzinom neben einer aktiven Überwachung von Dutasterid. Nach 3 Jahren wiesen 38 % der Patienten der Dutasteridgruppe eine Progression des Prostatakarzinoms auf – im Vergleich zu 48 % in der Kontrollgruppe. (Zeichnung: Voll M, aus Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012)