ergopraxis 2013; 6(02): 10-11
DOI: 10.1055/s-0033-1334974
wissenschaft
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Eine Forschungsfrage finden – Der erste Schritt zur Bachelorarbeit

Florence Kranz

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Publication Date:
07 February 2013 (online)

 

Der therapeutische Alltag steckt voller Inspirationen. Zumindest wenn man eine Studie durchführen möchte und ein innovatives Thema benötigt. Das berichten Studenten, die eine Bachelorarbeit geschrieben haben und sich auf unterschiedliche Art und Weise ihrer Forschungsfrage genähert haben.


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Oftmals entstehen interessante Forschungsthemen aus den eigenen Praxiserfahrungen. So erlebten es auch die beiden Ergotherapeutinnen Sarah Kufner und Nadine Scholz-Schwärzler, während sie an der Hoge-school Zuyd im niederländischen Heerlen studierten. Sie beschäftigten sich in ihrer Bachelorarbeit mit der Frage, ob sich das „Occupational Performance Coaching (OPC)“ für die ergotherapeutische Elternarbeit in Deutschland eignet. Das Interesse am Elterncoaching entwickelten sie in ihrem therapeutischen Alltag.

Bei der Cruppenfindung sind Sympathie, Thema und Arbeitsstile entscheidend

Die Regel ist es nicht, aber an manchen Hochschulen kann man eine Bachelorarbeit in einer Gruppe schreiben. Dann entscheidet nicht nur das Thema darüber, welche Studenten sich zusammentun. Wichtig ist auch, ob sie sich sympathisch sind und eine ähnliche Arbeitshaltung besitzen. Das war auch für Annika Carl, Andreas Pfeiffer und Judith Schreck ausschlaggebend: „Zuerst haben wir uns als Menschen mit ähnlichem Arbeitsstil gefunden. Dann haben wir nach der Uni auf dem Parkplatz gesessen und überlegt, was uns im Arbeitsalltag beschäftigt und was wir gemeinsam haben.“


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Sich austauschen, recherchieren, Ideen sammeln

Um ein geeignetes Thema zu finden, darf man ruhig kreativ sein. Helfen kann dabei ein Brainstorming: Welche Themen empfindet man als interessant, welche Fragen aus der Praxis blieben bislang unbeantwortet? Beim Brainstorming gilt es zunächst, möglichst viele Ideen zu sammeln und diese wertneutral zu betrachten. Man kann sie auf einer Mind-Map festhalten, beliebig miteinander verknüpfen und weiter ausdifferenzieren [1, 3]. Zudem kann es inspirierend sein, sich mit Kommilitonen auszutauschen, Bachelorarbeiten von vorherigen Studienkohorten querzulesen oder in Datenbanken nach Abstracts zu recherchieren [3]. In einigen Fällen schlägt die Hochschule auch Projekte vor, um die Weiterentwicklung der Profession voranzutreiben.

Meist stellen die Studenten ihre Themen frühzeitig in einem Proposal oder Expose dar. Mit dem Feedback von ihren Dozenten können sie ihre Ideen weiterentwickeln und schärfen. Sarah und Nadine konnten sich beim Schreiben des Proposals „differenziert mit wichtigen und interessanten Thematiken zum Forschungsgegenstand auseinandersetzen“.


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Wissenslücken nutzen

Ob man ein relevantes und innovatives Thema gefunden hat, zeigt ein Blick in die Literatur. Neben öffentlichen Bibliotheken eignen sich Datenbanken wie Pubmed, ScienceDirect oder OTDbase, die man mit Suchbegriffen durchforsten kann. Ziel dieser Recherche ist es, einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu gewinnen: Welche Studien existieren bereits, wo bestehen noch Wissenslücken [2, 3]?

Damit eine Arbeit originell ist, muss sie kein unerforschtes Gebiet untersuchen. Es reicht aus, dass sie sich in mindestens einem entscheidenden Punkt wie dem Krankheitsbild der Teilnehmer von bisherigen Arbeiten unterscheidet [2]. Dabei sollte man vorab überprüfen, ob sich das Forschungsvorhaben tatsächlich realisieren lässt [4]. Das heißt, ob man es praktisch durchführen kann und die erforderlichen zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen besitzt. Oftmals verändert sich das Thema dadurch noch einmal. Wie bei Annika, Andreas und Judith: „Wir wollten etwas Bahnbrechendes machen. Mit der Zeit wurde es aber immer kleiner.“


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Auf die Formulierung kommt es an

Die Forschungsfrage sollte das konkrete Forschungsinteresse widerspiegeln: Was wollen die Studenten ermitteln, welchen Sachverhalt möchten sie klären? Dazu muss die Frage klar formuliert sein und das Thema angemessen eingrenzen [1]. In der Regel umfasst sie dabei eine Studienpopulation und einen Untersuchungsgegenstand, zum Beispiel die Partizipationserfahrungen von Klienten mit rheumatisch deformierten Händen [5, 6].

Generell lässt sich die Forschungsfrage interrogativ oder deklarativ formulieren. Im ersten Fall ist sie als Frage formuliert und spielt meistens auf eine Wissenslücke an [2]. Bei Annika, Andreas und Judith klingt das so: „Wie kann aus Sicht der Klienten, die eine psychische Krise bewältigt haben, Ergotherapie unterstützen, die eigene Produktivität zu ermöglichen?“ [7]. Deklarative Fragen definieren hingegen den Zweck einer Studie und begegnen uns häufig in Artikeln. Zum Beispiel untersuchen die Forscher, wie rheumatisch bedingte Handdeformitäten die Partizipationserfahrungen der Betroffenen beeinflussen [2]. Quantitative Studien werden zum Teil auch durch Hypothesen eingeleitet, die das Verhältnis zwischen den untersuchten Variablen vorhersagen [8].

Aus der Forschungsfrage lässt sich meist ableiten, welche Art von Wissen die Forscher generieren möchten. Das heißt, ob sie Sachverhalte beschreiben, erklären oder vorhersagen wollen [2]. Die Frage legt also den Fokus und die Richtung der Studie fest. Damit beeinflusst sie maßgeblich, welche Methodik sich jeweils eignet [1]. Sie lässt sich durch Leitfragen ergänzen, die einzelne Aspekte des Forschungsvorhabens verdeutlichen und das weitere Vorgehen strukturieren [9].

Eine Forschungsfrage entwickeln [4]
  1. ein spezifisches Forschungsgebiet definieren

  2. relevante Literatur analysieren

  3. einschätzen, ob die Forschungsfrage für die Profession von Bedeutung ist

  4. prüfen, ob sich die Forschungsfrage praktisch untersuchen lässt


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Die Forschungsfrage im Blick behalten

Mit der Forschungsfrage beginnt ein komplexer Prozess, der vielfältige Anforderungen an die Studenten stellt. Dazu gehört in der Regel auch, die recherchierte Literatur zu analysieren, eine Erhebungsmethode wie einen Fragebogen zu entwickeln und eine Stichprobe zu gewinnen. Nachdem die Studenten ihre Daten erhoben und ausgewertet haben, diskutieren sie diese vor dem Hintergrund der Literatur [5]. Damit der Forschungsprozess sein Ziel erreicht, empfehlen Annika, Andreas und Judith, „immer die Forschungsfrage im Blick zu behalten, sonst schweift man schnell ab“.

Eine Forschungsarbeit erfordert aber nicht nur wissenschaftliches Know-how, sondern auch ein gutes Zeit- und Konfliktmanagement. Entsteht sie in einer Gruppe, sind Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert. Und natürlich sollte auch das Privatleben nicht zu kurz kommen. Insbesondere dann, wenn man wie Sarah und Nadine während dieser Zeit „ganz nebenbei“ Mutter wird.


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Der Aufwand lohnt sich

Nicht immer erfüllt das Ergebnis alle Erwartungen. So stellt die Dreiergruppe fest: „Etwas Bahnbrechendes haben wir nicht herausgefunden. Das ist schon etwas ernüchternd. Aber einige Ergebnisse waren unerwartet und für unsere Arbeit relevant.“ Trotzdem finden beide Gruppen, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Dabei bringt der Forschungsprozess nicht nur Erkenntnisse über das Thema, sondern auch über den eigenen Arbeitsstil. Sarah und Nadine resümieren: „Wir haben gelernt, sowohl persönliche Ressourcen als auch Grenzen schneller zu erkennen, und können die Dauer von Abläufen oder Rückläufen besser abschätzen.“

Beim Schreiben einer Bachelorarbeit geht es also nicht nur darum, interessante Ergebnisse zu ermitteln. In diesem komplexen Prozess lernt man, wissenschaftlich zu arbeiten und sich selbst effektiver zu managen. Getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel.


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