Z Sex Forsch 2013; 26(2): 122-142
DOI: 10.1055/s-0033-1335599
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sexuelle Erfahrungen, Gesundheitsverhalten und Zukunftsvorstellungen von Prostituierten aus Bulgarien in Deutschland

Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie
Arnold Hinz
a   Institut für Psychologie und Soziologie, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
,
Neli Petrova
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
24 June 2013 (online)

Übersicht

Die Studie untersucht die Lebenssituation von weiblichen Prostituierten aus Bulgarien in Deutschland. Dabei werden Motive und Hintergründe für den Einstieg in die Prostitution, die Besonderheiten des Lebensverlaufs, die sexuelle Aufklärung im Herkunftsland und die dortige Konfrontation mit Sexualität, das Erleben der Prostitution sowie die damit verbundenen Belastungen, das Gesundheitsverhalten und die Zukunftswünsche dieser Frauen exploriert. Hierzu wurden mit acht Prostituierten im Alter von 21 bis 38 Jahren mit unterschiedlichem ethnischem Hintergrund (Roma, Türkisch, Bulgarisch) problemzentrierte Interviews in bulgarischer Sprache geführt. Bei allen Interviewpartnerinnen war eine bewusste Entscheidung zur Prostitution erfolgt. Die Prostitutionstätigkeit wurde von allen sehr negativ erlebt; finanziell profitierte vor allem die Herkunftsfamilie. Der auffälligste Befund zum Gesundheitszustand der Interviewpartnerinnen war das häufige Vorkommen von Depressionen und „erlernter Hilflosigkeit“. Diskutiert wird der Zusammenhang zwischen Depression und „erlernter Hilflosigkeit“ einerseits und fehlender sexueller Aufklärung, Zwangsverheiratung und traditionell-patriarchalischer Erziehung im Herkunftsland andererseits. Die Studie legt nahe, dass in Bulgarien eine möglichst frühe sexuelle Aufklärung, eine am Ideal der Gleichwertigkeit der Geschlechter orientierte Erziehung sowie eine Aufklärung über die psychischen Folgen freiwilliger Prostitutionstätigkeit dringend erfolgen sollten. In Deutschland wäre es wichtig, in der Beratungsarbeit einen Fokus auf die Überwindung der „erlernten Hilflosigkeit“ zu legen.