Standardisierung
Folgende Punkte sollten einer Standardisierung unterliegen:
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Gestationsalter zum Zeitpunkt des Eingriffs
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Indikation
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Technik
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Aufklärung
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Dokumentation
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Qualitätskontrolle
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Aus- und Weiterbildung
Ad 1. Gestationsalter
Amniozentese: ab 15 + 0 SSW p. m. (bzw. bei sicher fusioniertem Amnion und Chorion, also ggf. auch erst später).
Chorionzottenbiopsie: ab 11 + 0 SSW p. m.
Beide Techniken können ab diesem Zeitpunkt über die gesamte Schwangerschaftsdauer durchgeführt werden. Bei einer Chorionzottenbiopsie im zweiten und dritten Trimenon (sogenannte Plazentese) werden meist weniger Zotten aspiriert. Die Auswertung ist somit wegen der im Vergleich zum 1. Trimenon veränderten Konsistenz der Zotten schwieriger [5].
Die Frühamniozentese (vor 15 + 0 SSW) ist im Vergleich zur AZ nach 15 + 0 SSW mit einer wesentlich höheren Rate an Aborten assoziiert und sollte nicht durchgeführt werden [6]
[7]
[8]
[9]. Zudem ist nach Frühamniozentese vor 14 + 0 SSW die Häufigkeit muskuloskelettärer Anomalien, insbesondere von Klumpfüßen, bei Neugeborenen signifikant erhöht [7]
[8]
[9]
[10]. Zwischen 14 + 0 und 14 + 6 SSW ist die Sicherheit einer Amniozentese hinsichtlich möglicher fetaler Komplikationen nicht geklärt. In einer Beobachtungsstudie wurden in diesem Zeitraum vermehrt respiratorische Probleme in der Neonatalzeit beschrieben [10].
Nach Chorionzottenbiopsie vor 10 + 0 SSW wurden vermehrt Extremitätendefekte beobachtet [11]
[12]
, was in anderen Studien jedoch nicht nachvollzogen werden konnte [13]. Allerdings empfehlen die meisten Autoren, eine Chorionzottenbiopsie nicht vor 10 + 0 SSW durchzuführen [14]
. Zudem ist die CVS vor 11 + 0 SSW technisch schwieriger, da Uterus und Plazenta kleiner sind und nicht selten mütterlicher Darm den Zugang zum Uterus erschwert.
Ad 2. Indikationen
Die Indikationen für beide Eingriffe (AZ und CVS) sind im Wesentlichen gleich ([Tab. 1]).
Tab. 1
Indikationen für die invasive Pränataldiagnostik.
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erhöhtes Risiko für eine fetale Chromosomenanomalie
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auffälliger sonografischer Befund mit Assoziation zu Aneuploidien, molekularzytogenetisch oder molekulargenetisch diagnostizierbaren Syndromen
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Altersrisiko unter Einbeziehung schwangerschaftsspezifischer sonografischer und biochemischer Parameter
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Chromosomenanomalien der Eltern (freie Trisomie, Translokation)
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erhöhtes Risiko für eine bekannte genetische oder biochemische Erkrankung des Fetus
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familiäre Erbkrankheiten mit bekannter Mutation bzw. biochemischen Veränderungen
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vorausgegangene Schwangerschaften mit Chromosomenaberrationen
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Carrierstatus der Schwangeren für eine Erkrankung mit X- chromosomalem Erbgang
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Carrierstatus beider Eltern für eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung
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Infektionsdiagnostik
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psychische Indikation
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Zu beachten sind allerdings methodenspezifisch bedingte Einschränkungen des Ergebnisses nach AZ bzw. CVS. Unklare Ergebnisse nach AZ sind sehr selten (0,1 – 0,2 %). Sie können durch Kontamination des Fruchtwassers mit maternalen Zellen oder infolge chromosomaler Mosaike bedingt sein. Dagegen werden nach CVS 1 – 2 % Mosaike diagnostiziert, die meist auf das extraembryonale Gewebe begrenzt sind (Confined Placental Mosaicism: CPM) [15]. Die klinischen Auswirkungen eines CPM bezüglich plazentarer Funktionsminderung, Auftreten einer fetalen Wachstumsrestriktion und ungünstigem Schwangerschaftsausgang, wie sie in einigen Studien beschrieben [16]
[17]
[18], in anderen aber nicht gefunden wurden [19]
[20], können derzeit nicht abschließend beurteilt werden.
Nach unklaren Ergebnissen können weitere diagnostische Tests, Ultraschalluntersuchungen bzw. auch eine erneute Punktion notwendig sein, um das Ergebnis zu verifizieren und auch um eine zusätzliche Diagnostik zu ermöglichen (z. B. Diagnostik einer uniparentalen Disomie).
Dies sollte bei der Aufklärung der Schwangeren vor der Untersuchung besprochen werden.
Ad 3. Technik
Voruntersuchungen
Durch eine Ultraschalluntersuchung werden folgende Bedingungen geprüft: Vitalität des Fetus, fetale Biometrie (Sicherung des Gestationsalters), Plazentalokalisation, Fruchtwassermenge, Festlegen der geeigneten Einstichstelle, Amnion-Chorion-Fusion bzw. -Separation. Soweit es in Abhängigkeit vom Gestationsalter und den allgemeinen Untersuchungsbedingungen technisch möglich ist, sollte auch eine differenzierte sonomorphologische Untersuchung zum Ausschluss von fetalen Anomalien (Feindiagnostik) erfolgen.
Zusätzliche Untersuchungen, die vor invasiver Pränataldiagnostik durchgeführt werden sollten:
Bei maternaler HIV-Infektion besteht durch Amniozentese ein relevantes Risiko der Virusübertragung auf den Fetus, welches abhängig von der bestehenden Viruslast ist [21]. Eine antivirale Vorbehandlung mittels HAART zur Optimierung der Viruslast sollte immer erfolgen und kann das Risiko einer Transmission drastisch senken [14]
[21]. In diesen Fällen wird eine besonders risikoabwägende Aufklärung empfohlen. AZ und CVS sollten bei HIV-Trägerinnen immer an Zentren mit Erfahrung in der Betreuung HIV-positiver Schwangerer und durch Untersucher mit besonders hoher und weiterführender Qualifikation (s. Kapitel 7) erfolgen.
Allgemeine Prinzipien (Amniozentese und Chorionzottenbiopsie)
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Großzügige Hautdesinfektion des Eingriffsgebiets und steriles Vorgehen.
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CVS und AZ werden unter kontinuierlicher Ultraschallsicht und in der Regel „frei Hand“, d. h. ohne Punktionshilfen, durchgeführt. Die Nadel wird in Längsrichtung im Schallfenster geführt und die Nadelspitze sollte während des Punktionsvorgangs sonografisch dargestellt werden.
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Bei der Wahl der Punktionsstelle ist auf maternale Darmschlingen zu achten. Diese dürfen nicht verletzt werden.
Amniozentese
Die Punktionsnadel wird durch die mütterliche Bauchdecke und den Uterus in die Amnionhöhle vorgeschoben und Fruchtwasser aspiriert. Die entnommene Fruchtwassermenge beträgt je nach Indikation im zweiten Trimenon 10 – 18 ml und sollte 20 ml nicht überschreiten [22]
. Der erste Milliliter gewonnenen Fruchtwassers wird verworfen, um die Gefahr einer Kontamination mit mütterlichen Zellen zu reduzieren. Wird eine Nadel mit Mandrin verwendet, ist dies gewöhnlich nicht erforderlich.
Der transamniale Zugang ist Methode der Wahl. Bei kompletter Vorderwandplazenta und transplazentarer Punktion sollten der plazentare Nabelschnuransatz oder Deckplattengefäße nicht verletzt werden.
Bei nicht fusioniertem Amnion und Chorion (Chorion-Amniondissoziation) sollte eine Amniozentese nicht oder nur von erfahrenen Untersuchern durchgeführt werden. In diesen Fällen kann entweder der Eingriff auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, zu dem Amnion und Chorion fusioniert sind, oder alternativ dazu eine Plazentese durchgeführt werden.
Es wird die Verwendung einer sterilen 20 – 22 Gauge (0,9 bzw. 0,7 mm Außendurchmesser) Nadel empfohlen [5]
[14].
Chorionzottenbiopsie
Die Chorionzottenbiopsie kann transabdominal oder transzervikal durchgeführt werden. In Deutschland wird, wie in den meisten europäischen Ländern, der transabdominale Zugang favorisiert. Mehrere Publikationen beschreiben im Vergleich beider Methoden eine höhere Komplikationsrate bei transzervikalem Zugang [23]
[24]
[25]. Hierfür können verschiedene Nadeln eingesetzt werden: 18- und 20-Gauge-Nadel, oder 17/19- bzw. 18/21-Gauge-Doppelnadeln.
Mit einer auf die Nadel aufgesetzten Spritze, die mit Kulturmedium gefüllt ist, wird ein Sog aufgebaut. Sodann bewegt man die Nadel mehrmals im Chorion vor und zurück, wodurch die Chorionzotten aspiriert werden. Es ist darauf zu achten, dass die choriale Deckplatte nicht verletzt wird. Je nach Indikation werden ca. 15 – 25 mg Zottengewebe gewonnen und in ein Spezialmedium appliziert. Vor dem Eingriff ist optional eine Lokalanästhesie der Haut möglich. Welche der genannten Techniken Anwendung finden, wird der Präferenz und der Erfahrung des Untersuchers überlassen [5]
[14].
Invasive Diagnostik bei Mehrlingen
Die invasive Pränataldiagnostik bei Mehrlingen ist möglicherweise mit einer höheren Abortrate verbunden, was aber nicht durch randomisierte Studien belegt ist [26]
[27]
[28].
Deshalb sollte die invasive Diagnostik bei Mehrlingen Untersuchern und Zentren mit besonders hoher Erfahrung und weiterführender Qualifikation hierfür (Gruppe 2, s. Kapitel 7) vorbehalten bleiben.
Für die Planung der invasiven Diagnostik bei Mehrlingen ist die Bestimmung von Chorionizität und Amnionizität und, wenn technisch möglich, auch eine differenzierte sonografische Untersuchung zum Erkennen von fetalen Anomalien (Feindiagnostik) Voraussetzung.
Ein Vorteil der CVS gegenüber der AZ bei Mehrlingen ist die Durchführung des Eingriffs in früherem Gestationsalter. Somit kann im Falle eines pathologischen Ergebnisses mit Indikation für eine selektive Mehrlingsreduktion diese auch zu einem früheren Zeitpunkt und mit geringerem Risiko durchgeführt werden [29].
Die AZ bei Mehrlingen kann in Einstich- oder Zweistichtechnik durchgeführt werden. Bei der Einstichtechnik wird die Nadel nach Punktion und Fruchtwasseraspiration der ersten Amnionhöhle durch die Trennwand in den zweiten Fruchtraum vorgeschoben, wo die zweite Fruchtwasserentnahme in eine zweite Spritze erfolgt. Bei der Zweistichtechnik werden zwei Nadeln verwendet und die Fruchträume getrennt punktiert. Die Entscheidung zur Einstich- oder Zweistichtechnik obliegt der Erfahrung des Untersuchers [29].
Es sollte eine genaue Dokumentation der Lage der Feten, der Einstichstellen und Zuordnung der Proben, ggf. mit entsprechender Zeichnung erfolgen. Wenn aufgrund sonografisch nachweisbarer fetaler Anomalien bei einem der Mehrlinge ein selektiver Fetozid erwogen wird, sollte, um Zuordnungsprobleme und Mehrfachpunktionen zu vermeiden, die Punktion von dem Spezialisten vorgenommen werden, der den Mehrlingsreduktions-Eingriff dann auch durchführen wird.
Kontrollen nach dem Eingriff
Nach einem invasiven Eingriff sollten die fetale Herzfrequenz und die Fruchtwassermenge überprüft werden. Komplikationen, wie z. B. ein Plazentahämatom, sind dabei auszuschließen. Die Ultraschalluntersuchung sollte dokumentiert und 1 – 3 Tage nach der Punktion wiederholt werden.
Komplikationen
Maternale Komplikationen
Maternale Komplikationen nach invasiver Pränataldiagnostik sind extrem selten.
Verletzungen des Fetus
Durch die kontinuierliche Ultraschallüberwachung während des Eingriffs sind Verletzungen des Fetus zu vernachlässigen [30]. Diese sind jedoch bei nicht vollständig einsehbarer Nadel prinzipiell möglich.
Leakage
Die häufigste Komplikation nach einem invasiven Eingriff ist der Abgang von Amnionflüssigkeit (Leakage). Ein solcher kommt in 0,5 – 2 % vor. Häufig hält dieser nur kurze Zeit an und sistiert dann spontan. Ein exspektatives Management führt in den meisten Fällen zu einem guten Schwangerschaftsausgang mit einer Lebendgeburtenrate von 91 % und hat insofern eine wesentlich bessere Prognose als ein spontan auftretender vorzeitiger Blasensprung [31]
[32].
Eingriffsbedingter Abort
Die häufigste fetale Komplikation ist der eingriffsbedingte Abort. Dessen wirkliche Rate ist schwer zu ermitteln, da die Rate von Spontanaborten, welche in Abhängigkeit vom Gestationsalter variiert, die Zahl der eingriffsbedingten Aborte beeinflusst. Weitere Faktoren, welche die Zahl der Spontanaborte beeinflussen, sind das maternale Alter [33] und Schwangerschaftsrisiken, wie z. B. fetale Fehlbildungen. Deshalb variiert auch die in Studien ermittelte Angabe der eingriffsbedingten Aborte nach AZ und CVS. Auch studienspezifische Faktoren (Vollständigkeit des Follow- ups, Vorhandensein von Kontrollgruppen, Randomisierung, Dauer der Nachbeobachtung, Zeitpunkt des Eingriffs, Vergleich von Niedrig- und Hochrisikogruppen für chromosomale Aberrationen und andere genetische Erkrankungen, Einbeziehung bzw. Vernachlässigung des Hintergrundrisikos u. a.) erschweren den Vergleich der Abortrate zwischen den einzelnen Studien. Es scheint sinnvoll, die Nachbeobachtungszeit auf eine Zeit von 14 Tagen zu richten. Nur in diesem Zeitraum ist eine für einen Vergleich ausreichende Homogenität der Daten zu beobachten [34].
Das eingriffsbedingte Abortrisiko der AZ nach 15 + 0 SSW wird zumeist mit ca. 0,5 % angegeben. Diese Daten berufen sich hauptsächlich auf Studien aus den 70er-Jahren [35]
[36]
[37].
Da heute die invasive Diagnostik unter kontinuierlicher Ultraschallsicht erfolgt, ist die Rate eingriffsbedingter Aborte deutlich reduziert [30], ebenso die Rate fetaler Verletzungen und blutiger Punktate. Allerdings ergab die einzige randomisierte Studie von 1986, durchgeführt unter kontinuierlicher Ultraschallsicht mit einer 20G-Nadel zwischen 16 und 18 SSW bei Schwangeren im Alter zwischen 24 und 35 Jahren, ein eingriffsbedingtes Abortrisiko von 1,0 % [38].
Neuere retrospektive, nicht randomisierten Untersuchungen an großen Gruppen mit AZ im Vergleich mit Kontrollgruppen ohne AZ berichten über Abortraten von 0,13 % [39], 0,06 % [40], 0,46 % [41], 0,49 % [42] und 1 % [43].
Weitere Studien mit ähnlichem Design geben das eingriffsbedingte Abortrisiko mit 0,46 bzw. 0,7 % an [44]
[45]. Insgesamt zeigen diese Studien ein eingriffsbedingtes Abortrisiko von 0,28 % bei einer Nachbeobachtungszeit bis 24 + 0 SSW und 0,7 % bei einer Nachbeobachtungszeit bis 28 + 0 SSW. Allerdings wurden dabei keine Gestationsalter-adäquaten Kontrollgruppen verglichen und der Studienaufbau war nicht randomisiert [39]. Eine weitere retrospektive Analyse gibt ein eingriffsbedingtes Abortrisiko von 0,4 % für AZ bei einer Nachbeobachtungszeit von 2 Wochen an [46].
In einer Stellungnahme des ACOG wird das Abortrisiko auf weniger als 1: 300 – 500 Amniozentesen angegeben [47]. Hingegen warnt das RCOG davor, geringere Abortraten als 1 % anzugeben [14].
Zusammenfassend kann aus den Daten der Literatur das eingriffsbedingte Abortrisiko nach AZ und CVS zwischen 0,5 und 1 % geschätzt werden [5]
[14]
. Einrichtungen, die nicht über eigene Auswertungen hierzu verfügen, sollten dies für die Beratung der Schwangeren über das Abortrisiko angeben.
Bei Untersuchern mit großer Erfahrung, konsequenter Einhaltung der ultraschallgestützten Durchführung des Eingriffs und Berücksichtigung maternaler Risikofaktoren ([Tab. 2]) kann die Abortrate bis auf 0,2 % reduziert werden. In der Aufklärung der Schwangeren sollten besondere Einflussfaktoren wie fetale Anomalien, Amnion-Chorion-Separation, noch bestehende Blutungen und retrochoriale Hämatome berücksichtigt werden.
Tab. 2
Maternale Risikofaktoren, die das Abortrisiko nach invasiver Diagnostik erhöhen [33]
[44].
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hypertensive Erkrankung
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maternaler BMI > 40 kg/m²
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Multiparität (mehr als 3 Geburten)
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vaginale Blutung vor invasiver Diagnostik/Hämatom
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vaginale Blutung zum Zeitpunkt der invasiven Diagnostik
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manifeste vaginale Infektion
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Vorgeschichte von 3 oder mehr Aborten
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Zigarettenkonsum von > 10/Tag
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Das Abortrisiko bei einer transplazentaren AZ unterscheidet sich nicht vom Eingriffsrisiko bei transamnialem Zugang [48]
[49].
Das eingriffsbedingte Risiko von transabdominaler CVS und AZ unterscheidet sich offensichtlich nicht wesentlich [24]
. Allerdings ist in dem Zeitraum, in welchem in der Regel die CVS vorgenommen wird, die Rate an Spontanaborten höher.
Alloimmunisierung
Eine feto-maternale Blutung kann nach AZ und CVS in ca. 1 % eine Alloimmunisierung gegen fetale Blutgruppenantigene auslösen [38]
[50]. Bei Rhesus- Konstellation, insbesondere aber bei einer bereits vorliegenden Rhesus- und anderer relevanter Blutgruppen-Immunisierung (Blutgruppeninkompatibilität) und der damit verbundenen Gefahr einer Boosterung sollten CVS oder der transplazentare Zugang bei AZ vermieden werden.
Frustrane Punktion
Bei erfolgloser Punktion (Punctio sicca) kann eine erneute Punktion an einer anderen Lokalisation durchgeführt werden, wobei mehr als 2 Eingriffe pro Sitzung wegen des deutlich ansteigenden Abortrisikos bei 3 und mehr Nadelinsertionen nicht empfohlen werden [49]. Es ist ratsam, den Eingriff nach 2 frustranen Punktionsversuchen in einer Einrichtung mit hoher Punktionserfahrung (Gruppe 2, s. Kapitel 7) durchführen zu lassen.
Weitere Komplikationen
Zu weiteren Komplikationen nach invasiver Pränataldiagnostik zählen Amnionablösung, Blutung in die Fruchthöhle, Ausbildung eines retrochorialen Hämatoms und selten eine intraamniale Infektion.
Maternale Faktoren, die eingriffsbedingte Komplikationen beeinflussen
Verschiedene maternale Faktoren können das eingriffsbedingte Abortrisiko erhöhen und sollten mit der Schwangeren besprochen werden [42]
[51]
, ([Tab. 2]).
Ad 4. Aufklärung
Die invasive Pränataldiagnostik mit dem Ziel der Erfassung genetischer Eigenschaften des Fetus unterliegt dem Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) vom 31.7.2009. Dessen Vorgaben müssen bei der Beratung vor und nach dem Eingriff Beachtung finden.
Beratung vor invasiver Pränataldiagnostik
Im Gendiagnostikgesetz Absatz 2, §§ 7 – 11 und § 15 ist der gesetzliche Rahmen für Aufklärung, Einwilligung in die Untersuchung, genetische Beratung und Mitteilung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen im Rahmen der invasiven Pränataldiagnostik festgelegt. Eine schriftliche Dokumentation von Beratung und Aufklärung sowie hiernach eine schriftliche Einwilligung der Schwangeren müssen erfolgen.
Folgende Punkte sollten vor Einwilligung in die Untersuchung besprochen werden:
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Anlass für die Untersuchung,
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Ziel der Untersuchung,
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Risiko der Untersuchung,
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Notwendigkeit einer Anti-D-Immunglobulingabe,
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Grenzen der diagnostischen Möglichkeiten,
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Sicherheit des Untersuchungsergebnisses,
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Art und Schweregrad möglicher oder vermuteter Störungen,
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Möglichkeiten des Vorgehens bei einem pathologischen Befund,
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psychologisches und ethisches Konfliktpotenzial bei Vorliegen eines pathologischen Befunds,
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Alternativen bei Nicht-Inanspruchnahme der invasiven pränatalen Diagnostik,
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Möglichkeit der Inanspruchnahme einer psychosozialen Beratung gemäß § 2, Schwangerenkonfliktgesetz,
-
Modus der Befundübermittlung.
Zusätzlich sollte die Schwangere darauf hingewiesen werden, nach dem Eingriff körperliche Schonung einzuhalten und bei Beschwerden, wie Unterbauchschmerzen, Fruchtwasserabgang und Fieber, umgehend ärztliche Hilfe einzuholen.
Ad 5. Dokumentation
Die Dokumentation im Rahmen der invasiven Pränataldiagnostik sollte folgende Punkte umfassen
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Befunde, aus denen die Indikation zur invasiven Diagnostik hervorgeht (weiterführende Ultraschalluntersuchung, Risikoberechnung für die häufigsten Aneuploidien, anamnestische Faktoren usw.),
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Dokumentation der Aufklärung vor der invasiven Diagnostik einschließlich der schriftlichen Einwilligung der Schwangeren in die Untersuchung,
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Dokumentation der Ultraschalluntersuchung vor dem Eingriff (s. Abschnitt 3.1.),
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Dokumentation des Eingriffs: verwendetes Instrument, Einstichstelle, Zahl der Einstiche, Menge der Probe, Aussehen der Fruchtwasserprobe,
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Dokumentation der Vitalität des Fetus und der Fruchtwassermenge nach dem Eingriff und evtl. Hinweise auf Frühkomplikationen (s. Abschnitt 3.6.),
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Dokumentation einer Anti-D-Prophylaxe (inkl. der Chargen-Nummer des applizierten Präparats),
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Dokumentation des Eingriffs im Mutterpass.
Ad 6. Qualitätskontrolle
Ziel einer jeden invasiven Diagnostik sollte die Vermeidung von Komplikationen sein. Dies ist nur bei einer hohen Qualifizierung des Untersuchers zu gewährleisten.
Es gibt offensichtlich eine Assoziation zwischen Komplikationsrate nach invasiver Diagnostik und Erfahrung der Untersucher, gemessen an der Zahl der jährlich durchgeführten Eingriffe. Allerdings wird die für eine adäquate Qualität erforderliche Zahl an Eingriffen in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben. Es ist derzeit nicht möglich, eine evidenzgesicherte Mindestzahl an jährlich durchzuführenden Eingriffen zur Qualitätssicherung zu nennen [43]
[52]
[53]
[54]. In den Guidelines des RCOG werden mindestens 30 Eingriffe pro Jahr mit kontinuierlichem Audit gefordert. Das RCOG definiert die Kriterien für erfahrene Untersucher ab 100 Eingriffen pro Jahr [14].
Die Autoren der vorliegenden Arbeit schlagen eine Differenzierung der Untersucher nach ihrer Erfahrung im Bereich der invasiven Diagnostik und ihrer insgesamt und jährlich geleisteten Eingriffe vor:
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Basisqualifikation für die invasive Diagnostik:
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Untersucher mit Erfahrung in der weiterführenden sonografischen Organdiagnostik (differenzialdiagnostische Ultraschalldiagnostik bei Verdacht auf Entwicklungsstörungen oder fetale Erkrankungen oder bei erhöhtem Risiko hierfür) (Qualifikation entsprechend DEGUM Stufe II) und
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mindestens 30 invasive Eingriffe pro Jahr.
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Besonders hohe und weiterführende Qualifikation für die invasive Diagnostik:
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Untersucher mit hoher Erfahrung in der weiterführenden differenzialdiagnostischen Ultraschalldiagnostik bei Verdacht auf Entwicklungsstörungen oder fetale Erkrankungen oder bei erhöhtem Risiko hierfür (Qualifikation entsprechend DEGUM Stufe II und III) und
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eine Gesamtzahl von mindestens 500 selbstständig durchgeführten invasiven Eingriffen.
Zu den Aufgaben der Untersucher mit weiterführender Qualifikation für die invasive Diagnostik gehören u. a. Punktionen bei Mehrlingen, Punktionen mit höherem eingriffsbedingtem Risiko, Punktionen bei speziellen Risiken (z. B. HIV-Infektion) sowie die Re-Punktion nach frustranem Eingriff.
Jeder Untersucher sollte eine eigene Qualitätskontrolle durch Erhebung folgender Parameter durchführen:
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Zahl der Eingriffe pro Jahr,
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Zahl der Proben ohne ausreichendes Material,
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Zahl der Proben mit blutigem Fruchtwasser,
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Zahl der Eingriffe mit mehr als einem Einstich und Zahl der Einstiche,
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Ausgang der Schwangerschaft (Anzahl der Aborte und deren zeitlicher Abstand zum Eingriff, Leakage, Frühgeburten, Blasensprung u. a.),
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andere Schwangerschaftskomplikationen,
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weitere Komplikationen (unklare zytogenetische Ergebnisse, Re-Punktion u. a.).
Ad 7 Aus- und Weiterbildung
Die Ausbildung für invasive Eingriffe sollte mit einem Training an einem Modell/Simulator beginnen, an dem die Führung der Nadel im Ultraschallfenster so erlernt wird, dass die Nadelspitze sichtbar bleibt und der anvisierte Punkt sicher getroffen wird. Erst wenn das Training am Modell sicher beherrscht wird, sollte die klinische Ausbildung mit „einfachen“ Amniozentesen beginnen. Hierzu zählen Eingriffe in fortgeschrittenem Schwangerschaftsalter (z. B. Amniodrainagen), Eingriffe bei Hinterwandplazenta und bei ausreichender Fruchtwassermenge. Die Zahl der Eingriffe, die nötig ist, um den Eingriff sicher zu beherrschen, wird in der Literatur unterschiedlich angegeben und liegt zwischen 30 und 400 Eingriffen, wobei nach 100 Eingriffen keine Verbesserung mehr zu erkennen ist [55]
. Die Autoren der vorliegenden Arbeit halten eine Zahl von 100 Eingriffen für minimal erforderlich.
Erratum zum Beitrag „Kähler C, Gembruch U, Heling K-S, Henrich W, Schramm T. Empfehlungen der DEGUM zur Durchführung von Amniozentese und Chorionzottenbiopsie. Ultraschall in Med 2013; 34: 435–440“
In diesem Beitrag wurde der Letztautor versehentlich keinem Institut zugeordnet. Richtig müssen die Institutsangaben von T. Schramm lauten: Pränatal-Medizin, Munich. Der Beitrag wurde in der Onlineversion entsprechend korrigiert.