Z Orthop Unfall 2013; 151(01): 1-6
DOI: 10.1055/s-0033-1337661
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview – Medizinische Leitlinien können und dürfen die Intuition des Arztes nicht ersetzen

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Publication Date:
27 February 2013 (online)

 
 

    Hans-Konrad Selbmann, langjähriger Vorsitzender der Leitlinienkommission der AWMF, zieht eine Bilanz seiner Arbeit für eine möglichst hohe Qualität von Leitlinien und erklärt, warum sich Ärzte trotzdem niemals blind auf sie verlassen dürfen. Allerdings, das macht das Gespräch mit der ZFOU deutlich, lässt er eine isolierte Betrachtung von Leitlinien nicht zu. Das Qualitätsbewusstsein in der Medizin müsse auf vielen Ebenen zunehmen.

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    Über 450 Artikel und Bücher zu Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement, Statistik und Epidemiologie und nicht nur das – der Mathematiker und Humanbiologe (Prof. Dr. rer. biol. hum., Dipl-Math.) Hans-Konrad Selbmann ist einer der gefragten Köpfe hierzulande, wenn es um das Thema Qualität in der Medizin geht. Der gebürtige Stuttgarter (Jahrgang 1941) studierte ab 1960 in Stuttgart Mathematik, sammelte nach dem Diplom 1967 drei Jahre Industrieerfahrung bei DuPont in Frankfurt und wechselte 1970 als Wissenschaftler an die Universität Ulm, wo er 1976 in Medizinischer Statistik und Datenverarbeitung habilitierte. Weitere Stationen waren die LMU München und ab 1984 die Universität Tübingen, wo Selbmann bis 2007 das Institut für Medizinische Informationsverarbeitung leitete. Selbmann war von 1988 bis 1991 Mitglied des Sachverständigenrates der Konzertierten Aktion für das Gesundheitswesen und von 2004 bis Mai 2012 Leiter der Ständigen Kommission Leitlinien der AWMF, der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften. Dem Präsidium der AWMF bleibt er als Schatzmeister erhalten. Ebenso wie er weiterhin seiner Hauptleidenschaft frönt: Dem Dasein als Berater von Politik, Fachwelt und, last but not least, der Öffentlichkeit. Jetzt vor allem von seinem Heimatort Rangendingen in der schwäbischen Provinz aus – per Telefon und Internet. (© Privat)
    Selbmann (startet selber mit dem Interview): Ich war neulich auf einer Anhörung im Bundesgesundheitsministerium zum neuen Krebsplan-Umsetzungsgesetz (siehe links, das Gesetz ist mittlerweile vom Bundeskabinett als Krebsfrüherkennungs- und registergesetz beschlossen). Ich sage Ihnen, es gibt Leute, die wollen Inzidenzraten so genau wie möglich, bis auf die vierte Stelle nach dem Komma …

    ? Sie nicht?

    Nein, absolut nicht. Das kostet zu viel Geld und ist völlig unnötig. Der Fehler darf nur nicht so groß sein, dass man mit den Zahlen nichts mehr anfangen kann.

    ? Größenordnungen reichen aus?

    Ja. 10 von 100, 10 von 1.000 könnten profitieren …, das reicht doch völlig, um zum Beispiel über den Sinn einer Krebs-prävention zu entscheiden. Das sehen Sie doch auch so, oder?

    ? Entschuldigung, aber ich soll Sie befragen.

    (lacht).

    ? Das hier soll ein Interview zu Leitlinien werden. Könnten Sie den Lesern einer orthopädischen Fachzeitschrift erklären, was diese AWMF eigentlich zum Thema Leitlinien macht?

    Orthopäden? Ah ja, mit deren Fachgesellschaften habe ich gerade erst zu tun gehabt. Sie reduzieren sich ziemlich oft auf die Endoprothesen.

    ? Was meinen Sie denn damit?

    Mir ist aufgefallen, dass manche Orthopäden glauben, man könne die Behandlung mit einer Knie- oder Hüft-TEP zertifizieren und darauf aufbauend Zentren bilden, die nichts anderes mehr tun als eben diese Operationen.

    ? Das bringt womöglich einen Wettbewerb um Qualität …

    Einerseits richtig, ja. Aber nur Zertifikate für einzelne Operationen zu vergeben – das ist heute zu wenig, um wirklich gute Qualität zu erzielen. Eine orthopädische Abteilung hat noch viele andere Aufgaben bei ihren Patienten zu erfüllen. Sehr oft sind das ja ältere Herrschaften. Die haben vielleicht auch einen Diabetes, die haben Rücken (lacht) und dann haben sie auch noch das Hüft- oder Knieleiden, das mit all diesen anderen Problemen wieder rückgekoppelt ist. Orthopäden müssen mit ihren Kollegen aus anderen Fächern das alles in den Blick nehmen – auch und gerade dafür, dass der Patient später mit dem neuen Kunstgelenk gut klar kommt.

    ? Aber Sie selbst haben schon einmal erklärt, dass Sie eine Klinik nach den Fallzahlen wählen würden, wenn Sie ein künstliches Gelenk bräuchten …

    Ja, das stimmt. Dennoch wäre mir die Reduktion eines orthopädischen Zentrums allein auf seine Qualität bei Knie- oder Hüft-TEP zu wenig.

    ? Allein das Projekt Endocert der DGOU reicht nicht für mehr Qualität in der Orthopädie?

    So ist es. Ich bin übrigens auch dafür, dass der, der anderen ihre Qualität zertifiziert, am Ende irgendwie mithaften sollte, wenn etwas schief geht.

    ? Wie bitte? Dann wird bald keiner mehr zertifizieren.

    Das könnte sein, zumindest sind mir aber Zertifizierungen bislang zu folgenlos. Zertifikate sind ja so leicht zu vergeben …

    ? Zurück zum Thema Leitlinien. Wer hat sich das überhaupt ausgedacht – Leitlinien in der Medizin?

    So richtig angefangen hat das hierzulande im Jahr 1994. Damals hat der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Jahresgutachten geschrieben, dass die Fachgesellschaften, die doch immer behaupten, sie wüssten, wie man richtige Medizin macht, das doch mal bitteschön auch niederschreiben mögen.

    ? Vor 1994 gab es noch keine Leitlinien?

    Doch, aber 1994 wurde eine neue Systematisierung angestoßen. Danach haben die Fachgesellschaften erstmals an die 1500 Leitlinien zusammen getragen.

    ? Die es schon gab?

    Zum Teil wurden sie auch neu geschrieben. Typisch war allerdings, dass man zunächst noch glaubte, die Aufgabe sei erfüllt, sobald man alle Leitlinien ordentlich zusammengestellt hat. Das Nachdenken darüber, was überhaupt eine Leitlinie ist, ob es vielleicht unterschiedliche Qualitäten gibt, wie man ihre Qualität sicherstellt, das waren Dinge, die sich erst langsam entwickelten. Und zunächst zeigten sich ganz praktische Probleme.

    ? Ein Beispiel?

    Dass man etwa zu einem Krankheitsbild gleich mehrere Leitlinien hatte, die sich auch noch widersprachen. Beim Karpaltunnelsyndrom gab es z. B. vier Leitlinien. Eine von der Gesellschaft für Handchirurgie, eine von der Gesellschaft für Neurologie, eine von den Orthopäden und noch eine von den Neurochirurgen. Man kann sich leicht vorstellen, dass am Ende der Kostenträger hingehen könnte und die preiswerteste davon favorisiert. Da hat die AWMF gesagt, hört mal, das kann jetzt nicht sein.

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    (© corbis)

    ? Und alle vier Gesellschaften gebeten, sich an einen Tisch zu setzen?

    Die sind von alleine drauf gekommen. Die AWMF konnte als neutraler Partner moderieren, während die Fachgesellschaften aus den vier Leitlinien eine gemacht haben.

    ? Übernimmt die AWMF immer nur Moderation?

    Die AWMF ist eine Art Selbsthilfe für die wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Insofern ist das Ergebnis immer das Produkt der Fachgesellschaften.

    ? AWMF bedeutet zugleich heute eine Art Gütesiegel für eine Leitlinie?

    Exakt. Zum Beispiel weil wir nur geprüfte Leitlinien in das AWMF-Register einstellen. Derzeit sind 650 Leitlinien in unserem Register, Tendenz eher sinkend.

    ? Weniger Leitlinien, und dafür bessere?

    Das ist unser Ziel, ja.

    ? Gibt es im deutsprachigen Raum überhaupt noch medizinische Leitlinien außerhalb der AWMF?

    Ich glaube, dass es das noch gibt – auch weil manche Firmen daran Interesse haben. In der Fachwelt, würde ich aber sagen, kommen Sie ohne das Siegel AWMF-geprüft hierzulande nicht weit.

    ? Was machen Sie für die Qualitätsprüfung?

    Es gibt ein detailliertes Ablaufschema für das Erstellen einer Leitlinie (siehe Kasten AWMF). Zunächst mal gilt: Das Thema kommt immer von einer Fachgesellschaft, die auch die Federführung im weiteren Prozess übernimmt. Sobald es um ein Thema geht, das mehrere Fachgesellschaften angeht, muss diese Leitlinie heute allerdings auch interdisziplinär behandelt werden – das ist eine unserer wichtigsten Regeln. Dass das jetzt von den Fachgesellschaften umgesetzt wird, halte ich für einen großen Erfolg der Arbeit der AWMF.

    ? Das heißt aber auch, eine Krankheit, für die es keine Fachgesellschaft in Deutschland gibt, für die gibt es auch keine Leitlinie unter der AWMF?

    So ist es. Da haben wir vielleicht noch Verbesserungsbedarf bei dem Vorschlagsrecht für Themen. Wobei wir mittlerweile zumindest auch Leitlinien haben, die sich nicht auf eine einzelne Krankheit beziehen, sondern übergreifende Versorgungsthemen abdecken. Zum Beispiel zur Palliativen oder zur Psychoonkologischen Versorgung, die gerade in der Entwicklung sind.

    ? Gibt es eine Zeitvorgabe, wie schnell eine Leitlinie nach der Anmeldung fertig sein muss?

    Nein, aber die zeitlichen Angaben der Fachgesellschaften zur Fertigstellung werden von der AWMF überwacht.

    ? Wie wird eine Leitlinie finanziert?

    Wir haben in der Regel eine Mischfinanzierung und legen großen Wert darauf, dass die Fachgesellschaften einen Teil der Kosten selber tragen, weil nur dies ihre unabhängige Mitsprache sichert.

    ? Wie verhindern Sie, dass Autoren Dinge in Leitlinien schmuggeln, die, vorsichtig gesagt, interessengesteuert sind?

    Alle Autoren müssen vorab eine Erklärung ausfüllen, ob und wo sie Interessenkonflikte haben und bei sich sehen. Danach müssen die Koordinatoren einer Leitlinie diese Erklärungen bewerten. Die Gruppe selber diskutiert das Thema, auch ob ihr Interessenkonflikte in Einzelfällen womöglich so groß sind, dass sie die Kollegin oder den Kollegen am Ende zumindest bei Abstimmungen über die Empfehlungen nicht dabei haben möchte.

    ? Wäre es nicht besser, Fachleute bei großen Interessenkonflikten erst gar nicht dabei zu haben?

    Was ist groß? Nein, das kann man so pauschal nicht sagen. Schließlich hat jeder, der etwas von einer Sache versteht, irgendwo auch Interessenskonflikte. Es geht hier weniger um Ausschließen, vielmehr darum, sich Konflikte bewusst zu machen und in den Entwicklungsgruppen nach Möglichkeit auszugleichen. Sie brauchen ohnehin alle am Tisch, auch die Patienten müssen dabei sein. Denn wenn eine wichtige Gruppe bei der Leitlinienerstellung nicht beteiligt wird, müssen Sie damit rechnen, dass sie hinterher die neue Leitlinie ablehnt.

    ? Echte Probleme mit manipulierten Leitlinien kennen Sie nicht?

    Einen echten Skandal hatten wir bei der AWMF noch nicht. Und wir tun alles, um Manipulationen auszuschließen, aber wir können die Hand natürlich nicht ins Feuer legen, dass nicht doch einmal irgendwann …
    Uns hilft auch unsere generelle Forderung nach Evidenzbasierung. Es reicht ja nicht mehr aus, wenn meinetwegen ein Chirurg behauptet, dass sein operatives Verfahren viel besser ist als eine medikamentöse Therapie. Er muss das heute auch belegen können. Das ist übrigens das Wichtigste an der evidenzbasierten Medizin: Sie dürfen und sollen, auch ohne dass der andere rot wird, fragen – wo sind die Belege? Zeigen Sie sie mir und dann vergleichen wir meine Evidenzen mit Ihren.

    ? Kommt es vor, dass die AWMF am Ende auch mal sagt, nee meine Damen und Herren, das ist uns zu dünn, das veröffentlichen wir so nicht?

    Ja, das passiert, da nenne ich jetzt aber keine Details.

    ? Und die andere Seite: Lesen die Ärzte auch die Leitlinien?

    Nicht ausreichend.

    ? Muss ein Arzt überhaupt Leitlinien lesen?

    Jein. Ein Vertragsarzt muss den Patienten nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens behandeln. Wie er auf den kommt, ist zunächst Mal seine Sache. AWMF-Leitlinien zu lesen halte ich für ein gutes Mittel, sich auf den aktuellen Stand zu bringen. Aber es gibt keine Sanktionen für den, der sie nicht liest.
    Unsere Juristen erklären das so: Wenn man als Arzt von der Leitlinie abgewichen ist, und es ist etwas passiert, dann sollte man belegen können, dass man die Leitlinien zum Zeitpunkt der Behandlung gekannt hat, und begründen, warum man davon abgewichen ist.

    ? Was man dann also idealerweise auch gleich in die Dokumentation geschrieben hat?

    Ja. Aber Vorsicht, blind verlassen dürfen Sie sich natürlich auch nicht allein auf eine Leitlinie. Es gibt ein Urteil des BGH, nach dem Leitlinien nicht automatisch den medizinischen Standard ersetzen können, der für die Beurteilung eines Behandlungsfehlers nötig ist (Anm. Red. Urteil BGH vom 28.3.08, Aktenzeichen VI ZR 57/07). Ein Sachverständiger darf vor Gericht nicht sagen, der Arzt hat sich nicht an die Leitlinie gehalten und allein schon deshalb handelt es sich um einen Behandlungsfehler. Er muss in jedem Einzelfall prüfen, ob eine Leitlinie aktuell ist, und ob sie auf den konkreten Fall passt. Genauso, wie das jeder Arzt bei jedem Patienten tun muss.

    ? Lesen sollte er sie schon, aber verlassen sollte sich der Arzt auch nicht darauf. Auch wenn die Leitlinie bei der AWMF steht?

    So ist es. Er darf eine Therapie nicht einfach nur verordnen, weil es in der Leitlinie steht. Sondern nur, wenn er gute Argumente dafür sieht, dass sie die richtige für den individuellen Patienten ist.

    ? Aber Leitlinien sollen doch gerade eine Anleitung für den medizinischen Alltag sein. Ein Leitfaden, auf den ich mich nicht verlassen kann? Das wäre so etwas wie ein Kochbuch, das Fehler enthält, was dann allerdings in jeder Küche heftige Probleme machen würde.

    Der Terminus Kochbuch geht gar nicht. Das sind Leitlinien eben nicht. Ich schätze zwar, dass Leitlinien durchaus für vielleicht 60, 70 Prozent der Patienten auch die richtige Behandlung vorgeben können. Die Behandlung eines Arztes ist aber immer individuell, abgestimmt auf den ganz speziellen Patienten, der vor ihm sitzt. Und genau den bildet eine Leitlinie nicht immer ab.

    ? Aber wenn der Arzt sich eh nicht hundertprozentig auf die Leitlinie verlassen kann, dann schaut er vielleicht gleich besser bei Cochrane vorbei und bringt sich dort auf den Stand einer geschliffenen Meta-Analyse?

    Das sollte er ruhig auch tun. Cochrane durchsucht die Literatur und macht daraus Tabellen für eine Evidenzbasierung. Aber auch Cochrane hat natürlich das Problem der Anpassung der Studienergebnisse auf den einzelnen Patienten. Natürlich gibt es glasklare Situationen. Ein Darmverschluss muss schnellst möglich behandelt werden, kein Wenn und Aber. Solche klaren Entscheidungssituationen haben wir aber nicht so häufig in der Medizin.
    Der Schritt von den Studienergebnissen zur Leitlinie ist obendrein ein bisschen weiter. Sie will das Wissen aus Studien so aufbereiten, dass es im Alltag eingesetzt werden kann. Und da stellen sich viele Fragen. Kann ich die Studien, die im Ausland gelaufen sind, unmittelbar auf das deutsche Gesundheitswesen übertragen? Oder: welches Zielkriterium nehme ich, um den Erfolg einer Therapie zu messen? Allein die Reduktion der Sterblichkeit? Oder gehört eine Chance auf bessere Lebensqualität auch dazu? In all diesen Punkten versuchen Leitlinienautoren die reinen Studiendaten auf den Versorgungsalltag zu übertragen und gehen da meist weiter als Cochrane es tut.

    ? Die AutorInnen werden Leitlinien am Ende doch wieder nach ihren persönlichen Erfahrungen zusammenstellen? Dann fiele die ganze Mühe um systematische Evidenzbasierung in der Medizin wieder hinten runter?

    Jetzt kommt der zentrale Punkt. Es geht in der Medizin nie ohne die Erfahrung des Arztes. Ich schätze mal, dass wir vielleicht für 30 Prozent aller Behandlungssituationen sehr gute Studien haben. Das heißt dann eben auch, für 70 Prozent gibt es gar nicht diese hohe Evidenz. Und da kommt dann Intuition ins Spiel.

    ? Das kann aber doch nicht das Ziel sein? Die evidenzbasierte Medizin möchte doch zumindest eines Tages möglichst alles 100prozentig durch randomisierte kontrollierte Studien abdecken?

    Das wird nie machbar sein. Genau diesen Spagat zwischen dem Wunsch nach möglichst präzisen Belegen und deren Fehlen müssen wir bei der Arbeit an Leitlinien machen. Einmal geht es natürlich um die Suche nach Evidenz, wie es auch Cochrane macht, ganz klar. Eine systematische Literaturrecherche ist ja auch immer öfter die Grundlage für Leitlinienempfehlungen. Liegt das Ergebnis der Recherche dann vor, müssen die Experten es auf seine Alltagstauglichkeit überprüfen, jetzt kommt die so genannte klinische Bewertung.

    ? Was Subjektivität, Meinungen wieder Tür und Tor öffnet?

    Durchaus. Aber eben nicht willkürlich. Denn wir haben dafür im Leitlinienentwicklungsprozess ganz strikte Regeln, einen eigenen strukturierten Konsensfindungsprozess.

    ? Die Autoren können nicht sagen, wir treffen uns zwanglos einmal im Monat beim Bier …

    (lacht). Nein, dafür gibt es zwingend einzuhaltende Regeln. Denkbar ist zum Beispiel der nominale Gruppenprozess, wo die Teilnehmer so lange diskutieren, bis ein Konsens gefunden ist oder feststeht, dass er nicht gefunden werden kann. Ein anderes Verfahren ist die strukturierte Konsenskonferenz. Dabei wird ein Statement, eine Empfehlung vorgetragen, die zuvor von Experten vorbereitet wurde, dann stimmt jeder Teilnehmer an der Konsenskonferenz ab, ob er nun für die vorbereitete Empfehlung oder dagegen ist. Wenn 95 Prozent der Teilnehmer dafür sind, sprechen wir von einem starken Konsens. Bei unter 75 Prozent liegt kein Konsens vor.

    ? Dann gibt es auch keine Empfehlung?

    Höchstens eine Erwähnung. Das Fehlen eines Konsensus kann ja auch eine wichtige Information sein. Die Empfehlungen der Leitlinien haben verschiedene Empfehlungsgrade. Der höchste, ein A, heißt, dass es gute Studien gibt, und dass die strukturierte Konsensfindung einen starken Konsens für eine bestimmte Diagnostik oder Therapie ergeben hat. Der Arzt "soll" etwas tun, lautet dann die Empfehlung. Ein B steht für "sollte". Und ein "kann" ist Empfehlungsgrad C.

    ? Bekannter ist die Einteilung nach Qualitätsklassen der Leitlinien von S1 bis S3. Doch nur letztere haben auf jeden Fall eine systematische Literaturrecherche der Evidenz als Grundlage. Auch bei AWMF ist das Gros der Leitlinien immer noch S1 (‣ Abb. [ 1 ] ), die deutlich schlechtere Qualität haben …

    Nicht ganz, eine S1-Leitlinie kann man ohne die systematische Evidenzbasierung erstellen. Die Klasse beschreibt aber zunächst nur die Entwicklungsschritte der Leitlinie.

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    Abb. 1 Leitlinien im AWMF-Register 2002–2012 (Quelle: AWMF).

    ? Aber wieso lassen Sie so was noch zu? Sie haben doch eben erklärt, dass die Evidenzbasierung unverzichtbar sei.

    Sicherlich möchten wir weg von den S1-Leitlinien. Doch hat die AWMF, die sich ja als eine Art Selbsthilfegruppe versteht, nicht die Macht, das bei den Fachgesellschaften durchzusetzen. Wir sind nicht die Oberpolizei und können bei den Fachgesellschaften nur dafür werben, mehr und mehr S1 durch höhere Klassen zu ersetzen. Ein positiver Trend ist, dass die Zahl der S3-Leitlinien insgesamt ansteigt (Anm. Red. siehe Grafik).

    ? Was ist, einmal angenommen, wenn ich eine S3-Leitlinie aufstellen will, die Literaturrecherche aber kaum Evidenz für Behandlungen liefert, da die Studien fehlen. Dann gibt es auch keine S3?

    Doch. Wir raten den AutorInnen in solchen Fällen zwar, dann nicht die Klasse S3 zu vergeben, aber nach unserer formalen Definition wäre das denkbar.

    ? Ohne Evidenz?

    Hier steckt ein oft missverstandener Punkt. David Sackett, einer der Begründer der evidenzbasierten Medizin, hat genau formuliert, dass es immer nur um die Suche nach der besten verfügbaren Evidenz geht. Ich darf Sackett zitieren: Evidenzbasierte Medizin… ist der gewissenhafte explizite und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten wissenschaftliche Evidenz für Entscheidungen in der Medizin zur Versorgung individueller Patienten. (Anm. Red. aus Sacket et al., Evidence based Medicine: What it is and what it isn’t. BMJ 1996; 312: 71, doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.312.7023.71).
    Das heißt eben auch: Wenn es am Ende nur Beobachtungsstudien gibt, vielleicht auch nur einzelne Fall-Studien, dann kann und muss ich eben zur Not aus diesen meine Entscheidung ableiten, um meinen Patienten zu behandeln.

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    (© Jupiterimages)

    ? Gibt es S3-Leitlinien, die tatsächlich auf solch völlig unklarer Datenbasis aufbauen?

    Ja, bei psychischen Erkrankungen gibt es verhältnismäßig wenige Studien, sehr wohl aber einige S3-Leitlinien. Als Arzt können Sie dem Patienten doch nicht sagen, wir haben leider keine Studien für dich, es gibt keine evidenzbasierte Behandlung, wir können nichts für Dich tun. Das ist eine Aussage, die leider auch das IQWiG bisweilen gerne macht. Aber das kann es nicht sein. Wenn es keine Evidenz für Therapien gibt, muss der Arzt den Patienten darüber zwar aufklären. Aber er wird sicherlich immer einen Therapieversuch machen und genau beobachten, ob die Behandlung hilft. Und dieses Versuchen und Beobachten braucht er sowieso immer – auch bei noch so guter Evidenzlage.

    ? Was meinen Sie?

    Auch noch so perfekte randomisierte Studien sagen mir nicht, dass deren Ergebnisse jetzt für meinen vor mir sitzenden Patienten taugen. Eine klinische Studie vergleicht immer nur Gruppen miteinander. Es wird immer Patienten geben, die von einem noch so guten Medikament nicht profitieren, sich vielleicht sogar nur starke Nebenwirkungen einhandeln.

    ? Aber ist ein Wir haben keine Evidenzen, am besten hoffen wir auf natürliche Heilung, nicht oft der richtige Weg? Bei etlichen vermeintlichen Therapien hat sich spät gezeigt, dass sie eher kontraproduktiv sind, nachdem sie endlich in randomisierten Studien geprüft wurden. Erst die CAST-Studie zeigte, dass manche Antiarrhythmika für Infarktpatienten eher schädlich sind. Und Bettruhe ist bei unkomplizierten Rückenschmerzen ausgesprochen schlecht …

    Korrekt. Aber das ist ein anderes Setting, wenn Studien zeigen, dass Behandlungen schaden. Eine Good Stewardship Working Group in den USA hat letztes Jahr TOP 5-Listen für Behandlungen und Diagnosen aufgelegt, die ein Arzt in der Regel nicht anwenden soll (siehe links). Auch das ist eine Art Leitlinie.

    ? So oder so bleibt ein grundlegendes Dilemma: Auch bei noch so guten Leitlinien müssen Ärzte Ihrer Ansicht nach, oft intuitiv handeln.

    So ist es. Leitlinien können gar nicht alle Verästelungen einer Behandlung abbilden. Das gilt umso stärker, je komplexer die Erkrankungen sind. Einmal angenommen, eine 79jährige Frau leidet an Osteoporose, an Diabetes mellitus und an Hypertonie. Sie bekäme laut den verschiedenen Leitlinien, die man heute dafür konsultieren muss, 12 verschiedene Medikamente und 13 verschiedene Empfehlungen zur Lebensführung. Für Patienten mit drei Komorbiditäten gibt es selten hochkarätige Evidenzen. Was wir bräuchten, wären Verfahren, die aus den Ergebnissen, die nur für den durchschnittlichen Studienpatienten gelten, Empfehlungen generieren, die für individuelle Patienten gelten. Daran wird geforscht.

    ? Und?

    Wir sprechen von theoriebildender Forschung zur Extrapolation. Von Multivariaten Verfahren und anderem mehr…

    ? Aha!

    Zum einen sind wir noch nicht so weit, dass wir solche in der Praxis einsetzbare Algorithmen hätten. Zum anderen hört es sich abstrakter an als es ist. Für den Alltag bleibt das, was gute Ärzte ohnehin tun: Sie priorisieren: Wenn jemand drei oder fünf verschiedene Begleiterkrankungen hat, dann muss man überlegen, welches ist die Krankheit, die ich als erste therapieren muss, und welche kann man in der Priorität nach hinten schieben.

    ? Haben Leitlinien die Qualität in der Behandlung, in der Medizin verbessert?

    Sie helfen mit, dass sich neues, geprüftes Wissen, schneller verbreitet. Aber sicher bleibt die flächendeckende Qualitätsverbesserung oft ein langwieriger Prozess.

    ? Ein Beispiel?

    Eine 65jährige, die eine Femurfraktur erleidet, soll spätestens binnen 24 Stunden operiert werden, wenn es ihr Allgemeinzustand erlaubt – so lautet die Empfehlung einer S2e Leitlinie Schenkelhalsfraktur von 2008 (siehe links).
    Das Problem ist für die Krankenhäuser, diese 24 Stunden-Empfehlung auch in den Alltag umzusetzen. Bei der externen Qualitätssicherung der Krankenhäuser nach §137 SGBV wird derzeit nur eine Versorgung binnen 48 Stunden erfragt. Das ist ein Ergebnis längerer Diskussionen, bei denen auch einfloss, dass manche Häuser die 24 Stunden organisatorisch gar nicht umsetzen können. Es dauert, bis das Wissen aus einer Leitlinie auch überall hin diffundiert ist.
    Bei den Disease Management Programmen hat der Gesetzgeber dem G-BA die Möglichkeit gegeben, genau festzulegen, wie bei bestimmten chronischen Erkrankungen verfahren werden sollte. Mit solchen Richtlinien werden Erkenntnisfortschritte sehr viel schneller und breiter umgesetzt als auf dem kommunikativen und freiwilligen Weg der Leitlinie. Bei Leitlinien schließen wir Sanktionen aus.

    ? Also wozu noch die unverbindlichen Leitlinien? Dann machen wir am besten aus den AWMF-Leitlinien mittelfristig Richtlinien?

    Nein, das nicht. Das geht nur dort, wo wir in Leitlinien hohes Wissen und hohe Evidenz haben.

    ? Der G-BA könnte vielleicht eine Richtlinie zur Schenkelhalsfraktur auflegen, die das 24-Stunden-Fenster für eine Operation strikt vorschreibt?

    Es spräche in dem Fall vieles für solch einen Weg. Bei Verträgen zur Integrierten Versorgung können die Krankenkassen heute schon direkt mit Leistungserbringern Verträge schließen und bei Verträgen zu Endoprothesen steht in der Tat oft bereits drin, dass der Patient binnen 24 Stunden versorgt sein muss. Passiert das nicht, gibt es hier den Weg zu vertraglich vereinbarten Sanktionen.

    ? Bei Rückenschmerzen könnte das schon schwieriger werden. Die vor kurzem aufgelegte Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz hat in der Fachwelt offenbar nicht für Einigkeit gesorgt. Manche Stimmen sprechen von "verpassten Chancen". So sei die Verwendung des Terminus "unspezifischer Kreuzschmerz" in der Leitlinie falsch. Was soll der ganze Aufwand, wenn am Ende die Kontroverse munter weiter geht?

    Aber zumindest tut sie das auf einem anderen Niveau. Und diese Fragen sind ja enorm komplex. Bei Rückenschmerzen gibt es etwa 4.500 Studien. Die lassen mannigfaltige Interpretationen zu. Das ist ein Bereich, in dem obendrein auch noch jeder glaubt, er kennt sich aus. Ich kann nur sagen, die NVL Kreuzschmerz ist nach allen Regeln der AWMF gemacht worden und mit der BÄK, der KBV und dem ÄZQ abgestimmt. Dennoch gibt es in der Medizin nur ganz selten so etwas wie einen einzigen Weg zum Ziel.
    Es gibt zum Beispiel eine Deutsche Gesellschaft Schmerztherapie, die nicht Mitglied der AWMF ist, und die gegen die NVL Kreuzschmerz kämpft. Das ist durchaus legitim.
    Und denken Sie daran, es sind Menschen, die die ganze Arbeit der Leitlinienentwicklung und –fortschreibung leisten.

    ? Ehrenamtlich?

    Jawohl. Und hier darf ich ein ernstes Problem ansprechen.

    ? Bitte …

    Bedauerlicherweise beobachten wir bei manchen Fachgesellschaften seit kurzem eine sinkende Bereitschaft, an Leitlinienentwicklungen mitzuwirken. Wir wissen nicht, ob die beklagten fehlenden Ressourcen vorgeschoben sind oder es andere gute Gründe gibt.

    ? Zeitmangel?

    Mag sein. Andere Gesellschaften sind nach wie vor sehr engagiert. Ein besonderes Manko bleibt, dass die Wissenschaftler Leitlinienarbeit nicht auf ihr wissenschaftliches Oeuvre angerechnet bekommen.

    ? Wissenschaftliche Paper sind besser für die Karriere?

    So ist es. Das schmälert natürlich die Bereitschaft mitzumachen. Vorhandenes Wissen so aufzubereiten, dass es nachher beim Menschen, beim Patienten ankommt, ist aber genauso wichtig, wie neues Wissen zu produzieren. Ich habe dieses Problem vor Jahren auf dem medizinischen Fakultätentag unseren Dekanen erzählen dürfen, leider ohne positive Resonanz. Die mangelnde Anerkennung der wissenschaftlichen Arbeit an Leitlinien ist ein Unding.

    ? Kann der Computer helfen? Man gebe das Profil des Patienten in den Rechner und der sucht gleich bestmöglich die individuelle Behandlung heraus?

    Das ist denkbar. Bei der individualisierten Werbung im Internet soll das ja heute schon in Ansätzen so funktionieren. Neulich habe ich mich gefragt, wieso ich jetzt schon wieder eine Teppichwerbung auf den Bildschirm bekomme (lacht). Aber dass wir in 15 Jahren in der Medizin viele Instrumente haben werden, um Wissensbanken zu befragen – was ist in dieser und jener Situation zu tun, davon bin ich überzeugt.

    ? Steckt da am Ende eine Lösung für die von Ihnen angesprochene nötige Individualisierung?

    Denkbar, aber das wird noch einige Zeit dauern. Und, nebenbei, auch das, was die Maschine dann liefert, wird in der Regel nur eine Empfehlung sein, in den seltensten Fällen mit Richtlinienqualität.

    ? Was macht der Qualitätsexperte Selbmann, wenn er selber als Patient beim Arzt ist und den Eindruck gewinnt, dass der relevante Leitlinien überhaupt nicht gelesen hat. Werden Sie dann auch mal laut: Herr Doktor, Sie kennen ja noch nicht mal die Leitlinie?

    Nein, das würde ich so nicht sagen. Vielleicht einen Hinweis geben, dass es da gewisse gute Informationsquellen gibt, die er sich mal angucken könnte.

    ? Immer so höflich?

    Ja klar. Wenn Sie jemanden dazu bringen möchten, seine Fehler zu erkennen und einen Ehrgeiz zu entwickeln, dass er selber besser werden kann, dann darf man nicht schimpfen. Auf den Tisch zu hauen, passt nicht dazu. Wobei ich das schon manchmal auch kann, wenn eine Sitzung aus dem Ruder läuft: Leute, jetzt benehmt euch mal!

    Das Interview führte B. Epping

    Die AWMF

    1962 auf Anregung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie gegründet ist die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften heute Dachverband von derzeit 163 Fachgesellschaften und aus dem wissenschaftlichen Medizinbetrieb nicht mehr wegzudenken.

    Eine jährlich zweimal tagende Delegiertenkonferenz wählt das Präsidium und legt Spielregeln fest. Finanziert wird die AWMF fast ausschließlich von Geldern der Mitgliedsgesellschaften, Spenden werden nur als nicht-zweckgebundene Mittel akzeptiert.

    Tätig werde man auf "direkten Auftrag" der Mitglieder hin, formulierte 1975 die Delegiertenkonferenz das Selbstverständnis, um listig hinzuzufügen: Greife man doch mal "einschlägige Probleme in eigener Initiative" auf, dann suche die AWMF die "Übereinstimmung mit den Mitgliedsgesellschaften". Eine Öffnungsklausel, die längst den Alltag bestimmt.

    Die AWMF legt Stellungnahmen zu politischen Fragen auf, entsendet Sprecher und Gutachter in zahlreiche Gremien, bis hin zu Forschungs- und Gesundheitsministerium und sie ist Gründungsmitglied des Guidelines-International-Networks (G-I-N). Sei es Forschungsförderung, Reformvorschläge für die Aus- und Weiterbildung, neue Zertifizierungskriterien für Kliniken und Arztpraxen: Immer versucht die AWMF, die fachübergreifenden Querschnittaspekte bei diesen Themen wirksam gegenüber Öffentlichkeit und Politik zu vertreten.

    Vor allem aber ist sie zentrale Drehscheibe für jeden, der hierzulande qualitätsgeprüfte Medizinische Leitlinien auflegen möchte. Entstanden ist dafür ein komplexes Regelwerk. Fertige Leitlinien werden vor Veröffentlichung im Jedermann zugänglichen AWMF-Register begutachtet. Vorliegen müssen Lang- und Kurzfassung sowie eine Version extra für Patienten. Zwingend nötig ist ein Leitlinienreport, der nachvollziehbar beschreibt, wie die Leitlinie entstanden ist. Außerdem trägt heute jede neu aufgelegte Leitlinie ein konkretes Verfallsdatum, zu dem sie durch eine aktualisierte Fassung ersetzt werden muss.

    Die AWMF unterscheidet mehrere Qualitätsstufen: S1 ist der Stempel für Empfehlungen von Expertenrunden im "informellen Konsens", ohne Systematische Sichtung der Evidenz. Die Stufen S2k (k für formale Konsensusfindung) und S2e (e für formale "Evidenz"-Recherche) haben eine strenger formalisierte Entscheidungsfindung oder bereits eine wissenschaftliche Recherche der Evidenz. S3 ist das Gütesiegel nach einem hoch formalisierten und strukturierten Entscheidungsprozess im Leitliniengremium anhand einer qualitativ hochwertigen Literaturanalyse. Derzeit sind 650 Leitlinien im AWMF-Register, davon (Stand November 2012) 113 mit S3-Level – Tendenz bei letzteren seit einigen Jahren steigend (‣ Abb. [ 1 ]).

    Eine Ständige Kommission Leitlinien steuert und koordiniert die Arbeiten. Sie besteht aus derzeit 19 MitgliederInnen, den Vorsitz hatte bis Mai 2012 der Mathematiker Hans-Konrad Selbmann, seither der Gynäkologe Rolf Kreienberg.

    Eine enge Zusammenarbeit besteht mit der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe im Leitlinienprogramm Onkologie, sowie mit der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), einer Tochter von BÄK und KBV bei den Nationalen Versorgungsleitlinien.

    Die Geschäftsstelle der AWMF ist in Düsseldorf, ein weiteres Büro in Berlin.
    www.awmf.org
    www.awmf.org/leitlinien.html

    Cochrane:
    www.cochrane.de


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    Über 450 Artikel und Bücher zu Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement, Statistik und Epidemiologie und nicht nur das – der Mathematiker und Humanbiologe (Prof. Dr. rer. biol. hum., Dipl-Math.) Hans-Konrad Selbmann ist einer der gefragten Köpfe hierzulande, wenn es um das Thema Qualität in der Medizin geht. Der gebürtige Stuttgarter (Jahrgang 1941) studierte ab 1960 in Stuttgart Mathematik, sammelte nach dem Diplom 1967 drei Jahre Industrieerfahrung bei DuPont in Frankfurt und wechselte 1970 als Wissenschaftler an die Universität Ulm, wo er 1976 in Medizinischer Statistik und Datenverarbeitung habilitierte. Weitere Stationen waren die LMU München und ab 1984 die Universität Tübingen, wo Selbmann bis 2007 das Institut für Medizinische Informationsverarbeitung leitete. Selbmann war von 1988 bis 1991 Mitglied des Sachverständigenrates der Konzertierten Aktion für das Gesundheitswesen und von 2004 bis Mai 2012 Leiter der Ständigen Kommission Leitlinien der AWMF, der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften. Dem Präsidium der AWMF bleibt er als Schatzmeister erhalten. Ebenso wie er weiterhin seiner Hauptleidenschaft frönt: Dem Dasein als Berater von Politik, Fachwelt und, last but not least, der Öffentlichkeit. Jetzt vor allem von seinem Heimatort Rangendingen in der schwäbischen Provinz aus – per Telefon und Internet. (© Privat)
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    Abb. 1 Leitlinien im AWMF-Register 2002–2012 (Quelle: AWMF).
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