Lew C et al.
Flexor Hallucis Longus Tendon Transfer in Treatment of Achilles Tendinosis.
J Bone Joint Surg Am 02.01.2013;
95: 54-60
Eine Option der operativen Therapie der Achilessehnentendinopathie ist das offene Debridement. Die hier vorliegende Studie untersucht den Effekt eines additiven Flexor-hallucis-longus-Transfer mit Fokus auf übergewichtige Patienten im mittleren und höheren Alter.
Lew C et al. Flexor Hallucis Longus Tendon Transfer in Treatment of Achilles Tendinosis J Bone Joint Surg Am, 2013 Jan 02;95:54-60
Studiendesign
Es handelt sich um eine prospektive Studie mit einem Stichprobenumfang von 48 operierten Achillessehnen bei 46 Patienten mit der Diagnose einer Achillessehnentendinopathie. Konservative Therapiemaßnahmen wurden ausgeschöpft, die Diagnose mittels konventionellem Röntgen und MRT gesichert. Das Alter der Patienten betrug durchschnittlich 54 ± 10 Jahre bei einem durchschnittlichen Body Mass Index (BMI) von 33.8 ± 6.8 kg/m2.
Die Nachuntersuchungszeit betrug 24 Monate. Die Operation wurde über einen posterioren Zugang zur Achillessehne durchgeführt. Die Flexor hallucis longus-Sehne wurde entweder über den dorsalen Zugang oder über einen medialen Zugang auf Höhe des Metatarsale I geborgen. Die Achillessehne wurde debridiert und degenerative Anteile exzidiert. Im Fall von calcanearen Exostosen wurden diese reseziert. Die Flexor hallucis longus-Sehne wurde über einen Bohrkanal transossär im Calcaneus verankert. In 14 Fällen wurde eine zusätzliche Achillessehnenverlängerung durchgeführt.
Feinstruktur der Achillessehne. Elektronenmikroskopische Aufnahme (Quelle: M. H. Amlang et al. Tendinose und Ruptur der Achillessehne. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date. Thieme 2011; 259–281).
ER = Endoplasmatisches
Ergebnisse
In Bezug auf das allgemeine Schmerzniveau gemessen auf der Visuellen Analog Skala ergab sich eine Verbesserung von 6,7 ± 2,3 auf 0,8 ± 2,0 (p < 0,001). Der SF-36 Score verbesserte sich von 34,3 ± 8,0 auf 49,0 ± 9,3 (p < 0,001), der Abschnitt des Sprunggelenkarthrose-Score für Schmerzen im Sprunggelenk von 54,4 ± 19,2 auf 1,9 ± 2,7 (p < 0,001) und für Funktionsstörung von 62,6 ± 21,4 auf 11,0 ± 24,2 (p < 0,001) Punkte. Im Einbein-Zehenspitzenstand verbesserte sich die erreichbare Fersenhöhe von 1,9 ± 3,0 auf 7,3 ± 2,7 cm (p < 0,001). Ein Großteil des Effektes konnte innerhalb der ersten 12 Monate nach der Operation beobachtet werden. Bis 24 Monate nach der Operation wurde eine weitere Verbesserung, aber in geringerem Umfang, festgestellt. Der Umfang des M. gastrocnemius war im Vergleich zur nichtoperierten Seite nach 24 Monaten weiterhin verringert (40,2 ± 5,1 vs. 41,2 ± 4,8 cm; p < 0,001). Der Bewegungsumfang des operierten oberen Sprunggelenks war im Vergleich zur Gegenseite zwar um 20% vermindert, der Unterschied war aber nicht signifikant. 57 % der Patienten gaben keine Schwäche bei Bewegung der Großzehe und kein Instabilitätsgefühl an. Als Komplikationen traten bei 7 Patienten eine symptomatisch Peronealsehnentendinitis auf, welche durch konservative Maßnahmen behoben werden konnte. Zwei Patienten erlitten eine tiefe Beinvenenthrombose und bei sechs Patienten trat eine verzögerte Wundheilung oder Wundinfektion auf. In einem Fall war nach einem Sturz mit konsekutiver Sehnenruptur eine Revision erforderlich. Alle Patienten würden die Operation weiterempfehlen.
Kommentar
Strukturelle Defizite der Studie sind die fehlende Kontrollgruppe und die fehlende Verblindung und Randomisierung. Eine spezifische Messung zur Beurteilung des Gastrocnemiuskomplexes wäre wünschenswert. Hier wäre die Messung der Kraft der Plantarflexion gegen Widerstand möglich. Die Evaluation des Zehenspitzenstandes beinhaltet Fehlerquellen wie eine eingeschränkte Beweglichkeit im Sprunggelenk. Positiv ist hingegen der prospektive Charakter. Die Nachuntersuchungszeit von 2 Jahren ist ausreichend.
Die Studie belegt einen positiven Effekt der genannten Prozedur in Bezug auf funktionale Parameter wie Zehenhebung und Schmerzniveau wie auch auf allgemeinere Scores. Der Entnahmedefekt ist in der Mehrzahl nicht symptomatisch. Jedoch ist die Komplikationsrate von knapp 40 % doch relativ hoch. In Bezug auf die Studienzielgruppe der älteren und übergewichtigen Patienten scheint die Methode erfolgversprechend zu sein. Die positiven Ergebnisse der Studie sollten allerdings nicht auf die Allgemeinheit übertragen werden. Jüngere, insbesondere sportlich aktive Patienten, sollten einem solch invasiven Eingriff nicht primär unterzogen werden. Die Entnahmemorbidität könnte hier durch die höhere Aktivität bedingt eher zu symptomatischen Beeinträchtigungen führen.