Jämsen E et al.
Comorbid diseases as predictors of survival of primary total hip and knee replacements: a nationwide register-based study of 96 754 operations on patients with primary osteoarthritis.
Ann Rheum Dis. 19.12.2012; [Epub ahead of print]
Auch wenn der Zusammenhang zwischen Prothesenstandzeit und dem generellen Vorliegen von Komorbiditäten, gemessen an globalen Indizes wie beispielsweise dem ASA-Score, in mehreren Studien bestätigt wurde, existieren bislang keine Daten zum Einfluss einzelner Komorbiditäten. Die vorliegende Studie analysiert anhand der Daten finnischer nationaler Gesundheitsregister den Einfluss häufiger Begleiterkrankungen auf die Prothesenstandzeit.
Jämsen E et al. Comorbid diseases as predictors of survival of primary total hip and knee replacements: a nationwide register-based study of 96 754 operations on patients with primary osteoarthritis. Ann Rheum Dis. 2012 Dec 19. [Epub ahead of print]
Einleitung
Der Stellenwert der totalen Hüft- und Knieendoprothetik als sichere und kosteneffektive Therapie der Arthrose ist unumstritten. Trotz der verhältnismäßig geringen relativen Revisionsraten von < 10 % innerhalb von 10 Jahren, gewinnen Revisionsoperationen aufgrund steigender absoluter Zahlen jedoch an klinischer Relevanz und ökonomischer Bedeutung. Der Einfluss etlicher Paramater auf die Prothesenstandzeit wurde in der Vergangenheit bereits hinreichend untersucht (biometrische Daten, Antibiotikumprophylaxe, Prothesentyp, Verankerungsprinzip, etc.), während über den Einfluss spezifischer Komorbiditäten noch weitgehend Uneinigkeit herrscht.
Studiendesign
Eingeschlossen wurden sämtliche im finnischen Endoprothesen- und Hospital-Discharge-Register erfassten und aufgrund einer Arthrose durchgeführten primären Hüft- und Knieprothesenimplantationen zwischen 1998 und 2008, resultierend in einer Fallzahl von 43.747 Hüft- und 53.007 Knieendoprothesenpatienten. Das Vorliegen folgender Komorbiditäten wurde anhand nationaler Gesundheitsregister erfasst:
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KHK,
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Vorhofflimmern,
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Herzinsuffizienz,
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Bluthochdruck ohne kardiovaskuläre Begleiterkrankung,
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Diabetes,
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Neoplasien,
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Lungenerkrankungen,
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Depression,
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psychotische Störungen
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und neurodegenerative Erkrankungen wie M. Alzheimer, M. Parkinson und Demenz.
Als primäre Endpunktvariable wurde eine Revisionsoperation mit jeglicher Art von Komponentenwechsel definiert. Der Nachuntersuchungszeitraum endete am 31.12.2009.
Ergebnisse
Der durchschnittliche Nachuntersuchungszeitraum betrug 4,9 bzw. 4,4 Jahre für Hüft- bzw. Knieendoprothesen. Die Überlebensraten der Prothesen betrugen nach 1, 5 und 10 Jahren für die Hüftendoprothesen 98,8 %, 95,7 % und 91,9 % und für die Knieendoprothesen 98,8 %, 96,3 % und 94,5 %. Die Revisionsraten bei Vorliegen einer oder mehrerer Begleiterkrankungen lagen geringgradig, aber statistisch signifikant über denen bei gesunden Patienten (HR 1,16 bzw. 1,23 bei Hüft- bzw. Knieendoprothesen in der Cox-Regressions-Analyse). Folgende kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhten geringgradig die Revisionswahrscheinlichkeit: Herzinsuffizienz bei Hüftprothetik; KHK, Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz bei Knieprothetik. Isolierter Bluthochdruck und Diabetes erhöhten die Revisionsraten jeweils lediglich bei Knieprothesen und nur innerhalb der ersten 5 Jahre. Das Vorliegen einer Neoplasie erhöhte die Revisionsraten generell in der Hüftendoprothetik und langfristig bei den Knieprothesen. Der Einfluss von Lungenerkrankungen erreichte ebenso wenig statistische Signifikanz wie der von neurodegenerativen Erkrankungen. Der deutlichste Effekt mit Revisionsraten über 10 % nach 10 Jahren zeigte sich bei Patienten mit Depression oder psychotischen Störungen. Depression führte zu erheblich vermehrten Revisionsraten, jedoch nur bei Hüftendoprothetik und innerhalb der ersten 5 Jahre. Psychotische Erkrankungen erhöhten das Risiko einer Revision generell um über 40 %.
Kommentar
Die Analyse von Registerdaten ist mit Vor- und Nachteilen verbunden, wie sich auch anhand dieser Studie ableiten lässt. Einerseits liegt eine aktuelle und umfassende Datenerhebung mit fast vollständigem Follow-up vor, die bei großen Fallzahlen auch kleinere Effekte detektieren kann. Auf der anderen Seite sind die Präzision und Validität der Daten nicht wissenschaftlich untersucht. Relevante Daten werden teilweise nicht erfasst: exemplarisch seien hier das körperliche Aktivitätsniveau und vor allem die Adipositas mit all ihren Einflüssen und Wechselwirkungen mit anderen Begleiterkrankungen erwähnt. Zu hinterfragen ist auch die klinische Relevanz der gezeigten kleineren Effekte, die teilweise nur eine Erhöhung der Revisionsraten um 1 % nach 10 Jahren bedeuten. Die gezeigten Einflüsse sollten daher zunächst vor allem Anlass zur weiteren Erforschung der ursächlichen Zusammenhänge geben. Neben den bekannten erhöhten frühen Infektionsraten bei Diabetes, die sich auch in den Daten dieser Studie widerspiegeln, zeigt die Studie jedoch vor allem einen klinisch relevanten Effekt von psychischen Begleiterkrankungen, die bei der Patientenauswahl, -beratung und –aufklärung Berücksichtigung finden sollten.