Dtsch Med Wochenschr 2013; 138(17): 869
DOI: 10.1055/s-0033-1338014
Aktuelles – kurz berichtet
Notfallmedizin – Psychologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reanimation: Soll die Familie dabei sein?

P. Pommer
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Publication Date:
16 April 2013 (online)

 

    Die Vor- und Nachteile des Beiseins von Familienmitgliedern während einer Reanimation von Angehörigen werden seit längerem erörtert. Die Gelegenheit eines letzten Verabschiedens steht dabei beispielsweise einer Behinderung medizinischer Maßnahmen gegenüber. Jabre et al. sind dieser Thematik nun in einer randomisierten Studie nachgegangen.
    N Engl J Med 2013; 368: 1008–1018


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    Von 15 französischen Notarztteams bildeten 8 die Interventionsgruppe, 7 die Kontrollgruppe. Von der Interventionsgruppe wurden Familienangehörige (n=266) eingeladen, der Reanimation beizuwohnen und danach strukturiert betreut. Die Teams der Kontrollgruppe ließen eine Anwesenheit nur auf ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen (n=304) zu. Primärer Endpunkt waren Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) bei den Angehörigen am Tag 90, gemessen an der „Impact of Event“-Skala (IES). Sekundäre Endpunkte umfassten Ängstlichkeit und Depressivität gemessen an der „Hospital Anxiety and Depression“-Skala (HADS), Effekt der Familienpräsenz auf die medizinische Leistung, Befindlichkeit des Reanimationsteams und juristische Konsequenzen.

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    Die Anwesenheit naher Angehöriger bei Reanimationen wirkte sich günstig auf das Auftreten von PTSD-Symptomen, Ängstlichkeit und Depressivität aus, so das Ergebnis der Studie (Quelle: PhotoDisc).

    79% der Angehörigen in der Interventionsgruppe und 43% der Angehörigen in der Kontrollgruppe waren bei der Reanimation dabei. PTSD-Symptome traten in der Kontrollgruppe signifikant häufiger auf als in der Interventionsgruppe (angepasste Odds Ratio [OR] 1,7; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,2–2,5; p=0,004). Des Weiteren kamen PTSD-Symptome häufiger bei Angehörigen vor, die der Reanimation nicht beigewohnt hatten (OR 1,6; 95%-KI 1,1–2,5; p=0,02). Zeugen der Reanimation zeigten auch weniger Symptome von Ängstlichkeit und Depressivität. Der medizinische Ablauf und der Erfolg der Reanimation blieben vom Beisein der Angehörigen unbeeinflusst, ebenso das Stressniveau des Reanimationsteams. Juristische Konsequenzen ergaben sich nicht.

    Fazit

    Eine Anwesenheit naher Angehöriger bei Reanimationen wirkte sich günstig auf das Auftreten von PTSD-Symptomen, Ängstlichkeit und Depressivität aus. Die Effektivität des Ablaufes wurde dabei nicht beeinträchtigt. Auch löste die Anwesenheit keinen vermehrten Stress beim Reanimationsteam aus, so die Autoren.


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    Sponsoring: Die Studie wurde von einer öffentlichen Institution finanziell unterstützt.


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    Die Anwesenheit naher Angehöriger bei Reanimationen wirkte sich günstig auf das Auftreten von PTSD-Symptomen, Ängstlichkeit und Depressivität aus, so das Ergebnis der Studie (Quelle: PhotoDisc).