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DOI: 10.1055/s-0033-1342991
Briefe an die Redaktion
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
22 March 2013 (online)
- Baucheinziehen? -Sowohl als auch!
- Wir müssen dringend etwas tun!
- Wie lange lassen wir uns noch schikanieren?
- Massageöl verhagelt Fernsehabend
Zum Artikel „Segmentale Stabilisationxs“ , physiopraxis 1/13
Baucheinziehen? -Sowohl als auch!
Der Artikel von Prof. Dr. Hannu Luomajoki [1] hinterließ Verwirrung und manchen Zweifel bezüglich des Stellenwertes des spezifischen Trainings des M. transversus abdominis bei Kreuzschmerzen. Die Argumente gegen die pauschale Anwendung von Baucheinziehen als Allheilmittel bei chronischen Kreuzschmerzen sind sicherlich gerechtfertigt. Aber was nun? Der Autor impliziert, dass wir ein circa 20 Jahre extensiv erforschtes Werkzeug der Physiotherapie einfach wegschmeißen. Dafür sollen Therapeuten sich lieber auf die wissenschaftliche Jagd nach der optimalen Subgruppenaufteilung und die dazugehörige optimale Behandlungsstrategie begeben. Überdies schlägt er eine alternative Therapieform vor, die weder in einer randomisierten Studie noch in einem systematischen Review untersucht wurde. Die Argumente dafür sind teilweise ungenau. Und warum überhaupt dieses „Entweder-oder-Paradigma“? Warum nicht „sowohl als auch“?
Es gehört sicherlich mehr zum tiefen lokalen Stabilisationstraining des lumbopelvischen Bereichs als ausschließlich das Baucheinziehen! Sogar die Ansteuerung des Beckenbodens, wie Luomajoki selbst vorschlägt, gehört dazu. Kaum oder unklare Evidenz ist immer noch besser als gar keine. Man darf auch nicht „kaum“ mit „nachteilig“ verwechseln. Systematische Reviews sind auch Leitfäden, nicht Grundsätze. Systematische Reviews sind auch nur möglich, wenn überhaupt genügend Wirksamkeitsstudien publiziert sind. Bei vielen anderen Physiotherapiemethoden gibt es kaum Forschung und keine systematischen Reviews. Bezüglich des M. transversus abdominis gab es seriöse Forschung übrigens auch schon vor 2005.
Der Autor schlägt Bewegungskontrolle alternativ zum Baucheinziehen vor. Beides -Baucheinziehen und axiale Bewegungskontrolle - haben Potenzial, die Wirbelsäule zu stabilisieren, wenn auch auf verschiedenen Ebenen (Literaturangabe [2]). Beide bieten eine aktive Strategie, Schmerzen und funktionelle Beeinträchtigung zu lindern. Selbstwirksamkeit ist kein Argument gegen das Baucheinziehen, sondern eine sehr erwünschte Nebenwirkung. In diesem Sinn sind Bewegungskontrolle und Baucheinziehen keine Alternativen, sondern ergänzende Therapiestrategien für die gesamte Rumpfstabilität.
Chronische Schmerzen sind ein komplexes biopsychosoziales Geschehen. Die Behandlung auf eine einzelne Übungsstrategie zu reduzieren, geht weit an der Praxis vorbei. Unterteilung in spezifische Subgruppen sind durchaus wissenschaftliche Versuche, dieser Komplexität zu begegnen. Leider hat sich die Suche nach Subgruppen als problematisch entpuppt. Basierend auf ihrer extensiven Forschung rechnete Gwenn Juli mit über 1.000 Subgruppen für Patienten mit chronischen Nackenschmerzen [3]. Daraufhin hat sie ein Plädoyer für das gute alte Clinical Reasoning gehalten.
Komplexe Probleme bedürfen einer komplexen Behandlung. Eine multimodale Behandlung basierend auf Clinical Reasoning und bestmögliche Evidenz, angepasst an das Individuum, sind hier gefragt [2]. Clinical Reasoning ist auch die Bereitschaft, einen neuen bzw. ergänzenden Behandlungsweg einzuschlagen, wenn die Lieblingsmethode das Behandlungsziel verfehlt. Diese Herangehensweise ist durchaus systematisch, bietet aber keine Schwarz-weiß-Lösung für Kreuzschmerzen. Also Schluss mit der Entwederoder-Mentalität. Schluss mit dem Konzeptkrieg. Schluss mit dem gegenseitigen Kaputtforschen. Und her mit dem „sowohl als auch“! In der Werkzeugkiste der Physiotherapie ist Platz für uns alle.
Christine Hamilton,
Physiotherapeutin und ehem. Mitglied des Forschungsteams an der Universität Queensland
Anmerkung des Autors
Liebe Frau Hamilton,
vielen Dankfür Ihre Reaktion auf meinen Artikel. Zugegeben, er war kein systematisches Review und beinhaltet auch nicht alle Studien zum Thema. Und in der Tat, im Gegensatz zu vielen anderen Physiotherapiemessungen oder Maßnahmen gibt es viele Untersuchungen zur spezifischen Stabilisation und zu Übungen für den M. transversus abdominis. Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung zeigen Studien jedoch, dassdie Messung zurspezifischen Stabilisation nicht zuverlässiger und Übungen für den M. transversus abdominis effektiver sind als andere physiotherapeutische Methoden. Dies bezieht sich auf Rückenschmerzen im Allgemeinen. Die Maßnahmen sind also nicht für alle Patienten gleich gut geeignet. Aber, da die Welt nicht schwarz-weiß ist, denke ich doch, dass Übungen für den M. transversus abdominis bei gewissen Patienten durchaus sinnvoll sind, zum Beispiel bei hypermobilen Patienten mit schlechtem Körpergefühl. Doch das ist bislang nur eine Hypothese und noch nicht erforscht.
Prof. Dr. Hannu Luomajoki
Zum Leserbrief „Bereit für Demo“ , physiopraxis 1/13
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Wir müssen dringend etwas tun!
Sehr geehrte Redaktion,
der Leserbrief von Herrn Baiserhat mirausder Seele gesprochen! In Zeiten von drohender Altersarmut bekommt man als Physiotherapeut richtige Bauchschmerzen. Und das trotz Vollzeitarbeit, bester Qualifikationen und jeder Menge Engagement. Gegen diese Missstände müssen wir dringend etwas tun. Bei einer Demo bin ich auf jeden Fall dabei!
Mit freundlichen Grüßen Lisa Steigner aus Herxheim am Berg
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Wie lange lassen wir uns noch schikanieren?
Hallo, liebes physiopraxis-Team,
der Leserbrief von Kollege Baiser trifft den Nagel auf den Kopf. Wir sitzen alle im gleichen Boot, oder warum leidet Ihr alle still vor Euch hin an Eurem Helfer-Syndrom und habt nicht den Mut, mal die „Klappe“ aufzumachen. Die letzte Demo war vor circa 16 oder 17 Jahren in Bonn. Seitdem geben wir uns mit einem Hungerlohn zufrieden, sollen Fortbildungspunkte erarbeiten ohne jegliche Honorierung. Sie kosten Geld und unsere Freizeit. Haben wir dadurch mehr in der Tasche? Nein.
Folgendes Gesetz hängt seit 2010 in meiner Praxis, das die Patienten auch schriftlich von mir als Info mitbekommen: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen“ (Sozialgesetzbuch 5, § 12 Absatz 1). Die Krankenkasse gibt für ihre physiotherapeutische Behandlung (inkl. aller administrativen Aufgaben) eine Behandlungszeit von 15-20 Minuten vor. Eine Ausweitung dieser Behandlungszeit ist auf Kosten Ihrer Krankenkasse nicht möglich!
Doch die Patienten interessiert das nicht wirklich. Wo bleibt deren Eigenverantwortung sich selbst und ihrem Körper gegenüber?
Ich habe in der Schule gelernt, „ausreichend“ ist kurz vor mangelhaft. Unsere Tätigkeit als Physiotherapeuten bundesweit bezeichne ich als gut oder auch sehr gut. Aber unsere Honorierung ist absolut ungenügend. Für welche Kosten hat ein selbstständiger Physiotherapeut aufzukommen? Rente, Versicherungen, Verbände, Krankenversicherung, Pflegeversicherung etc. - der helle Wahnsinn. Und dann gibt es tatsächlich noch Praxen, die ihren Patienten eine Behandlungszeit von 30 Minuten geben, für nur circa 14,70 € (Durchschnitt). Was istdasfürein Stundenlohn, liebe Physiotherapeuten? Als Selbstständiger? Bekommt man in der Kfz-Werkstatt auch ein solches Sonderangebot?
Liebe Physios, gebt Euch einen Ruck und zeigt mal Rückgrat zu Eurem so wertvoll und teuer bezahlten Beruf. Mit Weiterbildungen bis dort hinaus. Alle bieten wir Ähnliches: Physiotherapie, Fango, Massagen, Kinesiologie, Kinesiotaping, Akupunkt-Massage, Maitland, Bobath, Manuelle Therapie, Osteopathie, PNF, Cranio, Kiefergelenkstherapie, FBL, KG-Gerät, Atlas-Therapie, Lymphdrainage, Fußreflexzonentherapie, Nervenmobilisation, Triggerpunkttherapie, Knorpeltherapie, Nordic Walking, Mikrostromtherapie, Golf-Physio-Trainer, Energetische Behandlungen, Bachelor - ich könnte die Aufzählung noch bis zum Ende dieser Seite weiter ergänzen. Unglaublich, was so mancher schon investiert hat. Hat sich schon mal einer gefragt, warum das Angebot immer mehr wird? Sind wir eine Supermarkt-Kette geworden? Wer hat das meiste zu bieten? Wer hat den besten Preis? Der Preis ist das Ausschlaggebende, nicht die Leistung! Im Wellnessbereich zahlen die Leute locker für eine Massage 20 Euro, meist von im Wochenendseminar angelernten Menschen. Doch beim Physiotherapeuten - einem Fachmann - darf die Massage nicht so viel kosten? Aufwachen. Wir haben ein Wissen, das wir endlich auch mal bezahlt bekommen müssen. Denn auch wir bezahlen für unser Wissen. Was sollen wir noch alles anbieten ohne entsprechende Bezahlung?
Nur gemeinsam schaffen wir es. Liebe Verbände VPT, ZVK und alle anderen, tut bitte endlich etwas für uns. Ihr habt die zahlenden Mitglieder nebst Adressen. Es ist schon lange überfällig. Ich wünsche mir Resonanz von allen Physiotherapeuten.
Claudia Holstein,
Physiotherapeutin aus Verden Dauelsen
Zu „Wetten, dass...?“ am 19. Januar 2013
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Massageöl verhagelt Fernsehabend
Liebe physiopraxis,
vor kurzem wurde zahlreichen Physiotherapeuten, die sich für Autonomie und Professionalisierung ihres Berufsstandes einsetzen, der wohlverdiente Fernsehabend verhagelt. Sie mussten in der ZDF-Sendung „Wetten, dass...?“ mit Millionen anderen ansehen, wie ein Physiotherapeut Massageöle anhand ihrer Cleiteigenschaften unterschieden und benannt hat. Und das in Zeiten, in denen wir uns intensiv darum bemühen, das Image des ewigen Masseurs abzulegen.
Die Zunahme der Medienpräsenz von Physiotherapeuten in den letzten Jahren bezeichne ich durchaus als positiv - bis zu diesem unrühmlichen Auftritt bei „Wetten, dass...?“, mit dem der Kollege unserer Profession einen Bärendienst erwiesen hat.
Ohne Frage setzt die Fähigkeit, die Cleiteigenschaften von Massageöl zu differenzieren, großes taktiles Geschick voraus. Ich hätte es jedoch mehr als begrüßt, wenn der Kollege seine ausgeprägte Fähigkeit beispielsweise zum Aufspüren von Triggerpunkten eingesetzt hätte. Es wäre eine mehr als gute Chance gewesen, den Physiotherapeut als Experten für den Bewegungsapparat zu präsentieren, statt ihn vor Millionen Zuschauern wieder in die „Massagepraxis der 80er Jahre“ zu katapultieren. Leider wurde diese Chance vertan.
Alexander Winkler, Physiotherapeut aus Bonn
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