Glücklich dürfen wir uns schätzen, die Geburt zweier neuer wissenschaftlicher
Disziplinen mitzuerleben: die der Steckbeckologie und der Wischtuchologie. Ihre
Entstehung verdanken sie der Entdeckung bisher unerkannter Bedrohungen der
Menschheit. Es ist mit der baldigen Einrichtung hoch dotierter Lehrstühle an den
medizinischen Fakultäten Deutschlands zu rechnen.
Steckbecken und Wischtücher gibt es schon seit der Bronzezeit. Wie konnten uns ihre
Gefahren so lange verborgen bleiben? Wir erinnern uns:
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Seit Steckbecken vor etwa 10 Jahren als Medizinprodukte erkannt wurden,
entfaltete sich eine Diskussion auf höchst wissenschaftlichem Niveau, ob die
Thrönchen für bettlägerige Patienten als unkritisch, semikritisch oder
kritisch einzustufen sind. „Unkritisch“ wurde sogleich verworfen, da der
Patientenpo einen Pickel oder − schlimmer noch − ein Dekubitusulkus haben
kann. Seitdem dreht sich der steckbeckologische Diskurs um die Fragen, ob
der A0-Wert bei der Steckbeckenaufbereitung eher dem Pickel oder
dem Ulkus Rechnung zu tragen hat und ob nicht auch Kloschüsseln in die
Überlegungen mit einzubeziehen sind. Weitreichender steckbeckologischer
Konsens herrscht dagegen über die Notwendigkeit, nur solchen Personen die
Inbetriebnahme von Topfspülen (demnächst auch von Klobürsten) zu gestatten,
die zuvor einen 14-tägigen Sachkundekurs abgeleistet haben. Einmütigkeit
herrscht weiterhin über die Bedeutung von Firmen, die die
Steckbeckenaufbereitung initial und danach mindestens halbjährlich
validieren.
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Die Wischtuchologie hingegen ist erst vor etwa 3 Jahren als wissenschaftliche
Disziplin entstanden. Hoch anzurechnen ist ihr die Wiederentdeckung von
Erkenntnissen der 1980er Jahre, dass bestimmte Bakterien in wässrigen
Desinfektionsmittellösungen (besonders von quartären Ammoniumverbindungen)
überleben und sich darin teilweise sogar vermehren können. Seitdem ging ein
Ruck durch die deutsche Krankenhaushygiene und es erschien eine Fülle
wissenschaftlich höchstwertiger Stellungnahmen, die sich mit der Frage
beschäftigen, wie Eimer mit Deckeln und darin befindlichen
Einmal-Wischtuchrollen (sog. „Tuchspendersysteme“) beschaffen zu sein haben
und wie sie nach Verbrauch der Wischtuchrolle vor der Wiederbefüllung
aufzubereiten sind. Die besten wissenschaftlichen Argumente liegen derzeit
auf Seiten derjenigen Wischtuchologen, die die Eimeraufbereitung mit
validierten thermischen Verfahren in einem speziell dafür zu entwickelnden
Reinigungs- und Desinfektionsgerät für Wischtucheimer (RDG-W) und die
Eimerfreigabe durch einen zertifizierten Tuchspendersystem-Manager fordern.
Wie gesagt handelt es sich bei der Wischtuchologie aber um eine noch sehr
junge Wissenschaft und wir überlassen es künftigen wischtuchologischen
Dissertations- und Habilitationsarbeiten, uns den richtigen Weg aus unserer
gegenwärtigen Notlage zu weisen.
Der Gedankenfluss soll an dieser Stelle abgebrochen werden, denn einige unserer Leser
haben uns gebeten, in den Editorials klarer kenntlich zu machen, welche Aussagen
ernst und welche ironisch gemeint sind. Den verunsicherten unter unseren Lesern sei
daher mitgeteilt, dass alle bisherigen Ausführungen dieses Editorials pure Ironie
sind. Wie aber soll man sich der hier angesprochenen Thematik anders nähern als mit
Ironie und Satire?
Hat die deutsche Krankenhaushygiene nichts Besseres zu tun als sich mit Steckbecken
und Wischtüchern zu beschäftigen? Ist es gerechtfertigt, dass
Krankenhaushygiene-Personal und Gesundheitsämter mit Informationen über solche
Themen überschwemmt werden, für deren klinische Relevanz es kaum irgendwelche
konkreten Hinweise gibt? Weder mir noch anderen befragten Krankenhaushygienikern ist
jemals eine Infektion durch fehlerhaft aufbereitete Steckbecken oder verkeimte
Einmal-Wischtücher bekannt geworden, während nosokomiale Infektionen durch unnötig
liegende Devices und ungenügende Händedesinfektion zum klinischen Alltag
gehören.
Alle sind sich einig, dass Steckbecken nach Gebrauch desinfizierend gereinigt werden
müssen und dass eine Fläche nach der Wischdesinfektion nicht stärker verkeimt sein
darf als vorher. Insgesamt handelt es sich bei der Steckbecken- und
Wischtuch-Thematik aber um marginale Probleme, für die die Industrie praktikable
Lösungen anbietet und denen wir angesichts eines weiterhin deutlichen Anteils
vermeidbarer nosokomialer Infektionen, des um sich greifenden
Antibiotikamissbrauchs, der uns über den Kopf wachsenden Resistenzproblematik und
des dringenden Bedarfs an qualifizierten Mitarbeitern keinen hohen Stellenwert in
unserem beruflichen Alltag einräumen dürfen.
Die eingefleischten „Steckbeckologen“ und „Wischtuchologen“ mögen unterdessen mit
klinischen Fakten belegen, dass sie sich mit tatsächlichen Infektionsproblemen
befassen und nicht nur mit theoretisch denkbaren Hirngespinsten. Solange sie das
nicht tun, setzen sie sich dem Vorwurf aus, unsere Aufmerksamkeit von den wirklichen
Problemen abzulenken und dadurch letztlich unseren Patienten zu schaden [1].