Aktuelle Dermatologie 2013; 39(08/09): 324-327
DOI: 10.1055/s-0033-1344380
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Generalisierte pruriginöse Papeln – eine floride Syphilis

Generalized Pruritic Papules – Active Syphilis
T. Lodin
Dermatologische Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld
,
S. Pullmann
Dermatologische Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld
,
E. Hennes
Dermatologische Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld
,
M. Baltaci
Dermatologische Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld
,
C. Assaf
Dermatologische Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Tariq Lodin
Klinik für Dermatologie und Venerologie
HELIOS Klinikum Krefeld
Lutherplatz 40
47805 Krefeld

Publication History

Publication Date:
24 July 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Es stellte sich uns ein 63-jähriger Patient mit seit Wochen bestehenden juckenden Hautveränderungen vor.

Da er des Weiteren Dysphagien sowie Erosionen im Rachenbereich zu beklagen hatte, wurde hausärztlich eine antibiotische Therapie eingeleitet, die jedoch zu keiner Befundbesserung führte.

Wir entnahmen stationär einige Probebiopsien und konnten in den Präparaten zahlreiche Plasmazellen entdecken. Zur Sicherheit wurde die Labordiagnostik um die Lues- und Borrelienserologie erweitert. Hierbei ließ sich eine floride Syphilis nachweisen.


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Abstract

A 63 year old patient complained for weeks itchy skin. For he complained of dysphagia and further erosion in the throat area, antibiotic therapy was initiated by the family doctor. But the complaints did not improve.

The patient visited our clinic. Here we took some skin biopsies. In the histology we saw many plasma cells. So we continued the laboratory diagnostics. After this we could prove a syphilitic disease. The nodular lesions soon recovered with antisyphilitic treatment.


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Fallbericht

Anamnese und Hautbefund

Wir berichten über einen 63-jährigen Patienten, der über seit 6 Wochen anhaltenden, starken, generalisierten Juckreiz klagte. Einhergehend mit dem Pruritus seien erythematös-bräunliche Knoten aufgetreten, initial an den Unterschenkeln, später mit Ausbreitung auf das Integument. Seit einigen Tagen bestünden auch Dysphagie mit Schmerzen und Erosionen im Rachenbereich. Hier sei hausärztlich eine Therapie mit Cefuroxim eingeleitet worden, jedoch sine effectu. Weitere Grunderkrankungen waren nicht bekannt.

Im Rahmen der körperlichen Inspektion sahen wir multiple, disseminierte, bis 1,5 cm durchmessende erythematös-bräunliche Nodi ([Abb. 1] u. [Abb. 2]).

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Abb. 1 Lokalbefund: Multiple, disseminierte, überwiegend isolierte, scharf begrenzte, erhabene, kalottenartige, derbe, bräunliche, bis 1,5 cm durchmessende, stark juckende Knoten.
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Abb. 2 Lokalbefund: Multiple, disseminierte, überwiegend isolierte, scharf begrenzte, erhabene, kalottenartige, derbe, bräunliche, bis 1,5 cm durchmessende, stark juckende Knoten.

Differenzialdiagnostisch kamen Prurigo nodularis, lymphomatoide Papulose, nummuläres Ekzem, Pityriasis lichenoides oder ein postskabiöses Ekzem in Betracht.


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Histologie

Epidermis vorgewölbt. Akanthotisch mit aufgelagerter Serumkruste und Leukozyteneinschlüssen. Keine komplette Ulzeration des Epithels. Oberflächlich und tief perivasal und interstitiell sowie perifollikulär sieht man plasmazytoide, fleckförmige Infiltrate, die sich lobulär bis in die angrenzende Subkutis fortsetzen. Immunhistochemisch entsprechen die plasmazytoiden Zellen reifen Plasmazellen mit Expression von CD 79a, CD 138. Deutlich geringere Reaktivität gegen CD 20. Dazu im Infiltrat ca. 20 % CD 3-positive, kleine, runde T-Zellen. Keine Reaktivität gegen CD 30. Etwa 80 % der Plasmazellen exprimieren Kappa-Ketten, deutlich weniger Lambda-Ketten. In der PAS-Reaktion und Giemsa-Färbung keine Zusatzbefunde ([Abb. 3 – 7]).

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Abb. 3 HE-Färbung.
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Abb. 4 HE-Färbung.
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Abb. 5 CD 79a.
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Abb. 6 CD 20.
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Abb. 7 Immunhistochemie Treponema pallidum.

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Diagnostik und Therapie

Es erfolgten zunächst Hautbiopsien. In der Histologie zeigten sich oberflächlich und tief perivasal sowie perifollikulär plasmazytoide, fleckförmige Infiltrate, die sich lobulär bis in die angrenzende Subkutis fortsetzten. Immunhistochemisch entsprachen die plasmazytoiden Zellen reifen Plasmazellen mit Expression von CD 79a, CD 138 [1]. Wir führten aufgrund der zahlreichen Plasmazellen weiterführende Labordiagnostik durch und konnten infektionsserologisch eine floride Syphilis nachweisen [2]. Zwischenzeitlich konnte nach immunhistochemischer Färbung auch die Spirochaete Treponema pallidum nachgewiesen werden. Es imponierte ein positiver TPPA-Titer von 1 : 40 960 sowie eine positive Cardiolipin-Reaktion von 1 : 128. Die bilddiagnostische Untersuchung erschien unauffällig, ein Anhalt auf Neurolues ergab sich nicht.

Da der Infektionszeitpunkt nicht eindeutig festgestellt werden konnte, leiteten wir gemäß Leitlinien der WHO eine Therapie mit 2,4 Mega Benzathin-Benzylpenicillin i. m. ein, dreimalig an den Tagen 1, 8 und 14 unter Herxheimer-Prophylaxe 30 mg Steroid i. v. [3].

Darunter zeigten sich ein rasches Abheilen der Effloreszenzen und eine deutliche labordiagnostische Besserung nach 3 Monaten (Cardiolipin-Reaktion 1 : 32, TPPA 1 : 20 480).

Verlaufskontrolle

Vor der Therapie ([Abb. 8]).

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Abb. 8 Verlaufskontrolle vor der Therapie.

3 Monate nach der Therapie ([Abb. 9]).

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Abb. 9 Verlaufskontrolle 3 Monate nach der Therapie.

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Diskussion

Die Lues imponiert klinisch mit vielfältigen Erscheinungsformen. Man unterscheidet drei Erkrankungsstadien. Das Primärstadium macht sich zumeist durch den syphilitischen Primäraffekt bemerkbar (Ulcus durum, regionale Lymphadenitis). Das Sekundärstadium jedoch geht hinsichtlich der Haut- und Schleimhautveränderungen mit großem Formenreichtum einher. So sieht man in der frühen Phase des Sekundärstadiums (Frühlatenz) symmetrische und ungruppierte Erscheinungsformen, während in der späten Phase (Spätlatenz) eher unsymmetrische und gruppierte Hauteffloreszenzen dominieren. Dennoch haben diese Erscheinungsbilder die Gemeinsamkeit, dass sie nicht gleichzeitig mit Pruritus-Symptomatik auftreten [4].

Diese Charakteristik kommt gerade dann zum Tragen, wenn man Überlegungen zur Differenzialdiagnostik stellt. Dieser Fallbericht belehrt uns jedoch eines Besseren. Auch wir diskutierten zunächst Dermatosen, die mit Prurigo einhergehen. Erst nach Entnahme der Biopsie und nach histopathologischer Aufarbeitung entschieden wir, die Labordiagnostik um die Borrelien- und Luesserologie zu ergänzen.


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Fazit

Die Syphilis zeigt sich in ihrem Erscheinungsbild so mannigfaltig wie ein Chamäleon [5].

Daher ist es gerade bei therapieresistenten Dermatosen wichtig, breiter in die Diagnostik einzusteigen und die Dermatohistologie zu Rate zu ziehen [6].

Oftmals kann diese, wie in unserem Fallbeispiel aufgrund des Pasmazellreichtums beschrieben, entscheidend zur Diagnosesicherung beitragen.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Breznik V, Potočnik M, Miljković J. Papulonodular secondary syphilis in a 52-year-old non-HIV heterosexual patient. Acta Dermatovenerol Alp 2010; 19: 27-30
  • 2 Durani HK, Römer A, Kutzner H et al. Wie lautet Ihre Diagnose: Juckende bräunliche Papeln. Hautarzt 2008; 59: 213-216
  • 3 Schöfer H. Syphilis treatment. German and international guidelines -- a comparison. Hautarzt 2005; 56: 141-50
  • 4 Cole GW, Amon R, Russell P. Secondary syphilis presenting as a pruritic dermatosis. Arch Dermatol 1977; 113: 489-490
  • 5 Bari A, Raza N. Secondary syphilis clinically mimicking pseudolymphoma of the face. Dermatol Online J 2006; 12: 20
  • 6 Moon HS, Park K, Lee JH et al. A nodular syphilid presenting as a pseudolymphoma: mimicking a cutaneous marginal zone B-cell lymphoma. Am J Dermatopathol 2009; 31: 846-848

Korrespondenzadresse

Tariq Lodin
Klinik für Dermatologie und Venerologie
HELIOS Klinikum Krefeld
Lutherplatz 40
47805 Krefeld

  • Literatur

  • 1 Breznik V, Potočnik M, Miljković J. Papulonodular secondary syphilis in a 52-year-old non-HIV heterosexual patient. Acta Dermatovenerol Alp 2010; 19: 27-30
  • 2 Durani HK, Römer A, Kutzner H et al. Wie lautet Ihre Diagnose: Juckende bräunliche Papeln. Hautarzt 2008; 59: 213-216
  • 3 Schöfer H. Syphilis treatment. German and international guidelines -- a comparison. Hautarzt 2005; 56: 141-50
  • 4 Cole GW, Amon R, Russell P. Secondary syphilis presenting as a pruritic dermatosis. Arch Dermatol 1977; 113: 489-490
  • 5 Bari A, Raza N. Secondary syphilis clinically mimicking pseudolymphoma of the face. Dermatol Online J 2006; 12: 20
  • 6 Moon HS, Park K, Lee JH et al. A nodular syphilid presenting as a pseudolymphoma: mimicking a cutaneous marginal zone B-cell lymphoma. Am J Dermatopathol 2009; 31: 846-848

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Abb. 1 Lokalbefund: Multiple, disseminierte, überwiegend isolierte, scharf begrenzte, erhabene, kalottenartige, derbe, bräunliche, bis 1,5 cm durchmessende, stark juckende Knoten.
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Abb. 2 Lokalbefund: Multiple, disseminierte, überwiegend isolierte, scharf begrenzte, erhabene, kalottenartige, derbe, bräunliche, bis 1,5 cm durchmessende, stark juckende Knoten.
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Abb. 3 HE-Färbung.
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Abb. 4 HE-Färbung.
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Abb. 5 CD 79a.
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Abb. 6 CD 20.
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Abb. 7 Immunhistochemie Treponema pallidum.
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Abb. 8 Verlaufskontrolle vor der Therapie.
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Abb. 9 Verlaufskontrolle 3 Monate nach der Therapie.