Aktuelle Dermatologie 2013; 39(11): 456-458
DOI: 10.1055/s-0033-1344691
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stand und Entwicklung der Hochschulfinanzierung[*]

Status and Development of Academic Institutional Financing
M. Schäfer-Korting
Erste Vizepräsidentin, Präsidium der Freien Universität Berlin
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting
Erste Vizepräsidentin, Präsidium der Freien Universität Berlin
Kaiserswertherstraße 16 – 18
14195 Berlin

Publication History

Publication Date:
11 November 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der steigenden Studierendenzahlen, des Auslaufens der Exzellenzinitiative und der bevorstehenden Einführung der Schuldenbremse stellt sich die drängende Frage nach der Finanzierung der staatlichen Hochschulen in Deutschland und wie zukünftig eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung möglich sein wird. In seiner im Juli 2013 publizierten Stellungnahme fordert der Wissenschaftsrat einen bis 2025 laufenden Zukunftspakt für das deutsche Wissenschaftssystem mit einer nachhaltigen Perspektive für den Ausbau der Quantität und Qualität der Lehre sowie profilbildenden Maßnahmen für die Forschung.


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Abstract

The increasing numbers of students, the expiration of the German excellence initiative and the forthcoming limitation of public debts put a focus on future financing of universities in Germany and how the federal government can be involved. The German Council of Science and Humanities (Wissenschaftsrat) published a statement in July 2013 where they call for a financial push for the German university system which gives a sustainable perspective until 2025.


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Entwicklungen der letzten Jahre, wozu beispielsweise die stark steigende Nachfrage nach Studienplätzen, die Ergebnisse der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder und die Einführung der Schuldenbremse gehören, werfen die drängende Frage nach der zukünftigen Finanzierung der staatlichen Hochschulen in Deutschland auf, begrenzt doch ab 2016 das Grundgesetz die zulässige Kreditfinanzierung des Bundes auf maximal 0,35 % des Bruttoinlandsproduktes und verbietet den Ländern ab 2020 die Nettokreditaufnahme völlig. Zur Zukunftssicherung der Gesellschaft als Ganzes bedarf es des Erhalts bzw. – besser noch – der Steigerung des hohen Niveaus der Wissenschaft. Die Hochschulen leisten hierzu mit ihrer Forschung, der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Lehre im tertiären Bildungssektor einen ganz wesentlichen Beitrag.

Im Rahmen der Föderalismusreform im Jahre 2006 wurde die Zuständigkeit der Länder für den Hochschulbereich festgelegt. Damit ist die Finanzierung der staatlichen Hochschulen Angelegenheit der Länder; der Bund darf sich laut Grundgesetz Artikel 91b lediglich an der Finanzierung von befristeten Maßnahmen von überregionaler Bedeutung beteiligen, wozu es zudem der Zustimmung sämtlicher Länder bedarf. Zu diesen Maßnahmen gehören Einzelvorhaben der Wissenschaften und Forschung, die Bereitstellung von Forschungsbauten sowie die Beschaffung von Großgeräten an Hochschulen, falls diese einen Wert von 250 000 € übersteigen.

Nahezu alle Länder haben in den letzten Jahren die finanzielle Mittelzuweisung an ihre Hochschulen auf Globalhaushalte umgestellt, mit wesentlichen positiven Auswirkungen [1]. Globalhaushalte ermöglichen einen flexiblen Mitteleinsatz und reduzieren die Gefahr staatlicher Eingriffe. Der erweiterte Gestaltungsspielraum für die Hochschulen, d. h. also Gestaltungsspielräume auf zentraler (Präsidien/Rektorate) und dezentraler (Fachbereiche/Fakultäten) Ebene, schärft das Bewusstsein für den Ressourcenverzehr von Entscheidungen. Kostenwirksame Entscheidungen werden vor Ort getroffen, Fach- und Ressourcenverantwortung fallen zusammen. Fachspezifische Kostentransparenz fördert die effiziente Mittelverwendung, Bedürfnisse können damit besser befriedigt werden. Lässt der Globalhaushalt die Übertragung der Mittel in das nächste Haushaltsjahr zu, besteht zudem nicht die Gefahr überstürzter Entscheidungen. Dem „Dezemberfieber“ wird so vorgebeugt.

Bei Globalhaushalten verlagern sich allerdings mit der Entscheidungshoheit auch die Risiken auf die untere Ebene. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen verantwortungsvoller Dekanate bzw. Hochschulleitungen führen dann zu Überschüssen und vielfach der Übertragung verfügbarer Mittel in das nächste Haushaltsjahr. Damit besteht dann das Risiko, dass „Überschüsse“ von der übergeordneten Seite kritisch gesehen und abgeschöpft werden können, sei es durch das Land oder die Hochschulleitung. In diesem Fall werden Fachbereiche zukünftig weniger Rücklagen bilden. Angemessene Rücklagen sind aber gerade in den experimentellen Fächern – zu denen auch die Medizin gehört – notwendig, um bei einem Ausfall von Geräten handlungsfähig zu sein. Der Sicherheit vor zukünftigen Haushaltskürzungen bedürfen daher die Fachbereiche gegenüber der Hochschulleitung genauso wie letztere gegenüber dem Land.

Als weiterer Nachteil von Globalhaushalten ist eine erschwerte unmittelbare Steuerung zur Sicherstellung von Forschung und Lehre zu nennen, die bei spezifischen Wünschen der Politik bzw. bei problematischen Entwicklungen in einzelnen Fächern angezeigt sein kann. Als Beispiel sei die der OECD zugesicherte Inklusion [2] im Rahmen der Schulbildung genannt. Mit der im Jahr 2009 ratifizierten Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen hat sich Deutschland verpflichtet, ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten. Lehrkräfte gilt es nun zur Umsetzung der Verpflichtung schnellstmöglich zu qualifizieren, was möglicherweise die Einrichtung spezifischer Professuren und Neuberufungen erfordert. Auch der Wunsch der Politik nach einer spezifischen Ausrichtung z. B. in der Medizin kann bei Globalhaushalten nicht unmittelbar durch Eingriff in die Autonomie umgesetzt werden. Ausgeschlossen ist aber auch ein unmittelbares Eingreifen der Hochschulleitungen bei Problemen in den einzelnen Fächern.

In beiden Fällen bieten sich Zielvereinbarungen als Lösung an, z. B. im Rahmen von Hochschulverträgen. Solche unterliegen aber mehrjährigen Zyklen. Hochschulverträge enthalten vielfach Elemente einer Indikatoren-gestützten Allokation der Mittel, die eine Steuerung der Hochschulen durch das Land gemäß den spezifischen Bedürfnissen bzw. Wünschen ermöglicht. Ziele können die Senkung der Studienabbrecherquote, die Stärkung der Forschung und Steigerung der Drittmitteleinnahmen, die Schaffung von Maßnahmen zur Weiterbildung, die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, die Erhöhung des internationalen Renommees bzw. des Studierendenaustausches sowie die Sicherung der Gleichstellung und Förderung von Diversität sein. Ein wichtiges Ziel der letzten Jahre war auch die Einrichtung zusätzlicher Studienplätze zur Aufnahme des doppelten Abiturjahrgangs – respektive die Bereitstellung von Mitteln, um den Studienanfängerinnen und Studienanfängern ein qualitativ hochwertiges Studium zu bieten.

In den letzten Jahren ist allerdings weithin eine Stagnation der Hochschulfinanzierung festzustellen, teilweise kam es auch zu erheblichen Etatkürzungen, wie z. B. bei den Berliner Universitäten nach der Wiedervereinigung. Zwar hat sich die Situation in Berlin stabilisiert, doch fürchten jetzt die Universitäten der neuen Länder deutliche Einschnitte in ihre Haushalte. Dies alles ist vor dem Hintergrund der erheblich steigenden Zahlen von Studierenden zu sehen. Die Zahl der Studienanfänger ist von 246 000 im Jahr 2000 auf 445 000 im Jahr 2012 gestiegen [3]. Zur Finanzierung des vorübergehenden Mehrbedarfs für diese Studierenden stellt die Bundesregierung durch den Hochschulpakt 2020 fast 7 Mrd. € bis 2017 zur Verfügung[1], doch erwarten die Hochschulen keinen vorübergehenden, sondern einen anhaltenden Aufwuchs der Zahl ihrer Studierenden. Im gleichen Zeitraum stieg nämlich die Studierendenquote von 34 % auf 55 %.

Auch der Wissenschaftsrat geht von einer steigenden Zahl von Studierenden aus und fordert in seiner im Juli 2013 publizierten Stellungnahme einen bis 2025 laufenden Zukunftspakt für das Wissenschaftssystem [4] mit Maßnahmen zum Ausbau der Quantität und Qualität von Lehre – ausdrücklich wird die Bereitstellung von Mitteln für eine bessere Betreuungsrelation und für mehr Studienplätze angemahnt. Ferner werden Nachfolgeprogramme für Graduiertenschulen und Exzellenzcluster der Exzellenzinitiative gefordert. Nach 2017 seien Forschungscluster aus dem Portfolio der Deutschen Forschungsgemeinschaft und für langfristig tragende Themen Liebig-Zentren einzurichten. Die Landesmittel für erfolgreiche Maßnahmen der Exzellenzinitiative seien zu erhalten. Ferner sei die differenzierte Profilierung der Hochschullandschaft zu unterstützen. Der Hochschulbau solle wieder von Bund und Ländern gemeinsam finanziert werden und die Hochschulen sollen angesichts des weiter wachsenden Aufgabenspektrums künftig eine Zuweisung mindestens 1 % oberhalb der spezifischen Kostensteigerung erhalten. Damit würde sich die Hochschulfinanzierung derjenigen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft) annähern, die in den Jahren 2011 – 2015 Aufwüchse von 5 % jährlich erhalten [5].

Aktuell begegnen die Wissenschaftler einer unzureichenden Grundfinanzierung ihrer Forschung mit einer ganz erheblichen Steigerung der Einwerbung von Drittmitteln. So stieg die Hochschulfinanzierung von 1995 bis 2008 nominal um 6 %, während sich der Anteil der Drittmittelausgaben im Mittel von 11 % auf 20 % der Hochschulausgaben erhöhte [6]. Nicht wenige Universitäten haben aber heute einen Anteil von Drittelmittelfinanzierung, der sie anfällig gegenüber Unwägbarkeiten macht. Mit der gestiegenen Beantragung von Drittmitteln sank zudem die Bewilligungsquote erheblich, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft beispielsweise von 47 % im Jahr 2009 auf 33 % in 2012 [7].

Die Finanzierung aus Drittmitteln wesentlich befördert hat zweifellos die Exzellenzinitiative ([Tab. 1]), die im Ergebnis langfristig zu einer starken Spreizung des Systems der tertiären Bildung führen kann, wahrscheinlich sogar wird. Falls sich die aus Exzellenzmitteln stark geförderten Universitäten auf dem hohen Niveau stabilisieren bzw. weiterentwickeln können, wozu es der Verstetigung der Finanzierung nach dem Auslaufen der Bundesmittel nach 2017 durch die Länder bedarf, könnten Forschungsuniversitäten neben besonders in der Lehre ausgewiesenen Universitäten entstehen – also sich ein System ähnlich dem amerikanischen Universitätssystem in Deutschland entwickeln. Der Wissenschaftsrat sieht diese Entwicklung offenbar ebenfalls und fordert daher – wie beschrieben – die Förderung profilbildender Maßnahmen [4].

Tab. 1

Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder.

1. Programmphase

2. Programmphase

Förderperiode: 2006 bis 2012

Förderperiode: 2012 bis 2017

Fördervolumen: 1,9 Milliarden €

Fördervolumen: 2,7 Milliarden €

37 geförderte Hochschulen

  • 38 Exzellenzcluster

  • 40 Graduiertenschulen

  • 9 Zukunftskonzepte

35 geförderte Hochschulen

  • 43 Exzellenzcluster

  • 45 Graduiertenschulen

  • 11 Zukunftskonzepte

Infolgedessen haben sich aber auch die Interessen der Universitäten unterschiedlich entwickelt. Heute sind nicht nur mehr Universitäten von Fachhochschulen und künstlerischen Hochschulen zu unterscheiden, vielmehr haben sich mehrere kleine Verbünde für die Vertre­tung ihrer spezifischen Interessen zusammengefunden, z. B. der 2006 gegründete Verbund TU9 German Institutes of Technology und der 2012 gegründete German U15 ([Tab. 2]). Zu den weiteren gehören der Verbund Norddeutscher Universitäten und der Universitätsverbund Südwest. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wird die Zukunft zeigen. Von besonderem Interesse ist daher derzeit die Positionierung von Wissenschaftsrat und Kultusministerkonferenz. Insofern sehen die Universitäten in Deutschland den weiteren Entwicklungen mit größter Aufmerksamkeit entgegen.

Tab. 2

Zusammenschluss von Hochschulen zu Interessengruppen.

German U15

TU9 German Institutes of Technology

15 große, forschungsstarke und medizinführende Universitäten mit zusammen fast 500 000 Studierenden (20 % der Gesamtzahl der Studierenden)

Zusammenschluss der 9 führenden Technischen Universitäten in Deutschland

37 % aller Drittmittel in Deutschland, im Medizinsektor sogar 60 %

26 % aller Drittmittel an deutschen Hochschulen

Abschluss von 50 % aller Habilitationen in Deutschland

57 % der Promotionen in den Ingenieurwissenschaften


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Interessenkonflikt

Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Nach einem Vortrag gehalten anlässlich der Sitzung der Berliner Stiftung für Dermatologie auf der Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Dresden, 2. 5. 2013


1 Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Hochschulpakt 2020 vom 24. Juni 2009


  • Literatur

  • 1 CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Globalhaushalte an Hochschulen in Deutschland. Entwicklungsstand und Empfehlungen.. Gütersloh: 2001
  • 2 Deutsche UNESCO-Kommission. Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik. Bonn: 2010
  • 3 Statistisches Bundesamt. Bildung und Kultur. Nichtmonetäre hochschulstatistische Kennzahlen 1980 – 2011. Fachserie 11 Reihe 4.3.1. Wiesbaden: 2012
  • 4 Wissenschaftsrat. Zukunftspakt für das Wissenschaftssystem. Berlin: 2013
  • 5 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK. Pakt für Forschung und Innovation. Monitoring-Bericht. Bonn: 2012
  • 6 Wissenschaftsrat. Neuere Entwicklungen der Hochschulfinanzierung in Deutschland. Bericht des Vorsitzenden zu aktuellen Tendenzen im Wissenschaftssystem. Berlin: 2011
  • 7 Deutsche Forschungsgemeinschaft. Förderatlas 2012. Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland. Bonn: 2012

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting
Erste Vizepräsidentin, Präsidium der Freien Universität Berlin
Kaiserswertherstraße 16 – 18
14195 Berlin

  • Literatur

  • 1 CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Globalhaushalte an Hochschulen in Deutschland. Entwicklungsstand und Empfehlungen.. Gütersloh: 2001
  • 2 Deutsche UNESCO-Kommission. Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik. Bonn: 2010
  • 3 Statistisches Bundesamt. Bildung und Kultur. Nichtmonetäre hochschulstatistische Kennzahlen 1980 – 2011. Fachserie 11 Reihe 4.3.1. Wiesbaden: 2012
  • 4 Wissenschaftsrat. Zukunftspakt für das Wissenschaftssystem. Berlin: 2013
  • 5 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK. Pakt für Forschung und Innovation. Monitoring-Bericht. Bonn: 2012
  • 6 Wissenschaftsrat. Neuere Entwicklungen der Hochschulfinanzierung in Deutschland. Bericht des Vorsitzenden zu aktuellen Tendenzen im Wissenschaftssystem. Berlin: 2011
  • 7 Deutsche Forschungsgemeinschaft. Förderatlas 2012. Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland. Bonn: 2012