Aktuelle Dermatologie 2013; 39(11): 462-464
DOI: 10.1055/s-0033-1344694
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Bedeutung von Stiftungen für die Hochschulmedizin[*]

The Impact of Public-law Foundations in Academic Medicine
M. P. Schön
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Göttingen
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Michael P. Schön
Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen

Publication History

Publication Date:
11 November 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Stiftungen sind heute ein wichtiger und integraler Bestandteil der Finanzierung der deutschen Universitätsklinika und medizinischen Fakultäten. Die vielfältigen Zwecke medizinrelevanter Stiftungen ermöglichen die flexible und passgenaue Förderung unterschiedlicher Projekte der Hochschulmedizin. Spender können über Stiftungen zielgenau die medizinische Forschung unterstützen.


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Abstract

Today, foundations under public law are an important and integral component of co-financing German university medical centers and medical faculties. The multitude of specific scopes of foundations relevant for academic medicine provides flexible and accurately fitting instruments to facilitate a plethora of projects. Through foundations, donors can pinpoint their financial support to specific areas of medical research.


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Finanzierung der Forschung und Lehre in der Hochschulmedizin

Trotz vieler Gemeinsamkeiten der 35 deutschen Universitätsklinika bestehen hinsichtlich ihrer Finanzierung teilweise erhebliche Unterschiede. Dies bezieht sich einerseits auf die Höhe der jährlichen Landes-Zuführungsbeträge, welche in der Größenordnung zwischen 35 und 203 Millionen, im Durchschnitt bei etwa 85 Millionen Euro jährlich liegen. Andererseits existieren auch im Hinblick auf die jährlich verausgabten Drittmittel, die durchschnittlich etwa 34,5 Millionen Euro betragen, deutliche Differenzen; die Spanne liegt hier zwischen etwa 8 Millionen und 123 Millionen Euro.

Gründe für einen zusätzlichen Finanzbedarf der Forschung sind vielfältig und reichen vom begrenzten Finanzrahmen der Förderer wie der DFG bis hin zur Ablehnung neuer Projekte, weil die oftmals geforderten umfangreichen Vorarbeiten noch nicht vorliegen. Vor diesem grob umrissenen Hintergrund wächst die Bedeutung der Stiftungen zur Finanzierung wissenschaftlicher Forschung in der Hochschulmedizin. Tatsächlich betragen Stiftungs-Drittmittel heute bereits jährlich etwa 4 Millionen Euro im jährlichen Durchschnitt der medizinischen Fakultäten, die Höhe reicht von 0,2 bis etwa 13,5 Millionen Euro (alle Zahlen wurden den letzten Angaben des Medizinischen Fakultätentages aus dem Jahr 2008 entnommen; www.landkarte-hochschulmedizin.de). Auf welche Weise sind Stiftungen ein sinnvolles Instrument zur ergänzenden Finanzierung der wissenschaftlichen Hochschulmedizin? Zur Beantwortung dieser Frage erscheinen eine kurze juristische Begriffsklärung und ein knapper historischer Abriss hilfreich:


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Entstehung und rechtliche Grundlagen der Stiftungen

Stiftungen verfolgen mittels ihres Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck. Die Art der Verwirklichung dieses Zweckes wird in einer Satzung geregelt. Das Vermögen der Stiftung bleibt (meist) erhalten und die Begünstigten (Destinatäre) erhalten die Erträge. Die meisten Stiftungen sind privatrechtlicher und gemeinnütziger Natur. Man unterscheidet Förderstiftungen, die Dritte unterstützen, von operativen Stiftungen, welche selbst Projekte durchführen. Eine Stiftung wird nach außen von ihrem Vorstand repräsentiert und sie unterliegt der staatlichen Stiftungsaufsicht.

Die ersten Stiftungen entstanden bereits im Mittelalter als so genannte Memorialstiftungen und sie dienten oft sozialen Zwecken. Mehr als 250 dieser Stiftungen bestehen heute noch, beispielsweise die Stiftung Bürgerspital in Würzburg aus dem Jahr 1316. Man kann in der Geschichte mehrere „Wellen“ von Stiftungsgründungen ausmachen, etwa nach dem 30-jährigen Krieg (beispielsweise Francke’sche Stiftungen in Halle/Saale, 1698) oder während der Gründerzeit (beispielsweise Carl-Zeiss-Stiftung, 1889). Stiftungen haben sich historisch oft als sehr beständig erwiesen und waren und sind daher gerade in Zeiten gesellschaftlichen Wandels attraktiv. Dennoch gab es auch Zeiten, in denen viele Stiftungen zum Erliegen kamen, beispielsweise während der Inflation (1923), während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft (1933 – 1945) sowie während der DDR-Zeit (1949 – 1990). Begünstigt durch neue Rechtsgrundlagen, kam es zu zahlreichen Neugründungen in West-Deutschland nach 1950, in Ost-Deutschland nach 1990. Heute existieren etwa 20 000 rechtsfähige und 30 000 bis 80 000 nicht rechtsfähige Stiftungen in Deutschland. Jährlich werden in Deutschland etwa 800 Stiftungen neu gegründet, dies sind etwa zehnmal mehr als noch vor 20 Jahren.

Insgesamt ermöglichen Stiftungen (weitgehend) rechtssichere und planbare Finanzierungen. Sie sind vergleichsweise wenig abhängig von kurzfristigen politischen Entwicklungen und ihre Mittel können von den Destinatären unbürokratisch eingesetzt werden. Dadurch erscheinen Stiftungen grundsätzlich als ein gutes Instrument zur (ergänzenden) Finanzierung auch langfristig-strategischer Forschungsentwicklung in universitären Einrichtungen.


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Förderung der medizinischen Forschung durch Stiftungen

Die genannten Vorteile werden selbstverständlich auch von der Hochschulmedizin genutzt: Im Internet konnte ich 484 medizinrelevante Stiftungen in Deutschland (Stand: April 2013) finden (www.stiftungen.org und www.stiftungsindex.de). Manche dieser Stiftungen dienen ausschließlich der Förderung medizinischer Arbeit (sowohl Forschung als auch Krankenversorgung), andere sind interdisziplinär übergreifend angelegt. Art und Umfang der Förderung sind dabei sehr unterschiedlich – das Spektrum reicht von kleineren Stipendien oder Sachbeihilfen bis hin zu großen renommierten Forschungspreisen (beispielsweise der Förderpreis für junge Hochschullehrer der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung). Manche Stiftungen wurden speziell zur Förderung dermatologischer Forschung eingerichtet (Berliner Stiftung für Dermatologie, Alfred-Marchionini-Stiftung, Deutsche Stiftung für Dermatologie, Deutsche Stiftung Kinderdermatologie).

Exemplarisch möchte ich nur wenige Stiftungen, welche (auch) die medizinische Forschung fördern, herausgreifen:

Die VolkswagenStiftung fördert Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre in zukunftsträchtigen Gebieten und hilft bei der Etablierung struktureller Voraussetzungen für wissenschaftliche Arbeit. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei auf wissenschaftlichen Nachwuchs sowie Kooperation über disziplinäre, institutionelle und staatliche Grenzen hinweg gelegt. Die VolkswagenStiftung wurde 1961 von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Niedersachsen als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet, sie ist also keine Unternehmensstiftung. Ihr Vermögen beträgt etwa 2,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2011 wurden insgesamt 119,4 Millionen Euro ausgeschüttet, davon 69,9 Millionen für das „Niedersächsische Vorab“ und 48,4 Millionen für externe Anträge (12,2 % davon in den Bereichen Biowissenschaften und Medizin). Die Möglichkeiten der Förderung durch die VolkswagenStiftung sind vielfältig und umfassen beispielsweise Lichtenberg-Professuren, die Förderung innovativer und risikoreicher Projekte („off-the-beaten-track“) sowie zahlreiche weitere Fördermöglichkeiten (www.volkswagenstiftung.de).

Der Zweck der im Jahr 1960 mit einem Stiftungsvolumen von 100 Millionen DM gegründeten Fritz Thyssen Stiftung ist die unmittelbare Förderung der Wissenschaft an wissenschaftlichen Hochschulen und Forschungsstätten, vornehmlich in Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung des Nachwuchses. Im Jahr 2011 schüttete sie 18,5 Millionen Euro aus, 3,3 Millionen davon für die Medizin und die Naturwissenschaften. Insbesondere werden von der Fritz Thyssen Stiftung junge Wissenschaftler an deutschen Institutionen bis zu 2 Jahre nach ihrer Promotion gefördert. Die Selbstbewerbung für die eigene Stelle ist möglich. Der Fokus in der Medizin liegt auf molekularen Grundlagen von Krankheiten (www.fritz-thyssen-stiftung.de).

Ein Beispiel einer kleineren Stiftung mit Fokus auf dermatologischer Forschung ist die Deutsche Stiftung Dermatologie, welche im Jahr 2005 von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft gegründet wurde. Ihr Zweck ist die Förderung wissenschaftlicher Innovationen zum Nutzen der Erforschung und Behandlung von Hautkrankheiten (Hautkrebs, Allergien, Infektionen, Entzündungskrankheiten). Zur Erreichung des Stiftungszweckes schreibt die Deutsche Stiftung Dermatologie jährlich ein Forschungsstipendium zur Förderung der Translationalen Forschung in der Dermato-Therapie für Nachwuchswissenschaftlerinnen aus (50 000 Euro für den Aufenthalt an einem Forschungsinstitut der eigenen Wahl) (www.derma-stiftung.de).

Auch die im Jahr 1999 gegründete Berliner Stiftung für Dermatologie fördert speziell die dermatologische Forschung und den internationalen Austausch. Zu ihren Zielen gehören die „Förderung von Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Dermatopharmakologie und der Molekularbiologie und die Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Techniken in der Klinik, zum Zwecke einer besseren Diagnose und Behandlung von Hautkrankheiten“. Darüber hinaus wird regelmäßig ein Wissenschaftspreis verliehen. Weitere Ziele der Stiftung sind internationaler wissenschaftlicher Austausch und Fortbildung, welche mit Hilfe befristeter Stipendien verwirklicht werden. Schließlich fördert die Berliner Stiftung für Dermatologie Projekte zur Verbesserung der dermatologischen Versorgung in Entwicklungsländern (www.stiftung-dermatologie.de).


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Wie findet man die richtige Stiftung?

Eine wichtige erste Adresse bei der Suche nach Stiftungen zur Förderung medizinischer Forschung ist der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, in dem etwa 3000 Unternehmen, Unternehmensverbände, Stiftungen und Privatpersonen zusammengeschlossen sind. Über den Stifterverband werden derzeit beispielsweise 26 Stiftungs-Professuren an deutschen medizinischen Fakultäten finanziert, davon allein 11 in Berlin (www.stifterverband.de). Dem Stifterverband angeschlossen ist das Deutsche Stiftungszentrum als Dachorganisation von mehr als 570 Stiftungen, von denen viele auch relevant für die Medizin sind. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen ist mit etwa 3800 Mitgliedern und 7000 Stiftungen der größte und älteste Stiftungsverband in Europa. Seine Mitglieder vertreten ungefähr 75 % des deutschen Stiftungsvermögens (www.stiftungen.org und www.stiftungsindex.de).

Hat man eine Stiftung identifiziert, deren Ziele man unterstützen möchte, bietet sich hier eine konkrete Möglichkeit, selbst beispielsweise durch Spenden die medizinische Forschung zu unterstützen, zumal derartige Spenden (meist) steuerlich absetzbar sind.


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Die niedersächsischen Stiftungsuniversitäten

Eine Besonderheit in der deutschen Hochschullandschaft stellen sicherlich die niedersächsischen Stiftungsuniversitäten dar. Im Jahr 2003 erfolgte die Überführung von 5 niedersächsischen Hochschulen in Stiftungen, darunter der Universität Göttingen als größter Stiftung mit ihren beiden rechtlich selbstständigen Teilstiftungen öffentlichen Rechts Georg-August-Universität und Universitätsmedizin Göttingen mit jeweils eigenen Stiftungsvermögen und eigenen Stiftungs- und Stiftungsaufsichtsorganen. Die Universitätsmedizin Göttingen ist die einzige hochschulmedizinische Einrichtung in der Rechtsform einer Stiftung in Deutschland (die Medizinische Hochschule Hannover verblieb beim Land). Voraussetzung für diesen Schritt war eine Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes, welches ab 2002 erstmals die Stiftungsoption vorsah.

Der Stiftungszweck ist die Unterhaltung und Förderung der Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als sogenannte Zuwendungsstiftung ist sie weiterhin auf staatliche Zuschüsse angewiesen (sie erhält also weiterhin den jährlichen Landeszuführungsbetrag). Allerdings unterliegt sie nicht mehr der Landesverwaltung und der damit verbundenen Fachaufsicht. Die Stiftung finanziert die Erfüllung ihrer Aufgaben insbesondere aus der jährlichen Finanzhilfe des Landes, Mitteln aus Förderprogrammen des Landes, Erträgen des Stiftungsvermögens (diese sind additiv zu den jährlichen Zuwendungen), Spenden und Zuwendungen Dritter sowie Erträgen der Krankenkassen.

Sämtliche Liegenschaften gingen auf die Stiftung über, wodurch eine effizientere Bewirtschaftung und insbesondere auch die Bauherrenfähigkeit ermöglicht werden. Infrastrukturelle Planungen und Neubauten werden dadurch vereinfacht und wissenschaftsnah „entbürokratisiert“; die Stiftung wurde zum Planer und Bauherren und die staatlichen Hochbauämter wurden aufgelöst.

Die finanzielle Eigenständigkeit und Flexibilität wurde vergrößert, es wurde eine Kreditlinie eingeräumt und Rücklagenbildung ermöglicht.

Auch die Dienstherreneigenschaft für Beamte und Professoren wurde auf die Stiftung übertragen. Der Abschluss außertariflicher Verträge und Zielvereinbarungen wurde auf verschiedenen Ebenen möglich. Hervorzuheben ist dabei auch der Übergang des Berufungsrechts vom Ministerium an die Stiftung, wodurch es zu einer Halbierung der durchschnittlichen Dauer von Berufungsverfahren kam.

Insgesamt wurden durch die Überführung der niedersächsischen Hochschulen in die Rechtsform der Stiftung die Hochschul-Autonomie gestärkt, Bürokratie abgebaut und Entscheidungswege „verschlankt“. Entscheidungen können wissenschaftsnah, schnell, autonom und bedarfsgerecht getroffen werden, wodurch die Flexibilität in vielen Bereichen gesteigert und die Profilentwicklung gefördert werden konnte. Externe Einflussnahmen wurden reduziert und bedarfsgerechte Fremdfinanzierungen wurden ermöglicht. Allerdings werden im gleichen Zuge auch unternehmerische Fähigkeiten (Management) und aktive Prozessgestaltung notwendig, was durch das seit 1999 existierende Vorstandsmodell mit dem Stiftungsausschuss als Aufsichtsorgan realisiert wird.

Inzwischen haben auch andere Universitäten einige erfolgreiche Elemente der Stiftungshochschulen übernommen, beispielsweise die Übertragung des Berufungsrechtes vom Ministerium auf die Hochschule, und dadurch mehr Autonomie gewonnen.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Ich danke Frau S. Ehlert (Geschäftsstelle Stiftung in der Universitätsmedizin Göttingen) herzlich für Informationen zum niedersächsischen Stiftungsmodell.

* Nach einem Vortrag gehalten anlässlich der Sitzung der Berliner Stiftung für Dermatologie auf der Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Dresden, 2. 5. 2013



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Prof. Dr. med. Michael P. Schön
Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen