Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Burnout und chronische Erschöpfung sind in aller Munde. In den Medien wird sich in
den letzten Jahren regelmäßig – manchmal recht reißerisch – dieses Themas
angenommen. Beispielhaft kann der „Der Spiegel“ genannt werden, der in den letzten 3
Jahren mehrere Titelstorys und Schwerpunkthefte in der Reihe „Spiegel Wissen“ zur
Thematik geliefert hat: „Ausgebrannt – Das überforderte Ich“, „Neustart – Wege aus
dem Burnout“, „Das überforderte Ich – Stress, Burnout, Depression“, „Generation
Stress – Wenn Schule krank macht“ usw. Aber auch bei anderen Printmedien und
im Fernsehen ist das Thema gegenwärtig, spätestens dann, wenn ein „Promi“ sich
outet.
Unabhängig von der Frage, ob Burnout nun eine spezielle psychiatrische Erkrankung ist
oder nur eine „Modediagnose“, um sich den Veränderungen der Arbeitswelt zu
entziehen, bleibt erst einmal festzustellen: Die psychischen Belastungen und
Beanspruchungen bzw. der Druck sind deutlich gestiegen, was z. B. durch den
Stressreport Deutschland sichtbar gemacht ist. Dieser gibt in regelmäßigen Abständen
zu Fragen des Arbeitsschutzes sowie der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz
Auskunft.
Aus persönlicher Erfahrung aus dem universitären Bereich und den Informationen der
psychologischen Beratungsstellen der Universitäten spiegelt sich dieses
weitverbreitete Phänomen auch bei Studierenden wider: ein allgemeines Empfinden,
dass alles zu viel ist, wenig Freizeit vorhanden ist, die Konkurrenz riesig ist und
die Belastung eigentlich nie weniger wird. Die Umstellung auf Bachelor- und
Masterstudiengänge mit ihrer starken Verschulung haben diese Tendenzen sicher mit
verstärkt. Damit verbunden sind Überforderungsgefühle, Ängste sowie der Verlust an
der Freude des Studierens. Es wird deutlich, dass derartige Zustände nicht allein
mit einer vulnerablen Persönlichkeit zu erklären sind, sondern eben auch die
gesellschaftlichen Umbrüche („Krisen-Zeitalter“, unsichere Perspektiven,
Zukunftsängste) und die rapiden, stresshaften Veränderungen der Arbeitswelt in die
Betrachtung einbezogen werden müssen. Allerdings soll nicht verschwiegen werden,
dass ein Teil dieser psychischen Belastungen selbst verursacht ist: Ständige
Rufbereitschaft, ständiges Kommunizieren in sozialen Netzwerken, Nichteinhalten von
Pausen, Perfektionszwänge und „Multitasking“ oder auch erhöhter Konsum der neuen
Medien in der Freizeit tragen eben auch zur allgemeinen Erschöpfung bei.
Erschöpfungszustände können jedoch auch in anderen Zusammenhängen auftreten, hier
speziell als Komorbidität bei bestimmten chronischen Erkrankungen oder als Folge
einer intensiven, stark belastenden Krebstherapie. Mit diesem Schwerpunktheft
versuchen wir einige unterschiedliche Facetten dieser Thematik darzustellen.
In einem Übersichtsbeitrag zu Burnout wird der derzeitige Forschungsstand
wiedergegeben sowie Hinweise zu störungsorientierten bewegungstherapeutischen
Behandlungsmöglichkeiten beschrieben. Wie solche Interventionen in der klinischen
Praxis aussehen können, zeigt der Beitrag von Katharina und Janis Alexandridis aus
der psychosomatischen Fachklinik Prien am Chiemsee. Ergänzend wird die Problematik
der Erschöpfungszustände aus neurologischer und internistisch-immunologischer Sicht
dargestellt.
Zudem wird ein Programm vorgestellt, das sich mit den präventiven Möglichkeiten von
Burnout durch Bewegung und körperliche Aktivität im Rahmen der Gesundheitsförderung
beschäftigt. Es wird deutlich, dass in allen Fällen eine behutsame,
individualisierte bewegungstherapeutische Behandlung hilfreich wirken kann. Genauere
Effekte müssen jedoch noch näher untersucht werden.
Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass auch Unternehmen
hinsichtlich dieser Thematik stärker in die Pflicht genommen werden müssen, indem
sie eine Arbeits- und Firmenkultur anbieten, die durch klare Regeln z. B. im Umgang
mit Zeit, Aufgabenbereichen und psychischer Belastung verantwortungsvoll mit den
Mitarbeitern umgeht, um die Arbeitszufriedenheit langfristig zu erhalten. Dies ist
ein bedeutsamer Faktor hinsichtlich der Produktivität, dient aber auch dem
gesamtgesellschaftlichen Interesse. Insofern kann durch das starke Auftreten von
Burnout auch ein Anstoß erfolgen in Richtung einer ausgewogeneren Humanisierung der
Arbeitswelt.
Ich wünsche Ihnen als Leserinnen und Lesern einen achtsamen und gelassenen Umgang mit
den beruflichen Veränderungen, in der Hoffnung, damit Burnoutfrei zu bleiben.
In diesem Sinne,
Ihr
Hubertus Deimel