B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2013; 29(5): 195
DOI: 10.1055/s-0033-1345510
Editorial
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

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Klaus Schüle
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Publication Date:
15 October 2013 (online)

 
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die absolute, aber auch anteilmäßige Zunahme betagter und hochbetagter Bürger gehört in Deutschland, neben der niedrigen Geburtenrate, zu den markanten Zeichen des derzeitigen demografischen Wandels. Nimmt man die Auswirkungen des medizinischen Fortschritts noch hinzu, so lässt sich auch der „Panoramawandel“ der Erkrankungen erklären: weg von häufig tödlich endenden Infektionskrankheiten und hin zu meist nicht tödlichen chronischen Erkrankungen. So entsteht die paradoxe Situation, dass wir einerseits mit einer immer höheren Lebenserwartung rechnen können, wir uns andererseits jedoch mit mehreren chronischen Krankheiten (durchschnittlich mehr als 5 bei den über 65-Jährigen) herumschlagen müssen. „Neben den Belastungen durch die Einzelerkrankungen kommen Symptome wie Inkontinenz, kognitive Defizite, Immobilität, Sturzgefährdung, Schmerzen und andere komplizierende Faktoren hinzu.“[ 1 ]

Auf mögliche Probleme, die solche Multimorbiditäten mit sich bringen, wurde dezidiert bereits im eben genannten Sondergutachten 2009 des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ eingegangen und auch Vorschläge zur Verbesserung angeboten. Parallel hierzu hat das „Bundesministerium für Bildung und Forschung“ (BMBF) seit 2006 einen Forschungsschwerpunkt „Gesundheit im Alter“ initiiert und dazu 6 Forschungsverbünde eingerichtet. Einige ausgewählte Stichpunkte sollen erkannte Probleme verdeutlichen:

  • Multimorbidität hat einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität.

  • Schnittstellenprobleme treten bei der Versorgung auf (etwa von ambulant/stationär/Nachsorge).

  • Eine Polypharmazie (z. T. bis zu 20 Wirkstoffe!) führt zu unberechenbaren Effekten.

  • Anstieg der Arztkontakte (bis zu 30/Jahr)

  • Anstieg der Gesundheitskosten

Was ist zu tun?

Auch hier lassen sich schnell einige Forderungen aufzählen, die aus Sicht der Rehabilitation zwar nicht neu sind, aber immer noch nicht durchgängig verfolgt werden:

  • bessere Koordination aller therapeutischen Maßnahmen (nach Plan!)

  • Zusammenwirken im partnerschaftlichen Team unter Einbeziehung der Betroffenen und ihrer Angehörigen

  • Ressourcenorientierung (gemeint ist die Einbeziehung persönlicher und regionaler struktureller Gegebenheiten), d. h. nach ICF, Berücksichtigung der sog. Kontextfaktoren

  • individuelle Behandlungspfade erarbeiten bis hin zu einem effektiven Entlassmanagement

Dass auch die Sport- und Bewegungstherapie hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten kann und dieses auch deutlich vertreten sollte, wird schon dadurch deutlich, dass man als übergeordnetes Therapieziel (eher generisch als spezifisch) eine Steigerung der Mobilität, die Verbesserung des Selbstmanagements und damit den Erhalt der Selbstständigkeit – und weniger die Einzelerkrankung – in den Vordergrund rückt.

In diesem Sinne

Ihr Klaus Schüle


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1 Sacherständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR-Gesundheit). Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens. Sondergutachten 2009, Kurzfassung. Bonn




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