Liebe Leserinnen, liebe Leser,
vielleicht ging und geht es Ihnen auch so wie mir: Falldarstellungen in Vorlesungen haben mich
immer besonders beeindruckt. Vor allem dann, wenn die zu besprechenden „Fälle“ persönlich
anwesend waren und ihre Lebenssituation oder den Verlauf ihrer Krankenkarriere vor den Zuhörern
offen legten. Natürlich hängt der Erfolg dieser Schilderungen auch von der Kunst des befragenden
Dozenten ab, der aus seinem Erfahrungsschatz heraus auf die entscheidenden Punkte einer
Erkrankung mit seinen Fragen gezielt hinsteuert, ohne die Betroffenen bloßzustellen, und sie
einfühlsam exploriert. Solche Falldarstellungen bleiben beim Studenten im Gedächtnis hängen, und
in der späteren eigenen Berufslaufbahn ist der Erinnerungswert groß, und die „Fälle“ sind sofort
präsent, wenn es gilt, diese mit schwierigen Krankengeschichten nun eigener Patienten zu
vergleichen, um nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Mit der heutigen Ausgabe der „Bewegungstherapie & Gesundheitssport“ wollen wir Ihnen einige
besonders gelungene Kasuistiken vorstellen. In ihnen hat die Bewegungstherapie – und vor allem
auch der Sport – zur Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung oder dem eigenen Unfall und
seinen Folgen, vielleicht sogar maßgeblich zur positiven Verarbeitung und sogar späteren
Bewältigung beigetragen – zumindest aber einen Beitrag zur Lebensqualität geleistet.
Wie man an solche „Fälle“ aus Sicht des therapeutischen Teams herangehen kann, um daraus dann eine
gemeinsame Sicht auf den Patienten/Klienten herzustellen, damit hieraus dann schließlich ein
gemeinsames therapeutisches Vorgehen abgeleitet werden kann, zeigt Deimel an einem Beispiel aus
dem Suchtbereich.
Ebenfalls aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel heraus geht Hofmann typische Auswirkungen und
Aspekte der Bewegungstherapie und des Sports bei Mammakarzinom-Patientinnen an, wobei sie diese
mit Aussagen von Betroffenen unterfüttert.
Eine andere Herangehensweise bilden zwei onkologische Fallbeispiele. Hier beschreiben Maud
(Brustkrebs) und Günter (Prostatakrebs) aus der Sicht der Betroffenen, welche positiven
Einflüsse bei ihnen die Teilnahme an 2 verschiedenen, für Tumorpatienten sicherlich nicht
alltäglichen Projekten auf den physischen und psychosozialen Ebenen bewirkte (800 km
Jakobsweg-Wanderung von Maud und 1400 km Fahrradtour von Köln nach Marseille von Günter).
Danach beschreibt Strohkendl den Weg von Edina, einer 16-jährigen Schülerin, die, als Folge einer
Rücken-OP, querschnittsgelähmt wurde, es aber dank ihrer Ausdauerfähigkeit mit der Deutschen
Damenmannschaft im Rollstuhl-Basketball zur Paralympic-Siegerin in London 2012 brachte. Zudem
hat sie, nach einem erfolgreich abgeschlossenen Bachelor-Studium in den USA und einem Diplom in
Deutschland, in einer Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) ihren beruflichen
Einstieg geschafft.
An das Ende des Reigens dieser eindrucksvollen „Fälle“ habe ich eine Besprechung des Buches von
Boris Grundl gesetzt: „Steh auf! Bekenntnisse eines Optimisten“. Boris war ein Allrounder im
Leistungssport, bevor er sich Mitte zwanzig durch einen Klippensprung in Mexiko eine hohe
Querschnittslähmung zuzog. Danach hat er sein Diplom-Sportstudium erfolgreich beendet, sich im
Rollstuhl-Rugby zu einem der weltbesten Spieler emporgearbeitet, sich dann aber umorientiert und
eine seiner anderen Begabungen entdeckt. Er gehört heute zu den erfolgreichsten
Management-Trainern, ist ein gefragter Tagungs- und Kongressredner und besitzt eine eigene
Leadership-Akademie. Er lebt nach dem Motto, das dem griechischen Philosophen Anaximander
zugeschrieben wird: „Lebenskunst ist, Problemen nicht auszuweichen, sondern daran zu
wachsen“.
In diesem Sinne und im Namen des DVGS und der gesamten Redaktion von B & G wünschen wir Ihnen
einen erfolgreichen Jahresabschluss und einen guten Start ins neue Jahr 2014. Weichen Sie den
Problemen nicht aus, sondern gehen Sie diese mit Gelassenheit an!
Ihr
Klaus Schüle
Ehrenvorsitzender des DVGS