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DOI: 10.1055/s-0033-1345669
Implantatversagen – Endoprothesenregister – Vorbilder andernorts
Publication History
Publication Date:
25 April 2013 (online)
Register, die Probleme mit Endoprothesen schnell erfassen können, sind in manchen Ländern längst Routine. Ein Blick auf einige davon zeigt: Deutschland hängt um Jahrzehnte zurück – auch wenn jetzt ein Register im Aufbau ist (www.eprd.de).
Und nun Adept. Am 14. Januar 2013 ruft De Puy Synthes weltweit Köpfe bei Hüftgelenkprothesen der Marke Adept zurück – die 12/14-Modular-Head-Komponenten. Zwischen 2004 und 2011 hat das Tochterunternehmen von Johnson & Johnson 7500 Stück davon in über 21 Länder verkauft, 1800 Exemplare nach Deutschland. Grund des Rückrufs sind erhöhte Revisionsraten im britischen und im australischen Endoprothesenregister. Die Revisionsrate nach sieben Jahren liegt für diese Modelle im Vereinigten Königreich (UK) bei 12,1 %. Einmal mehr sorgen so Register in anderen Ländern dafür, dass Probleme mit bestimmten Implantaten erkannt werden, die auch hierzulande im Einsatz sind. Steckbriefe zu drei führenden Registern:
Schweden
… hat weltweit die ältesten Register, die zugleich auch international Maßstäbe setzten. Schon 1975 wurde ein Register für Knieendoprothesen aus der Taufe gehoben, entstanden aus einer Initiative von Orthopäden um Göran Bauer. 1979 folgte das Register Schwedische Hüftendoprothesen, angeschoben vor allem vom Orthopäden Peter Herberts. Ein Vorteil in Schweden wie in allen skandinavischen Ländern: Eine Zuordnung auch wiederholter Operationen gelingt leicht über die Sozialversicherungsnummer des Patienten. Die absoluten Zahlen sind relativ klein: Knapp 16 000 Primärimplantationen künstlicher Hüftgelenke zählte das Schwedische Hüftregister 2010.
Hüftregister
Finanziert wird das Register aus öffentlichen Mitteln. Datensammlung und Auswertung liegen in den Händen von Fachspezialisten beim Registerzentrum VGR in Göteborg, die unter Mitsprache der Schwedischen Orthopädischen Fachgesellschaft ernannt werden. Der Erfassungsgrad ist hoch: 77 von 79 implantierenden Krankenhäusern waren 2008 dabei. 2010 erfasste das Schwedische Hüftregister 98,5 % aller Hüftimplantationen.
Das Register veröffentlicht seine Daten seit 2002 in Annual Reports, wobei jedes Jahr einen anderen thematischen Schwerpunkt hat. Immer wieder wurden dabei auch die genutzten Implantatmodelle verglichen. Das Register hat so dazu beigetragen, dass in Schweden heute eine sehr übersichtliche Marktlage herrscht. Sieben Modelle für Schäfte und zehn für Köpfe machen heute 90 % aller genutzten Hüftimplantate aus, wie der Bericht aus dem Jahr 2010 festhält. Die Konzentration auf einige etablierte Modelle erhöht die Sicherheit für die Patienten, konstatiert der Bericht. Auch wenn man sich damit womöglich den Nachteil einhandele, dass Neuerungen es schwieriger mit dem Marktzugang haben.
Der Jahresbericht listet Teilnahmequoten und Daten zur 90-Tages-Mortalität für jedes einzelne Krankenhaus und die Reoperationsraten binnen eines halben und eines ganzen Jahres auf. Seit 2002 wird obendrein auch die Patientenzufriedenheit abgefragt. Der Erfolg: Schweden hat die niedrigsten Revisionsraten in der Welt. 95 % aller Hüftimplantate halten länger als zehn Jahre. Bereits zwischen 1992 und 2000 war die Revisionsrate bei Totalersatz mit künstlichen Hüftgelenken in der Altersgruppe der über 65-Jährigen in Schweden bei nur noch 6,4 %. In den USA, die – nebenbei – bis heute kein nationales Register haben, lag sie im gleichen Zeitraum in der gleichen Altersgruppe bei 16,9 %.
Im Internet: www.shpr.se/en/Default.aspx
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Knieregister
Ähnliche Größenordnungen gibt es beim schwedischen Knieregister. Alle 74 orthopädischen Einheiten im Land, die künstliche Kniegelenke implantieren, melden heute an das Register. 12 753 primäre Implantationen gab es im Jahr 2011. Die Erfassungsquote liegt bei 97 %. Der Jahresbericht 2012 listet für jedes einzelne Krankenhaus die Revisionsraten und erstellt Rankings.
Das Lund University Hospital unterhält das Register und zahlt dafür auch aus Bordmitteln. Die Protagonisten beklagen eine etwas wackelige Finanzierung ihrer Arbeit durch öffentliche Geldquellen, die nach wie vor einen nicht unbeträchtlichen finanziellen Input durch die Fachwissenschaftler nötig machten.
Im Internet: www.knee.nko.se/english/online/thePages/index.php
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Großbritannien
Das britische National Joint Registry (NJR) verfügt nach eigenen Angaben mit 1,2 Mio. Datensätzen über die weltweit größte Datenbasis. Aufgelegt wurde es 2002 vom britischen Gesundheitsministerium und der Regierung von Wales, seit 2013 macht auch Nordirland mit.
Erfasst wurden zunächst Knie- und Hüftimplantationen, mittlerweile auch Gelenkersatz an Schulter, Ellenbogen und Fußgelenk. 2008 wurde das Management vom britischen Gesundheitsministerium auf eine Healthcare Quality Improvement Partnership (HQIP) übertragen – ein Zusammenschluss von medizinischen Fachgesellschaften. Datenerhebung und Speicherung besorgt primär eine kontrahierte Firma Northgate Information Solutions Ltd. Eine Gruppe um Wissenschaftler der University of Bristol arbeitet federführend bei der Auswertung mit.
Finanziert wird das NJR seit 2011/2012 über eine Umlage auf alle Hüft-, Knie- und Fußgelenkprothesen, seit 2012 auch auf Schulter- und Ellenbogenimplantate. 2011 kamen darüber 3 Mio. britische Pfund in die Kasse. Der Erfassungsgrad ist hoch, er bewegt sich zwischen 93 und 100 % aller tatsächlich stattfindenden Implantationen. Im Jahr 2011 gab es insgesamt 411 orthopädische Abteilungen im Land, davon waren 237 vom staatlichen Gesundheitswesen NHS. Seit 2011 sind alle Einheiten im NHS vom Gesundheitsministerium verpflichtet, relevante Angaben an das Register zu übermitteln.
Von 80 314 Hüftimplantationen im Jahr 2011 waren knapp 11 % Revisionen. Bei den 85 653 Knieimplantationen im gleichen Zeitraum lag die Revisionsrate bei 6,1 %. Das Register differenziert dabei sowohl die Dauerhaftigkeit von Implantaten (die Datenbank zu den Komponenten hat 60 000 Einträge) als auch die Ergebnisse der Chirurgen. So wurden zwischen 2008 und 2011 unter den insgesamt 2810 tätigen Implanteuren 68 identifiziert und für eine Stellungnahme kontaktiert, deren Revisionswerte ungewöhnlich hoch waren. Der aktuelle Jahresbericht 2012 veröffentlicht auch Erfolgsstatistiken der Krankenhäuser.
Statistische Auffälligkeiten bei einzelnen Implantatmodellen führen zur Kontaktaufnahme mit Herstellern. Ab einer gewissen kritischen Höhe gibt es eine Meldung an die britische Behörde für Medizinprodukte, die Marktrücknahmen aussprechen kann.
Für 2011 dokumentiert das NJR einmal mehr generell erhöhte Revisionsraten bei Metall-auf-Metall-Prothesen, und hier wiederum besonders erhöhte Werte für die ASR-Systeme von De Puy. Dass De Puy 2010 seine ASR-Systeme weltweit zurückrief, sei vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die erhöhten Revisionsraten im NJR mit seiner enormen statistischen Power auffielen, hebt der Jahresbericht 2012 hervor. Allerdings gab es just hier auch Kritik am NJR. Denn im australischen Register waren die Schwierigkeiten mit ASR vorher erkannt worden. Die Autoren des NJR rechtfertigen sich damit, dass im Jahr 2010 die Meldebereitschaft im UK noch deutlich niedriger gewesen sei, erst 2011 wurde die Teilnahme am Register für NHS-Häuser verpflichtend. An die 2000 ASR-Implantationen seien so vermutlich nicht gemeldet worden, andernfalls hätte man das Problem früher erkannt.
Das Register sei auf jeden Fall weltweit ein Goldstandard für derartige Einrichtungen, so der Ausschuss für Forschung und Technologie des Unterhauses im November 2012.
Im Internet: www.njrcentre.org.uk
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Australien
Das australische National Joint Replacement Registry wurde 1998 von der Fachgesellschaft der Australischen Orthopäden aus der Taufe gehoben, erfasst seit 1999 die Daten zu Knie- und Hüftgelenkimplantationen, seit 2007 werden sukzessive auch andere Gelenkimplantate mit einbezogen. Seit 2002 werden die Operationen in ganz Australien erfasst. Freiwillig, erklärt die australische Regierung, würden mittlerweile 100 % aller Chirurgen beim Register melden.
Daten- und Auswertungszentrale ist ein Data Management & Analysis Centre (DMAC) an der University of Adelaide. Die Finanzierung erfolgt durch Zahlungen der australischen Regierung an die Australian Orthopedic Association (AOA). 2009 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, nach dem sich die Regierung die Mittel über eine Umlage zurückholen kann, die auf jede verkaufte Hüft- und Knieendoprothese erhoben wird. Der Jahresetat liegt derzeit bei 1,7 Mio. australischen Dollar. Es sind offenkundig Ausgaben, die sich rechnen: Eine Schätzung geht davon aus, dass das australische Register seit seinem Bestehen geholfen hat, die Zahl der Revisionseingriffe bei Knie und Hüfte jährlich um 1200 Fälle zu verringern. Das wäre eine Kostenersparnis von etwa 44,6 Mio. australischen Dollar jährlich.
Das Register verwaltet mittlerweile Daten zu 713 077 Implantationen künstlicher Hüft- und Kniegelenke. Allein im Jahr 2011 kamen 84 984 Meldungen hinzu. 38 022 davon waren Implantationen von Hüftgelenken – verteilt auf Primäroperationen von Totalendoprothesen, Oberflächenersatz sowie Revisionsoperationen.
Insgesamt gab es bei der Hüfte 4646 Revisionen im Jahr 2011, das ist ein Anstieg auf 12,5 % aller Eingriffe, 2010 waren es noch 11,3 %. Von Anfang an war auch in Australien die Suche nach den Gründen für Revisionen Kernpunkt der Arbeit. Auswertungen analysieren daher nicht nur das Abschneiden der Implantate, sondern auch Patientenfaktoren und die Revisionsraten individueller Chirurgen, die einer von vier Erfolgsgruppen zugeordnet werden. Die Chirurgen bleiben aber anonym. Generell gibt es Hinweise auf Mengeneffekte: Wer mehr implantiert, hat oft geringere Revisionsraten. Der aktuelle Jahresbericht listet allerdings auch Kombinationen auf, wo dies nicht gilt – etwa dann, wenn Implantate zum Einsatz gelangen, die offenbar aufgrund von Material- oder Konstruktionsproblemen erhöhte Revisionsraten zeigen.
Der Report listet weiterhin 10-Jahres-Raten für die wichtigsten Modelle bei Knie- und Hüftprothesen am australischen Markt. ASR hat danach auch in Australien seine Spur hinterlassen: Der Anstieg der Revisionen insgesamt bei den Hüftendoprothesen geht überwiegend auf erhöhte Revisionsraten beim De-Puy-ASR-XL-System zurück, das allein 2011 mit 573 Revisionen zu Buche schlug, konstatiert der aktuelle Jahresbericht.
Nicht ohne Stolz ist hinzugefügt: Es war das Register der australischen Orthopäden, wo die erhöhten Revisionsraten mit ASR Oberflächenersatz und dem Komplettersatz ASR XL weltweit erstmals überhaupt auffielen. 2009 nahm der Hersteller diese Modelle daher in Australien vom Markt, ein Jahr bevor er weltweit zurückrief. Der aktuelle Jahresbericht macht auch deutlich: ASR fällt generell aus dem Rahmen, aber auch bei einigen anderen Metall-auf-Metall-Großkopfmodellen (Durchmesser von über 32 mm) sind weiterhin erhöhte Revisionsraten zu erwarten.
Im Internet: https://aoanjrr.dmac.adelaide.edu.au
Übersicht zu Registern weltweit bei EFORT:
www.efort.org/education/registers.aspx
Eine Veröffentlichung zu Erfolgen von Registern:
http://virtualmentor.ama-assn.org/2010/02/oped1-1002.html
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