Z Orthop Unfall 2013; 151(02): 126-128
DOI: 10.1055/s-0033-1345672
Junges Forum
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Update Weiterbildung – Chancen und Risiken einer neuen Weiterbildungsordnung für O&U

Chances and Risks of a new Residency Program for Orthopedics and Trauma Surgery
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Publication Date:
17 May 2013 (online)

 
 

Zusammenfassung

Hintergrund: Der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie stehen grundlegende Änderungen bevor. Anlass ist das Reformkonzept der ständigen Konferenz "Ärztliche Weiterbildung" der Bundesärztekammer (BÄK). Eine Umfrage des Jungen Forums zeigte, dass 50 % der Weiterbildungsassistenten mit der aktuellen Situation unzufrieden sind. Es ist von besonderer Bedeutung die Vorstellungen und Wünsche der in Weiterbildung befindlichen Kollegen in die Überlegungen der Erneuerung eines Weiterbildungskonzeptes einzubeziehen. Um diese Daten zu erfassen führte das Junge Forum der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie eine Umfrage durch.

Material und Methoden: Die internetbasierte Kurzumfrage wurde im Januar 2013 unter den Mitgliedern der Fachgesellschaften (DGU, DGOU und DGOOC) durchgeführt. 408 Ärzte nahmen teil.

Ergebnisse: Die große Mehrheit der teilnehmenden Ärzte strebt eine operative Karriere im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie an. Entsprechend wünscht sich die Mehrzahl (62 %, n = 253) eine Beibehaltung der Zahlen operativer Eingriffe. 86 % (n = 351) wünschen sich für die operativen Eingriffe das höchste Kompetenzlevel "selbstständig durchgeführt".

Schlussfolgerung: Die bevorstehenden Veränderungen der Weiterbildungsstruktur in Orthopädie und Unfallchirurgie bieten die Chance für eine gut strukturierte und praktisch orientierte Weiterbildung. Es stellt einen ersten Schritt dar, um auch die Zufriedenheit im Beruf als Orthopäde und Unfallchirurg zu verbessern.


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Abstract

Background: The residency program for a specialist in orthopedics and trauma surgery is facing fundamental changes based on an initiative originating from the working group "medical training" of the German Medical Association (GMA). A survey indicated that 50 % of all trainees are dissatisfied with their current situation. It appears important to integrate the ideas and wishes of current orthopedic residents in a novel training concept. To assess this a survey was performed by the Young Forum of the German Society for Orthopedics und Trauma Surgery.

Material and Methods: The internet-based short survey was conducted in January 2013 among members of the professional societies (DGU, DGOU and DGOOC). 408 physicians participated.

Results: The majority of the participating physicians is interested in a career in orthopedics and trauma surgery with primarily operative contents. Accordingly the majority (62 %, n = 253) voted against a reduction of numbers of surgical interventions with 86 % (n = 351) confirming the necessity that these operations must be carried out by the trainee himself.

Conclusion: The upcoming changes in residency program for orthopedics and trauma surgery offer the oportunity for a well structured and practical oriented residency program. It could be a furhter step in increasing satisfaction in this profession.


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Das Junge Forum der DGOU hat Anfang des Jahres eine Kurzumfrage unter Ärzten des Fachs Orthopädie und Unfallchirurgie (O&U) durchgeführt. Dabei ging es darum, die Wünsche und Vorstellungen der Weiterbildungsassistenten im Fach O&U hinsichtlich einer neuen Weiterbildungsordnung zu erfassen.

Die ständige Konferenz "Ärztliche Weiterbildung" der Bundesärztekammer (BÄK) hat letztes Jahr ein Reformkonzept erarbeitet, welches die jetzige Weiterbildung, auch im Fach O&U, reformieren soll. Hierbei sollen die Inhalte der Facharztweiterbildung in Kompetenzblöcken definiert werden, denen dann unterschiedliche Kompetenzlevel zugeordnet werden [ 1 ]. Kompetenzlevel 1 bildet hierbei die durch das Medizinstudium erworbene Kompetenz ab, Kompetenzlevel 2 eingehende Kenntnisse in Prävention, Früherkennung, Symptomatologie, Diagnostik, Therapie, Nachsorge und Rehabilitation der wesentlichen Krankheitsbilder [ 1 ]. Kompetenzlevel 3 beinhaltet Erfahrungen und die Fähigkeit, medizinische Maßnahmen bei den wesentlichen Krankheitsbildern des Kompetenzblocks anzuwenden, während Kompetenzlevel 4 bedeutet, Fertigkeiten, die Untersuchungs- und Behandlungsverfahren selbstständig und routinemäßig anzuwenden, inkl. Richtzahlen [ 1 ].

Probleme der aktuellen Weiterbildung

Auf die aktuellen Probleme in der Weiterbildung im Fach O&U haben wir erst kürzlich an anderer Stelle dezidiert hingewiesen [ 2 ]. Zusammenfassend ergab eine aktuelle internetbasierte Umfrage des Jungen Forums der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), an der 730 Weiterbildungsassistenten teilnahmen, dass 50 % der Befragten mit dem Inhalt der aktuellen Weiterbildung unzufrieden waren. Es wurde u. a. die Integration von Lerninhalten aus den benachbarten chirurgischen Fächern, zusätzliches Üben im Simulator, z. B. im Rahmen arthroskopischer Verfahren, sowie ein in die Weiterbildung integriertes Kursprogramm gewünscht.

Neben den Inhalten der Weiterbildung ist die Strukturierung und Umsetzung der Weiterbildung vor Ort in den Weiterbildungsstätten von Bedeutung. Diesbezüglich antworteten in der Umfrage auf die Frage "Sind Sie mit der Organisation Ihrer Weiterbildung in der Klinikzufrieden?" über 50 % mit "nein", was auf Defizite in der Umsetzung der Weiterbildungsordnung (WBO) vor Ort schließen lässt [ 2 ].

Vorschläge zur Verbesserung der Situation beinhalteten die Implementierung eines farblich kodierten individuellen Weiterbildungsmonitors, die Einrichtung eines lokalen Weiterbildungsprogrammdirektors für die Assistentenausbildung, ein frei verfügbares Ranking der Ausbildungsstätten sowie eine externe übergeordnete Kontrolle der tatsächlich abgeleisteten Weiterbildungsinhalte [ 2 ].

Es scheint sinnvoll diese Erfahrungen und Wünsche der sich derzeit in Weiterbildung befindlichen Kollegen mit in ein neues Weiterbildungskonzept zu integrieren, sind sie es doch, die derzeit in der aktuellen Krankenhauslandschaft mit die besten Einblicke in die Defizite der Weiterbildung haben. Die Daten machen ebenfalls deutlich, dass sich über eine Modifikation der Inhalte nur ein geringerer Teil der Defizite in der Weiterbildung lösen lässt. Der Schlüssel zu einer maßgeblichen Verbesserung der Weiterbildungssituation liegt in Maßnahmen, die auf eine Berichtigung der Struktur und Optimierung der Umsetzung in den Weiterbildungsstätten vor Ort abzielen. Dies ist nur schwerlich allein mit einer neuen WBO zu gewährleisten, sondern Bedarf des zusätzlichen Engagements der Fachgesellschaften und der Weiterbilder, z. B. gerade im Bereich der übergeordneten Kontrolle der tatsächlich abgeleisteten Weiterbildungsinhalte.


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Charakterisierung des Fachs O&U

Eine neue Weiterbildungsordnung muss die Wünsche und Vorstellungen der sich im Fach befindlichen Ärzte berücksichtigen. Um dies zu erfassen, führte das Junge Forum der DGOU vom 20.01. bis zum 01.02.2013 eine internetbasierte Kurzumfrage (Powerumfrage) durch, an der sich 408 Ärzte aus dem Fach O&U beteiligten. Über den E-Mail-Verteiler der DGU, DGOOC und DGOU wurden die im Fach O&U tätigen Kollegen aufgefordert, auf dem Hintergrund der neuen WBO, zu wichtigen Punkten Stellung zu beziehen. Die Charakterisierung der Teilnehmer ist ‣ Tabelle [ 1 ] zu entnehmen.

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Tabl. 1 Ergebnisse der internetbasierten Umfrage.

Zusammenfassend strebt somit die Mehrzahl der Befragten eine klinisch-operative Karriere an. Diesbezüglich sollten Inhalt und Struktur einer neuen Weiterbildungsordnung entsprechend darauf ausgerichtet sein, auf diese Tätigkeit vorzubereiten. Hierbei ist selbstständige Durchführung einer adäquaten Anzahl operativer Eingriffe unerlässlich, vor allem wenn man bedenkt, dass im Durchschnitt im Rahmen der 6-jährigen Weiterbildung in Deutschland mit n = 730 in 6 Jahren vs. beispielsweise n = 1572 in 4 Jahren in den USA eine sehr viel geringere Anzahl an operativen Eingriffen vom Weiterbildungsassistenten durchgeführt werden [ 3 ]. Um der Bedeutung eines entsprechenden Operationskatalogs in der Weiterbildung zum Orthopäden und Unfallchirurgen gerecht zu werden, wurden den Teilnehmern der o. g. Umfrage folgende weitere Fragen gestellt (die Ergebnisse sind am Ende der Teilantworten aufgeführt [n absolut / n %]):

Im Rahmen der derzeitigen Erneuerung der WBO stehen auch die OP-Zahlen zur Diskussion. Sollen die operativen Zahlen in WBO zum Facharzt O&U…

  • beibehalten werden? (253 / 62 %)

  • reduziert werden? (83 / 20 %)

  • erhöht werden? (72 / 18 %)

Sollen diese Operationen auch weiterhin in dem Kompetenzlevel "selbstständig durchgeführt" bleiben oder in ein niedrigeres Kompetenzlevel überführt werden, wie z. B. "schon mal gesehen" oder "schon mal mitgemacht" (z. B. als erste Assistenzen)?

  • Ja, soll "selbstständig durchgeführt" bleiben. (351 / 86 %)

  • Nein, soll in niedrigere Kompetenzlevel überführt werden. (57 / 14 %)

Will man somit den o. g. Wünschen der Kollegen im Fach O&U Rechnung tragen, so ist eine vollständige Abbildung des derzeitigen Operationskatalogs im Kompetenzlevel 4 der neuen WBO unerlässlich. Auf die Möglichkeiten von Modifikationen durch Subsummierung einzelner Eingriffe oder der Berücksichtigung unterschiedlicher OP-Techniken haben wir andernorts bereits hingewiesen [ 2 ].


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Forderungen an eine neue WBO aus Sicht der Weiterzubildenden

In der Zusammenschau sind somit an eine neue Weiterbildungsordnung folgende Forderungen zu stellen:

  • Die Generierung sehr gut ausgebildeter Chirurgen, auch im internationalen Vergleich, ist von übergeordneter Bedeutung.

  • Die Weiterbildungsinhalte und deren Strukturierung müssen attraktiv gestaltet werden, um eine ausreichende Nachwuchsrekrutierung für unser Fach zu gewährleisten.

  • Für die Umsetzung und Ausarbeitung eines so bedeutsamen Vorhabens bedarf es ausreichend zeitlicher und personeller Ressourcen, gerade im Hinblick auf die aktuelle Reformierung. Die Qualität des Produkts ist letztendlich entscheidend.

  • Die inhaltlichen Vorgaben sollten sich auf das Wesentliche beschränken; eine inhaltliche Überfrachtung sollte vermieden werden.

  • Die inhaltlichen und strukturellen Vorstellungen der im Fach tätigen jungen Kollegen müssen berücksichtigt werden, denn sie gestalten O&U in der Zukunft.

Anlehnend an die o. g. Umfrage ist festzuhalten, dass die Wünsche und Vorstellungen der sich derzeit in Weiterbildung zum Facharzt O&U befindlichen Ärzte die Entscheidungsgrundlage darstellen, anhand derer sich die kommenden Generationen von Hochschulabsolventen im Fach Humanmedizin FÜR oder GEGEN unser Fach O&U entscheiden werden. Somit sind die Verantwortlichen der Fachgesellschaften aufgefordert, dem Rechnung zu tragen und die Inhalte und Struktur einer neuen Weiterbildung attraktiv zu gestalten, um dem Nachwuchsschwund in unserem Fach entgegenzuwirken.

Des Weiteren muss auch eine neue Weiterbildungsordnung garantieren, dass die Qualifikation der Fachärzte hoch bleibt, um somit weiterhin eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Dies erreicht sie nicht zwangsläufig, indem sie sich einer gesundheitspolitischen Bedarfsplanung unterwirft, welche bekanntlich regelhaften Veränderungen unterliegt und sowieso nur unzureichend durch Erhebungen von begrenzter Wertigkeit und Aktualität dargestellt wird, sondern indem sie aus sich heraus, basierend auf der langen Erfahrung in der Ausbildung hervorragender Chirurgen, weiterhin an wohl definierten Qualitätsmaßstäben festhält. Die selbstständige Durchführung einer ausreichenden Anzahl operativer Eingriffe sowie die Beschränkung auf das Wesentliche gehört mit Sicherheit zu den unverzichtbaren Grundlagen, um es dem Nachwuchs zu ermöglichen, die Fähigkeiten im Fach O&U zu perfektionieren.

"Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird.

Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen" (WJ Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre I, 1).

Für das Junge Forum DGOU:

Prof. Dr. med Mario Perl
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau
Allgemeine und Traumachirurgie

David Merschin
Krankenhaus Rummelsberg
Klinik für Unfall-, Schulter- und Wiederherstellungschirurgie, Sportmedizin und Sporttraumatologie

Dr. med. Matthias Münzberg
BG Unfallklinik Ludwigshafen,
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie


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  • Literatur

  • 1 Korzilius H. Weiterbildung zum Facharzt: Reformkonzept am Start. Dtsch Arztebl 2012; 109: A-2500
  • 2 Perl M, Stange R, Niethard M, Münzberg M. Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie. Mustergültig, mittelmäßig oder mangelhaft?. Der Unfallchirurg 2013; 116: 10-14
  • 3 Stahel PF, Flierl MA. Orthopedic residency training in Germany: an endangered species?. Orthopedics 2008; 31: 742-743

  • Literatur

  • 1 Korzilius H. Weiterbildung zum Facharzt: Reformkonzept am Start. Dtsch Arztebl 2012; 109: A-2500
  • 2 Perl M, Stange R, Niethard M, Münzberg M. Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie. Mustergültig, mittelmäßig oder mangelhaft?. Der Unfallchirurg 2013; 116: 10-14
  • 3 Stahel PF, Flierl MA. Orthopedic residency training in Germany: an endangered species?. Orthopedics 2008; 31: 742-743

 
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Tabl. 1 Ergebnisse der internetbasierten Umfrage.