Z Orthop Unfall 2013; 151(02): 131
DOI: 10.1055/s-0033-1345675
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Knieendoprothetik – Kein erhöhtes Risiko bei kinematischem Alignment

Contributor(s):
Tilmann Calließ
Howell SM et al.
Does A Kinematically Aligned Total Knee Arthroplasty Restore Function Without Failure Regardless of Alignment Category?.

Clin Orthop Relat Res 2013;
471: 1000-1007
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Publication History

Publication Date:
25 April 2013 (online)

 
 

In der Literatur ist eine neue Diskussion über die korrekte Implantatausrichtung in der Knieendoprothetik entfacht, nachdem eine höhere Präzision in der Ausrichtung durch die Navigation nicht zu einer Verbesserung des Patientenoutcomes geführt hat. S. M. Howell et al. haben Versagensrisiko und Outcome bei kinematischem Alignment in Abhängigkeit vom implantierten tibialen Varus untersucht.
Howell SM et al. Does A Kinematically Aligned Total Knee Arthroplasty Restore Function Without Failure Regardless of Alignment Category? Clin Orthop Relat Res 2013; 471: 1000–1007

Einleitung

Das Konzept des kinematischen Alignments in der primären Knieendoprothetik folgt einer Implantatausrichtung anhand der physiologischen präarthrotischen Gelenklinie. Dies bedeutet insbesondere tibial eine meist varische Implantatausrichtung. Fragestellung war, ob eine solche kinematische Implantatausrichtung ein erhöhtes Versagensrisiko oder ein schlechteres Outcome bedeutet in Abhängigkeit vom implantierten tibialen Varus.


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Studiendesign

Retrospektiv wurden 214 kinematisch ausgerichtete Implantationen von Knietotalendoprothesen (K-TEP) mit einer Nachbeobachtungszeit von im Mittel 38 Monaten per Oxford Knee Score (OKS), WOMAC Score und Computertomografie untersucht. Unterschieden wurden die Alignment-Gruppen

  1. neutrale Tibiaausrichtung (≤ 0 °) gegen tibialer Varus (> 0 °),

  2. anatomischer tibiofemoraler Winkel 2,5 °-7,4 ° gegen varus (< 2,5 °) bzw. valgus (> 7,4 °) Konfigurationen und

  3. die mechanische Beinachse innerhalb ± 3 ° gegen varus (> 3 °) und valgus (> -3 °) Outlier.


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Ergebnisse

75 % der untersuchten K-TEP zeigten eine varische tibiale Implantatausrichtung. Dennoch lagen 73 % der Patienten postoperativ mit der Ganzbeinachse innerhalb des ± 3 °-Intervalls, mit 6 % varus und 21 % valgus Outlier. Das funktionelle Ergebnis mit einem mittleren OKS von 43 Punkten und einem WOMAC von 92 Punkten zeigte keine Unterschiede für die genannten Vergleichsgruppen bzw. bei den Outlier. In keiner der Alignment-Gruppen trat eine Frühlockerung oder eine Instabilität auf. Die Gesamt-Revisionsrate (kein Wechsel der Prothese) lag bei 1,4 % (n = 3).


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Kommentar

Das Dogma der mechanischen Implantatausrichtung ± 3 ° wird bei rund 20 % unzufriedenen Patienten zunehmend hinterfragt und nach Konzepten einer physiologischen Implantatausrichtung wie dem kinematischen Alignment gesucht. Obwohl sich die erzielte Ganzbeinachse in dem kinematischen Alignment meist nicht wesentlich von der bisher angestrebten Neutralen unterscheidet, bestehen Bedenken insbesondere gegenüber einer varischen tibialen Implantatausrichtung. Es wird befürchtet, dass die physiologisch schräge Gelenklinie zu einer verkürzten Standzeit oder sogar zu einem frühzeitigen Implantatversagen und einem schlechten Outcome führen könnte. Dieser Kritikpunkt wird in der vorliegenden Arbeit adressiert und scheint mit den hier präsentierten Daten zunächst gekontert. Im Vergleich zur bestehenden Literatur weist das dargestellte Kollektiv mit kinematisch ausgerichteter K-TEP ein hohes funktionelles Outcome und niedrige Versagens- bzw. Revisionsraten, unabhängig von der Gelenklinienorientierung auf.

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Kinematisch ausgerichtete Knieendoprothese mit Wiederherstellung der präarthrotischen Gelenklinienorientierung (links: vor der Operation, rechts: danach).

Als Limitationen dieser Studie ist allerdings der Nachuntersuchungszeitraum von 3 Jahren zu nennen, sodass der Einfluss auf das Langzeitüberleben nicht bewertet werden kann. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass diese Publikation von den Entwicklern der kinematischen Implantatausrichtung über die verwendete patientenindividuelle Schnittblocktechnik verfasst wurde. Auch wenn die Datenlage zur kinematischen Implantatausrichtung insgesamt noch recht überschaubar ist, unterstreicht diese Arbeit einen weiteren Überprüfungsbedarf des aktuellen Denkens in der Knieendoprothetik. Weitere, insbesondere prospektive Studien sind für die genaue Bewertung dieser Technik notwendig.


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Kinematisch ausgerichtete Knieendoprothese mit Wiederherstellung der präarthrotischen Gelenklinienorientierung (links: vor der Operation, rechts: danach).