Aktuelle Ernährungsmedizin 2013; 38(05): e90-e100
DOI: 10.1055/s-0033-1349536
DGEM-Leitlinie Klinische Ernährung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES und der AKE

Besonderheiten der Überwachung bei künstlicher ErnährungS3-Guideline of the German Society for Nutritional Medicine (DGEM) in Cooperation with the GESKES and the AKEMonitoring of Artificial Nutrition: Specific Aspects
W. H. Hartl
1   Ludwig-Maximillians-Universität München – Klinikum der Universität, Campus Großhadern, Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, München, Deutschland
,
K. G. Parhofer
2   Ludwig-Maximillians-Universität München – Klinikum der Universität, Campus Großhadern, Medizinische Klinik II, München, Deutschland
,
D. Kuppinger
1   Ludwig-Maximillians-Universität München – Klinikum der Universität, Campus Großhadern, Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, München, Deutschland
,
P. Rittler
1   Ludwig-Maximillians-Universität München – Klinikum der Universität, Campus Großhadern, Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, München, Deutschland
,
und das DGEM Steering Committee › Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. W. H. Hartl
Chirurgische Klinik und Poliklinik, Campus Großhadern, Klinikum der Universität, LMU München
Marchioninistraße 15
81377 München

Publication History

Publication Date:
08 October 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Fragestellung: Unter künstlicher Ernährung können bestimmte Komplikationen auftreten. Um deren Häufigkeit zu minimieren, sind spezifische Überwachungsmaßnahmen erforderlich. Ziel der vorliegenden Leitlinie ist es, diesbezüglich evidenzbasierte Empfehlungen zu geben.

Methodik: Die bestehende Leitlinie der deutschen ernährungsmedizinischen Fachgesellschaft (DGEM) wurde in Einklang mit den Richtlinien der AWMF und des ÄZQ aktualisiert und erweitert.

Ergebnisse: Die Leitlinie beinhaltet 13 konsentierte Empfehlungen zur spezifischen Überwachung von Patienten, die künstlich ernährt werden. Speziell eingegangen wird auf Probleme bei der Menge der zugeführten Substrate, auf klinische Dysfunktionen des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts (einschließlich eines erhöhten gastralen Residualvolumens, GRV) und auf Glukose- und Fettverwertungsstörungen. Generell sollte die Menge der tatsächlich zugeführten Substrate/Flüssigkeiten engmaschig überwacht und dokumentiert werden. Unter enteraler Ernährung ist speziell bei kritisch kranken Patienten in der Akutphase eine klinische Überwachung der gastrointestinalen Funktionen (Abdominalbefund, Darmtätigkeit) unerlässlich, die bei chirurgischen Patienten auch die Messung des GRV miteinbeziehen sollte. Speziell bei Diabetikern bzw. im Rahmen eines Postaggressionssyndroms ist ferner eine regelmäßige Messung der Glukose- und Triglyzeridkonzentration erforderlich, wobei bestimmte Grenzwerte (400 mg/dL [4,6 mmol/L] bzw. 200 mg/dL [11,0 mmol/L]) nicht überschritten werden sollten.

Schlussfolgerung: Überwachungsmaßnahmen sind unerlässlicher Bestandteil der künstlichen Ernährung. Inhalt und Intensität hängen von der Modalität und von der Art bzw. vom Stadium der Grunderkrankung ab. Spezifische Grenzwerte/Toleranzschwellen sind zu beachten.


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Abstract

Purpose: Artificial nutrition may be associated with specific complications. To minimize their frequency, surveillance measures are indispensable. Based on sound scientific evidence the new guideline wants to present corresponding recommendations.

Methods: In accordance with the principles of the AWMF and the AEZQ, the existing guideline of the German Society of Nutritional Medicine was revised and updated.

Results: The guideline presents 13 consensus-based recommendations concerning the specific surveillance of patients requiring artificial nutrition. We closely address problems related to the adequacy of nutritional support, malfunction of the upper and lower gastrointestinal tract (including an increased gastric residual volume, GRV), and glucose and fat malassimilation. Generally the amount of substrates actually consumed by or delivered to the patient should closely be monitored and documented. In critically ill patients fed enterally, clinical monitoring of gastrointestinal functions (abdominal findings, bowel movements etc.) is indispensable and should be intensified during the acute phase. Surgical patients may profit from an additional measurement of GRV. Diabetic patients and patients during the acute phase of a disease additionally require regular measurements of triglyceride and glucose concentrations. For those parameters it is recommended to respect specific upper limits (400 mg/dL [4.6 mmol/L] and 200 mg/dL [11.0 mmol/L], respectively).

Conclusion: Surveillance measures are an integral part of artificial nutrition. Way and intensity of surveillance measures are guided by the modality of artificial nutrition, and by the type and stage of the underlying disease. Specific upper limits/threshold concentrations should be respected.


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1 Einführung

Bei künstlicher Ernährung sind 2 Arten von Komplikationen denkbar, die unter Umständen dramatische Folgen für die Patientenprognose haben können, jedoch durch eine entsprechende Überwachung des Patienten vermieden werden können. Zum einen kann durch unzureichende/falsche Zufuhr von Kalorien bzw. Substraten eine Katabolie und Kostensteigerung resultieren, zum anderen sind therapiespezifische Nebenwirkungen denkbar. Im Rahmen der enteralen Nahrungszufuhr kann es durch gastrointestinale Passagestörungen zu Reflux, Mikroaspiration, Erbrechen, Makroaspiration und Aspirationspneumonie kommen, bei Passagebeschleunigung (Durchfällen) besteht die Gefahr der Malabsorption. Unter parenteraler Ernährung besteht eine besondere Gefahr von Substratverwertungsstörungen (Hyperglykämie, Hypertriglyzeridämie). Im Folgenden wird speziell auf die Überwachung von Patienten in der Akutphase einer künstlichen Ernährung eingegangen. Der Sonderfall der Überwachung von Patienten unter langfristiger parenteraler Ernährung wird in der S3-Leitlinie „Künstliche Ernährung im ambulanten Bereich“ abgehandelt.


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2 Methodik

Die vorliegende Arbeit ist eine Weiterentwicklung und Aktualisierung der DGEM-Leitlinie „Leitlinie Parenterale Ernährung der DGEM – Komplikationen und Monitoring“ [1]. Neben dem Monitoring bei parenteraler Ernährung werden in der Leitlinie auch Empfehlungen ausgesprochen, die das Monitoring bei enteraler Ernährung betreffen. Es handelt sich hierbei um eine S3-Leitlinie der DGEM (AWMF-Registernummer 073/022). Die Methodik ist im Leitlinienreport ausführlich beschrieben, wo sich auch die Suchstrategien und Evidenztabellen finden. Der Leitlinienreport ist über die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) abrufbar (www.awmf.org, AWMF-Registernummer der Fachgesellschaft 073). Ein Auszug zum methodischen Vorgehen bei der Leitlinienerstellung wurde bereits in der Aktuellen Ernährungsmedizin veröffentlicht [2]. Neben dem Empfehlungsgrad wird auch die Outcome-Bewertung bei den Empfehlungen mitangegeben (Biomedizinische Endpunkte [BM], Patientenzentriertes Outcome [PC], Gesundheitsökonomische Parameter [HE], Medizinische Entscheidungsfindung [DM], Mehr-Komponenten-Outcome-Modelle [MC]) [3].


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3 Spezielles Monitoring bei enteraler Ernährung

3.1 Ist eine Überwachung der tatsächlich zugeführten Substrat- und Flüssigkeitsmenge nötig?

Empfehlung 1:

Die tägliche Registrierung der tatsächlich zugeführten Substrat- und Flüssigkeitsmenge soll unter enteraler (speziell gastraler) Ernährung Bestandteil der Überwachungsmaßnahmen sein.
[KKP; starker Konsens]

Kommentar: Die Häufigkeit von Motilitätsstörungen im oberen oder unteren Gastrointestinaltrakt kann speziell bei Intensivpatienten bis zu 80 % betragen. Dabei werden ernährungsassoziierte Durchfälle seltener (in 10 – 20 % der Fälle), Passageverzögerungen deutlich häufiger (in bestimmten Kollektiven bis zu 85 % der Fälle) beobachtet [4]. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund gastrointestinaler Komplikationen oder Unterbrechungen der enteralen Ernährung aus anderer Ursache bei kritisch kranken Patienten im Mittel nur etwa 50 % der verordneten Kalorien effizient enteral zuzuführen sind. Besonders gefährdet sind dabei Patienten, die über eine Magensonde ernährt werden. Motilitätsstörungen beinhalten somit immer das Risiko, unerwünscht zu wenige Kalorien zuzuführen. Um dies zu erkennen (und um ggf. gegenzusteuern), ist die tägliche Registrierung der tatsächlich zugeführten Substrat- und Flüssigkeitsmenge unerlässlich.


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3.2 Ist eine klinische Evaluation des Abdomens und der Darmfunktion unter enteraler Ernährung nötig?

Empfehlung 2:

In der Anfangsphase und bei Verschlechterung des Allgemeinzustands soll die regelmäßige klinische Evaluation des Abdomens und der Darmfunktion (Obstipation/Diarrhö) unter enteraler Ernährung Bestandteil der Überwachungsmaßnahmen sein.
[KKP; starker Konsens]

Kommentar: Besonders hervorzuheben sind Störungen der gastralen Motilität. So kann bei etwa 50 % der invasiv beatmeten Patienten und bei 80 % der Patienten mit zerebralem Hypertonus nach Schädel-Hirn-Trauma eine Verzögerung der Magenentleerung beobachtet werden. Besonders häufig betroffen sind auch septische Patienten oder solche nach Polytrauma oder Verbrennungen [5]. Neben der Gastroparese können paralytische Motilitätsstörungen im Dünndarm und im Dickdarm (Pseudoobstruktion des Kolons) als Folge von SIRS oder Sepsis auftreten [6]. Die Häufigkeit klinisch auffälliger abdomineller Befunde schwankt dabei zwischen 20 und 70 % [7]. Die Makroaspiration von regurgitiertem/erbrochenem Mageninhalt ist die am meisten gefürchtete Komplikation der enteralen Ernährung und kann zu schweren Aspirationspneumonien führen [4]. Zusätzlich zu gastrointestinalen Motilitätsstörungen gibt es jedoch noch eine Reihe weiterer Faktoren, die das Risiko für eine Aspiration erhöhen können (z. B. Vorhandensein einer Magensonde, neurologisches Defizit, Intubation oder Flachlagerung) [8] [9]. Diese multifaktorielle Kausalität hat es in der Vergangenheit außerordentlich erschwert, aus ernährungsmedizinischer Sicht eindeutige Überwachungskriterien zu formulieren, um einer Makroaspiration und Aspirationspneumonie unter enteraler Ernährung vorzubeugen.

Weitere Komplikationen der enteralen Ernährung können Durchfälle aber auch eine Obstipation sein. Die Klassifizierung der Stuhlformen erfolgt dabei entsprechend der Bristol-Stuhlformen-Skala [10]. Die Häufigkeit von ernährungsassoziierten Durchfällen (Typ 7 der Skala) beläuft sich bei Intensivpatienten auf etwa 10 – 20 %. In der Regel wird ein Durchfallsleiden dann diagnostiziert, wenn pro Tag mehr als 3 – 5-mal flüssiger Stuhlgang oder mehr als 250 – 500 mL pro Stuhlgang abgesetzt werden. Bezüglich der Obstipation existiert für kritisch kranke Patienten keine klare Definition. Einzelne Autoren diagnostizieren eine Obstipation, wenn über einen Zeitraum von 3 Tagen kein Stuhlgang abgesetzt wird. Unter Annahme einer solchen Definition ist die Häufigkeit dieses Symptoms bei Intensivpatienten sehr variabel (5 – 85 %) [7] [11].

Die Überwachung der gastrointestinalen Motilität dient in der Summe 3 Zwecken: Vorbeugung von pulmonalen Komplikationen, Initiierung spezifischer therapeutischer Maßnahmen, Registrierung der tatsächlich zugeführten/mutmaßlich resorbierten Kalorien. Alle älteren Leitlinien stimmen darin überein (allerdings nur auf der Basis einer Expertenmeinung), dass die regelmäßige klinische Evaluation des Abdomens (radiologische sowie körperliche Untersuchung, Stuhlfrequenz) Bestandteil der Überwachungsmaßnahmen sein sollte [4] [11] [12]. Allerdings ist nirgends festgelegt, ab welchem Grad eines pathologischen klinischen bzw. radiologischen Befundes eine Modifizierung der enteralen Ernährung (Dosisreduktion oder Unterbrechung) erfolgen sollte. Nur bei vital bedrohlichen Befunden (z. B. extreme Überblähung des Kolons mit Gefahr der Perforation) ist die Entscheidung zur Unterbrechung der enteralen Ernährung offensichtlich.

Die klinische Überwachung des abdominellen Befunds ist in der Regel eine ärztliche Tätigkeit und hängt hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Intensität vom Schweregrad der Grunderkrankung und von der Stabilität der gastrointestinalen Funktionen ab. Im Vordergrund steht dabei die körperliche Untersuchung, die bei pathologischen Befunden ggf. durch radiologische Maßnahmen ergänzt werden kann.


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3.3 Ist unter gastraler Sondenernährung eine Messung des gastralen Residualvolumens nötig?

Empfehlung 3:

Unter gastraler Sondenernährung soll bei abdominal-chirurgischen Patienten eine regelmäßige (4 – 6 stündliche) Messung des gastralen Residualvolumens zur Steuerung der Applikationsmenge/-geschwindigkeit erfolgen.
[KKP; Konsens]

Empfehlung 4:

Bei internistischen Patienten mit der Notwendigkeit einer invasiven Beatmung soll eine Messung des gastralen Residualvolumens nicht zum Einsatz kommen.
[A (BM); starker Konsens]

Kommentar: Als Surrogatparameter für das Erkennen von gastrointestinalen Motilitätsstörungen wurde in der Vergangenheit das gastrale Residualvolumen (GRV) verwendet. Zwei unterschiedliche Verfahren stehen zur Bestimmung des gastralen Residualvolumens zur Verfügung: Entweder wird die Magensonde mit einem Drainagebeutel konnektiert, geöffnet und der Drainagebeutel für 10 min unterhalb des Thoraxniveaus gelagert, oder der residuale Mageninhalt wird mit einer 50 mL-Spritze über die Magensonde weitestmöglich aspiriert. Unter standardisierten äußeren Bedingungen korreliert bei kritisch kranken Patienten die Höhe des GRV mit der Geschwindigkeit der Magenentleerung, jedoch nicht mit den klinisch-radiologischen Befunden am Abdomen [13] [14]. Problematisch ist ferner, dass für die Höhe des GRV neben der Motilität weitere wichtige Determinanten wie der Durchmesser der Sonde, die Art des gastralen Zugangs (transnasal oder perkutan) oder die Lagerung des Patienten existieren [8] [13] [15]. Diese Kovariablen und die Kovariablen, die neben den gastrointestinalen Motilitätsstörungen ebenfalls mit den Studienendpunkten (Aspirationsereignisse, Pneumonie) assoziiert sein können (z. B. oropharyngeale Mikroaspirationen), haben es in der Vergangenheit außerordentlich erschwert, die klinische Relevanz des GRV-Monitorings zu validieren [16]. Aufgrund der leichten Handhabung haben die Messung des GRV und die Steuerung der enteralen Ernährung nach dieser Variablen dennoch Eingang in entsprechende Leitlinien gefunden [4] [11] [12] [17].

Bei Intensivpatienten wurden bisher der Nutzen der Messung des GRV und damit assoziierte klinische Ereignisse (Erbrechen, Aspiration, Pneumonie) in 11 prospektiven Studien (5 randomisierte kontrollierte Studien ([Evidenztabelle 1]) und 6 Beobachtungsstudien ([Evidenztabelle 2]) systematisch untersucht. Alle Studien wurden an invasiv beatmeten Patienten durchgeführt. Die Interpretation der randomisierten Studien ist durch mehrere Probleme limitiert: a) fehlende Angaben zum Durchmesser der verwendeten Sonden [18], b) gleichhäufiger Einschluss von Patienten mit nasogastraler und perkutaner Sonde bei gleichzeitig sehr kleiner Fallzahl [19], c) Verwendung von Prokinetika bei hohem GRV [20], d) Randomisierung der Patienten nicht nach Höhe des GRV, sondern nach der Geschwindigkeit des Nahrungsaufbaus [21] und e) gezielter Ausschluss von Hochrisikopatienten (Patienten nach abdominal-chirurgischen Eingriffen) [22].

Evidenztabelle 1

Prospektive randomisierte Studien, die unterschiedliche Schwellen des gastralen Residualvolumens (GRV) zur Steuerung der enteralen Nahrungszufuhr (Ernährungspause) bzw. Häufigkeiten eines erhöhten GRV untersuchten.

Referenz

Evidenzgrad

Studientyp

n

Charakteristika der Studienpopulation

Schwelle für Unterbrechung der Ernährung

Endpunkt

Sondenart

Ergebnis

Pinilla et al. 2001 [20]

Ib

prospektiv, randomisiert, monozentrisch

96

50 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

GRV > 150 mL vs.

GRV > 250 mL + Prokinetika

Häufigkeit von Erbrechen

100 % Magensonde
14 – 18F

nicht signifikant

McClave et al. 2005 [19]

Ib

prospektiv, randomisiert, monozentrisch

40

62,5 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

GRV > 200 mL vs. GRV > 400 mL

Häufigkeit von Aspiration

19-mal Magensonde
12F

19-mal PEG

nicht signifikant

Montejo et al. 2010 [18]

Ib

prospektiv, randomisiert, multizentrisch

329

internistisch

(invasive Beatmung)

GRV > 200 mL vs. GRV > 500 mL

Häufigkeit von Aspiration

keine Angabe

nicht signifikant

Reignier et al. 2013 [22]

Ib

prospektiv, randomisiert, multizentrisch

449

93 % internistisch

(invasive Beatmung)

GRV > 250 mL vs. Erbrechen (keine GRV-Schwelle)

Häufigkeit von beatmungsassoziierten Pneumonien

keine Angabe

nicht signifikant

Desachy et al. 2008 [21]

Ib

prospektiv, randomisiert, multizentrisch

100

32 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

Häufigkeit von

GRV > 300 mL: 22 % vs. 58 %

Häufigkeit von Erbrechen

100 % Magensonde
16 – 18F

nicht signifikant

GRV = gastrales Residualvolumen, PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie

Evidenztabelle 2

Prospektive Beobachtungsstudien, die den Einfluss einer Funktionsstörung im oberen Gastrointestinaltrakt auf die Häufigkeit pulmonaler Komplikationen untersuchten.

Referenz

Evidenz-grad

Studientyp

n

Charakteristika der Studienpopulation

Definition der untersuchten Funktionsstörung

abhängige Variable

Sondenart

Art der statistischen Auswertung

Effekt

Mentec et al. 2001 [26]

III

Beobachtungsstudie; monozentrisch

153

58 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

GRV > 150 – 500 mL (2-mal in Folge) oder GRV > 500 mL oder Erbrechen

Häufigkeit von Pneumonie

100 % Magensonde

14F

univariat

signifikant

Elpern et al. 2004 [24]

III

Beobachtungsstudie; monozentrisch

39

internistisch

(invasive Beatmung)

GRV > 150 mL

Häufigkeit von Pneumonie

keine Angabe

univariat

nicht signifikant

Metheny et al. 2006 [27]

III

Beobachtungsstudie; multizentrisch

182

76 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

GRV > 200 mL

(≥ 2-mal in Folge)

Häufigkeit von Aspiration über 4 Tage

45 % Magensonde

10F

univariat

nicht signifikant

(p = 0,085)

Metheny et al. 2008 [23]

III

Beobachtungsstudie; monozentrisch

206

71 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

GRV > 150 mL/GRV > 200 mL/GRV > 250 mL

Häufigkeit von Aspiration über 3 Tage

100 %

Magensonde

14 – 18F

multivariat

signifikant

für > 200 mL

(≥ 2 Messungen)

Umbrello et al. 2009 [25]

III

Beobachtungsstudie; monozentrisch

78

26 % chirurgisch

(invasive Beatmung)

Erbrechen ± GRV 150 – 500 mL (2-mal) ± GRV > 500 mL (1-mal)

Häufigkeit von Pneumonie

keine Angabe

univariat

nicht signifikant

Poulard et al. 2010 [28]

III

Beobachtungsstudie; monozentrisch

205

internistisch

(invasive Beatmung)

Erbrechen

(keine GRV-Schwelle)

Häufigkeit von Pneumonie

100 % Magensonde

14F

univariat

nicht signifikant

GRV = gastrales Residualvolumen

Die größte Fallzahl (449 Patienten) weist die Studie von Reignier et al. auf [22], die bei einem praktisch rein internistischen Kollektiv keinen Unterschied in der Häufigkeit an beatmungsassoziierten Pneumonien fand, wenn entweder ein Schwellenwert von 250 mL für das GRV oder gar kein Schwellenwert (Verzicht auf GRV-Überwachung) zur Anwendung kam. In die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse der Studie von Montejo et al. [18], die bei einem erneut rein internistischen Kollektiv ebenfalls keinen Unterschied hinsichtlich der Aspirationshäufigkeit fand, wenn 200 oder 500 mL als Schwellenwerte des GRV verwendet wurde.

Ob sich diese Ergebnisse auch auf chirurgische Intensivpatienten (speziell nach abdominellen Eingriffen) übertragen lassen, ist nicht bekannt. Auch die Interpretation der Beobachtungsstudien ist problematisch. Bis auf eine Ausnahme [23] erfolgte keine statistische Berücksichtigung von Confoundern (nur univariate Analysen) [24] [25] [26] [27] [28], bei 2 Studien finden sich keine Angaben zum Durchmesser der verwendeten Magensonde [24] [25], in einer Studie wurde bei fast der Hälfte der Patienten eine zu kleine Magensonde (10F) verwendet [27]. Die methodisch beste Studie [23] beobachtete 206 Intensivpatienten (76 % chirurgisch) und konnte nach Berücksichtigung von Störgrößen zeigen, dass die Höhe des GRV signifikant mit einer erhöhten Aspirationsfrequenz korrelierte. Hinsichtlich rein internistischer Kollektive besitzt die ebenfalls sehr große Beobachtungsstudie von Poulard et al. [28] (n = 205) noch die größte Aussagekraft. Anhand eines Vorher/Nachher-Vergleichs konnte gezeigt werden, dass auch der völlige Verzicht auf eine GRV-Überwachung nicht die Pneumoniehäufigkeit erhöhte, falls das Erbrechen eines Patienten zur Therapiesteuerung herangezogen wurde.

Zieht man die Güte und das Design aller Studien in die Formulierung einer Empfehlung mit ein, so ist bei internistischen Patienten ohne abdominal-chirurgischer Anamnese, jedoch mit der Notwendigkeit einer invasiven Beatmung, eine Messung des GRV nicht angezeigt. Voraussetzung ist jedoch eine entsprechende Erfahrung im Umgang mit enteraler Ernährung [29]. Bei chirurgischen Patienten (speziell nach abdominal-chirurgischen Eingriffen) ist nach derzeitigem Wissenstand jedoch eine regelmäßige Messung des GRV zu empfehlen.

Die Überwachung des GRV liegt üblicherweise in der Hand des Pflegepersonals, welches diesbezüglich entsprechend ausgebildet sein sollte [30]. Falls indiziert (siehe oben), ist eine regelmäßige (4 – 6 stündliche) Messung des gastralen Residualvolumens zur Steuerung der Applikationsmenge/-geschwindigkeit anzustreben. Es handelt sich dabei jedoch um Erfahrungswerte, klinische Studien speziell zu dieser Thematik existieren nicht.


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3.4 Welche Schwellenwerte hinsichtlich des gastralen Residualvolumens können zur Steuerung der gastralen Ernährung zur Anwendung kommen?

Empfehlung 5:

Bei Patienten mit abdominal-chirurgischer Grunderkrankung kann hinsichtlich des gastralen Residualvolumens ein Schwellenwert von 200 mL erwogen werden.
[C (BM); starker Konsens]

Empfehlung 6:

Bei Erreichen des Schwellenwerts soll eine Modifizierung der Zufuhrrate erfolgen.
[KKP; starker Konsens]

Kommentar: Als GRV-Schwellenwerte für die Therapiemodifikation wurden in älteren Leitlinien 500 mL [4] [12], 300 mL [11] und 250 mL [17] angegeben (Messung jeweils 4 Stunden nach Beginn der Ernährung). Die methodisch beste Beobachtungsstudie [23] (und gleichzeitig die Studie mit dem höchsten Anteil an chirurgischen Patienten) konnte zeigen, dass eine mehr als einmalige Messung eines GRV von > 200 mL signifikant mit einer erhöhten Aspirationsfrequenz assoziiert war. Somit legt diese Studie auch nahe, oberhalb dieses Schwellenwerts die Menge der zuzuführenden Nahrung zu reduzieren, um pulmonale Komplikationen zu vermeiden.


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3.5 Welche Parameter können zur Steuerung der gastralen Ernährung bei internistischen Intensivpatienten zur Anwendung kommen?

Empfehlung 7:

Bei Patienten mit internistischer Grunderkrankung und mit der Notwendigkeit einer invasiven Beatmung soll bei Erbrechen eine Modifizierung der Zufuhrrate erfolgen.
[A (BM); starker Konsens]

Kommentar: Die kontrollierte Studie von Reignier et al. [22] fand bei einem praktisch rein internistischen Kollektiv keinen Unterschied in der Häufigkeit an beatmungsassoziierten Pneumonien, wenn entweder ein Schwellenwert von 250 mL für das GRV zur Anwendung kam oder wenn die Nahrungszufuhr nur nach klinischen Kriterien (Erbrechen des Patienten unter Zufuhr) gesteuerte wurde.


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4 Spezielles Monitoring bei parenteraler Ernährung

4.1 Zu erwartende Nebenwirkungen

Unter parenteraler Ernährung besteht eine besondere Gefahr, dass Hyperglykämien exazerbieren und im Extremfall im hyperosmolaren, hyperglykämischen, nonketotischen Koma enden. Bei parenteraler Zufuhr von Fett, eventuell in Verbindung mit Fettstoffwechselstörungen, sind Hypertriglyzeridämien zu beachten. Desgleichen kann es bei Zufuhr hoher Mengen an Kohlenhydraten zu einer überschießenden Kohlendioxidproduktion kommen. Zu den hepatischen Komplikationen unter parenteraler Ernährung zählen die Steatosis hepatis (Leberverfettung), ferner die Cholestase [31] [32] [33].


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4.2 Triglyzeridkonzentration

4.2.1 Ist unter parenteraler Fettzufuhr regelmäßig eine Kontrolle der Triglyzeridkonzentration nötig?

Empfehlung 8:

Unter parenteraler Fettzufuhr sollte regelmäßig eine Kontrolle der Triglyzeridkonzentration erfolgen. Die Häufigkeit der Kontrolle wird durch die Stabilität des Fettstoffwechsels, das Alter des Patienten sowie den Schweregrad der Grunderkrankung bestimmt (mindestens jedoch 2-mal/Woche bei hospitalisierten Patienten).
[KKP; starker Konsens]

Kommentar: Hyperlipidämien treten bei ca. 25 – 50 % der behandelten Patienten auf. In einer multizentrischen Studie konnte gezeigt werden, dass neben der Menge und Zusammensetzung der infundierten Lipide auch eine Reihe von anderen Faktoren (Hyperglykämie, Niereninsuffizienz, Steroidgabe, Krankheitsschwere, gleichzeitige Heparingabe) das Ausmaß der Hyperlipidämie beeinflussen kann [33]. Gesichert ist ferner, dass bestimmte Phospholipide das Ausmaß einer Hyperlipidämie verändern können [34]. Unklar ist bisher, ob die Art des zugeführten Fettes (speziell langkettige Fettsäuren) einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer Hypertriglyzeridämie hat [35].

Zu schnelle Lipidinfusionen (> 2,5 g/kg/Tag bzw. > 0,11 g/kg/h) können unabhängig von der Zusammensetzung der Emulsion den pulmonalen Gasaustausch verschlechtern und den pulmonalvaskulären Widerstand bei ARDS-Patienten erhöhen. Bei schneller Fettinfusion kommt es sowohl unter kommerzieller LCT (sojaölbasierte Fettemulsionen) wie auch LCT/MCT-Infusion akut zu einer Verschlechterung des Gasaustauschs, der Compliance und des pulmonal-vaskulären Widerstands [32] [36]. Diese Nebenwirkungen wurden jedoch nur bei ARDS-Patienten beobachtet und sind bei gesunden Individuen nicht festzustellen. Unter langsamer Fettinfusion bleibt die Lungenfunktion bei entsprechenden Risikopatienten jedoch stabil [37].

Unter Infusion langkettiger Triglyzeride wurden ferner mehrere Veränderungen im spezifischen und unspezifischen Immunsystem beschrieben, die jedoch nicht einheitlich reproduzierbar waren und deren klinische Relevanz bis heute deswegen unklar ist. Zu diesen Veränderungen zählen eine verstärkte Freisetzung freier Radikale in Leukozyten und eine Hemmung der Migrationsfähigkeit in Makrophagen bei gesunden Probanden [33]. Unter langsamer Infusionsgeschwindigkeit blieb jedoch die Makrophagenfunktion bei Patienten mit Magenkarzinom unverändert. Ebenfalls nur marginal eingeschränkt war die Funktion neutrophiler Granulozyten (bacterial killing) bei LCT-Infusion [38] und mit Ausnahme einer Studie war auch die Chemotaxis nicht negativ verändert [38]. Bei elektiv operierten Patienten waren im Gegensatz zu In-vitro-Untersuchungen unter LCT-Infusion keine relevanten Veränderungen im spezifischen Immunsystem festzustellen (Lymphozytenproliferation, Zahl der Lymphozyten, der T-Zellen, B-Zellen, CD4+-Lymphozyten, CD8+-Lymphozyten oder der natürlichen Killerzellen) [39]. Inwieweit vor allem LCT-Emulsionen das Immunsystem kritisch kranker Patienten beeinflussen, ist bei spärlicher Datenlage derzeit unklar. Ausgeprägte und klinisch relevante Effekte sind jedoch denkbar, da unter LCT-Infusion Leukozyten von septischen Patienten deutlich mehr proinflammatorische Zytokine ausschütten [40].


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4.2.2 Welche oberen Grenzwerte sollten hinsichtlich der Triglyzeridkonzentration nicht überschritten werden?

Empfehlung 9:

In Akutsituationen (auch bei kritisch kranken Patienten) können Triglyzeridkonzentrationen bis zu 400 mg/dL (4,6 mmol/L) toleriert werden.
[KKP; Konsens]

Kommentar: Eine ausgeprägte Hyperlipidämie (Triglyzeridkonzentrationen > 1000 mg/dL [11,5 mmol/L], meist > 5000 mg/dL [57,5 mmol/L]) kann zu einer akuten Pankreatitis führen und die Mikrozirkulation beeinträchtigen. Allerdings besteht keine eindeutige Assoziation zwischen dem Ausmaß der Hyperlipidämie und dem Risiko, eine Pankreatitis zu entwickeln. Der Schwellenwert von 1000 mg/dL (11,5 mmol/L) ist willkürlich und nicht evidenzbasiert [41] [42]. Unklar ist auch, ob die TPN-assoziierte Hyperlipidämie tatsächlich ein ähnliches Risiko für die Pankreatitis birgt, wie die durch den vermehrten Nachweis von Chylomikronen und VLDL-bedingte Hyperlipidämie. Weiterhin ist unklar, ob die TPN-assoziierte Hyperlipidämie, auch wenn sie längerfristig besteht, ein Atheroskleroserisiko darstellt, da nicht vermehrt Apolipoprotein-B-haltige Lipoproteine nachweisbar sind.

Die Angabe einer Oberschwelle für die unter Fettapplikation zu beobachtende Triglyzeridkonzentration ist schwierig. Einzelbeobachtungen bei Pankreatitispatienten berichten über eine beschleunigte Regredienz der Entzündungsreaktion bei Werten < 500 mg/dL [41]. Auf dieser Basis hat sich die Empfehlung etabliert, in Akutsituationen (auch bei kritisch kranken Patienten) Triglyzeridkonzentration bis zu 400 mg/dL (4,6 mmol/L) zu tolerieren [43]. Aus internistischer Sicht ist jedoch heute akzeptiert, dass Triglyzeridkonzentrationen > 150 mg/dL (1,7 mmol/L) langfristig Krankheitswert besitzen (z. B. bei der Definition eines metabolischen Syndroms) [44] [45]. Bei diabetischen Patienten mit Triglyzeridkonzentrationen > 177 mg/dL (2,0 mmol/L) (und normaler LDL-Cholesterinkonzentration unter Therapie mit Lipidsenkern) empfehlen entsprechende Leitlinien, die medikamentöse Therapie auszuweiten [46]. Allerdings beruhen diese Schwellenwerte nur auf der Annahme von langfristig negativen kardiovaskulären Effekten, die sich als Folge der Hypertriglyzeridämie ergeben. Unklar ist, ob bei kritisch kranken Patienten auch kurzfristige Konzentrationserhöhungen (und zwar unabhängig von einer Pankreatitis) akut schädlich sind. Anhand einer Subgruppenanalyse der ersten Studie zur strengeren Blutzuckerkontrolle (überwiegend herzchirurgische Intensivpatienten mit einer Mindestverweildauer auf der Intensivstation von 7 Tagen) aus Leuven [47] fand sich univariat eine starke Assoziation zwischen der Letalität auf der Intensivstation und der Höhe der Triglyzeridkonzentrationen. Wurden allerdings Kofaktoren berücksichtigt, so zeigte sich kein negativer Effekt der Hypertriglyzeridämie mehr [48]. Allerdings erscheint eine weitere Zufuhr von Fetten bei erhöhten Triglyzeridwerten auch unter dem Aspekt der Substratzufuhr wenig sinnvoll, da die angebotenen Triglyzeride offensichtlich nicht verwertet werden können. In der gleichen Studie zeigte sich auch eine Assoziation zwischen Hyperlipidämie und der Wahrscheinlichkeit, ein akutes Nierenversagen zu entwickeln. Diese Assoziation blieb auch nach Berücksichtigung von Kovariablen signifikant, sodass eine gewisse Kausalität angenommen werden kann. Der Mechanismus, der dabei zum Nierenversagen führt, ist hypothetisch. Diskutiert wird die Rolle von vermehrt anfallenden, nephrotoxischen Fettsäuren, für deren Serumkonzentration die Triglyzeridkonzentration ein Marker wäre [48]. Weitere Untersuchungen derselben Arbeitsgruppe an einem größeren Patientenkollektiv lassen es möglich erscheinen, dass nephrotoxische Effekte oberhalb einer Triglyzeridkonzentration von 200 mg/dL (2,3 mmol/L) zu erwarten sind [49]. Allerdings ließ sich nach Berücksichtigung von Kofaktoren kein signifikanter Effekt der Triglyzeridkonzentration mehr nachweisen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass unter intravenöser Fettzufuhr eine ernährungsgetriggerte Überwachung der Lungenfunktion bzw. der immunologischen Funktionen nicht nötig ist, falls die empfohlenen Dosierungen eingehalten werden und reine LCT-Präparate vermieden werden [50].


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4.3 Blutzuckerkonzentration

4.3.1 Wann ist eine Kontrolle der Blutzuckerkonzentration nötig?

Empfehlung 10:

Im Rahmen einer künstlichen Ernährung soll speziell bei Diabetikern und bei ausgeprägtem Stressstoffwechsel eine Kontrolle der Blutzuckerkonzentration erfolgen.
[KKP; starker Konsens]

Kommentar: Zahlreiche klinische Studien konnten zeigen, dass die Hyperglykämie bei chirurgisch septischen Patienten, bei Patienten nach Bypassoperation, Patienten nach Myokardinfarkt sowie bei Patienten mit Schlaganfall mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert ist [47] [51] [52] [53] [54] [55] [56] [57] [58] [59] [60] [61]. Experimentelle Daten lassen es möglich erscheinen, dass die Hyperglykämie kausal mit den Komplikationen verknüpft ist. Bei länger anhaltender Hyperglykämie ähneln die möglichen Folgeerkrankungen den Komplikationen bei Diabetes mellitus. Allerdings ist speziell bei parenteraler Ernährung das Risiko für infektiöse Komplikationen auch allein aufgrund des zentralvenösen Zugangs und der die parenterale Ernährung bedingenden Grunderkrankung erhöht. Hypo- und Hyperglykämie sind bis heute die schwerwiegendsten metabolischen Komplikationen unter künstlicher Nahrungszufuhr. Es konnte gezeigt werden, dass unter parenteraler Ernährung bereits etwa 7 % der Patienten, die maximal 7 g/kg/d Glukose erhalten, eine Hyperglykämie (definiert als Blutzuckerkonzentration > 200 mg/dL, 11,0 mmol/L) entwickeln. Bekommen die Patienten mehr als 5 mg/kg/min Glukose, so steigt die Hyperglykämiehäufigkeit auf fast 50 % an [62]. Wichtige Prädiktoren hierfür sind eine vorbestehende Insulinresistenz oder ein bekannter Diabetes mellitus, die Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung, eine begleitende Steroidtherapie und die Menge der zugeführten Glukose. Im Extremfall kann eine derartige Hyperglykämie zum hyperosmolaren, hyperglykämischen Koma führen, dessen Letalität bei Patienten jenseits des 50. Lebensjahres bis auf 14 % steigen kann [63]. Neben erhöhten Blutzuckerkonzentrationen stehen hier neurologische Symptome wie Verwirrtheitszustände, Verlangsamung oder lethargische Erscheinungsbilder im Vordergrund und gehen dem eigentlichen Koma oft voraus. Hyperglykämische Komplikationen werden zusätzlich noch durch Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus verstärkt.


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4.3.2 Ist bei Intensivpatienten eine Blutzuckereinstellung unter einem Wert von 110 mg/dL (6,1 mmol/L) nötig?

Empfehlung 11:

Bei der Blutzuckereinstellung durch Insulingabe soll ein Zielwert von 110 mg/dL (6,1 mmol/L) nicht unterschritten werden.
[A (BM); starker Konsens]

Kommentar: Die Empfehlung beruht auf der kontrollierten NICE-SUGAR-Studie [64] ([Tab. 1]). Im Rahmen dieser Studie wurden 3054 Patienten mittels intensivierter Insulintherapie behandelt, um Blutglukosezielwerte von 81 – 108 mg/dL zu erreichen. In der konventionell therapierten Vergleichsgruppe (3050 Patienten) wurden Werte bis zu 180 mg/dL toleriert. Erstaunlicherweise zeigte diese Studie eine signifikant höhere 90-Tage-Letalität von 27,5 % in der intensiv therapierten Gruppe, während die Letalität in der konventionell therapierten Gruppe nur bei 24,9 % lag. Es gab dabei keinen Unterschied zwischen Patienten mit chirurgischer oder internistischer Grunderkrankung.

Tab. 1

Vergleich von Studiencharakteristika zwischen der multizentrischen NICE-SUGAR-Studie [64] und der ersten monozentrischen Studie aus Leuven [47], die die Auswirkungen einer intensiveren Insulintherapie auf die Patientenprognose untersuchte (EN = enterale Ernährung).

NICE SUGAR

Leuven I

Effekt auf 28-Tages-Letalität

Ø

Ausmaß des Organversagens

vergleichbar

maximale BZ-Obergrenze in den Interventionsarmen

108 vs. 180 mg/dl

110 vs. 215 mg/dl

Art der BZ-Analyse

Point of Care BZ-Messung (Kalium nicht mitbestimmt)

Blutgasanalysator

Art der Blutabnahme

kapilläre Bestimmung möglich

nur arteriell

Art der initialen Ernährung

hypokalorisch EN

(TPN verzögert)

eukalorisch EN

(ggf. + TPN)

% der Patienten im BZ-Zielbereich

< 50 %

70 %


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4.3.3 Welche Blutzuckerkonzentrationen sollten bei Intensivpatienten angestrebt werden?

Empfehlung 12:

Bei Intensivpatienten können Blutzuckerkonzentrationen zwischen 140 – 200 mg/dL (7,7 – 11,0 mmol/L) toleriert werden.
[C (BM); starker Konsens]

Kommentar: Bis heute ist ebenfalls kontrovers, welcher Grenzwert der Blutzuckerkonzentration bei spezifischen Patientenkollektiven in der Akutsituation zur Vermeidung von Sekundärkomplikationen angestrebt werden sollte. In der allerersten Studie, die zum Thema an 1600 überwiegend herzchirurgischen Intensivpatienten in Leuven/Belgien durchgeführt worden war (sog. Leuven-I-Studie), konnte gezeigt werden, dass eine gute Blutzuckereinstellung (Glukosekonzentration 80 – 110 mg/dL [4,4 – 6,1 mmol/L]) gegenüber einer konventionellen Blutzuckereinstellung (Glukosekonzentration 80 bis 180 – 200 mg/dL [4,4 bis 9,9 – 11,0 mmol/L]) einen Vorteil hinsichtlich 28-Tages-Letalität und Morbidität erbringt [47]. Aus 4 Gründen ist diese Studie allerdings bis heute Gegenstand intensiver Kritik: a) die Studie wurde wegen eines unerwartet starken Therapieeffekts vorzeitig abgebrochen (Gefahr falsch positiver Ergebnisse), b) das Ausmaß der Letalitätsverbesserung, welches durch Absenkung der morgendlichen Blutzuckerkonzentration um ca. 50 mg/dL erreicht werden konnte, ist biologisch sehr schwer zu erklären und wurde bisher bei Intensivpatienten durch keine andere therapeutische Maßnahme erreicht, c) die Letalität in der Kontrollgruppe lag deutlich über Werten, die für vergleichbare Kollektive von anderen Krankenhäusern der Maximalversorgung bekannt sind und d) alle Patienten erhielten postoperativ unmittelbar nach Aufnahme auf die Intensivstation täglich parenteral 200 – 300 g Glukose bzw. parenterale Ernährung (ein nicht mehr dem heutigen Standard entsprechendes Therapiekonzept). In der Folge wurden dann zahlreiche weitere kontrollierte Studien durchgeführt, um die Ergebnisse dieser monozentrischen Studie zu reproduzieren. Zusammenfassend ist zunächst festzustellen, dass nur die Folgestudien, die in der gleichen Institution (Leuven) an internistischen bzw. pädiatrischen Patienten durchgeführt worden waren, die günstigen Auswirkungen einer sehr strengen Blutzuckereinstellung reproduzieren konnten [65] [66]. Alle anderen Studien mit ausreichender Fallzahl und adäquatem Design lieferten neutrale oder sogar negative Ergebnisse. Die Ergebnisse der bis dato zur Blutzuckereinstellung bei Intensivpatienten durchgeführten kontrollierten Studien wurden in 8 Metaanalysen [67] [68] [69] [70] [71] [72] [73] [74] ausgewertet ([Evidenztabelle 3]). Drei Metaanalysen von Pittas et al., Haga et al. und Gandhi et al. [67] [68] [69] konnten dabei unter schärferer Blutzuckereinstellung (Blutzuckerkonzentration < 200 mg/dL [11,0 mmol/L]) eine Letalitätsreduktion zeigen. Diese 3 Metaanalysen besitzen jedoch aufgrund ihrer kleinen bzw. sehr kleinen Fallzahl [67] ein hohes Risiko für falsch positive Ergebnisse. Zwei dieser Metanalysen [67] [68] beinhalteten ferner auch Studien mit intraoperativer Insulinapplikation bei herzchirurgischen Patienten (sog. Glukose-Insulin-Kalium-Therapie) und sind deswegen im Hinblick auf eine operationsunabhängige Insulintherapie nicht aussagekräftig. Die Ergebnisse der Metaanalyse von Gandhi et al. [68] leidet zusätzlich unter dem Konflikt, dass die Letalitätsverbesserung nicht von einer Morbiditätsverbesserung begleitet war und dass bei Elimination der Leuven-I-Studie [47] aus der Analyse kein Effekt mehr nachweisbar war. Die Metaanalyse von Pittas et al. [69] ist ebenfalls aufgrund der Dominanz der Leuven-I-Studie [47] nicht interpretierbar und die Metaanalyse von Haga et al. [67] wertete ausschließlich herzchirurgische Patienten aus (ohne die Leuven-I-Studie). Fünf weitere, aufgrund der Fallzahl und der Auswahlkriterien deutlich aussagekräftigere Metaanalysen von Friedrich et al., Wiener et al., Griesdale et al., Kansagara et al. und Marik et al. [70] [71] [72] [73] [74] konnten nicht mehr zeigen, dass eine strengere Blutzuckereinstellung (Blutzuckerkonzentration < 150 mg/dL [8,3 mmol/L]) die Letalität verbesserte. Gleichzeitig ließ sich jedoch eine vermehrte Häufigkeit an Hypoglykämien nachweisen. Allerdings führte die intensivere Insulintherapie in der Metaanalyse von Wiener et al. [71] zu einer geringeren Häufigkeit an Septikämien, in der Metaanalyse von Griesdale et al. [72] zu einer geringeren Letalität in einer Subgruppe (chirurgische Intensivpatienten) und in der Metaanalyse von Marik et al. [73] zu einer erhöhten Überlebenswahrscheinlichkeit, wenn die Patienten überwiegend parenteral ernährt worden waren. Auch die letzten 5 Metaanalysen sind Gegenstand heftiger Kritik [75] [76] [77]. Bei den Analysen von Friedrich et al. [74], Kansagara et al. [70], Wiener et al. [71] und Griesdale et al. [72] ist – im direkten Vergleich mit der Leuven-I-Studie – problematisch, dass die Studien, die in die Analysen eingeschlossen worden waren, für die strenge Einstellung der Blutzuckerkonzentration keine einheitliche Zielkonzentration (im Interventionsarm sowohl < 110 mg/dL (6,1 mmol/L) als auch < 150 mg/dL [8,3 mmol/L]) wählten. Ferner wählten die Analysen von Friedrich et al. [74], Wiener et al. [71] und Griesdale et al. [72] einen Endpunkt für die Letalität (Mischung aus ICU-, 28-, 90-, 180-Tage- oder Krankenhaus-Letalität), der nicht mit dem der ersten erfolgreichen Studie aus Leuven [47] identisch war (nur 28-Tages-Letalität). Beide Kritikpunkte wurden in der Metaanalyse von Marik et al. [73] umgangen, ohne dass dies die Ergebnisse prinzipiell geändert hätte. Auch in der Analyse von Kansagara et al. [70], die ebenfalls nur die 28-Tages-Letalität als Zielpunkt wählte, ließ sich kein vorteilhafter Effekt nachweisen. Allerdings ist auch die den Kriterien der Leuven-I-Studie am ehesten entsprechende Analyse von Marik et al. [73] nicht unumstritten. In dieser Metaanalyse stammten mehr als 50 % der analysierten Patienten aus einer einzigen großen Studie (NICE-SUGAR [64]), die somit ganz wesentlich die Ergebnisse der Metaanalyse beeinflusste. Letztere Studie wiederum ist nicht deckungsgleich mit der Leuven-I-Studie. [Tab. 1] stellt die wichtigsten Unterschiede zur ersten erfolgreichen Studie aus Leuven [47] dar. Prinzipiell von Bedeutung ist die Tatsache, dass die NICE-SUGAR-Studie weniger effizient bei der Blutzuckereinstellung war. Die Blutzuckereinstellung in der NICE-SUGAR-Studie war zusätzlich durch ungenauere Messmethoden unsicherer und möglicherweise mit mehr unerwünschten Nebenwirkungen (auf der Basis von unerkannten Schwankungen der Kaliumkonzentration) verbunden. Ferner wurde in der NICE-SUGAR-Studie weniger aggressiv ernährt und in der Kontrollgruppe wurde bereits ein gewisses Maß an intensiverer Insulintherapie durchgeführt. All diese Unterschiede könnten den günstigen Effekt einer Blutzuckereinstellung auf Werte zwischen 80 und 108 mg/dL (4,4 und 6,0 mmol/L) verschleiert haben [76]. Allerdings müssten diese interferierenden Effekte sehr ausgeprägt gewesen sein, da in der NICE-SUGAR-Studie die 90-Tages-Letalität im Interventionsarm (Blutzucker 80 – 108 mg/dL [4,4 und 6,0 mmol/L]) signifikant höher war als in der Kontrollgruppe (Blutzucker 80 – 180 mg/dL [4,4 und 9,9 mmol/L]).

Evidenztabelle 3

Metaanalysen, die den Einfluss einer strengen Blutzuckerkontrolle auf Morbidität und Letalität untersuchten.

Referenz

Evidenzgrad

Studienzahl

Patientenzahl

Studienziel im Interventionsarm

Endpunkt für Letalität

Effekt auf Letalität

Effekt auf Morbidität

Häufigkeit von Hypoglykämien

Wiener et al. 2008 [71]

Ia

29

8 432

(ICU)

BZ < 150 mg/dL oder < 110 mg/dL

Krankenhaus

Ø

Griesdale et al. 2009 [72]

Ia

26

13567

(ICU)

BZ < 150 mg/dL oder < 110 mg/dL

Krankenhaus oder

28 Tage oder 90 Tage oder ICU

alle Patienten: Ø

chirurgisch: ↓

internistisch: Ø

gemischt: Ø

keine Angabe

Marik et al. 2010 [73]

Ia

7

11 425

(ICU)

BZ < 110 mg/dL

28 Tage

alle Patienten: Ø

TPN: ↓

Ø

Haga et al. 2011 [67]

Ia

3

1 493

(ICU herzchirurgisch)

BZ < 200 mg/dL oder < 100 mg/dL

(intra-/postoperativ)

28 Tage oder ICU

(↓)

(selektive Studien)

keine Angabe

Pittas et al. 2004 [69]

Ia

8

2 772

(ICU)

BZ < 200 mg/dL oder < 110 mg/dL

Krankenhaus oder

30 Tage nach Entlassung

keine Angabe

Gandhi et al. 2008 [68]

Ia

14

4 355

(chirurgisch, ICU/Non-ICU)

BZ < 200 mg/dL

(intra-/postoperativ)

Krankenhaus oder

30 Tage postoperativ

Ø

Kansagara et al. 2011 [70]

Ia

21

14 768

(ICU/Non-ICU)

BZ < 150 mg/dL oder < 120 mg/dL

28 Tage und 90 oder 180 Tage

Ø

Ø

Friedrich et al. 2010 [74]

Ia

18

6 164

(ICU chirurgisch)

BZ < 150 mg/dL oder < 110 mg/dL

Krankenhaus oder

28, 90 oder 180 Tage oder ICU

Ø

keine Angabe

keine Angabe

ICU = Intensive Care Unit, BZ = Blutzucker, Ø = kein Effekt, ↓ = signifikante Abnahme, ↑ = signifikante Zunahme, (↓) = einige der ausgewerteten Studien zeigen eine rückläufige Komplikationsrate, es wurde jedoch keine Metaanalyse der Komplikationen gemacht, TPN = total parenteral nutrition

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch bei eingeschränkter Lebenserwartung in aller Regel keine dauerhaften Blutzuckerwerte über 200 mg/dL (11,0 mmol/L) akzeptiert werden sollten, da dies erheblich mit der Lebensqualität interferiert (Exsikkose, Polyurie etc.). Wenn möglich, sollten Blutzuckerspiegel unter 180 – 200 mg/dL (9,9 – 11,0 mmol/L) angestrebt werden [78]. Eine strengere Einstellung (< 110 mg/dL [6,1 mmol/L]) kann – wenn überhaupt – nur bei chirurgischen Kollektiven erwogen werden, wenn die Substratzufuhr überwiegend parenteral erfolgt und wenn gleichzeitig die Möglichkeit zur engmaschigen und präzisen Kontrolle auch sekundärer Parameter (Kaliumkonzentration) gegeben ist. Grundlage für dieses Statement ist eine hypothesengenerierende Subgruppenbeobachtung in der Analyse von Marik et al. [73]. Die Masse der Patienten scheint von einer strengen Blutzuckereinstellung nicht zu profitieren. Ob dies an den in der Routinetherapie überproportional häufig zu beobachtenden Hypoglykämien liegt oder ob die bisherigen pathophysiologischen Konzepte, die der Hyperglykämie zugrunde liegen, falsch sind, muss offen bleiben [79].


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4.3.4 Wie häufig soll eine Kontrolle der Blutzuckerkonzentration erfolgen?

Empfehlung 13:

Im Rahmen einer künstlichen Ernährung soll in der Frühphase der künstlichen Ernährung und/oder bei ausgeprägtem Stressstoffwechsel mindestens 3 – 4-mal täglich eine Kontrolle der Blutzuckerkonzentration erfolgen. Unter Insulintherapie soll die Überwachungsfrequenz in Abhängigkeit von der Dosis erhöht werden.
[KKP; starker Konsens]

Kommentar: Da – basierend auf Langzeitbeobachtungen bei Diabetikern – eine weitgehend gesicherte Assoziation zwischen schwerer Hyperglykämie und Immunfunktion, neurologischer Funktion bzw. Infekthäufigkeit besteht, ist insbesondere bei diesen Patienten während der stationären Therapie eine engmaschige Überwachung und Kontrolle der Blutzuckerkonzentration zu empfehlen. Studien mit klaren Aussagen zur Intensität der Blutzuckerüberwachung existieren jedoch nicht.

Bei Patienten mit Diabetes mellitus kommt in der Regel ein Blutzuckertagesprofil (3 – 4 Messungen täglich) zur Anwendung. Die Häufigkeit der Blutzuckerkontrolle ist dabei zusätzlich dem klinischen Zustandsbild anzupassen. In den ersten Tagen nach Einleitung einer künstlichen Ernährung bzw. in der Akutphase nach Homöostasestörung sind ebenfalls 3 – 4 tägliche Kontrollen zu empfehlen. Bei sehr intensiver Insulintherapie/ausgeprägten Konzentrationsschwankungen kann jedoch eine besonders engmaschige Überwachung angezeigt sein (bis zu 12-mal täglich).

Aufgrund der inzwischen breit propagierten intravenösen Insulintherapie zur Senkung der Blutzuckerkonzentration hat die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien unter Insulintherapie (begleitend zur Ernährungstherapie) signifikant zugenommen. Entsprechende Inzidenzen bewegen sich in der Größenordnung zwischen 4 und 5 % [80] und sind ebenfalls mit schweren neurologischen Funktionsdefiziten vergesellschaftet. Somit muss insbesondere unter intravenöser Insulintherapie auf eine äußerst engmaschige Kontrolle der Blutzuckerkonzentration Wert gelegt werden. Derartige Kontrollen sollten bei entsprechend instabilen Patienten und bei kurzfristigen Insulindosisveränderungen mindestens alle 3 – 4 Stunden erfolgen [81]. Besondere Vorsicht ist beim plötzlichen Abbruch der Kohlenhydrat- und Insulinzufuhr unter Insulintherapie angezeigt. Hier können aufgrund der längeren biologischen Wirksamkeit von Insulin (15 – 30 min) besonders schwere Hypoglykämien auftreten. Bei niedrigen Blutzuckerspiegeln kann unter Umständen sogar prophylaktisch zunächst ein Weiterführen der Kohlenhydratzufuhr über das Ende der Insulinzufuhr hinaus erforderlich sein. Nur so können lebensbedrohliche Rebound-Hypoglykämien verhindert werden. Unklar ist jedoch bis heute, ob hypoglykämische Episoden über die akute neurologische Symptomatik hinaus die Morbidität und Letalität direkt beeinflussen. Eine Assoziation von sehr niedrigen Blutzuckerkonzentrationen und Patientenprognose ist unbestritten. Kontrovers ist jedoch die Frage nach der Kausalität. Denkbar ist auch, dass die Hypoglykämiehäufigkeit einen Surrogatparameter für andere Variablen (z. B. Empfindlichkeit gegenüber kardialen Ischämien) darstellt, die tatsächlich die Prognose bestimmen [82].


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Interessenkonflikt

Gemäß den AWMF-Richtlinien wurden die bestehenden potenziellen Interessenkonflikte zu Beginn der Leitlinienarbeit von allen Autoren bzw. Arbeitsgruppenmitgliedern dargelegt. Die Autoren/Arbeitsgruppenmitglieder haben bei folgenden Punkten entsprechende Angaben gemacht:
Berater- bzw. Gutachtertätigkeit oder Mitglied eines wissenschaftlichen Beirats eines Unternehmens: K. G. Parhofer, S. C. Bischoff, H. Lochs, J. Ockenga, C. Sieber.
Vortragshonorare von Unternehmen: K. G. Parhofer, P. Rittler, Bischoff, H. Lochs, A. Weimann, M. Adolph, J. Ockenga, C. Sieber.
Finanzielle Zuwendungen für Forschungsvorhaben von Seiten eines Unternehmens: W. H. Hartl, K. G. Parhofer, P. Rittler, S. C. Bischoff, A. Weimann, C. Sieber.
Die anderen Autoren haben keinen Interessenkonflikt.
Einzelheiten sind im Leitlinienreport hinterlegt.

* DGEM Steering Committee: Bischoff SC, Lochs H, Weimann A, Adolph M, Ockenga J, Sieber C


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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. W. H. Hartl
Chirurgische Klinik und Poliklinik, Campus Großhadern, Klinikum der Universität, LMU München
Marchioninistraße 15
81377 München

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