physiopraxis 2013; 11(06): 3
DOI: 10.1055/s-0033-1349691
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Schweigen? Nicht immer

Kathrin Bauer

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Kathrin Bauer
Physiotherapeutin und Redakteurin

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Publikationsdatum:
20. Juni 2013 (online)

 

    Kathrin Bauer

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    _ Vor Kurzem ist die Oma meiner Freundin ganz plötzlich gestorben. Ihre Schwester war zu diesem Zeitpunkt im Urlaub in Malaysia. Der Großteil der Familie wollte ihr nichts sagen - sie sollte den Urlaub genießen und nicht früher wegen der Beerdigung nach Hause fliegen müssen. Die Entscheidung war gut gemeint, allerdings ganz und gar nicht im Sinne der Schwester - und hatte auch keinen Bestand. Denn via Facebook bekam die Ahnungslose Beileidsbekundungen von Freunden und Bekannten nach Malaysia geschickt und rief völlig verwirrt zu Hause an. Die Familie musste das Schweigen brechen. Die Schwester flog zwei Tage früher heim und konnte bei der Beerdigung dabei sein. In diesem Fall wäre Schweigen Silber und Reden Gold gewesen.

    _ In der Therapie sieht das ein wenig anders aus. Da gilt in den meisten Fällen „Schweigen ist Gold“ („Schweigepflicht“, S. 46). Wenn ein Patient nicht gefragt werden kann, ob er mit der Weitergabe von Informationen einverstanden ist, ist Einfühlungsvermögen gefragt. Denn in diesem Fall muss man mutmaßen, wie sich der Patient im Falle einer Befragung entscheiden würde - eine schwere Aufgabe. Sich zu überlegen, was man sich selbst in dieser Situation wünschen würde, hilft. Hätte das beispielsweise die Familie meiner Freundin gemacht, hätte sie mit Sicherheit einen anderen Entschluss gefasst ...

    Herzlichst, Ihre

    Kathrin Bauer


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