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DOI: 10.1055/s-0033-1350819
Zur Osteosynthese bei Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer – Möglichkeiten zum Hardware Downsizing, Lingual Plating
On the Osteosynthesis of Atrophic Mandible Fractures – Options for Hardware Downsizing, Lingual PlatingPublication History
Publication Date:
20 January 2014 (online)
- Spezielle Aspekte bei Osteosynthesen im zahnlosen atrophen Unterkiefer
- Atrophiegrade – Einteilung nach Luhr 11, 12
- Therapeutische Optionen
- Fixationstechniken
- Locking Plates
- Kompressionsplatten
- Pencilbone Plate
- Synthes UniLOCK 2.0™
- Knochenaugmentation
- Operativer Zugang
- Therapieverfahren und ihre Komplikationen
- Hardware-„Downsizing“ möglich?
- Ausblick – Alternative Plattenpositionierung: Basal and Lingual Plating
- Fazit
- Literatur
Zusammenfassung
Die Frakturbehandlung im zahnlosen atrophen Unterkiefer ist problematisch. Dies hat seine Gründe in lokalen Faktoren, wie der reduzierten ossären Quantität und Qualität sowie in altersassoziierten Komorbiditäten. Die Therapiemöglichkeiten reichen von minimalistisch konservativen Ansätzen über die Applikation von Miniplatten unter Verwendung transoraler chirurgischer Zugänge bis hin zur aggressiven transfazial-submandibulären Dissektion mit Reposition und Montage von Makro- bzw. Rekonstruktionsplatten. Wenn Rekonstruktionsplattensysteme mit einem hochatrophen „Pencilbone“-Unterkiefer zusammentreffen, wird ein „Overengineering“ deutlich, da die Massivität des Osteosynthesematerials und der residuale Knochen in krassem Missverhältnis zueinander stehen. Wegen der hohen Stabilität der mit Rekonstruktionsplatten überbrückten Frakturen gelten diese jedoch nach wie vor als Referenz für Vergleiche mit anderen internen Fixationsverfahren bzw. Plattenvarianten und Konstrukten.
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Abstract
The management of atrophic mandible fractures is challenging. This is attributed to local factors like impaired bone quality and quantity as well as to age-related comorbidities. Therapeutic options range from minimalistic non-operative approaches over the transoral application of miniplates to extended submandibular approaches with application of reconstruction plates. Stabilising a “pencil-bone” mandible with a large macroplate may appear like “over-engineering” due to the size discrepancy between bone and plate. However, treatment of atrophic mandible fractures with reconstruction plates can still be considered as the standard because of the high stability that is achievable.
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Spezielle Aspekte bei Osteosynthesen im zahnlosen atrophen Unterkiefer
Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer machen nur einen geringen prozentualen Anteil am Gesamtaufkommen aller Gesichtsschädelfrakturen aus (ca. 1 % [1] und ca. 3 % [2]).
Prädilektionsgebiet für Frakturen im zahnlosen mäßig atrophen Unterkiefer ist die Korpusregion dorsal des Foramen mentale [3]. Mit fortschreitenden Atrophiegraden wandern die Frakturen offenbar weiter nach anterior und durchqueren direkt die foraminale Region oder die nervale Austrittsöffnung [4]. Die genannten Unterkieferabschnitte sind im zahnlosen Unterkiefer mit 62 % [4] bis 86 % [5] weitaus häufiger von Frakturen betroffen als in der bezahnten Mandibula.
Die Mehrheit der Patienten mit Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer gehört zur älteren Bevölkerungsgruppe (> 65–70 Jahre), weshalb mit einer hohen Inzidenz von systemischen Komorbiditäten zu rechnen ist, z. B. kardiovaskulären oder chronisch respiratorischen Erkrankungen und Diabetes mellitus.
Oftmals liegt zusätzlich eine Fehl- oder sogar eine Unterernährungssituation vor [5], [6].
Überdies können ungünstige lokale Faktoren, wie die Abnahme der vertikalen Knochenhöhe, eine veränderte Knochenqualität (altersassoziierte Osteoporose, aber auch Sklerosierung bzw. Dichtezunahme der Knochen-Kortices, [7]), Abnahme der Vaskularisation [8], [9] oder eine progene intermaxilläre Relation des Unterkiefers zur Oberkieferposition [10] zu einem erhöhten Risiko für Komplikationen bei einer operativen Frakturversorgung beitragen.
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Atrophiegrade – Einteilung nach Luhr [11], [12]
Die Reparation und das Remodelling (extern und intern) des residualen Unterkiefer-Alveolarfortsatzes nach Verlust oder Extraktion aller Zähne verläuft nach stereotypen Gesetzmäßigkeiten mit periostal-osteoklastischer Resorption, die in der horizontalen Dimension beginnt und sich später vertikal fortsetzt. Die horizontale Resorption soll durch muskulären Druck von Lippen, Wange und Zunge zustande kommen, der Resorptionsvorgang in Vertikalrichtung wird als Inaktivitätsatrophie gedeutet. Die Resorptionsraten sind in den ersten Monaten nach Zahnverlust am größten, verlangsamen sich nach 6 Monaten deutlich und erreichen eine Stabilitätsphase nach 1–2 Jahren [13]. Die progredienten Resorptionsstadien im Unterkiefer zeigen charakteristische Formen in den Knochenquerschnitten, für die mehrere Klassifikationen vorgeschlagen wurden [14], [15]. Am bekanntesten ist die Einteilung von [16], nach der 6 Resorptionsklassen unterschieden werden. Diese Einteilung geht aus von Anfangsphasen mit gerundetem Kieferkamm über „messerscharfe Kammformen“ mit erhaltener Höhe und reduzierter Breite bis hin zur vollständigen Abflachung der alveolären Knochenpartien, um bei hochatrophen Extremvarianten mit Resorption bis in die basalen Unterkieferstrukturen, „negativem“ Höhenprofil und direkt unter dem Mukoperiost frei liegenden N. alveolaris inferior zu enden.
Atrophiegrad |
Vertikalhöhe in der Frakturzone |
---|---|
keine traumatologisch relevante Atrophie |
> 20 mm |
Klasse I |
16–20 mm |
Klasse II |
11–15 mm |
Klasse III |
≤ 10 mm |
In Abhängigkeit der variierenden Atrophiegrade und infolge der möglichen Risikokonstellationen durch systemische und weitere lokale Faktoren gilt die adäquate Frakturbehandlung im zahnlosen Unterkiefer als besondere Herausforderung und gibt seit vielen Jahren Anlass zu Kontroversen [17].
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Therapeutische Optionen
Grundsätzlich sind die konservativen, geschlossenen Methoden von den operativen Techniken mit offener Reposition und Fixation zu unterscheiden. Bei den konservativen Techniken reicht das Spektrum von der Verordnung weicher Kost [18] über das Tragen von Kopf-Kinn-Kappen bis zum „Eingliedern“ von vorhandenem Zahnersatz wie Unterkiefer-Totalprothesen oder von besonders angefertigten Gunning Splints (Gunning 1863) zur mandibulomaxillären Fixation ([Abb. 2]).
Zur Befestigung von Prothesen bzw. Gunning Splints verwendete man lange Zeit Drahtumschlingungen des Unterkiefers (circummandibular wiring). Diese wurden perkutan mithilfe von Führungsahlen eingebracht. Seit Mitte der 1980er-Jahre werden Osteosyntheseschrauben verwendet. Bei einer geschlossenen Behandlung werden die dislozierten Fragmentenden manuell oder durch Instrumentenzug (z. B. mittels Klemmen) in Kontakt gebracht, bevor die Frakturzone ruhig gestellt wird. Ein einfaches und interessantes Verfahren zur Fragmentimmobilisation durch maxillomandibuläre Fixation im zahnlosen Kiefer ist die Applikation von Miniplatten zur Distanzüberbrückung zwischen Ober- und Unterkiefer unter Aufrechterhaltung der vertikalen Kieferrelation [19], [20]. Dazu werden die Plattenenden von ca. 4–5 cm langen Miniplatten an gegenüberliegenden Stellen auf der vestibulären Schleimhautseite der Alveolarfortsätze des Ober- und Unterkiefers bis hoch in die Umschlagfalten ankonturiert und mit mindestens 2 Schrauben auf jeder Seite transmukös – vorzugsweise mit Locking-Schrauben, damit die Platte im Abstand von der Schleimhaut gehalten wird – befestigt ([Abb. 3]).
Historisch war der Fixateur externe eine der ersten Möglichkeiten zur operativen Behandlung von Unterkieferfrakturen ([21], [22] u. v. m.) und kam insbesondere dann zur Anwendung, wenn Frakturen vorlagen, die mit den damals gebräuchlichen intraoralen Schienen- oder Prothesenverbänden nur unzureichend zu behandeln waren. Hierzu zählen bspw. dislozierte Brüche im zahnlosen Unterkiefer oder Trümmer- und Defektsituationen. Aktuelle Fixateur-externe-Systeme bestehen aus die Haut penetrierenden Fixationselementen (Metall Pins bzw. Schanz-Schrauben) und einem aufsteck- und verschraubbaren äußeren Gerüst in Form eines Metallbogens. Die Systeme zeichnen sich durch eine einfache, schnelle und atraumatische Handhabung ohne Notwendigkeit zu einer größeren Exposition der Knochenoberflächen aus. Wegen der sperrigen, den Patienten beeinträchtigenden äußeren Rahmenkonstruktion beschränkt sich der Einsatz eines Fixateur externe heutzutage freilich auf wenige andere Indikationen ([23], [24], [25], Probst et al. 2013 – dieses OP-Journal).
Die offene Reposition von Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer bietet zahlreiche Optionen zur internen Fixierung mit Osteosyntheseplatten in unterschiedlichem Design und variierender Dimensionierung (d. h. Mini- und Makroplatten) sowie zur Kombination mit mehreren Typen von Knochentransplantaten ([Tab. 2]).
Plattensysteme zur offenen Reposition und Fixation |
---|
Miniplatten (Champy-Prinzip) |
intermediäre Platten (z. B. Synthes 2.0 UniLOCK Medium Profile, Large Profile) |
Makroplatten |
Rekonstruktionsplatten (> 2,4 mm)
|
[Kompressionsplatten] |
Pencilbone-Platten – Modus Trilock |
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Fixationstechniken
Nach operativer Freilegung und Reposition der Fragmente stehen verschiedene Fixationstechniken mit Osteosyntheseplatten zur Verfügung ([Tab. 2]). Entsprechend ihrem Querschnitt bzw. ihrer Profilstärke werden die Osteosyntheseplatten danach eingeteilt, ob sich eine Stabilität bzw. Kraftübertragung im Sinne eines Load Sharing oder Load Bearing [26] erreichen lässt ([Abb. 4]).
Beim Load Sharing übernimmt der Knochen nach adaptiver Verplattung die funktionelle Hauptlast während der Kraftübertragung, beim Load Bearing wird die Kraftübertragung zur alleinigen Aufgabe der Platte. Die Profilstärke der Platten wird im Allgemeinen nicht direkt, sondern über die zur Fixation verwendeten Schraubendurchmesser (in mm) angegeben. Die Grenze zwischen Mini- und Makroplatten, die im Schrifttum nicht genau definiert ist, beginnt sicherlich bei einem Schraubendurchmesser oberhalb von 2 mm.
Zu einer Load-Sharing-Osteosynthese bei Unterkieferfrakturen kommen demnach Miniplatten (Schraubendurchmesser 1.5, 1.7, 2 mm), die nach den Prinzipien von Michelet et al. [27] und Champy et al. [28], [29], [30], [31], [32] angebracht werden, zur Anwendung. Die Dimension der Knochenquerschnitte an den Frakturenden muss dabei zur funktionellen Lastübertragung während der Mastikation ausreichen, denn die Osteosynthese mit miniaturisierten Platten kompensiert vornehmlich Zugkräfte und liefert insofern nur einen geringen Beitrag zur Stabilität. Im Gegensatz zur Lastteilung liegen in einer Load-Bearing-Situation im Frakturbereich soweit reduzierte Knochenverhältnisse vor, dass dies einem Defekt gleichkommt und eine nunmehr massiv konfigurierte (Makro-) Osteosyntheseplatte als alleiniger Lastüberträger fungiert. Zu einer Load-Bearing-Osteosynthese werden üblicherweise Rekonstruktionsplatten (Schraubendurchmesser: 2.3, 2.4, 2.5, 2.7–3 mm) verwendet.
Vorteile der offenen Reposition und Fixation von Frakturen im zahnlosen Unterkiefer mit Miniplatten sind die minimale Deperiostierung an der krestalen Knochenoberfläche sowie die technisch einfache und schnelle Durchführbarkeit [2], [33], [34], [35]. Bei fortgeschrittener Atrophie des Unterkiefers wird empfohlen, die Miniplatten weiter in Richtung Unterkieferunterrand zu platzieren. Bei reduzierter Knochenqualität sollte statt einer 4-Loch-Platte eine 6-Loch-Platte mit einer Fixierung durch 3 Schrauben auf jeder Fragmentseite verwendet werden [36].
Rekonstruktionsplatten erlauben lasttragende Osteosynthesen mit hoher Rigidität und Primärstabilität bei Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer (z. B. [4], [37], [38], [39], [40], [41], [42], [43]). Mit ausreichend großer Spannweite der Platten kann der Frakturbereich überbrückt werden und die Befestigung entfernt davon in stabilen Knochenarealen erfolgen.
Bei unilateralen Frakturen im atrophen Unterkieferkorpusbereich erfolgt die Schraubenverankerung im R. ascendens und im Kinn- bzw. Symphysenbereich, bei bilateralen Korpusfrakturen wird die Platte von Kieferwinkel zu Kieferwinkel in Form eines Hufeisens appliziert und an den Rami verschraubt.
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Locking Plates
Seit mehr als 2 Jahrzehnten gibt es Locking-Platten/Locking-Schrauben-Systeme, die bei der Versorgung von Frakturen im atrophen Unterkiefer als „Fixateur interne“ fungieren können und biomechanische Vorteile gegenüber konventionellen (Non-Locking) Plattensystemen mit sich bringen. Aus der Locking-Funktion ergibt sich angeblich ein größerer Spielraum bei der Adaptation und Konturierung der Platten an den Knochen. Distanzen bis zu 4 mm zwischen Platte und Knochenoberfläche sollen tolerierbar sein [44]. Dieser Abstand kann der Vaskularisierung der kortikalen Knochenschicht durch die umgebenden Weichgewebestrukturen zugute kommen [45]. Als weiterer Vorteil kann gelten, dass die Stabilität des Schrauben-Platten-Knochen-Verbunds insgesamt größer ist als bei Standardplatten [46], [47], [48], [49], [50], womit bei limitierten anatomischen Platzverhältnissen infolge von Atrophie grundsätzlich auch im Querschnitt reduzierte Plattenprofile möglich werden [42]. Ferner werden sekundäre Dislokationen der reponierten Fragmente durch die Schraubeninsertion vermieden, weil die Fragmente nicht an die Platte herangezogen werden, sobald die Locking-Schraube über das 2. Gewinde am Schraubenkopf winkelstabil in der Platte verriegelt wird [50].
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Kompressionsplatten
Die erste Osteosynthese mit Kompressionsplatten im maxillofazialen Bereich wurde bei einem Patienten mit bilateralen Frakturen im hochatrophen Unterkieferkorpus (Klasse III) durchgeführt (OP: Hans-Georg Luhr Oktober 1967, Hamburg-Eppendorf – siehe [51]).
Unkontrollierbare sekundäre Dislokationseffekte, unzureichende interfragmentäre Abstützungsmöglichkeiten im atrophen Knochen und die nur zu einem Load Sharing geeigneten Plattenquerschnitte und -längen gehören zu den Gründen, weshalb Kompressionsplatten – trotz anfänglicher Erfolgsmitteilungen [11], [12], [52], [53] – schnell aus dem allgemeinen Behandlungsrepertoire bei Frakturen im zahnlosen Unterkiefer verschwunden sind und heute als „nicht mehr empfehlenswert“ apostrophiert werden [41].
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Pencilbone Plate
Die sog. „Pencilbone Plate“ ist eine speziell für die Frakturversorgung im atrophen Unterkiefer entwickelte Osteosyntheseplatte (Namensgebung bezieht sich auf den oftmals nur noch bleistiftdünnen atrophen Knochen, vgl. [54] – [Abb. 5 a] und [b]) und soll den besonderen biomechanischen und biologischen Anforderungen besser gerecht werden [55], [56].
Bei diesem Plattentyp sollten anfangs die Eigenschaften von Miniplattensystemen, also insbesondere die einfache technische Handhabung, die eine transorale Applikation erlaubt, mit den möglichen Vorteilen von Kompressionseffekten vereint werden ([Abb. 5 c]).
Die erste Version dieser Platten besaß einen oval geformten und verstärkten Mittelsteg zur Stabilisierung des frakturnahen Knochenbereichs und hatte 2 sphärische Gleitlöcher jenseits der Fraktur. An den verstärkten Teil der Osteosyntheseplatte schlossen sich jeweils 2 bzw. 3 normale unverstärkte Löcher an, die sich sehr leicht an den frakturfernen Knochenbereich adaptieren ließen [55]. Das Design und die Dimensionen der Pencilbone-Platte sind auch in einer neuen abgeänderten Designvariante ([Abb. 5 d]) grazil geblieben und sollen eine genaue Adaptation an die Knochenoberfläche über längere Strecken ermöglichen.
Die für Pencilbone-Platten experimentell ermittelten Belastungswerte im Frakturspalt sollen eine primäre Knochenheilung günstig beeinflussen (Blume et al. 2003), sofern die interfragmentäre Abstützung noch ausreichend ist. Ein Load Bearing ist a priori nur mit Rekonstruktionssystemen möglich [57].
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Synthes UniLOCK 2.0™
Vor über 10 Jahren kam ein unidirektionales, winkelstabiles Mini-Locking-Plattensystem (Synthes UniLOCK 2.0™) auf den Markt, das in 3 Profilstärken (Large Profile, Medium Profile, Small Profile) erhältlich ist. Diese 3 Plattenvarianten ergänzen die 2.4-UniLOCK-Rekonstruktionsplatte zu einer Locking-Platten-Familie im Sinne eines „Downsizing“ nach unten.
Die Dimensionierung der Small Profile UniLOCK-Platte entspricht einer konventionellen Miniplatte, während die Medium und Large Profile-Platten Materialquerschnitte (Dicke und Breite) aufweisen, die ihre Biegestabilität stufenweise in die Nähe der 2.4-Universal-Frakturen-Platte bzw. der 2.4-Locking-Rekonstruktionsplatte rücken ([Abb. 6]). Demnach werden Platten mit diesen Profilen als Intermediärplatten bezeichnet.
In Verbindung mit revaskularisierten Knochentransfers zum Unterkieferersatz ist bereits verschiedentlich über den erfolgreichen Einsatz dieser „kleinen“ Rekonstruktionsplatten berichtet worden [58], [59]. Obwohl im Werbematerial die Eignung der „Medium“ und v. a. die „Large Profile“-Platten zur Osteosynthese von Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer besonders hervorgehoben wurde, ist in bisherigen Veröffentlichungen nur anhand von Einzelbeispielen [42], [47], [49], [60] und einer ersten kleinen Vergleichsstudie [61] auf die möglichen Vorteile dieser Plattenformate hingewiesen worden. Gegenüber den 2.4-Locking-Rekonstruktionsplatten vereinfachen sich die Biegbarkeit und die Ankonturierung. Die reduzierten Profile verringern die Palpierbarkeit und die Perforationsgefahr durch die Weichgewebe. Interferenzen zwischen Platte und Prothesensattel werden vermieden, sofern eine kaufunktionelle Rehabilitation beabsichtigt ist.
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Knochenaugmentation
Zur Sicherstellung einer primären Knochenheilung wurden bei Frakturen im hochatrophen Unterkiefer seit Langem Knochenersatzplastiken entweder allein oder simultan mit Plattenosteosynthesen verwendet (z. B. [62]) ([Abb. 7]). In Verbindung mit modernen Locking-Plattensystemen haben ossäre Soforttransplantate nicht nur eine Förderung der Frakturkonsolidierung durch Einbringen osteokompetenter Zellen [43], [49], [63], sondern auch die Augmentation der Alveolarfortsätze für eine spätere implantologisch-prothetische Versorgung zum Zweck [42]. Die Bedarfslage nach einer kaufunktionellen Rehabilitation variiert bei Patienten mit Frakturen im hochatrophen Unterkiefer nach Alter, psychosozialen Gegebenheiten, finanziellen Möglichkeiten, usw. und wird relativ selten nachgefragt, wenn vor dem Trauma keine Vollprothesen zum Zahnersatz getragen wurden.
Für den Fall einer Frakturüberbrückung in Kombination mit einem Knochenaufbau als präprothetisch-/präimplantologische Maßnahme werden Adaptionsplatten in Intermediärformaten favorisiert, da sich bei diesen Metallentfernungen wegen der geringeren Profilhöhe („low profile“) im Gegensatz zu Makro-/Rekonstruktionsplatten erübrigen sollen [42], [64].
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Operativer Zugang
Je nach Typ und Größe der Hardware kommen für die offene Reposition und interne Fixation (ORIF) transorale oder externe operative Zugangswege infrage. Die Freilegung des zahnlosen atrophen Unterkiefers über externe submandibuläre Schnittführungen geht mit dem Risiko von Läsionen des R. marginalis mandibulae (VII) einher, erlaubt andererseits aber eine übersichtliche Darstellung sämtlicher Unterkieferabschnitte, falls nötig bis in den Bereich der Gelenkfortsätze.
Die Zickzackschnittführung ist topografisch weniger ausgedehnt als eine kontinuierliche Inzision und lässt sich aufgrund ihrer Geometrie aufdehnen wie eine Ziehharmonika. Die Elastizität der Cutis, welche die Aufdehnung von Wundkavitäten limitiert, wird somit trickreich außer Kraft gesetzt.
Transorale Zugänge in der Schleimhaut des anterolateralen Vestibulums eignen sich gut zur Exposition der Kinn- und seitlichen Unterkieferkorpus-Region.
Der Hauptvorteil transoraler Zugänge besteht darin, dass im Gesicht keine äußerlich sichtbaren Narben entstehen. Das Risiko einer Verletzung des N. mentalis oder buccalis sowie ein „Drooping chin“ (hängendes Kinn) als Folge einer unzureichenden Readaptation der Mentalismuskulatur sind hingegen nicht gänzlich ausgeschlossen. Falls die Knochenatrophie weit fortgeschritten ist, können sowohl der N. alveolaris als auch die zugehörige Arterie [1] frei unter dem Mukoperiost liegen und bei Inzision und Präparation direkt verletzt werden [42].
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Therapieverfahren und ihre Komplikationen
Zu den typischen Lokalkomplikationen in der Behandlung von Frakturen des zahnlosen atrophen Unterkiefers gehören Infektion, Sequestrierung kleinerer Fragmente, Osteomyelitis, freiliegende Platten, Fehlstellung der Fragmente, Pseudarthrose bzw. Non-Union [65], Schraubenlockerungen, Schraubenausrisse und Ermüdungsbrüche der Osteosyntheseplatten. Es wird über hohe Komplikationsraten in Größenordnungen von 4 bis zu 20 % (bezogen auf Zahl der Patienten oder Anzahl der Frakturen) berichtet (z. B. [2], [3], [40], [42], [53], [66]), wobei regelmäßig Korrelationen mit den folgenden (z. T. schon vorangehend angesprochenen) Aspekten und Problemkreisen hergestellt werden [42]:
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Atrophiegrad/-klasse
-
geschlossene Behandlung oder offene Reposition und Fixation
-
operative Zugangswege: intraoral vs. extraoral vs. Kombination aus beiden
-
Deperiostierung: subperiostale vs. supraperiostale Präparation und Plattenapplikation
-
Hardware-Dimension und Hardware-Typ bei interner Fixierung: Miniplatten vs. Intermediär- vs. Makro- bzw. Rekonstruktionsplatten, Kompressionsplatten, Spezialplatten, Locking- vs. Non-Locking-Platten
Nicht zu unterschätzen sind die auf die atrophe Unterkieferspange einwirkenden Zugkräfte durch die antagonistischen Muskelgruppen – Kaumuskulatur einerseits (Masseter-Pterygoideus- Schlinge und Mm. temporales) und die suprahyoidale Muskulatur andererseits ([Abb. 8]).
Bei bilateralen Frakturen im Korpusbereich sind sie als Risikofaktor für Dislokationen zu werten und müssen bei der Auswahl des Osteosynthesematerials berücksichtigt werden. Dislokationen des vorderen Unterkieferbogens sind kein seltener klinischer Initialbefund und immer von einer Atemwegsbehinderung begleitet, weil die Aufhängung der Zunge am Hyoid kompromittiert ist.
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Hardware-„Downsizing“ möglich?
Die Indikation zur Verwendung eines Plattensystems ist letztendlich an der Restknochenhöhe und der Knochenqualität zu orientieren. Welche Plattengrößen, Plattenprofile, Adaptation, Kompression, interner Fixateur zur Versorgung von Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer geeignet sind, steht allerdings nach wie vor zur Debatte.
Mit Blick auf „minimalinvasive Vorgehensweisen“ geht der Trend bei der Behandlung von Unterkieferfrakturen ganz allgemein zu einem „Downsizing“ der Osteosynthese-Hardware ([Abb. 6]). Welche Plattenformate in Anzahl und Konfiguration, welches Applikationsprinzip (Kompression, Adaptation, Fixateur interne) oder welche Schraubentypen (Non-Locking, Locking) und Schraubendurchmesser sich zur Dimensionsreduzierung des Osteosynthesematerials bei der Frakturversorgung im zahnlosen atrophen Unterkiefer eignen, ist bisher weder im direkten klinischen Vergleich noch experimentell hinreichend geklärt [67].
In einer eigenen, bisher unveröffentlichten In-vitro-Studie wurden die Stabilität und die Handling-Eigenschaften moderner Hardware-Systeme in Mini- und Intermediärformaten im Vergleich zu Rekonstruktionsplatten in konventioneller und winkelstabiler Montage als Goldstandard bzw. Kontrolle überprüft.
Bei geringgradig atrophierten Unterkiefern (Luhr-Klasse I) erscheint ein „Downsizing“ mit einer Auswahl von Plattensystemen (z. B. Intermediärplatten, Pencilbone-Platten oder multiplen Platten in 3-D-Anordnung) grundsätzlich möglich.
Ob dies auf höhergradige Atrophiegrade übertragbar ist, bedarf weiterer Untersuchungen, erscheint jedoch zumindest für Miniplatten und die Medium-Profile-Plattenvarianten fragwürdig [63], [68], [69].
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Ausblick – Alternative Plattenpositionierung: Basal and Lingual Plating
Die Perforationsgefahr durch das Weichgewebe ist ein wesentlicher Nachteil großer Plattenprofile. Interferenzen zwischen prominenten Plattenanteilen im anterolatealen Unterkiefervestibulum und Prothesensattel erschweren oder verhindern sogar eine kaufunktionelle Rehabilitation.
Diese Schwierigkeiten könnten mit der Applikation von 2.4 (oder größeren) Locking-Rekonstruktionsplatten am Basalrand des Unterkiefers („Basal Plating“) über einen extraoralen Zugang gelöst werden [70], [71]. Die Lateralflächen des Unterkiefers werden zum Anbringen der Platte nur wenig freigelegt und die Positionierung der Platte tangiert die dünne oralwärts lokalisierte Weichgewebebedeckung (Mukoperiost und adhärente Gingiva) von vorneherein nicht mehr. Infolge dieser vorteilhaften Integration in den Weichgewebsmantel sinkt die Wahrscheinlichkeit für Wunddehiszenzen und eine Plattenexposition. Da die krestal und beidseits davon gelegenen Knochenoberflächen des Unterkiefers ausgespart bleiben, steht die Platte den Kunststoffsätteln einer schleimhautgetragenen Prothese nicht im Wege. Nachteilig bei dieser Vorgehensweise sind die senkrecht von unten eingebrachten Schrauben, die den Knochen nur monokortikal fassen dürfen, damit ihre Spitzen nicht unter der Schleimhaut an der Prothesenbasis zu liegen kommen.
In einer In-vitro-Testreihe an atrophen Kunststoffunterkiefern ergaben sich keine Unterschiede im mechanischen Verhalten zwischen Rekonstruktionsplatten, die am Basalrand des Unterkiefers („Inferior border fixation“) oder auf übliche Weise entlang der Lateralfläche („Lateral border fixation“) angebracht werden [71].
Technisch nicht ganz einfach gestalten dürfte sich indessen das Anbiegen der kräftigen Rekonstruktionsplatten über die Kante, insbesondere, wenn die Platte bei einer schmalen Kinn-/Unterkiefersymphysenregion in die Form einer Parabel gebracht werden muss.
Eine weitere Option zur Plattenapplikation besteht in der Positionierung auf der Lingualseite des Unterkieferrands („Lingual Plating“) ([Abb. 9]) Dabei bleibt das Unterkiefervestibulum ebenfalls für einen Prothesensattel frei, sodass eine sofortige Prothesenfähigkeit garantiert ist.
Beim Lingual Plating wird das Knochenangebot im atrophen Unterkiefer vorteilhaft ausgenutzt: auf der Lingualseite der Unterkieferbasis, unterhalb der Linea mylohyoidea, bleiben die Knochenverhältnisse konstant und sind kaum von Resorptionsvorgängen betroffen (Metzger unveröffentlicht). Zugleich schreitet die Atrophie des Alveolarfortsatzes in der Etage darüber von lingual nach vestibuär fort und hinterlässt eine hohe Außenkante vestibulär. Häufig wird dabei der ehemalige Krestalbereich wannen- oder trogförmig ausgekehlt (vgl. [Abb. 7 d] und [e]). Insgesamt nimmt der Unterkieferkorpus einen triangulären Querschnitt an, in dem – in Schrägrichtung von unten innen nach oben außen eingebracht – Schrauben größerer Länge verwendet werden können als bei Insertion von der Lateralfäche aus. Die Schleimhaut- bzw. Mukoperiostbedeckung im Krestalbereich ist zudem einem geringeren Perforationsrisiko ausgesetzt.
Biomechanische Aspekte bei der lingualen Plattenapplikation sind derzeit noch nicht näher untersucht, dürften aber näherungsweise ähnlich einzuschätzen sein wie beim „Basal Plating“.
Ein Lingual Plating kommt auch als „Salvage“ infrage, wenn es nach der Applikation rigider Osteosyntheseplatten von der Lateralseite zur weiteren krestalen Atrophie gekommen ist und Schraubenschäfte und -spitzen nach medial unter oder durch die Schleimhaut ragen.
Da die Platten belassen werden müssen, um die Stabilität beim hochatrophen Unterkiefer nicht zu gefährden, wird empfohlen, die freiliegenden Schraubenpartien über einen intraoralen Zugang abzufräsen [72]. Falls die Situation wiederholt auftritt oder mehrere Schrauben nach lingual vorstehen und entfernt werden müssen, bietet sich eine linguale Platteninsertion an, um das Konstrukt zu retten ([Abb. 10]). Das Lingual Plating übernimmt die Stabilisierung und dient als Protektion, bis ein Knochentransplantat (bspw. autologe Spongiosa in Kombination mit xenogenem Bio Oss) eingeheilt ist und zur Verfestigung des Unterkiefers geführt hat.
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Fazit
Die Indikation zur Verwendung eines Plattensystems bei Frakturen im zahnlosen atrophen Unterkiefer ist an der Restknochenhöhe zu orientieren. Experimentell kommen kleindimensionierte Plattensysteme schon bei der Luhr-Klasse I nur bedingt infrage.
Mit Abnahme der Vertikaldimension auf die Luhr-Klasse III wird sich trotz neuer Plattensysteme wahrscheinlich die vertraute Formel bewahrheiten: je niedriger die Restknochenhöhe, desto stärker und länger die zu verwendende Osteosyntheseplatte.
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Literatur
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