Lebensqualität bei Diskussion um Screening berücksichtigen
Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit eines PSA-basierten Screenings für das Prostatakarzinom
fokussierte bisher vornehmlich auf den primären Endpunkt der Studie, der Prostatakarzinom-spezifischen
Mortalität. Die Ziele eines Screening-Programms beinhalten jedoch nicht allein die
Reduktion der Mortalität, sondern z. B. auch die Lebensqualität der Patienten. Eine
der geforderten Voraussetzungen für ein Screening ist es dabei, dass die Erkrankung
durch ein frühes Erkennen als Ergebnis des Screenings deutlich besser behandelbar
ist. Daher stellen die sekundären Endpunkte der ERSPC-Studie mit dem Progressions-freien
Überleben, dem Metastasen-freien Überleben und der Lebensqualität weitere Endpunkte
dar, die für den Nutzen eines Screening-Programms berücksichtigt werden sollten.
Schröder et al. berichten aktuell über die Reduktion der Entwicklung von Metastasen
im Rahmen der ERSPC-Studie. Dabei zeigt sich, dass das Risiko eines metastasierten
Prostatakarzinoms um 30 % von 0,86 auf 0,67 % pro 1000 Männer reduziert werden kann.
Das Risiko eines primär metastasierten Prostatakarzinoms bei Erstdiagnose lässt sich
durch das Screening um 50 % reduzieren, während im weiteren Follow-up nach Erstdiagnose
die Rate an Patienten, die Metastasen entwickeln, gleich ist. Diesen Umstand können
die Autoren anhand der vorliegenden Daten nicht erklären, wobei die Anzahl der metastasierten
Patienten im Follow-up gering ist und die Autoren erwarten, dass sich mit einem längeren
medianen Follow-up der Studie über > 12 Jahre hinaus die Ergebnisse bez. der Metastasen-Entwicklung
noch ändern können.
Endpunkte sinnvoll?
Zuerst ließe sich an dieser Stelle über die Definition der Metastasierung im Rahmen
der ERSPC diskutieren, die neben dem bildgebenden Nachweis auch Patienten mit einem
PSA-Wert > 100 ng/ml einschloss, da diese ein hohes Risiko einer Metastasierung aufweisen.
Darüber hinaus stellt das Metastasen-freie Überleben zwar einen gut messbaren Endpunkt
dar, der jedoch klinisch nicht unbedingt von großer Bedeutung ist. Vielmehr stellt
die Entwicklung symptomatischer Metastasen oder das Auftreten einer skeletalen Komplikation
einen klinisch sinnvolleren Endpunkt dar, mit dem auch die Auswirkung auf die Behandlung
und die Lebensqualität durch ein Screening-Programm besser messbar sind. Diese Endpunkte
sind jedoch nicht als solche in der ERSPC-Studie definiert und werden daher, wenn
überhaupt, als Post-hoc-Analyse auswertbar sein.
Risiko einer Metastasierung nur indirekt messbar
Ein Unterschied in der Entwicklung von Metastasen nach Erstdiagnose in beiden Studienarmen
lässt sich prinzipiell nur dann erwarten, wenn durch das Screening ein Einfluss auf
das Risiko einer Metastasierung erreicht werden kann. Das Risiko einer Metastasierung
lässt sich dabei nur indirekt anhand klinisch-pathologischer Parameter wie z. B. dem
Tumorstadium und dem Gleason-Score abschätzen. Dabei zeigen die Ergebnisse der ERSPC-Studie,
dass das Risiko eines lokal-fortgeschrittenen Prostatakarzinoms (pT3/4) durch das
Screening um 22 % reduziert werden kann, der Anteil der Patienten mit einem Gleason-Score
> 7 lag in der Screening-Gruppe bei 6,1 % im Vergleich zu 10,7 % in der Kontrollgruppe
[
1
].
Diese Unterschiede mögen auch dazu beigetragen haben, dass mehr Patienten im Screening-Arm
einer potenziell kurativen Therapie zugeführt wurden, während im Kontroll-Arm mehr
Patienten primär palliativ mit einer reinen Hormontherapie behandelt wurden (15,1
vs. 6,8 %).
Mortalität durch Screening bei längerem Follow-up reduziert
Umso mehr verwundert es, dass die bisherigen Ergebnisse keinen Unterschied in der
Entwicklung von Metastasen im Follow-up gezeigt haben. Seit der initialen Publikation
sind weitere Publikationen der Gesamtstudie als auch von Substudien aus verschiedenen
Ländern publiziert worden, aus denen deutlich hervorgeht, dass die Prostatakarzinom-spezifische
Mortalität durch das Screening bei längerem Follow-up weiter reduziert werden kann
[
2
], [
3
]. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese von Schröder et al. aus der hier vorliegenden
Publikation, dass sich mit einem längeren Follow-up wahrscheinlich auch die Rate der
Metastasierung zugunsten des PSA-Screenings verändern wird, da die Metastasierung
einen wichtigen, wenn nicht sogar die alleinige Vorraussetzung für einen Prostatakarzinom-spezifischen
Tod darstellt.
Fazit
Zusammenfassend stellt die hier vorgestellte Reduktion des Risikos für die Entwicklung
von Metastasen ein wichtiges klinisches Ergebnis dar, das unbedingt bei der Diskussion
um den Nutzen des PSA-Screenings integriert werden muss, da der Nutzen eines Screening-Programms
nicht nur auf die Reduktion der Krankheits-spezifischen Mortalität reduziert werden
sollte.
PD Dr. C.-H. Ohlmann, Homburg / Saar