Aktuelle Urol 2013; 44(04): 256-257
DOI: 10.1055/s-0033-1351763
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom – PSA-Screening reduziert Risiko der Metastasenbildung

Contributor(s):
Frank Lichert
Schröder FH et al.
Eur Urol 2012;
62: 745-752
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 July 2013 (online)

 
 

Das Prostatakarzinom-Screening wird kontrovers diskutiert. Dies liegt in erster Linie daran, dass ein solches Screening mit einem hohen Risiko für eine Überdiagnose bzw. Überbehandlung einhergeht. Demgegenüber ist die Verhinderung einer Metastasierung ein wichtiges Therapieziel. F. H. Schröder et al. untersuchten nun den Effekt eines Prostatakarzinom-Screenings auf die Inzidenz der Metastasenbildung.
Eur Urol 2012; 62: 745–752

mit Kommentar

Die Untersuchung basierte auf den Daten von 76 813 Männern im Alter zwischen 55 und 69 Jahren, die Teilnehmer der "European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer" (ERSPC) waren. Die Autoren bestimmten das Vorhandensein von Metastasen einerseits durch bildgebende Verfahren, andererseits mithilfe des Wertes für das prostataspezifische Antigen (PSA). Im Fall von PSA-Werten > 100 ng / ml lag eine metastasierte Erkrankung vor. Die Tests erfolgten zum Zeitpunkt der Diagnose sowie während der Nachbeobachtung.

30 %ige Risikoreduktion durch PSA-Screening

Die Studienteilnehmer wurden in 2 Gruppen eingeteilt:

  • 36 270 Studienteilnehmer unterzogen sich einem PSA-Test (Screening-Arm),

  • bei 40 543 erfolgte hingegen kein Screening (Kontroll-Arm).

Die Nachbeobachtung erstreckte sich im Median über 12 Jahre. Die Autoren identifizierten 666 Männer mit Metastasen, davon 256 im Screening-Arm und 410 im Kontroll-Arm. Die kumulative Inzidenz betrug entsprechend 0,67 und 0,86 % pro 1000 Männern (p < 0,001). Dies entsprach einer relativen Risikoreduktion um 30 % (Hazard Ratio [HR] 0,70; p = 0,001). Bei den Männern, die tatsächlich an dem Screening teilnahmen, war die Reduktion 42 % (p = 0,0001).

Die Autoren ermittelten eine absolute Risikoreduktion in Bezug auf die Metastasenbildung von 3,1 pro 1000 Männern (0,31 %). Die Anzahl gescreenter Patienten, die nötig war, um 1 metastasierte Erkrankung zu verhindern, betrug 328.

Eine große Diskrepanz ergab sich beim Vergleich der Erstdiagnose mit dem Follow-up: Während das Risiko bei der Diagnose durch das Screening um 50 % reduziert werden konnte, war das Risiko während der Nachbeobachtung in beiden Gruppen gleich, was letztendlich eine 30 %ige Risikoreduktion ergab.

Fazit

Ein PSA-Screening reduziert bei Patienten mit Prostatakarzinom das relative Risiko einer Metastasenbildung um 30 %, so das Ergebnis der Studie. Nach Meinung der Autoren muss dieser Nutzen für die Patienten allerdings gegen potenzielle Gefahren, die von einem Screening ausgehen, aufgewogen werden.


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Kommentar

Lebensqualität bei Diskussion um Screening berücksichtigen

Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit eines PSA-basierten Screenings für das Prostatakarzinom fokussierte bisher vornehmlich auf den primären Endpunkt der Studie, der Prostatakarzinom-spezifischen Mortalität. Die Ziele eines Screening-Programms beinhalten jedoch nicht allein die Reduktion der Mortalität, sondern z. B. auch die Lebensqualität der Patienten. Eine der geforderten Voraussetzungen für ein Screening ist es dabei, dass die Erkrankung durch ein frühes Erkennen als Ergebnis des Screenings deutlich besser behandelbar ist. Daher stellen die sekundären Endpunkte der ERSPC-Studie mit dem Progressions-freien Überleben, dem Metastasen-freien Überleben und der Lebensqualität weitere Endpunkte dar, die für den Nutzen eines Screening-Programms berücksichtigt werden sollten.

Schröder et al. berichten aktuell über die Reduktion der Entwicklung von Metastasen im Rahmen der ERSPC-Studie. Dabei zeigt sich, dass das Risiko eines metastasierten Prostatakarzinoms um 30 % von 0,86 auf 0,67 % pro 1000 Männer reduziert werden kann. Das Risiko eines primär metastasierten Prostatakarzinoms bei Erstdiagnose lässt sich durch das Screening um 50 % reduzieren, während im weiteren Follow-up nach Erstdiagnose die Rate an Patienten, die Metastasen entwickeln, gleich ist. Diesen Umstand können die Autoren anhand der vorliegenden Daten nicht erklären, wobei die Anzahl der metastasierten Patienten im Follow-up gering ist und die Autoren erwarten, dass sich mit einem längeren medianen Follow-up der Studie über > 12 Jahre hinaus die Ergebnisse bez. der Metastasen-Entwicklung noch ändern können.

Endpunkte sinnvoll?

Zuerst ließe sich an dieser Stelle über die Definition der Metastasierung im Rahmen der ERSPC diskutieren, die neben dem bildgebenden Nachweis auch Patienten mit einem PSA-Wert > 100 ng/ml einschloss, da diese ein hohes Risiko einer Metastasierung aufweisen. Darüber hinaus stellt das Metastasen-freie Überleben zwar einen gut messbaren Endpunkt dar, der jedoch klinisch nicht unbedingt von großer Bedeutung ist. Vielmehr stellt die Entwicklung symptomatischer Metastasen oder das Auftreten einer skeletalen Komplikation einen klinisch sinnvolleren Endpunkt dar, mit dem auch die Auswirkung auf die Behandlung und die Lebensqualität durch ein Screening-Programm besser messbar sind. Diese Endpunkte sind jedoch nicht als solche in der ERSPC-Studie definiert und werden daher, wenn überhaupt, als Post-hoc-Analyse auswertbar sein.

Risiko einer Metastasierung nur indirekt messbar

Ein Unterschied in der Entwicklung von Metastasen nach Erstdiagnose in beiden Studienarmen lässt sich prinzipiell nur dann erwarten, wenn durch das Screening ein Einfluss auf das Risiko einer Metastasierung erreicht werden kann. Das Risiko einer Metastasierung lässt sich dabei nur indirekt anhand klinisch-pathologischer Parameter wie z. B. dem Tumorstadium und dem Gleason-Score abschätzen. Dabei zeigen die Ergebnisse der ERSPC-Studie, dass das Risiko eines lokal-fortgeschrittenen Prostatakarzinoms (pT3/4) durch das Screening um 22 % reduziert werden kann, der Anteil der Patienten mit einem Gleason-Score > 7 lag in der Screening-Gruppe bei 6,1 % im Vergleich zu 10,7 % in der Kontrollgruppe [ 1 ].

Diese Unterschiede mögen auch dazu beigetragen haben, dass mehr Patienten im Screening-Arm einer potenziell kurativen Therapie zugeführt wurden, während im Kontroll-Arm mehr Patienten primär palliativ mit einer reinen Hormontherapie behandelt wurden (15,1 vs. 6,8 %).

Mortalität durch Screening bei längerem Follow-up reduziert

Umso mehr verwundert es, dass die bisherigen Ergebnisse keinen Unterschied in der Entwicklung von Metastasen im Follow-up gezeigt haben. Seit der initialen Publikation sind weitere Publikationen der Gesamtstudie als auch von Substudien aus verschiedenen Ländern publiziert worden, aus denen deutlich hervorgeht, dass die Prostatakarzinom-spezifische Mortalität durch das Screening bei längerem Follow-up weiter reduziert werden kann [ 2 ], [ 3 ]. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese von Schröder et al. aus der hier vorliegenden Publikation, dass sich mit einem längeren Follow-up wahrscheinlich auch die Rate der Metastasierung zugunsten des PSA-Screenings verändern wird, da die Metastasierung einen wichtigen, wenn nicht sogar die alleinige Vorraussetzung für einen Prostatakarzinom-spezifischen Tod darstellt.

Fazit

Zusammenfassend stellt die hier vorgestellte Reduktion des Risikos für die Entwicklung von Metastasen ein wichtiges klinisches Ergebnis dar, das unbedingt bei der Diskussion um den Nutzen des PSA-Screenings integriert werden muss, da der Nutzen eines Screening-Programms nicht nur auf die Reduktion der Krankheits-spezifischen Mortalität reduziert werden sollte.

PD Dr. C.-H. Ohlmann, Homburg / Saar


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PD Dr. Carsten-Henning Ohlmann


ist leitender Oberarzt an der Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum des Saarlandes

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  • Literatur

  • 1 Schroder FH et al. N Engl J Med 2009; 360: 1320-1328
  • 2 Schroder FH et al. N Engl J Med 2012; 366: 981-990
  • 3 Kilpelainen TP et al. J Natl Cancer Inst 2013; 105: 719-725

  • Literatur

  • 1 Schroder FH et al. N Engl J Med 2009; 360: 1320-1328
  • 2 Schroder FH et al. N Engl J Med 2012; 366: 981-990
  • 3 Kilpelainen TP et al. J Natl Cancer Inst 2013; 105: 719-725

 
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