Aktuelle Dermatologie 2013; 39(08/09): 327
DOI: 10.1055/s-0033-1353588
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung

Contributor(s):
E. G. Jung
Schirren C.
Gottfried Benn, eine Studie zu Werk und Wirken eines deutschen Dermatologen. Folia Dermatologica Bd. 4.

Hamburg: Omnimed-Verlag; 2013.
ISBN: 978-3-88312-092-8 76 S.
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Publication History

Publication Date:
30 September 2013 (online)

 

    Gottfried Benn war Dichter und Hautarzt. Er lebte von 1886 – 1956; 70 bewegte Jahre, 2 Weltkriege und 4 Staatsformen hat er in seinem Deutschland durchlebt. Er gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne. Sein Verhältnis zum Nationalsozialismus war durch Zustimmung 1933 gezeichnet und von zunehmender Ablehnung in den folgenden Jahren. Vieles ist über die Person, sein zupackendes Wesen, seine familiären Wirren, seinen Lebensweg geschrieben worden. Sein literarisches Werk begann mit einem „Paukenschlag“ seiner neuartigen, expressionistischen Gedichte aus dem Leichenschauhaus („Morgue und andere Gedichte“ 1912). Seine weiteren Werke spiegeln auf besondere Weise den Wandel seiner Zeiten und sie beschäftigen sich, neben anderen, immer wieder mit medizinischen, und zunehmend auch dermato-venerologischen Themen. Von 1917 an führte er bis zum Lebensende in Berlin eine Praxis als Hautfacharzt. Sein Grab liegt im Waldfriedhof Berlin-Dahlem, sein Nachlass ruht im Deutschen Literaturarchiv zu Marbach am Neckar.

    Sein dichterisches Werk wurde oft gewürdigt, besprochen, verglichen und eingereiht in die Bewegungen der literarischen Moderne. Es provoziert, polarisiert und bewegt. Kritische Stimmen werden weit übertroffen von Zustimmung und Bewunderung, sodass Lob und Auszeichnungen nicht ausblieben (Georg-Büchner-Preis 1951, Verdienstkreuz der BRD 1953). Wunderbar zusammengefasst ist das Ganze von Helmuth Kiesel in seiner „Geschichte der literarischen Moderne“ Beck, München 2004, auf den Seiten 393 - 436.

    Wir Dermatologen aber tragen ihn als wohl einer der berühmtesten Figuren unseres Metiers mit uns, wenn auch sein Renommee nicht dermatologischer Art, sondern literarisch bedingt ist.

    Aber er bewegt uns doch und immer wieder. So hat der Schreiber 2007 anhand des Benn’schen Tripper-Gedichtes von 1922 den Therapiewandel dieser Geschlechtskrankheit beleuchtet, im Vergleich mit auch einem Tripper-Vers von Theo Nasemann aus dem Jahre 1976 (Akt Dermatol 2007; 33: 98 – 99). Sodann ist 2010 eine bisher noch nicht publizierte „Bierode“ von Gottfried Benn aus dem Jahre 1935 bekannt geworden (FAZ 25. 9.  2010).

    Und nun erscheint aus der Feder des Zeitzeugen Carl Schirren, seinerzeit Professor für Dermatologie und Andrologie am UKE der Universität Hamburg, eine sehr persönlich gestaltete Schrift zu „Gottfried Benn, eine Studie zu Werk und Wirken eines Deutschen Dermatologen“ als Band 4 der Reihe „Folia Dermatologica“.

    Der Autor ist dem Dichter sehr zugetan und als Dermatologe dem Hautarzt Gottfried Benn ebenfalls. Schon in seiner Schulzeit in Kiel hatten die Benn’schen Gedichte den Schüler angeregt und fasziniert. Sie haben ihn bis heute nicht mehr losgelassen, weshalb er sich in Leben und Werk des Dichter einlas. Das hat er mit der ihm eigenen Energie und Feinfühligkeit getan. Seine persönliche Sicht hat er, zunächst für seine weitverzweigte Familie, in dem Büchlein aufgearbeitet. Er hat Briefe und einige Gedichte eingepasst in seine Schilderung des verehrten Dichters. Er geht chronologisch vor, skizziert Lebensabschnitte, Begegnungen, die Frauen, und dann Irrungen und Verunglimpfungen, aber auch Würdigung und Erfolge im langen und aktiven Benn’schen Leben. Einige Tiefpunkte sowie Höhenflüge werden exemplarisch hervorgehoben. Dabei wird auch deutlich, dass Benn wohl mehrmals zu allgemeinmedizinischen und hygienischen Fragen Stellung bezog, kaum aber dermatologisch hervortrat. Ganz anders, nämlich hervorragend pointiert und zuweilen äußerst drastisch, erscheinen dermatologische Probleme in seinen Gedichten. Diese basieren auf seinen vielfältigen Erfahrungen aus den Wirren zweier Weltkriege und aus der jahrzehntelangen Tätigkeit als praktizierender Hautarzt in Berlin. Was zunächst für die Nachfahren der Familie Schirren gedacht war, eignet sich bestens für uns Dermatologen zur kurzen und leicht lesbaren Einführung in das Phänomen Gottfried Benn und seine bleibende literarische Bedeutung. Er hat unserem Fach der Dermatologie und Venerologie mit präzisen und drastischen Formulierungen Eingang in die Literatur verschafft; wahrlich wortgewaltig und unvergesslich!

    Prof. Dr. Ernst G. Jung, Heidelberg


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