Aktuelle Urol 2013; 44(05): 345-346
DOI: 10.1055/s-0033-1353702
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Flexible Ureterorenoskopie – Ureterverletzungen durch Harnleiterschleusen

Contributor(s):
Bettina Rakowitz

J Urol 2013;
189: 580-584
Further Information

Publication History

Publication Date:
16 September 2013 (online)

 
 

Eigentlich soll der Einsatz einer Harnleiterschleuse den Zugang bei einer retrograden Nierenoperation erleichtern. Tatsächlich bietet die Schleuse zahlreiche Vorteile – dennoch kann sie selbst auch die Ureterwand schädigen. Zwar ist dieses Risiko bekannt, genaue Zahlen zu Inzidenz und zum Schweregrad dieser iatrogenen Verletzung lagen aber bisher kaum vor. Die Studie greift nun diese Fragen auf.
J Urol 2013; 189: 580–584

mit Kommentar

Schwere Wandverletzungen des Ureters nach Gebrauch einer Harnleiterschleuse (Ureteral Access Sheath, UAS) sind keine Seltenheit, ein vorab eingelegter Doppel-J-Katheter (DJ) lässt die Inzidenz jedoch signifikant sinken. Diese Ergebnisse erhielten Traxer und Thomas anhand einer prospektiven Studie an insgesamt 359 Nierensteinpatienten.

Alle Teilnehmer erhielten zwischen März 2010 und September 2011 eine retrograde flexible Ureterorenoskopie (RIRS), jeweils mit einem 35 cm langen UAS mit einem Durchmesser von 12/14 French. 169 Teilnehmer (47 %) erhielten bereits vor der RIRS einen DJ. Nach Entfernen des UAS wurden mögliche Ureterverletzungen anhand digitaler flexibler Ureterorenoskopie visuell gewertet von Grad 0 (keine Ureterverletzung) bis Grad 4 (kompletter Ureterabriss). Nach der Operation erhielten alle Patienten einen DJ für die Dauer von 1–6 Wochen.

DJ-Katheter reduziert Risiko um das 7-Fache

Für die Auswertung teilten die Wissenschaftler die Teilnehmer in Patienten mit geringgradigen Verletzungen (Grad 0–1: höchstens Schleimhautschäden) und Patienten mit hochgradigen Verletzungen (Grad 2–4: mindestens Schäden der glatten Muskulatur). Die Ureterwand war nach der Operation bei insgesamt 167 Patienten (46,5 %) geschädigt. Die Gruppe der geringgradigen Verletzungen umfasste 311 Patienten (86,6 %). In die Gruppe der hochgradigen Verletzungen fielen insgesamt 48 Patienten (13,4 %): 36 Patienten mit Grad 2 und 12 Patienten mit Grad 3. Verletzungen von Grad 4 traten in keinem Fall auf. Männer erlitten signifikant häufiger höhergradige Ureterschäden (p = 0,024) und auch ältere Patienten waren signifikant häufiger betroffen (p = 0,018).

Vor allem erlitten Patienten ohne vorherigen DJ signifikant häufiger schwere Ureterverletzungen (p < 0.0001). Ein DJ reduzierte das Risiko schwerer Ureterverletzungen um das 7-Fache. Postoperativ entwickelten 8,33 % der 48 Patienten mit Grad 2–4 eine Pyelonephritis (p = 0,012).

Fazit

Nach Meinung der Autoren werden Wandverletzungen des Ureters nach Gebrauch einer UAS oftmals übersehen, zumal postoperativ nur selten eine Evaluation möglicher Wandschäden erfolge. Die vorliegenden Ergebnisse würden jedoch klar zeigen, dass eine UAS häufig die Ureterwand verletzt, manchmal sogar schwer. Die Autoren empfehlen daher, nach UAS-Gebrauch den Zustand der Ureterwand systematisch zu bewerten. Traxer und Thomas weisen außerdem darauf hin, dass die Einlage eines DJs vor der Operation die Rate der UASbedingten Verletzungen signifikant senkt.


#
Kommentar

UAS nicht ohne Risiko

Die Einführung von Harnleiterschleusen (UAS) hat die Durchführung der flexiblen Ureterorenoskopie (fURS) erheblich vereinfacht und zur Verbreitung des Eingriffs beigetragen. Einerseits sind eine raschere Fragmentextraktion und Wiedereinführen des Endoskops in den oberen Harntrakt möglich [ 1 ], [ 2 ]. Andererseits verbessert eine UAS aber auch den Spülstrom, was zu einer verbesserten Sicht führt. Gleichzeitig vermeidet der kontinuierliche Ausstrom der Spülflüssigkeit Hochdrucksituationen im Hohlsystem und damit potenzielle septische Komplikationen [ 3 ]. Trotz der zusätzlichen Kosten könnte die Verwendung von Schleusen damit kosteneffektiv sein.

Auf der anderen Seite gibt es bereits seit der Einführung Bedenken hinsichtlich akut und verzögert auftretender Harnleiterschäden [ 2 ]. Neben einer direkten Läsion bei der Einführung könnten auch druckbedingte Perfusionsstörungen langfristig zu einer erhöhten Rate an Harnleiterstrikturen führen. Langzeitstudien zu dieser Fragestellung fehlen jedoch bislang ebenso wie eine standardisierte, vergleichbare Klassifikation akuter Läsionen.

Klassifikation für Läsionen etabliert

Die Studie von Traxer und Thomas ist daher aus 2 Gründen zu begrüßen: Einerseits erfolgte in 2 Zentren die Auswertung einer großen Zahl von Patienten, welche sich einer fURS mit Einlage einer Harnleiterschleuse unterzogen. Des Weiteren etablierten die Autoren anhand der Inspektion des Harnleiters eine Klassifikation der aufgetretenen Läsionen, welche als Basis für weitere Untersuchungen dienen kann.

In der vorgestellten Studie erfolgte bei allen Patienten die Einlage einer 35 cm langen 12/14 Fr. UAS. Bei 47 % der Patienten war präoperativ eine DJ-Schiene eingelegt worden. Zum Ende des Eingriffs inspizierten die Autoren bei der Entfernung der UAS den Harnleiter durch gleichzeitiges Zurückziehen des Endoskops unter Sicht. Bei der späteren Videoanalyse erfolgte die Klassifikation in 5 Grade (0 = keine Läsion, 4 = kompletter Harnleiterabriss).

Die Autoren konnten bei 46,5 % der Patienten Harnleiterläsionen nachweisen, jedoch größtenteils mit niedrigem Grad. Ein Harnleiterabriss trat nicht auf. Faktoren, welche das Auftreten von Läsionen begünstigten, waren höheres Alter, männliches Geschlecht und Fehlen eines präoperativen DJ-Katheters. Patienten mit präoperativer Harnleiterschienung wiesen ein 7-fach reduziertes Risiko einer Läsion auf.

UAS im Einzelfall hinterfragen

Die Arbeit unterstreicht, dass die Verwendung von UAS nicht ohne Risiko ist. Abgesehen von Kostenaspekten sollte daher im Einzelfall hinterfragt werden, ob eine UAS erforderlich ist, beispielsweise bei kleiner Steinmasse. Gleichzeitig muss sich der Operateur bewusst sein, dass trotz der hydrophilen Beschichtung bei Einführung gegen Widerstand signifikante Schäden auftreten können. In Anbetracht der nachgewiesenen hohen Rate an Läsionen bleibt auf die Weiterentwicklung der flexiblen Ureterorenoskope zu hoffen. Hierdurch könnte der Umfang der Schleusen vom heutigen Standard 12/14 Fr. reduziert werden.

Das Risiko von Langzeitschäden (Strikturen) untersucht auch diese Arbeit nicht und muss Gegenstand weiterer Studien sein. Andererseits werden UAS seit der Jahrtausendwende in zunehmendem Ausmaß routinemäßig bei der fURS verwendet, ohne dass bislang gehäuft über Strikturen berichtet wurde.

Prof. Dr. Thomas Knoll, Sindelfingen


#

Prof. Dr. Thomas Knoll


ist Chefarzt der Urologischen Klinik Sindelfingen

Zoom Image


 
Zoom Image