Das 19. Essener Peritonealdialyse-Gespräch, das unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Kribben, Direktor der Klinik für Nephrologie des Universitätsklinikums Essen, PD Dr. Heike Bruck und Fachpflegekraft Ina Wiegard-Szramek – beide ebenfalls vom Universitätsklinikum Essen – stattfand, deckte eine große Bandbreite an Themen ab. Es ermöglichte den Teilnehmern eine intensive Fort- und Weiterbildung im Bereich der Peritonealdialyse (PD). Das Spektrum der durch die Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg, unterstützten Veranstaltung reichte von der Erfolgsgeschichte des pädiatrischen PD-Netzwerks über die Revision der Qualitätsrichtlinien und den Möglichkeiten zum Erhalt der Restnierenfunktion bis hin zu neuen Erkenntnissen zu hämodynamischen Effekten der Dialyse. Ein grundlegendes Anliegen, das sich in allen Beiträgen widerspiegelte, war die Frage, wie die Prognose von chronisch nierenkranken Patienten verbessert werden könne.
Kardiovaskuläre Mortalität von Dialysepatienten – ein iatrogenes Problem?
Bekannt ist, dass Dialysepatienten eine exzessiv hohe kardiale Mortalität und Morbidität aufweisen. Dabei spielen jedoch die klassischen atherosklerotisch verursachten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die die Todesursache Nr. 1 in der Allgemeinbevölkerung sind, eine untergeordnete Rolle. Die kardiovaskuläre Mortalität bei terminal niereninsuffizienten Patienten resultiert hingegen aus einer deutlich erhöhten Rate an Herzversagen und plötzlichem Herztod.
Wie Prof. Chris McIntyre, Nottingham (UK), in seinem Vortrag hervorhob, sei ein Großteil dieser kardialen Ereignisse iatrogen, also durch die Dialysebehandlung verursacht. Bei der Hämodialyse seien es vor allem die intradialytischen hämodynamischen Schwankungen, die Herz und Gefäße belasten [
1
]. Die hämodynamische Instabilität, die auch durch eine inadäquate Ultrafiltration aggraviert wird, könne zu einer subklinischen Myokardischämie führen, die mit kardialen Arrhythmien, einer reduzierten systolischen Herzfunktion und einer signifikant erhöhten Mortalität korreliert [
2
]. Besonders die hypotensiven Krisen würden regionale Wandbewegungsstörungen des Herzens ("myokardiales Stunning") begünstigen, die längerfristig auch eine diastolische Dysfunktion nach sich ziehen. Diese Wandbewegungsstörungen wurden sogar bei kardial nicht vorbelasteten Kindern an der Dialyse beobachtet [
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].
Wie McIntyre ausführte, gibt es verschiedene Möglichkeiten, diesem Phänomen entgegenzuwirken: Zum einen zeigte seine Arbeitsgruppe vor 2 Jahren [
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], dass Dialyseregime mit häufigeren Dialysen als 3-mal wöchentlich zu einer Reduktion des myokardialen Stunnings und der Inflammation führen. Eine weitere Möglichkeit der kardialen Protektion sei die Dialyse mit gekühltem Dialysat. Wie eine kleine Cross-over-Studie zeigte, reduzierte die Absenkung der Dialysattemperatur von 37 °C auf 35 °C das Stunning signifikant. 2012 wurde eine große randomisierte Studie [
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] initiiert, um diesen Effekt zu überprüfen.
Theoretisch sei auch der Verfahrenswechsel eine Möglichkeit, um das Stunning-Risiko zu minimieren. Trotz des fehlenden myokardialen Stunnings bei der Peritonealdialyse [
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] ist die kardiovaskuläre Sterblichkeit von Patienten an der Peritonealdialyse ebenso hoch wie die an der Hämodialyse (HD). Die pathophysiologischen Mechanismen, die dazu führen, sind jedoch unterschiedlich: Bei PD-Patienten seien vor allem eine geringe Ultrafiltrationsrate (UFR) und ein gestörter Glukosemetabolismus besondere Risiken [
6
]. Wie McIntyre hervorhob, ist somit neben der UFR die Wahl der Dialysierflüssigkeit ein beeinflussbarer und prognosebestimmender Parameter – wichtig sei es, sowohl Hyper- wie Hypoglykämien zu vermeiden.
Prognoseverbesserung durch Erhalt der Restdiurese
Patienten mit renaler Restfunktion (RRF) haben eine geringere Morbidität und Mortalität, wobei an der PD die Restdiurese länger erhalten bleibt als an der HD. Die großen PD-Studien NECOSAD[
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] und CANUSA[
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] [
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], [
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] zeigten, dass bereits eine geringe RRF das Überleben um mehr als 10 % verbessert. Wie Prof. Dr. Stefan Herget-Rosenthal, Bremen, ausführte, sind die Ursachen für die Abnahme der Restdiurese multifaktoriell. Eine Rolle spielen beispielsweise der Ernährungsstatus der Patienten, der auch mit der Mortalität korreliert [
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], und die Inflammation: Eine gute RRF geht mit besseren Parametern von Malnutrition und Mikroinflammation einher (Phosphat, Albumin, Azidose, PTH, Peritonitisrate). Ein weiterer Faktor ist die Linksherzhypertrophie (LVH), die bei Patienten mit Restdiurese weniger stark ausgeprägt ist [
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].
Wie Herget-Rosenthal betonte, lässt sich im klinischen PD-Alltag selbst unter optimalen Bedingungen ein Diureserückgang nicht völlig verhindern: Die GFR – und damit auch die RRF – fällt durch das Fortschreiten der Grunderkrankung kontinuierlich ab und Faktoren wie Hypertonus, Diabetes mellitus und Inflammation aggravieren die renale Schädigung. Dennoch können verschiedene Maßnahmen zu einem möglichst langen Erhalt der Restdiurese beitragen. Wie eine Observationsstudie des Referenten [
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] zeigte, ist die Gabe von nephrotoxischen Substanzen wie Röntgenkontrastmittel ein unabhängiger Risikofaktor für einen rapiden RRF-Abfall, ebenso wie eine fehlende RAAS-Blockade. Zudem können biokompatible PD-Lösungen signifikant zum RRF-Erhalt beitragen, da sie weniger Glukose-Degradations-Produkte (GDP) enthalten als herkömmliche Lösungen [
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], [
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], [
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]. Ein weiterer RRF-protektiver Faktor ist die optimale Volumenkontrolle, da nicht nur eine Hypo-, sondern auch die Hypervolämie mit einem RRF-Verlust assoziiert ist [
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], [
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], [
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].
Eine praktikable Lösung für die Einschätzung des Volumenhaushalts im klinischen Alltag bietet der Body Composition Monitor (BCM, Fresenius Medical Care), ein modernes Multifrequenzgerät, das die quantitative Überwässerung schnell und präzise erfasst. Gemessen werden die Anteile des extrazellulären und des intrazellulären Wassers und somit das Gesamtkörperwasser, was eine genaue Bestimmung des Harnstoffverteilungsvolumens erlaubt. Die Speicherfunktion ermöglicht eine individuelle Verlaufsbeobachtung, was die Anpassung des adäquaten Trockengewichtes erleichtert.
20. Essener PD-Gespräch: 15.10.2013
Das 20. Essener PD-Gespräch findet am 15. Oktober 2013 statt (Hörsaal im 2. OG des neuen Medizinischen Zentrums des Universitätsklinikums Essen).
Die Themen sind u.a.:
Neue Qualitätssicherungsrichtlinie Dialyse: Anpassung an die aktuelle Evidenzlage
Wie PD Dr. Heike Bruck, Essen, ausführte, sollten am 1. Juli 2013 Änderungen der Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse (QSD-RL) in Kraft treten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat jedoch das Inkrafttreten der geänderten QSD-RL um ein weiteres halbes Jahr auf den 1. Januar 2014 verschoben. Primäre Ziele dieser Revision sind die Anpassung der Qualitätsparameter an die aktuelle Evidenzlage sowie eine bessere Auswertbarkeit im Hinblick auf die Versorgungsforschung.
Neu ist die Definition von "Klasse-I-, -II- und III-Parametern", um einrichtungs- und patientenbezogene Auffälligkeiten der Qualität (Benchmarking) bzw. Merkmale zur Risikoadjustierung zu ermitteln. Klasse-I-Parameter dienen als Grundlage für Auffälligkeitsprüfungen. Dazu gehören die Dialysedauer pro Woche als Anteil der Patienten mit weniger als 12 h/Woche (bei Heimdialyse nur eine Referenz im Quartal), die Dialysefrequenz als Anteil der Patienten, die weniger als 3-mal/Woche dialysiert werden, und der Anteil von Katheterpatienten. Das Kt/V dagegen entfällt künftig (außer bei PD-Patienten).
Klasse II- und -III-Parameter sind die Basis des internen Qualitätsmanagements (Benchmarking) und der Risikoadjustierung. Zu bisherigen Parametern kommen neu dazu: PTH, CRP, Körpergröße bei Kindern, bei HD das Kt/V und zugangsassoziierte Infektionen (bei PD Peritonitis); es entfallen dagegen die Parameter Blutdruck und HbA1c.
Die QSD-RL der zweiten Generation wird darüber hinaus eine Vollerhebung der Dokumentationen aller erbrachten Dialysen (Längsschnitt- plus Querschnittbetrachtung) mit sich bringen. Das ermöglicht nicht nur eine objektive Vergleichbarkeit der Behandlungsqualität aller Zentren, sondern unterstützt auch das zentrumseigene Qualitätsmonitoring: Die Auswirkungen einzelner Maßnahmen der Qualitätssicherung können im Verlauf gezielt beobachtet und bewertet werden. Außerdem generiert die Vollerhebung populations- und verlaufsbezogene Daten zur Dialysequalität in verschiedenen Patientenkohorten. Sie können der Versorgungsforschung zur Verfügung gestellt werden und perspektivisch zur weiteren Verbesserung der Dialysequalität in Deutschland beitragen.
Das Internationale Pädiatrische PD-Netzwerk (IPPN)
Wie wichtig die Erhebung solcher Daten für die Sicherung und Verbesserung der Dialysequalität sein kann, führte Prof. Dr. Rainer Büscher, Essen, am Beispiel des pädiatrischen PD-Netzwerks (IPPN) aus, das 2007 initiiert wurde und in das bereits 1350 Patienten registriert wurden. Erfasst werden in diesem Online-Patienten-Register (www.pedpd.org) halbjährlich die Dialyseeffektivität, Laborparameter, Komplikationen aller Art (Infektionen, Revisionen), PETs, Ernährungsstatus, Ernährung und Längenwachstum, Begleittherapien (z. B. Wachstumshormone, Anämie), Hospitalisierung, Therapieabbrüche oder -wechsel.
Zudem werden pädiatrische Besonderheiten wie der kindliche Knochenstoffwechsel und dessen Assoziation mit dem Längenwachstum untersucht und auch kardiologische Aspekte erfasst. Dadurch können Inzidenzen und das Überleben in Abhängigkeit verschiedener Parameter und Modalitäten berechnet und verglichen werden. Die Datenerhebung kann damit international zur Verbesserung der pädiatrischen Dialysequalität beitragen.
Dr. Bettina Albers, Weimar
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Beitragsinhalte stammen vom "19. Essener Peritonealdialyse-Gespräch", Universitätsklinikum Essen, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg.
Die Autorin ist Mitarbeiterin bei albersconcept, Weimar.