Nachdem die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA dem monoklonalen Antikörper Obinutuzumab
im Mai dieses Jahres bereits den Status als Durchbruchtherapie zuerkannt hat, hat
sie dem Wirkstoff vor Kurzem auch das beschleunigte Zulassungsverfahren zum Einsatz
bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) gewährt. In den USA könnte
das neue Krebsmedikament damit unter Umständen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.
Doch nicht nur die US-amerikanischen Experten versprechen sich viel von dem neuen
CD20-Antikörper. Auch Prof. Michael Hallek, Köln, stuft ihn als wichtige Neuerung
ein: Obinutuzumab habe mehrere Vorteile, sagte der Leiter der Deutschen CLL-Studiengruppe.
Zu erwarten sei beispielsweise eine im Vergleich zu Rituximab größere Wirksamkeit.
Monotherapie mit Chlorambucil als Standard überholt
Die ersten Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie CLL11, an der neu
diagnostizierte, therapienaive CLL-Patienten mit einem medianen Alter von 72 Jahren
und schweren Komorbiditäten teilgenommen hatten, sind die Basis dieser hohen Erwartungen.
"Zwischen 70 und 80 % der Patienten hatten einen CIRS[
1
]-Score über 6", berichtete Hallek. "Das sind Patienten, die normalerweise aus den
klinischen Studien ausgeschlossen werden, aber einen großen Teil unserer Patienten
in der klinischen Praxis ausmachen."
Aufgrund der fehlenden Daten war die Standardtherapie für diese Patienten bislang
noch immer eine Behandlung mit Chlorambucil. Mit den Ergebnissen der CLL11-Studie
(Phase I) wird sich dies jedoch ändern. Denn mit der zusätzlichen Gabe eines CD20-Antikörpers
lässt sich bei den älteren CLL-Patienten mit Begleiterkrankungen das Behandlungsergebnis
signifikant verbessern.
Hohe Ansprechraten, längeres progressionsfreies Überleben
So sprechen auf die Kombinationstherapie aus Chlorambucil plus Rituximab 65 %, auf
die Kombination mit dem neuen CD-20-Antikörper Obinutuzumab sogar 75 % der älteren,
multimorbiden Patienten an, während eine Chlorambucilmonotherapie mit einer Gesamtansprechrate
von nur etwa 30 % assoziiert war. Bei 22,2 % der Patienten des Obinutuzumabarms und
bei 8,3 % der Patienten im Rituximabarm war sogar ein kompletter Respons zu verzeichnen.
Im Kontrollarm – unter der alleinigen Chlorambuciltherapie – war dies bei keinem Patienten
der Fall.
Die Zeit bis zur Verschlechterung der Krankheitssituation konnten beide antikörperbasierten
Therapieschemata im Vergleich zur Chlorambucilmonotherapie signifikant verlängern.
Betrug diese Zeitspanne in den Vergleichsarmen 10,9 bzw. 10,8 Monate, verlängerte
sich das progressionsfreie Überleben im Rituximabarm auf 15,8, im Obinutuzumabarm
sogar auf 23 Monate, berichtete Hallek. Am beeindruckendsten ist seiner Ansicht nach
jedoch, dass bei 31,1 % der Patienten, die den neuen Antikörper erhalten hatten, im
peripheren Blut keine malignen Zellen mehr nachzuweisen waren.
Trotz dieser bestechenden Studiendaten unterschieden sich die Gesamtüberlebensraten
der Patienten beider Studienarme nicht. Um diesbezüglich einen Unterschied nachweisen
zu können, sei das mediane Follow-up der Patienten mit 14,2 bzw. 15,2 Monaten der
CLL11-Studie wahrscheinlich schlicht zu kurz gewesen, konstatierte Hallek. Einen Effekt
auf das mediane Gesamtüberleben erwarte er frühestens in 2–4 Jahren.
Noch in diesem Jahr dagegen werden die Ergebnisse zum direkten "Head-to-Head"-Vergleich
der beiden Kombinationstherapien vorliegen. Erst damit werde sich der Trend der höheren
Effektivität von Obinutuzumab, der sich im indirekten Vergleich beider CD20-Antikörper
abzeichnet, verifizieren lassen, erwartet der Onkologe.
Akzeptables Nebenwirkungsprofil
Bezüglich der potenziellen Nebenwirkungen der Behandlung gebe es 2 wichtige Dinge
festzuhalten, meinte Hallek. "Beide Antikörper induzieren mehr Nebenwirkungen als
die alleinige Chemotherapie mit Chlorambucil, wobei dies bei Rituximab etwas weniger
stark ausgeprägt ist als unter Obinutuzumab." So entwickeln 34,2 % der Patienten,
die Obinutuzumab erhalten, eine Neutropenie vom Grad 3 oder höher, während dies unter
Rituximab nur bei 25,3 % der Patienten der Fall ist. Dies sei aber nicht mit einer
höheren Rate schwerer Infektionen assoziiert, betonte Hallek. "Im Gegenteil: Infektionen
scheinen sogar seltener aufzutreten, und zwar deshalb, weil die Behandlung mit Obinutuzumab
effektiver ist."
Darüber hinaus vermittelt der neue CD-20-Antiköper aufgrund seiner extrem starken
Wirkung deutlich mehr infusionsabhängige Nebenwirkungen. Bereits innerhalb eines Tages
verschwinden bei vielen Patienten die Leukämiezellen komplett aus dem Blut. Dieser
schnelle Zerfall der Zellen setzt eine große Menge an Hormonen und Botenstoffen frei.
"Dieses sogenannte Zytokin-Freisetzungs-Syndrom kann sehr heftig sein!"
Fast alle infusionsbedingten Nebenwirkungen sind insbesondere am ersten Tag des ersten
Zyklus der Behandlung zu beobachten. Sind die Leukämiezellen jedoch eliminiert, fallen
auch diese unerwünschten Wirkungen weg. Bei späteren Gaben des CD20-Antikörpers treten
sie nur noch extrem selten auf. "Ich sehe da kein Problem auf uns zukommen. Bereits
im Verlauf der Studie haben wir immer besser gelernt, mit dieser Situation umzugehen",
sagte Hallek. Schon kleine Tricks, wie die vorherige Gabe einer Chemotherapie, mildern
diese unerwünschten Reaktionen.
Stephanie Schikora, Stuttgart
Quelle: Pressekonferenz "Aktuelles vom amerikanischen Krebskongress 2013" am 12.06.2013
in Bonn. Veranstalter: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.