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DOI: 10.1055/s-0033-1357954
Klinische Untersuchung des Hüftgelenks und des Beckengürtels
Korrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
26 June 2014 (online)
- Einleitung
- Anamnese
- Inspektion
- Palpation
- Untersuchung des Bewegungsumfangs
- Prüfung von Neurologie und Durchblutung
- Spezielle Provokationstests
- Funktions- und Provokationstestungen unter Berücksichtigung häufiger Differenzialdiagnosen
- Quellenangaben
Beschwerden im Bereich des Hüftgelenks sind ein häufiger Grund für die Vorstellung beim Orthopäden und Unfallchirurgen. Erst durch die gezielte Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung kann das breite Spektrum möglicher Differenzialdiagnosen eingegrenzt und in Richtung einer Verdachtsdiagnose gelenkt werden. Die bildgebende Diagnostik schließt sich an. Therapeutische Schlüsse können erst in Zusammenschau von klinischem und bildgebendem Befund gezogen werden.
Dieser Artikel thematisiert die strukturierte Anamneseerhebung und die klinische Untersuchung des Hüftgelenks.
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Abkürzungen
Einleitung
Im Rahmen dieses Beitrags werden die strukturierte Anamneseerhebung und die für häufige Erkrankungen des Hüftgelenks und der umliegenden Strukturen typischen Beschwerden und Untersuchungstechniken beim Erwachsenen dargestellt. Bei Verletzungen bzw. hüftgelenknahen Frakturen ergeben sich zwangsläufig schmerzabhängige Modifikationen des Untersuchungsgangs.
Die standardisierte Untersuchung des Hüftgelenks und des Beckengürtels beinhaltet die Inspektion, Palpation, Prüfung des Bewegungsumfangs und die Durchführung spezieller Funktions- und Provokationstests. Grundsätzlich sollte die Untersuchung immer an der nicht betroffenen Extremität begonnen werden. Dies verhindert eine schmerzreflektorische Anspannung schon zu Beginn der Untersuchung und fördert das Vertrauen des Patienten in den Untersucher.
Es schließt sich eine bildgebende Diagnostik an. Erst in Zusammenschau von klinischem und bildgebendem Befund können therapeutische Schlüsse gezogen werden. Die Therapie darf nie am bildgebenden Befund allein ausgerichtet sein, weil dieser zum Beschwerdebild des Patienten durchaus diskordant sein kann.
Grundsätzliches zur Untersuchung des Hüftgelenks und des Beckengürtels
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Schmerzabhängige Modifikationen des Untersuchungsgangs können ggf. notwendig werden.
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Untersuchung an der nicht betroffenen Extremität beginnen.
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Erst in Zusammenschau von klinischem und bildgebendem Befund können therapeutische Schlüsse gezogen werden.
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Therapie nie am bildgebenden Befund allein ausrichten, denn das Beschwerdebild des Patienten kann zum bildgebenden Befund diskordant sein.
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Nichtinvasive vor invasiver Diagnostik.
Der Untersuchungsablauf am Hüftgelenk und Beckengürtel gehorcht dem Prinzip „Nicht invasive vor invasiven Diagnostiken“:
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Anamnese
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Inspektion
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Gangbild
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Beurteilung der Becken- und Wirbelsäulenstatik
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Weichteile
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Palpation
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Untersuchung des Bewegungsumfangs
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Prüfung von Neurologie und Durchblutung
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spezielle Provokationstests
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bildgebende Untersuchung
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ggf. invasivere Untersuchungsverfahren, z. B. Gelenkpunktion, -infiltration
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Anamnese
Die Anamnese ermöglicht dem Arzt, sich ein Bild über die Beschwerden und den Leidensdruck des Patienten zu verschaffen. Zunächst sollte dem Patienten genügend Zeit eingeräumt werden, seine Klagen vorzubringen, bevor mit gezielten Fragestellungen eine weitere Beurteilung des Leidens erfolgt (s. [Checkliste]).
Fragenkatalog zur Anamneseerhebung
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Schmerzlokalisation
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exakt lokalisierbar?
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eher diffus/flächig?
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Schmerzcharakter
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stechend/spitz?
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dumpf/drückend?
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einschießend?
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Schmerzintensität
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erstmaliges Auftreten
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exakter Zeitpunkt?
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schleichender Prozess?
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Häufigkeit/Dauer des Schmerzes
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täglich?
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permanent?
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intermittierend?
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Belastungsabhängigkeit
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Anlaufschmerz?
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Belastungsschmerz?
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Ruheschmerz?
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nächtlicher Schmerz?
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mechanische Phänomene
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Einklemmungsgefühl?
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Schnappen?
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Blockade?
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Trauma?
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Unfallhergang?
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Verhalten nach dem Trauma?
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Verkürzung der Gehstrecke?
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Verwendung von Gehhilfen?
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funktionelle Einschränkungen
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Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder beim Anziehen von Schuhen?
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Beschwerden beim tiefen Sitzen, z. B. PKW, Sofa?
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Begleiterkrankungen
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benachbarte Gelenke
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innere Organe
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Nervensystem
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Stoffwechsel
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zurückliegende Infekte
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Familienanamnese
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berufliche und sportliche Aktivität
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bisherige Therapie
Das Leitsymptom ist der Schmerz im Bereich der Leiste, teils auch des ventralen und medialen Oberschenkels bis zur Innenseite des Kniegelenks. Tief empfundene, aber auch lateral und dorsal zum Gesäß hin lokalisierte Hüftgelenkschmerzen kommen ebenfalls vor. Bei Kindern und gelegentlich auch Erwachsenen können überwiegend Schmerzen im Bereich des Kniegelenks im Vordergrund stehen (dazu s. a. die Infobox „Hintergrund“).
Typische durch eine Hüftpathologie verursachte Beschwerden zeigt die Infobox [„Überblick“].
Charakteristische Symptome ausgehend vom Hüftgelenk
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Zunahme der Beschwerden bei körperlichen Aktivitäten
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Schmerzen bei Drehbewegungen, z. B. beim Umdrehen oder Richtungswechsel
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Sitzen wird als unangenehm empfunden, besonders bei tiefer Hüftbeugung
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Schmerzen beim Aufstehen aus dem Sitzen
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Schwierigkeiten beim Treppensteigen
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Beschwerden beim Ein-/Aussteigen aus dem PKW
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sexuelle Funktionsstörungen
-
Schwierigkeiten beim Anziehen von Schuhen, Socken oder Strümpfen
Bei bewegungsabhängigen Schmerzen sollte die schmerzhafte Bewegungsrichtung erfragt werden. Gelegentlich klagen Patienten vor allem bei einschießenden Schmerzen über ein Wegknicken des Beins („giving-way“).
Gesetz nach Hilton
John Hilton (1805–1878), Anatomieprofessor des britischen Royal College of Surgeons, schrieb in seinem Werk „On Rest and Pain“ über die Innervation des Hüftgelenks:
„The same trunks of nerves, whose branches supply the groups of muscles moving a joint, furnish also a distribution of nerves to the skin over the insertions of the same muscles; and – what at this moment more especially merits our attention – the interior of the joint receives its nerves from the same source“ (zitiert nach [Brand 2009]).
Diese als „Hiltonʼs Law“ bekannt gewordene Feststellung erklärt, warum im Hüftgelenk entstehende Schmerzen außerhalb des Schadensortes wahrgenommen werden können (z. B. durch Reizung sensibler Äste des N. obturatorius oder von den das Gelenk innervierenden Spinalnerven).
Gezielt gefragt werden sollte auch nach Begleiterkrankungen der inneren Organe, des Nervensystems, der benachbarten Gelenke einschließlich der Wirbelsäule, nach Stoffwechselerkrankungen und nach vorangegangenen Infektionen. Wichtig ist auch die Frage nach einer im Säuglings-/Kindesalter behandelten Hüftdysplasie (breites Wickeln, Hüftgelenkorthese) und dem gehäuften Auftreten von Erkrankungen des Hüftgelenks in der Familie.
Neben der beruflichen Anamnese (langes Stehen, überwiegend sitzende Tätigkeit, Heben schwerer Lasten?) sind auch die Belastung in der Freizeit und die sportlichen Aktivitäten von Interesse. Abschließend erfolgt die Erhebung der bisher erfolgten therapeutischen Maßnahmen (konservativ/operativ) einschließlich der Schmerzmitteleinnahme (Dauer, Häufigkeit, Schmerzmittelgruppe).
Durch eine vollständige Anamnese kann die Palette möglicher Differenzialdiagnosen eingegrenzt und der weitere Untersuchungsablauf zielgerichtet durchgeführt werden.
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Inspektion
Gangbild
Zunächst wird das Gangbild einschließlich der Verwendung von Gehhilfen beurteilt. Ein Schonhinken mit verkürzter Standphase auf der schmerzhaften Seite kann vorhanden sein. Bei einer Beinlängendifferenz liegt ein Verkürzungshinken vor. Ein Trendelenburg-Duchenne-Hinken (s. u.) zeigt eine Insuffizienz der Hüftabduktoren an. Einem innenrotierten Gangbild liegt häufig eine Torsionsanomalie zugrunde (z. B. Coxa antetorta). Eine fortgeschrittene Einschränkung der Hüftstreckung wird beim Gehen durch eine Drehbewegung des gesamten Beckens zur kranken Seite am Ende des Schritts kompensiert.
Die weitere Untersuchung erfolgt am bis auf die Unterwäsche entkleideten Patienten.
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Beurteilung der Becken- und Wirbelsäulenstatik
Der Patient mit schmerzendem Hüftgelenk steht häufig mit leicht gebeugtem Hüftgelenk, insbesondere wenn ein Reizerguss oder eine fortgeschrittene Arthrose vorliegt (Abb. [1]). Diese Stellung führt zu einer Entlastung der Gelenkkapsel und zur Schmerzreduktion. Besteht die Streckhemmung bereits längere Zeit, resultiert oft eine funktionelle Beinverkürzung. Im Sitzen verhindert eine Gewichtsverlagerung auf die gesunde Seite eine zu starke Hüftbeugung (Abb. [2]).




Beinlänge
Neben funktionellen Beinverkürzungen (Beugekontraktur oder Adduktionskontraktur) führen auch echte Beinverkürzungen (z. B. Hüftkopfnekrose mit Abflachung des Kopfes, Verkürzung oder Varisierung des Schenkelhalses) zum Beckenschiefstand, sofern beide Beine gleich belastet werden. Die Messung der Beinlänge erfolgt orientierend im Stehen durch Tasten der Beckenkämme im aufrechten und vorgebeugten Zustand – ggf. mit Unterlage eines Längenausgleichs – sowie auch im Seitenvergleich im Liegen (durch Ausmessen der Distanz von der Spina iliaca anterior superior zur Spitze des Außenknöchels, alternativ auch zum Innenknöchel in Neutralstellung des Beins).
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Trendelenburg- und Duchenne-Zeichen
Bei einer Beurteilung der Hüftabduktoren im Einbeinstand hebt der Patient das Bein der nicht betroffenen Seite unter Beugung in Knie- und Hüftgelenk an. Kommt es zu einem Absinken des Beckens auf die Seite des gehobenen Beins, spricht man von einem positiven Trendelenburg-Zeichen (Abb. [3] a). Die Mm. glutaeus medius et minimus der Gegenseite sind zu schwach, um das Becken in die Horizontale aufzurichten.


Ursächlich sind insbesondere nach stattgehabtem Trauma oder vorangegangener Operation eine direkte Muskelschädigung, ein Nervenschaden oder ein verkürztes femorales Offset mit veränderten Hebelarmen (beispielsweise Einsinken eines Prothesenschaftes oder verkürzt verheilter Schenkelhalsbruch). Kompensatorisch verlagern einige Patienten den Schwerpunkt des Oberkörpers auf die betroffene Seite, um damit die Abduktoren zu entlasten (Duchenne-Zeichen, Abb. [3] b). In weniger schweren Fällen lässt sich damit das Trendelenburg-Zeichen kaschieren.
Trendelenburg- und Duchenne-Zeichen bezeichnen einen statischen Untersuchungsbefund, der Begriff des Trendelenburg-Duchenne-Hinkens bezeichnet den funktionellen Bewegungsablauf mit dem typisch watschelnden Gangbild. Bei Verdacht auf Abduktoreninsuffizienz sollte immer im Liegen (Rückenlage bzw. Seitenlage) eine differenzierte Prüfung mit Angabe von Muskelkraftwerten (z. B. Klassifikation nach Janda; s. u. Tab. [2]) erfolgen.
tastbare Struktur |
Muskelursprung/-ansatz |
mögliche Differenzialdiagnosen |
unterer Schambeinast |
Adduktoren |
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oberer Schambeinast |
Bauchmuskulatur |
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Tuber ischiadicum |
ischiokrurale Muskulatur |
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Spina iliaca anterior superior |
M. sartorius |
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Spina iliaca anterior inferior |
M. rectus femoris |
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Trochanter major |
M. glutaeus medius, M. glutaeus minimus |
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Kreuzbein-/Iliosakralgelenke |
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Dornfortsätze der LWS |
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Stufe |
Kennzeichen |
0 |
Keine Muskelkontraktion |
1 |
Muskel spannt sich zwar an, aber keine resultierende Bewegung des zu testenden Körperteils (10 % der Muskelkraft erhalten) |
2 |
Bewegung des getesteten Körperteils im vollen Ausmaß bei ausgeschalteter Schwerkraft möglich (25 % der normalen Muskelkraft) |
3 |
Bewegung des getesteten Körperteils im vollen Ausmaß gegen das Eigengewicht (also mit Überwindung der Schwerkraft) möglich (50 % der normalen Muskelkraft) |
4 |
Bewegung des getesteten Körperteils im vollen Ausmaß gegen einen mittelgroßen äußeren Widerstand möglich (75 % der normalen Muskelkraft) |
5 |
Bewegung des getesteten Körperteils im vollen Ausmaß gegen einen beträchtlichen äußeren Widerstand möglich (100 % der normalen Muskelkraft) |
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Wirbelsäulenstatik
Es folgt die Beurteilung der Wirbelsäulenstatik. Bei der seitlichen Betrachtung wird das sagittale Profil beurteilt (Abweichungen von der physiologischen Brustkyphose/Lendenlordose?). Eine Skoliose zeigt sich in der frontalen Aufsicht von dorsal. Als hilfreich erweist sich dabei die Suche nach einem Rippenbuckel beim Vorwärtsneigen.
Geachtet werden sollte auch auf eine Verschmächtigung der Rückenmuskulatur.
Eine vermehrte Lendenlordose kann Folge einer beidseitigen Hüftbeugekontraktur sein. Durch die vermehrte Kippung des Beckens nach vorn ist für den aufrechten Stand kompensatorisch eine vermehrte Lendenlordose erforderlich (Abb. [4]). Trotz Kontraktur sind die Beine im Stehen scheinbar noch gestreckt.


Thomas-Handgriff. Zur weiteren Differenzierung zwischen Hüftbeugekontraktur und Hyperlordose der LWS aufgrund einer „Haltungsschwäche“ dient der Thomas-Handgriff (Abb. [5]).


Ely-Test. Mithilfe des Ely-Tests kann zwischen einer Kontraktur des M. iliopsoas und des M. rectus femoris unterschieden werden (Abb. [6]).


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Weichteile
Zu achten ist auf eine Rötung oder Überwärmung (Hinweis auf Infekt), einen Pilzbefall der Leiste, auf Narben (Voroperation), Hautveränderungen aus dem dermatologischen Fachbereich (z. B. Psoriasis als Hinweis auf eine mögliche Psoriasisarthritis) und auf Verletzungszeichen (Hämatome, Schürfwunden). Sichtbar kann ferner eine Verschmächtigung der Muskulatur insbesondere am Oberschenkel sein.
Zur Verlaufskontrolle (z. B. im Rahmen eines Muskelaufbautrainings) eignet sich die Umfangsmessung. Diese wird normalerweise 10 cm und 15 cm kranial des inneren Kniegelenkspaltes im unmittelbaren Seitenvergleich durchgeführt.
Inspektion
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Gangbild
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Schonhinken
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Verkürzungshinken
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Trendelenburg-Duchenne-Hinken
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Verwendung von Gehhilfen
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innenrotiertes Gangbild
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Beckenstatik
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Beckenkippung
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Beckenschiefstand
-
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Hüftabduktoren
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Trendelenburg-Zeichen
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Duchenne-Zeichen
-
-
Wirbelsäulenstatik
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Brustkyphose
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Lendenlordose
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Skoliose
-
-
Muskulatur
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Atrophie
-
-
Haut und Weichteile
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Rötung
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Pilzbefall
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Psoriasis
-
Hämatome, Schürfwunden
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Palpation
Im Rahmen der Palpation lassen sich Temperaturunterschiede der Haut feststellen. Mechanische Phänomene können gelegentlich ertastet werden (z. B. Traktusschnappen).
Die Palpation umfasst alle prominenten Knochenvorsprünge mit den dortigen Muskelursprüngen und Weichteilstrukturen. Sie sollten auf Druckschmerzhaftigkeit, Schwellungen oder Verhärtungen untersucht werden. Durch die räumliche Zuordnung des Schmerzes können die infrage kommenden Diagnosen weiter eingegrenzt werden.
Die Sehnenursprünge und -ansätze sind besonders beim sportlich Aktiven hohen Belastungen ausgesetzt. Resultierende Insertionstendinopathien sind oftmals sportartspezifisch und einseitig. Die Betroffenen klagen über Schmerzen an den betroffenen Sehnen-Knochen-Übergängen, vor allem zu Beginn der Belastung und bei Zunahme der Belastungsintensität. Die Druckschmerzhaftigkeit der entsprechenden Muskelinsertionspunkte und Sehnen wird bei passiver Dehnung und aktivem Anspannen gegen Widerstand verstärkt. Zumeist weist die Sehne einen erhöhten Spannungszustand im Seitenvergleich auf.
Zu den häufigsten Insertionstendinopathien im Sport gehört das Grazilissyndrom („Fußballerleiste“). Davon abzugrenzen sind aufgrund der engen topografischen Lage die Insertionstendinopathie der Bauchmuskulatur (M. rectus abdominis und gemeinsamer Ansatz des M. transversus/M. obliquus abdominis internus = conjoint Tendon) am oberen Schambeinast und die weiche Leiste/Leistenhernie. Ihre Schmerzen werden meist mehr proximal angegeben als Adduktorenschmerzen. Sie strahlen mehr in die Abdominalmuskulatur, ins Perineum oder auch auf die Gegenseite der Symphyse aus und werden durch Husten oder Niesen verstärkt.
Insertionstendinopathien sind häufig Folge sportlicher Überbelastung, können aber auch im Rahmen von Muskelverspannungen bei der Koxarthrose oder bei vertebragenen Erkrankungen auftreten.
Typische Lokalisationen, die einer Tastuntersuchung gut zugänglich sind, zeigt Tab. [1].
Palpation
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Haut
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Temperatur
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Tumor/Schwellung tastbar?
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-
knöcherne Landmarken
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Druckschmerzhaftigkeit
-
-
Muskelursprünge/-ansätze
-
Druckschmerzhaftigkeit
-
Schwellung
-
Verhärtung
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Untersuchung des Bewegungsumfangs
Der aktive und passive Bewegungsumfang beider Hüftgelenke wird nach der Neutral-Null-Methode für Extension/Flexion, Abduktion/Adduktion sowie für die Außen-/Innenrotation dokumentiert. Die Rotation wird in Rückenlage bei 90° gebeugtem Knie- und Hüftgelenk und in Bauchlage bei gestrecktem Hüft- und gebeugtem Kniegelenk geprüft. Eine sicher reproduzierbare Methode ist die Prüfung der Außen- und Innenrotation am sitzenden Patienten mit frei hängenden Unterschenkeln (Abb. [7]). Die benachbarten Gelenke (Kniegelenk, Iliosakralgelenk und LWS) sollten in die Untersuchung mit einbezogen werden. Zunächst sollte die Untersuchung mit der nicht betroffenen Seite begonnen werden.


Abb. [8] zeigt die physiologischen Bewegungsausmaße am Hüftgelenk.


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Prüfung von Neurologie und Durchblutung
Es schließt sich eine orientierende neurologische Untersuchung der unteren Extremitäten an, um eine radikuläre Symptomatik vonseiten der Lendenwirbelsäule auszuschließen. Hierzu empfiehlt sich die Überprüfung des Kraftgrads der LWS-Kennmuskeln (Tab. [2]) und der dermatombezogenen Oberflächensensibilität, ggf. ergänzt durch die Untersuchung der Reflexe.
Vaskuläre Ursachen des vorgetragenen Leidens können bei tastbaren Fußpulsen weitestgehend ausgeschlossen werden. Als einfaches Hilfsmittel dient hier auch ein Ultraschall-Doppler-Gerät im Taschenformat.
Prüfung von Neurologie und Durchblutung
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neurologischer Status
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dermatombezogene Oberflächensensibilität
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Muskelkraft der LWS-Kennmuskeln
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ggf. Reflextestung
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Gefäßstatus
-
Fußpulse
-
ggf. Doppler-Untersuchung
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Spezielle Provokationstests
Im nächsten Untersuchungsschritt gilt es festzustellen, ob die geäußerten Beschwerden von einer intraartikulären Pathologie herrühren oder aus extraartikulären Strukturen entspringen. Die häufigsten intra- und extraartikulären Pathologien sind in der Infobox [„Überblick“] dargestellt.
Auswahl wichtigster Differenzialdiagnosen von Schmerzen im Bereich des Hüftgelenks
Intraartikuläre Ursachen:
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Labrumschaden
-
Knorpelschaden
-
freie Gelenkkörper
-
Gelenkchondromatose
-
Läsion des Lig. capitis femoris
-
Synovialitis
-
pigmentierte villonoduläre Synovialitis
-
Arthritiden des rheumatischen Formenkreises
-
eitrige Koxitis
-
Morbus Perthes
-
Epiphysiolysis capitis femoris
-
femoroazetabuläres Impingement
-
Hüftdysplasie
-
Hüftkopfnekrose
-
Koxarthrose
-
intrakapsuläre Schenkelhalsfraktur
Extraartikuläre Ursachen:
-
weiche Leiste/Leistenhernie
-
Sakroiliakalgelenksyndrom (SIG-Syndrom)
-
lumbaler Bandscheibenvorfall und lokales Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung
-
vordere Beckenringfraktur
-
Sakrumfraktur
-
proximale Femurfraktur
-
Insertionstendinopathien (Adduktoren, M. rectus femoris, conjoint Tendon, Abduktoren, ischiokrurale Muskulatur)
-
Avulsionsfrakturen (Spina iliaca anterior superior/inferior, Tuber ischiadicum)
-
Osteitis pubis
-
Symphysitis
-
Pathologie des M. iliopsoas (Senkungsabszess, Psoas-Impingement)
-
Greater trochanteric Pain Syndrome (GTPS)
-
Coxa saltans
-
Nervenengpasssyndrome (z. B. Piriformissyndrom, N. cutaneus femoris lateralis, N. ilioinguinalis, N. genitofemoralis)
-
extraartikuläres Hüft-Impingement (posteriores Impingement, subspine Impingement)
-
Erkrankungen von Harnwegen und Genitale
Einige Provokationstests können helfen, eine intraartikuläre Pathologie festzustellen.
Aktiver Beinhebetest/Beinhebetest gegen Widerstand. Bei aktiver Beinhebung („active straight leg raise“), vor allem aber bei Beinhebung gegen Widerstand („resisted straight leg raise“; Abb. [9]) entstehen im Hüftgelenk Kompressionskräfte, welche die Körpergewichtskraft um ein Mehrfaches übersteigen und belastender sind als gewöhnliches Gehen. Bereits bei leichtgradigeren degenerativen Hüfterkrankungen lassen sich damit Schmerzen provozieren.


Log-Roll-Test. Der spezifischste Einzeltest zur Provokation von Hüftschmerzen ist der Log-Roll-Test (Abb. [10]). Der Patient liegt auf dem Rücken, der Oberschenkel wird behutsam in maximale Innen- und Außenrotation gerollt. Hierbei wird lediglich der Hüftkopf in Relation zum Azetabulum und der umgebenden Kapsel bewegt, ohne dass Nerven oder myotendinöse Strukturen in die Bewegung einbezogen wären. Ein positiver Test spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Schmerzursache im Hüftgelenk, ein negatives Testergebnis schließt diese jedoch nicht aus.


Patrick-Test/FABER-Test. Beim Patrick-Test („Vierer-Zeichen“ oder FABER-Test [„flexion – abduction – external rotation“]) wird das entsprechende Bein gebeugt, außenrotiert und abduziert, sodass der Außenknöchel oberhalb der Kniescheibe des gestreckten, gesunden Beins zu liegen kommt (Abb. [11]). Der Untersucher stabilisiert mit einer Hand die Beckenschaufel der gesunden Seite, während mit der anderen Hand das betroffene Bein am Kniegelenk weiter in die Abduktion gedrückt wird. Eine Schmerzprovokation im Bereich der ventralen Leiste bei gleichzeitig bestehender Abspreizbehinderung weist auf ein Hüftgelenkleiden oder eine Leisten- bzw. Adduktorenproblematik hin. Werden die Schmerzen in die Lumbosakralgegend projiziert, spricht dies eher für eine Affektion des Iliosakralgelenks. Als Maß für die Abspreizbehinderung kann der Abstand des Kniegelenks zur Untersuchungsliege im Seitenvergleich verwendet werden.


Impingement-Test für das kraniomediale Hüftgelenk/FADDIR-Test. Der Test wurde ursprünglich für das femoroazetabuläre Impingement beschrieben (s. u.). Er ist jedoch keineswegs spezifisch für die zugrunde liegende Schmerzursache. Er kann bei jeglicher gereizter Hüfte unangenehm sein und schon bei subtilen pathologischen Veränderungen und Prozessen am Hüftgelenk Symptome hervorrufen. Die Symptomprovokation erfolgt durch forcierte Innenrotation und Adduktion in 90° Hüftbeugung (Abb. [12]).


In der englischsprachigen Literatur wird der Test auch als FADDIR-Test („flexion – adduction – internal rotation“) beschrieben. In maximaler Hüftbeugung, -adduktion und -innenrotation können die Beschwerden durch einen zusätzlich nach dorsal gerichteten Druck auf das Kniegelenk verstärkt werden. Der Test kann auch in Seitenlage durchgeführt werden, der Untersucher steht dabei hinter dem Patienten.
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Funktions- und Provokationstestungen unter Berücksichtigung häufiger Differenzialdiagnosen
Koxarthrose
Die Erkrankung beginnt oft schleichend mit anfänglich intermittierenden Schmerzen unter ungewöhnlicher Belastung, die im weiteren Verlauf schließlich bei Alltagsbelastungen und im Endstadium der Arthrose auch in Ruhe vorhanden sein können. Die Betroffenen klagen vielfach über diffuse, dumpfe Schmerzen im Bereich des Trochanter major und des Gesäßes, auch mit Ausstrahlung in den ventralen Oberschenkel.
Es zeigt sich häufig ein verlangsamtes Gangbild mit Schonhinken oder Verkürzungshinken. Nicht selten verlagern die Betroffenen den Oberkörper während der Standbeinphase zur schmerzenden Seite, um über eine Verkleinerung des Hebelarms der Körperschwerkraft das Hüftgelenk zu entlasten. Dem gleichen Zweck dient die Verwendung eines Gehstocks auf der gesunden Seite.
Im Rahmen der Funktionsprüfung zeigt sich eine aktive wie passive Einschränkung der Beweglichkeit im Seitenvergleich, vor allem der Rotation und Abduktion. Die Hüftrotation wird meistens als sehr schmerzhaft empfunden. In fortgeschrittenen Stadien kann zusätzlich eine Hüftbeugekontraktur vorliegen. Bei schweren Arthrosen können bei der passiven Durchbewegung gelegentlich auch Reibegeräusche wahrgenommen werden.
Der Patrick-Test ist bei vorliegender Koxarthrose häufig positiv, jedoch unspezifisch, sodass auch andere Erkrankungen des Hüftgelenks differenzialdiagnostisch infrage kommen.
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TEP-Lockerung
Bei gelockerter Hüftendoprothese oder mechanisch bedingten Beschwerden beklagen die Betroffenen im Regelfall Belastungsschmerzen. In Ruhe bestehen häufig deutlich weniger bis gar keine Beschwerden. Nicht selten greifen die Betroffenen auf Gehhilfen zurück.
Die Funktionsprüfung ist häufig nicht richtungsweisend. Der Bewegungsumfang ist nicht zwangsläufig eingeschränkt.
Für eine Prothesenlockerung sprechen folgende Tests:
Anvil-Test. Bei ersterem schlägt der Untersucher mit der Faust in axialer Richtung gegen die Ferse („heel strike“) des gestreckten und leicht angehobenen Beins (Abb. [13]). Anhand der angegebenen Schmerzlokalisation lassen sich gelegentlich Rückschlüsse auf die gelockerte Prothesenkomponente (Pfannen- oder Schaftlockerung) ziehen (siehe axialer Stauchungsschmerz).


Axialer Stauchungsschmerz. Zur Provokation des axialen Stauchungsschmerzes umfasst der Untersucher den im Hüftgelenk leicht gebeugten und außenrotierten Oberschenkel distal und staucht ihn in axialer Richtung (Abb. [14]). Schmerzen im Oberschenkelschaft sprechen eher für eine Schaftlockerung, Leistenschmerzen bzw. glutäale Schmerzen eher für eine Pfannenlockerung.


Fersenfalltest. Der schmerzhafte Fersenfalltest kann ebenfalls Hinweise für einen prothesenbedingten Schmerz liefern. Hierzu lässt sich der Patient vom Zehenstand mit gestreckten Beinen in den Fersenstand fallen.
Cave. Ein unauffälliger Weichteilbefund schließt einen periprothetischen Infekt nicht aus.
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Hüftgelenkerkrankungen beim Kind
Nicht selten werden neu aufgetretene Schmerzen am Hüftgelenk bei Kindern während der Anamneseerhebung auf ein Bagatelltrauma wie Stolpern oder eine Verdrehbewegung beim Fußballspiel zurückgeführt. Gelegentlich klagen die Betroffenen weniger über Hüft- als vielmehr über Schmerzen im Bereich des Kniegelenks.
Als wichtigste Differenzialdiagnosen sind die in der [Checkliste] genannten Erkrankungen zu nennen. Wegen der spezifischen Thematik muss auf weiterführende Literatur verwiesen werden. Allein das häufig positive Drehmann-Zeichen (Abb. [15]) als beim Kind immer zu prüfender und eindeutiger Hinweis auf eine Hüftpathologie sei erwähnt – dabei kommt es im Liegen bei der passiven Beugung des Beins im Hüft- und Kniegelenk zu einer zunehmenden und spontanen Außenrotation im Hüftgelenk.


Die bei Kindern wichtigsten Differenzialdiagnosen bei Schmerzen am Hüftgelenk
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Hüftdysplasie
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Morbus Perthes
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Epiphysiolysis capitis femoris
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septische Arthritis
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Coxitis fugax
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Arthritiden des rheumatischen Formenkreises
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Tumoren
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Hüftdysplasie
Die Diagnostik der Hüftdysplasie des Neugeborenen ist aufgrund ihrer Komplexität einschlägiger kinderorthopädischer Literatur zu entnehmen. Im Jugend- bis frühen Erwachsenenalter manifestiert sich die Erkrankung oft durch Hüftschmerzen vor allem nach körperlicher Belastung oder sportlichen Aktivitäten. Da bei der Hüftdysplasie zunächst das Labrum und der Knorpel am Pfannenerker geschädigt werden, entsprechen die Symptome weitgehend denen beim femoroazetabulären Impingement. Die Betroffenen beklagen „messerscharfe“ Leistenschmerzen und berichten über „Blockaden“ und „Giving-way“.
Die Frequenz der Schmerzepisoden nimmt im Allgemeinen rasch zu. Die Lagerung des Beins in leichter Beugung-Abduktion-Außenrotationsstellung führt zur Schmerzlinderung. Die Impingement-Tests (s. u.) sind häufig positiv, lassen aber eine Unterscheidung zwischen Impingement-Syndrom und Hüftdysplasie nicht zu.
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Femoroazetabuläres Impingement
Das femoroazetabuläre Impingement (FAI) manifestiert sich meistens mit intermittierenden Leisten-, Adduktoren- oder mit nach distal ausstrahlenden Trochanterschmerzen, welche häufig mit sportlichen Aktivitäten in Zusammenhang gebracht werden. Die Beschwerden zeigen sich bei athletischen Männern am häufigsten im Alter von 20–30 Jahren erstmalig („Nockenwellen-“ oder Cam-FAI), bei Frauen mit hohem Bewegungsanspruch im Alter von 30–40 Jahren („Beißzangen-“ oder Pincer-FAI).
Kranial-mediales Impingement (Cam-Impingement)
Beim kranial-medialen (Cam-) Impingement ist die Innenrotation und Adduktion in Hüftbeugung eingeschränkt und häufig schmerzhaft, insbesondere, wenn die tiefe Beugung über eine längere Zeit (Sitzen im Auto oder auf dem Sofa) bestanden hat. In dieser Position kommt es zum Kontakt des Schenkelhalses mit dem vorderen Pfannenrand und dem kranial-medialen Labrum, das dann Kompressionskräften ausgesetzt wird. Die typischen teils stechenden Leistenschmerzen können durch forcierte Innenrotation und Adduktion in Hüftbeugung (Impingement-Test für das kraniomediale Hüftgelenk bzw. FADDIR-Test, s. o.) provoziert werden.
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Dorsokaudales Impingement (Pincer-Impingement)
Nächtliche Schmerzen beim Liegen auf dem Rücken sowie eine Verkürzung der Schrittlänge weisen eher auf ein dorsokaudales (Pincer-) Impingement hin. Im Gegensatz zum Cam-Impingement ist die Außenrotation in voller Hüftstreckung schmerzhaft. Der Schmerz wird meistens dorsaler wahrgenommen.
Als Provokationstest eignet sich der Impingement-Test für das dorsokaudale Hüftgelenk (Abb. [16]): Der Patient liegt am Ende der Untersuchungsliege, sodass das betroffene Bein herunterhängt und in der Hüfte maximal gestreckt ist. Das gesunde Bein wird vom Patienten in der Hüfte und im Kniegelenk maximal gebeugt gehalten. Forcierte Außenrotation am gestreckten Bein führt dann zur Schmerzprovokation. Dieser Test ist in der Literatur in mehreren Durchführungsvarianten beschrieben. Als Apprehension-Test (Abb. [17]) wird er bezeichnet, wenn der Patient am Liegenrand liegt und das Bein aus der Abduktionsstellung hyperextendiert und außenrotiert wird.




Die häufigste Ursache von anhaltenden bzw. wiederkehrenden Hüftgelenkschmerzen im jungen Erwachsenenalter sind die Hüftdysplasie und das femoroazetabuläre Impingement. Die Symptome sind einander sehr ähnlich, da bei beiden Krankheitsentitäten zunächst das Labrum geschädigt wird. Häufig handelt es sich auch um Mischformen.
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Frakturen
Hüftgelenknahe Frakturen des Oberschenkels und Gelenkfrakturen treten in zwei Altersgipfeln auf. Bei den jüngeren Patienten liegt häufig ein Hochrasanztrauma zugrunde, während bei den älteren ein einfacher Sturz auf das Hüftgelenk ausreichend sein kann. Neben starken Schmerzen ist die Hüftgelenkbeweglichkeit aufgehoben oder zumindest deutlich eingeschränkt. Bei proximalen Femurfrakturen, insbesondere bei medialen Schenkelhalsfrakturen, kann das betroffene Bein verkürzt und außenrotiert sein.
Über dem Trochanter major kann ein Hämatom vorliegen, der Oberschenkel kann geschwollen sein. Der Trochanter selbst ist meistens druckschmerzhaft.
Ein Druckschmerz im Bereich des oberen oder unteren Schambeinastes kann auch ein Hinweis auf eine vordere Beckenringfraktur sein.
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Hüftgelenknahe Pathologien
Sakroiliakale Dysfunktion
Als funktionelle Störung des Sakroiliakalgelenks (SIG, ISG) findet sich am häufigsten eine Gelenkblockierung. Andere Ursachen sind arthrotische Veränderungen oder Verschiebung der Iliosakralgelenke bei Hüftarthrosen und Hüfteinsteifungen. Betroffene geben die Schmerzen häufig parasakral oder direkt über dem SIG an. Nicht selten bestehen Schmerzen glutäal oder pseudoradikulär auf der Oberschenkelrückseite, teils auch in der Trochanterregion. Bei Verspannungen des M. iliopsoas oder der Adduktoren bestehen zusätzlich Schmerzen im Bereich der Leiste. Treppensteigen, Aufstehen aus dem Sitz, Ein- oder Aussteigen aus dem Auto verstärken die Symptome am SIG.
Abduktionsbelastungstest. Beim Abduktionsbelastungstest (Abb. [18]) in Seitenlage beugt der Patient das liegennahe Bein zur Stabilisierung des Körpers. Das andere Bein wird dann in Streckstellung gegen den Widerstand des Untersuchers abgespreizt. Zunehmende Schmerzen im Bereich des SIG deuten auf eine sakroiliakale Dysfunktion hin. Kommt es zu einer Schmerzprovokation im Bereich des Hüftgelenks, lässt sich (ähnlich wie beim „resisted straight leg raise“) ein Hüftgelenkleiden vermuten. Kann das Bein trotz fehlender Schmerzen nicht oder nur gering abduziert werden, spricht dies für eine Insuffizienz der Glutäalmuskulatur.


Eine SIG-Blockade kann durch folgende Untersuchungen festgestellt werden:
Vorlaufphänomen. Bei der Prüfung des Vorlaufphänomens (Abb. [19]) im Stehen tastet der Untersucher mit beiden Daumen die Spinae iliacae posteriores superiores des Patienten und weist ihn an, den Oberkörper nach vorne zu neigen, wobei die Kniegelenke gestreckt bleiben sollen. Im Fall einer einseitigen Blockierung des SIG kommt es aufgrund der fehlenden Drehbewegung zwischen Kreuzbein und Darmbein (sog. Nutation) auf der betroffenen Seite zu einer früheren Kranialbewegung des Darmbeins, was am vorzeitigen Höhertreten der Spina iliaca posterior superior erkennbar wird.


Vor der Testdurchführung sollte ein Beckenschiefstand aufgrund einer Beinlängendifferenz durch Brettchenunterlage ausgeglichen werden. Der Test ist nicht verwertbar bei beidseitiger SIG-Blockade, bei Skoliosen, bei Blockierungen bzw. Versteifungen der unteren LWS und bei Verkürzung der ischiokruralen Muskulatur.
Das Vorlaufphänomen kann auch im Liegen geprüft werden (Abb. [20]). Aufgrund der gestörten Nutation kommt es beim Aufrichten des Oberkörpers aus dem Liegen zu einer funktionellen Beinverlängerung auf der entsprechenden Seite. Im Liegen hingegen findet sich meistens eine ausgeglichene Beinlänge.


Spine-Test. Beim Spine-Test (Abb. [21]) werden die beiden SIG im Seitenvergleich nacheinander untersucht. Dazu tastet der Untersucher mit dem ipsilateralen Daumen die Spina iliaca posterior superior der zu untersuchenden Seite, der andere Daumen liegt auf gleicher Höhe auf der Dornfortsatzreihe des Kreuzbeins. Der Patient wird aufgefordert, das gleichseitige Bein im Hüft- und Kniegelenk zu beugen. Bei freier SIG-Beweglichkeit kommt es sofort bei Beginn der Beugung zu einem Absinken der Spina iliaca nach kaudal. Fehlt diese Bewegung nach kaudal oder tritt die Spina sogar geringfügig nach kranial, liegt eine SIG-Blockade auf der entsprechenden Seite vor.


Patrick-Test. Der bereits beschriebene Patrick-Test kann positiv sein (s. o.).
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Schnappende Hüfte (Coxa saltans)
Rezidivierende Schnappgeräusche im Bereich des Hüftgelenks kommen bei vielen Patienten vor. Das Hüftschnappen ist häufig schmerzfrei und dann auch nicht behandlungsbedürftig, die Patienten sind jedoch wegen des Geräuschs beunruhigt. Extraartikuläre Ursachen können ein ruckartiges Gleiten der Psoassehne über die Eminentia iliopectinea oder ein Schnappen des Tractus iliotibialis über den Trochanter major sein. Behandlungsbedarf besteht in beiden Fällen nur bei schmerzhaftem Schnappen.
Psoasschnappen. Ein Psoasschnappen lässt sich häufig beim Übergang aus einer tiefen Beuge-/Abduktions- und Außenrotationsstellung im Hüftgelenk beim Übergang in die Streckung und Innenrotation provozieren. Vielfach können die Patienten das Schnappen besser aktiv demonstrieren, als es der Untersucher passiv auslösen kann.
Intraartikuläre Ursachen eines hörbaren Schnappens umfassen freie Gelenkkörper oder Labrumrisse, die nicht als Psoasschnappen fehlgedeutet werden dürfen und einer Behandlung zugeführt werden sollten.
Traktusschnappen. Zur Feststellung eines Traktusschnappens lässt man den auf der Seite liegenden Patienten das Hüftgelenk beugen und strecken, wodurch das Schnappen oftmals ausgelöst werden kann.
Ober-Test. In dieser Position (auf der Seite liegender Patient) kann auch der Tractus iliotibialis überprüft werden, der häufig verkürzt ist. Hierzu eignet sich der Ober-Test (Abb. [22]): Das Bein wird vom Untersucher bei gestrecktem Kniegelenk im Hüftgelenk extendiert und abduziert und aus dieser Position losgelassen. Fällt das Bein nicht unmittelbar in eine Adduktionsstellung, liegt eine Verkürzung des Tractus iliotibialis vor. Eine Kontraktur des M. glutaeus medius wird in Neutralposition des Hüftgelenks bei gebeugtem Kniegelenk geprüft. Zur Überprüfung einer Kontraktur des M. glutaeus maximus wird das zu untersuchende Bein im Kniegelenk gestreckt, anschließend im Hüftgelenk gebeugt und abduziert, um es erneut aus dieser Position loszulassen.


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Schmerzsyndrom des Trochanter major („greater trochanteric pain syndrome“, GTPS)
Unter dem Begriff des GTPS werden Schmerzen und Spannungszustände am und um den Trochanter major zusammengefasst. Neben intraartikulären Pathologien kommen eine Reihe extraartikulärer Ursachen wie Frakturen, Infektionen, Nervenengpasssyndrome, oder ausstrahlende Wirbelsäulenschmerzen infrage. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass für das über Jahre als Bursitis trochanterica bezeichnete Krankheitsbild am häufigsten Tendinopathien und unvollständige Rupturen oder Abrisse der vorderen Sehnenanteile des M. glutaeus medius und minimus verantwortlich sind. Eine Begleitbursitis ist häufig, sie ist aber selten allein ursächlich für die Schmerzentstehung. Betroffen sind hauptsächlich Frauen im Alter von 40–60 Jahren. Prädisponierend sind Beinlängenunterschiede, tiefe Rückenschmerzen, veränderte Kraftvektoren über dem Hüftgelenk, Gonarthrosen, Adipositas und spezifische sportliche Aktivitäten wie Laufen auf Asphalt.
Die Patienten klagen häufig über einseitige Schmerzen beim Liegen auf der Seite und beim Treppensteigen. Typischerweise lokalisieren die Betroffenen den Schmerz, der durch Palpation verstärkt wird, exakt über dem lateralen oder posterioren Anteil des Trochanter major. Die Schmerzen können auch nach glutäal oder auf die Außenseite des Oberschenkels teils bis zum Kniegelenk ausstrahlen.
Schmerzen können beim Ober-Test und bei Abduktion gegen Widerstand auftreten. Bei höhergradiger Abduktorenschädigung ist das Trendelenburg-Zeichen positiv.
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Torsionsanomalien
Torsionsabweichungen an der Hüftpfanne und am Femur können zu Hüftschmerzen und Arthrose führen.
Gangbild. Aufschluss über eine femorale Torsionsanomalie ergibt häufig bereits das Gangbild. Ein innenrotiertes Gangbild spricht für eine vermehrte femorale Antetorsion.
Hüftrotation. Weitere Informationen bringt die Prüfung der Hüftrotation. Da diese nicht nur von der femoralen Torsion, sondern auch der Pfannenversion beeinflusst wird, sind isolierte Rückschlüsse auf eine femorale oder azetabuläre Torsionsabweichung nur schwer möglich. Grundsätzlich gilt aber, dass Torsionsabweichungen des Femurs die Hüftrotation stärker beeinflussen als Anomalien der Pfannendrehung. Eine verminderte Innenrotation bei gleichzeitig über der Norm liegender Außenrotation spricht für eine verringerte femorale Antetorsion und/oder verringerte Pfannenversion bis hin zur Pfannenretroversion.
Antetorsionstest („Craigʼs test“). Zur Abschätzung der femoralen Antetorsion dient der Antetorsionstest („Craigʼs test“; Abb. [23]): Der Patient liegt in Bauchlage, das Kniegelenk ist 90° gebeugt. Der Untersucher tastet mit einer Hand den Trochanter major, mit der anderen fasst er den Unterschenkel und dreht das Bein im Hüftgelenk, bis der Trochanter major in seiner maximalen Prominenz tastbar ist. In dieser Stellung ist der Schenkelhals parallel zur Unterlage ausgerichtet, sodass der Winkel zwischen der Vertikalen und der Unterschenkelachse die Antetorsion anzeigt.


Da für diesen Test eine niedrige Sensitivität und Spezifität nachgewiesen werden konnte, müssen im Verdachtsfall einer Torsionsanomalie weitere schnittbildgebende Verfahren durchgeführt werden.
Danksagung. Wir möchten uns bei Sven Olaf Stange für die Aufnahme und Nachbearbeitung der Fotos bedanken.
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Interessenkonflikt: Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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Quellenangaben
- 1 Brand RA. John Hilton, 1805–1878. Clin Orthop Relat Res 2009; 467 (9) 2208-2209
- 2 Janda V. Manuelle Muskelfunktionsdiagnostik. 4.. Aufl. München: Urban & Fischer; 2000
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Zum Weiterlesen und Vertiefen
- 1 Bischoff HP, Moll H. Kurz gefasstes Lehrbuch der manuellen Medizin. Balingen: Spitta Verlag; 2007
- 2 Buckup K. Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln : Untersuchungen – Zeichen – Phänomene. Stuttgart, New York: Thieme; 2005
- 3 Byrd JW. Evaluation of the hip: history and physical examination. N Am J Sports Phys Ther 2007; 2: 231-240
- 4 Domb BG, Brooks A, Guanche CA. Physical Examination of the Hip. In: Guanche CA, ed. Hip and Pelvis Injuries in Sports Medicine. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins; 2009
- 5 Holmich P, Dienst M. Differentialdiagnose von Hüft- und Leistenschmerzen. Symptome und körperliche Untersuchungstechnik. Orthopäde 2006; 35: 8-15
- 6 Leunig M, Ganz R. Femoroacetabuläres Impingement. Häufige Ursache von zur Arthrose führenden Hüftbeschwerden. Unfallchirurg 2005; 108: 9-17
- 7 Martin HD, Palmer IJ. History and physical examination of the hip: the basics. Curr Rev Musculoskelet Med 2013; 6: 219-225
- 8 Mcfadden DP, Seidenberg PH. Physical Examination of the Hip and Pelvis. In: Seidenberg PH, Bowen JD, eds. The Hip and Pelvis in Sports Medicine and Primary Care. Berlin, Heidelberg, New York: Springer; 2010
Korrespondenzadresse
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Quellenangaben
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Zum Weiterlesen und Vertiefen
- 1 Bischoff HP, Moll H. Kurz gefasstes Lehrbuch der manuellen Medizin. Balingen: Spitta Verlag; 2007
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