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DOI: 10.1055/s-0033-1358075
Grenzfälle der Zahnerhaltung
Intraalveoläre Transplantation und intentionelle Replantation im FrontzahngebietKorrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
23. Januar 2015 (online)
- Einleitung
- Intraalveoläre Transplantation
- Intentionelle Replantation
- Prognose
- Zusammenfassung
- Audio-Podcast des gesamten Artikels
- Literatur
Einleitung
Frontzahndefekte sind in der modernen Zahnmedizin durch verschiedene Maßnahmen problemlos restaurierbar. Es ist möglich, Funktion und Ästhetik wiederherzustellen, sofern der Zerstörungsgrad limitiert ist.
Vieles kann heute mit direkter Komposittechnik versorgt werden. Defekte, die sich bis in die Nähe der Gingiva erstrecken, erfordern üblicherweise eine Wurzelkanalbehandlung und den Einsatz laborgefertigter Restaurationen [1], [2].
Tiefe subgingivale Defekte gelten vielfach als nicht restaurierbar, und der Zahn wird dementsprechend als nicht erhaltungswürdig eingestuft. Zwar steht mit dem Implantat eine gute Möglichkeit zur Verfügung, um nicht erhaltungswürdige Zähne zu ersetzen, allerdings können Implantate nicht in jeder klinischen Situation und nicht in jeder Altersgruppe zum Einsatz kommen [3], [4].
Wurde bisher das Ende des skelettalen Wachstums fürs 20. Lebensjahr angenommen und ein Implantat auch im anterioren Oberkiefergebiet empfohlen, so zeigen aktuelle Studien, dass das Kieferwachstum doch wesentlich länger andauert. In einer wegweisenden Studie aus dem Jahre 2007 wurden Oberkieferfrontzahn-Implantatkronen 15 Jahre nach dem Setzen nachuntersucht. Das durchschnittliche Alter der Patienten zum Therapiezeitpunkt betrug 25 Jahre. Trotzdem war zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung in 60 % aller Fälle kein stabiles Ergebnis vorhanden. Bei 45 % der Männer trat eine Infraposition der Implantatkrone auf, während in der Gruppe der Frauen kein einziges Implantat stabil war [5].
Auch Studien aus dem kieferorthopädischen Bereich zeigen, dass wachstumsbedingte Veränderungen des Gesichtsschädels bis ins mittlere Erwachsenenalter zu erwarten sind [6].
Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, den frühesten Zeitpunkt für eine Implantatversorgung eher im Bereich des 30. Lebensjahres anzusiedeln.
Im Falle nicht erhaltungswürdiger Frontzähne vor dem Erreichen dieses Alters ist eine andere Therapie zu wählen.
Der kieferorthopädische Lückenschluss oder das Einsetzen einer Adhäsivbrücke bieten gute Möglichkeiten zur Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik nach Extraktion [4], [7], [8].
Die Transplantation eines Prämolaren in die Frontzahnregion ist eine weitere Alternative.
Sofern die Voraussetzungen bezüglich Zahngröße und Stand des Wurzelwachstums geeignet erscheinen, können fehlende oder nicht erhaltungswürdige Zähne somit auf biologische Weise ersetzt werden [9].
Mit der kieferorthopädischen Extrusion und der intraalveolären Transplantation (chirurgische Extrusion) stehen zwei zahnerhaltende Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Sie können die Grenzen der Zahnerhaltung bei vorhandenen tiefen subgingivalen Defekten erweitern (Abb. [1] und [2]).
Merke: Bei jungen Erwachsenen sollten Implantationen im Frontzahngebiet des Oberkiefers möglichst lange hinausgezögert werden und – sofern möglich – erst nach dem 30. Lebensjahr erfolgen.
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Intraalveoläre Transplantation
Die intraalveoläre Transplantation wurde bereits Ende der 1970er-Jahre in Skandinavien vorgestellt [10]. Sie sieht die Versetzung der verbliebenen Zahnwurzel innerhalb der Alveole in eine koronalere Position vor. Die Defektgrenze kommt dadurch supragingival zu liegen, was die restaurative Versorgung erleichtert und oft überhaupt erst ermöglicht (Abb. [3]–[28]). Eine typische Indikation für die intraalveoläre Transplantation besteht bei tiefen Kronen-Wurzel-Frakturen [11].
Wie bei allen operativen Eingriffen wird das Einverständnis des Patienten oder ggf. der Erziehungsberechtigten vorausgesetzt. Das erfordert im Vorfeld eine Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden inklusive Folgebehandlungen. Für die chirurgische Zahnerhaltung ist gute Mundhygiene genauso Voraussetzung wie das Fehlen schwerer Grunderkrankungen. Grundsätzlich muss auf das Risiko eines Misserfolgs mit resultierendem Zahnverlust hingewiesen werden.
Therapieoptionen
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kieferorthopädische Extrusion
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intraalveoläre Transplantation (chirurgische Extrusion)
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intentionelle Replantation
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chirurgische Kronenverlängerung
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Prämolarentransplantation
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Extraktion + kieferorthopädischer Lückenschluss
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Extraktion + Adhäsivbrücke
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Extraktion + konventionelle Brücke
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Extraktion + Implantat (soweit möglich nicht vor dem 30. Lebensjahr)
In jedem Fall muss nach Kronen-Wurzel-Fraktur das koronale Bruchstück entfernt werden. Die verbleibende Zahnwurzel wird anschließend gewebeschonend in Lokalanästhesie entfernt. Zunächst sollten die dentogingivalen Fasern mit einem (mikrochirurgischen) Skalpell gelöst werden. Durchtrenntes Parodont muss man nicht durchreißen, und Schnittwunden heilen grundsätzlich besser als Riss-Quetsch-Wunden. Bei noch vorhandenem (meist bukkalem) Schmelzanteil kann der Zahn ggf. mittels einer diamantierten Zange gefasst und durch Rotation vorsichtig entfernt werden. Der Einsatz von Hebeln oder Luxationsbewegungen ist zu vermeiden, da sie zu parodontalen Schäden auf der Wurzeloberfläche führen können und somit die parodontale Heilung nach Replantation gefährden. Aufklappungen oder gar Osteotomien sind in jedem Fall zu unterlassen. Sind keine relevanten Schmelzanteile mehr vorhanden, so sollte die Entfernung der Wurzel mittels vertikaler Zahnextraktion erfolgen. Hierzu eignet sich beispielsweise das benex-System (Fa. Helmut Zepf Medizintechnik, Tuttlingen, und Fa. Hager & Meisinger, Neuss) [12], bei dem eine Schraube intrakanalär verankert wird und die Wurzel über ein Flaschenzugsystem axial aus der Alveole gezogen wird. Es wurde nachgewiesen, dass bei Verwendung solcher Extrusionsvorrichtungen die Wahrscheinlichkeit für ein Überleben der Zementoblasten auf der Wurzeloberfläche signifikant höher ist als bei einer Zangenextraktion mit Rotation der Wurzel [13].
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Eine schonende Extraktionstechnik unter möglichst geringer Schädigung des Wurzelzements beeinflusst maßgeblich die langfristige Prognose des replantierten Zahnes.
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Bei Kronen-Wurzel-Frakturen im Oberkiefer-Frontzahnbereich kann eine Drehung der extrudierten Wurzel um 180° im Rahmen der intraalveolären Transplantation das Ausmaß der Extrusion verringern.
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Während nach intentioneller Replantation der Zahn für maximal 2 Wochen geschient wird, benötigen Zähne mit intraalveolärer Transplantation oftmals längere Schienungszeiten von bis zu 6 Wochen.
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Die Wurzelkanalbehandlung muss innerhalb der ersten 2 Wochen nach intraalveolärer Transplantation eingeleitet werden.
Unmittelbar nach der Entfernung wird die Wurzel auf mögliche weitere Mikrofrakturen hin untersucht. Die Wurzel darf hierbei weder austrocknen noch mechanisch oder chemisch verletzt werden. Nach der Inspektion und ggf. einer temporären Lagerung in der Zahnrettungsbox wird der Zahn, 180° um die Längsachse rotiert, in Supraposition eingesetzt. Die genaue Lage sollte so gewählt werden, dass sich der gesamte Frakturspalt jetzt extraalveolär und möglichst auch supragingival befindet. Zusammen mit dem Niveauunterschied im Gingivaverlauf (bis zu 2 mm bukkal versus palatinal) bewirkt das Drehen der Zahnwurzel, dass eine deutlich geringere Supraposition gewählt werden kann. Somit ist die verbleibende Wurzellänge günstiger und das Austrittsprofil wird für die spätere Rekonstruktion verbessert. In dieser neuen Position wird der Zahn mittels TTS-Schiene, Säure-Ätz-Technik und unter Verwendung eines fließfähigen Komposits fixiert. Die Klebeflächen sollten hierbei nicht zu groß gewählt werden, um funktionelle Krafteinleitung auf das heilende Parodont zu ermöglichen. Die Schienungsdauer beträgt je nach gewählter Supraposition und korrespondierender Primärstabilität zwischen 2 und 6 Wochen. Der Zeitpunkt zur Entfernung ist gegeben, wenn der Perkussionsschall des Zahnes dem der parodontal gesunden Nachbarzähne gleicht.
Eine Wurzelkanalbehandlung sollte jedoch früher, vorzugsweise innerhalb von 1 bis 2 Wochen nach der Replantation begonnen werden. Wird die Wurzelkanalbehandlung nicht oder zu spät eingeleitet, so muss mit einem hohen Risiko für infektionsbedingte Wurzelresorptionen gerechnet werden. Denn nach der Replantation kann der Wurzelzement seine Barrierefunktion nicht vollständig erfüllen. Gelangen zu diesem Zeitpunkt bakterielle Toxine über Dentintubuli in das Parodont, so führt dieser zusätzliche Stimulus zu einer schnellen Resorption von Wurzeldentin und Knochen entlang der gesamten Wurzeloberfläche (Tab. [1]).
Ursache |
Diagnostik |
Progression/Verlauf |
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---|---|---|---|
transiente Resorption („healing-related resorption“) |
räumlich begrenzter mechanischer Schaden am Wurzelzement |
klinisch: keine Hinweise radiologisch: Diagnostik meistens nicht möglich, selten als veränderte Kontur der Wurzeloberfläche sichtbar. Parodontalspalt verfolgbar |
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Ersatzresorption („osseous replacement“) |
massiver Schaden am Wurzelzement (> 20 % der Wurzelaußenfläche betroffen) |
klinisch: fehlende Beweglichkeit, später Infraposition des betroffenen Zahnes bei Patienten im Wachstum. Metallähnlicher Klang bei axialer Perkussion radiologisch: fehlender Parodontalspalt und mottenfraßähnliches Erscheinungsbild der Wurzelaußenkontur |
|
infektionsbedingte Resorption („infection-related resorption“) |
massiver Schaden am Wurzelzement, zusätzlich Infektion im Endodont |
klinisch: anfangs meist keine Hinweise. In späteren Stadien erhöhter Lockerungsgrad mit dumpfem Perkussionsschall, Perkussionsempfindlichkeit sowie Fistelbildung möglich radiologisch: transluzente Zonen unterschiedlicher Größe entlang einer unregelmäßigen Außenkontur, sowohl in der Wurzel als auch im benachbarten Knochen |
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Intentionelle Replantation
Die intentionelle Replantation blickt auf eine über 250-jährige Geschichte zurück und wird üblicherweise bei endodontischem Misserfolg als Ultima-Ratio-Therapie und Alternative zu einer konventionellen Wurzelspitzenresektion angesehen [14], [15].
Ferner kann die intentionelle Replantation auch bei zervikalen Resorptionen oder Perforationen zum Einsatz kommen, die aufgrund größerer Defektausdehnung oder fehlender Zugänglichkeit weder von extern (nach Aufklappung) noch von intern (vom Wurzelkanal her) suffizient zu versorgen sind [16].
Im Gegensatz zur intraalveolären Transplantation wird der extrahierte Zahn nach extraoraler Defektversorgung wieder in die ursprüngliche Position in der Alveole replantiert (Abb. [29]–[40]).
Günstige Voraussetzungen bestehen bei einwurzeligen Zähnen, da ihre Extraktion ohne größeren Schaden für das Wurzelzement und unter geringer Frakturgefahr erfolgen kann.
Die erforderliche Wurzelkanalbehandlung erfolgt idealerweise vor der intentionellen Replantation. Ein provisorisches Abdichten des resorptions- oder perforationsbedingten Defekts ist meist problemlos vom Wurzelkanal her mit Cavit möglich. Nach Abfüllen des Wurzelkanals kann es ratsam sein, den Zahn mit einem adhäsiv eingesetzten Glasfaserstift zu stabilisieren. Bei ausgedehnten Resorptionen kann dies einer Fraktur des Zahnes während der Extraktion entgegenwirken.
Sofern die Zahnkrone intakt oder suffizient restauriert ist, erfolgt die Extraktion mit einer Extraktionszange.
Die Versorgung des Defekts erfolgt extraoral. Dabei sind alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um ein Austrocknen der Wurzeloberfläche zu verhindern. Eine Zahnrettungsbox sollte bereit liegen, um die Wurzel auch während der extraoralen Manipulation zumindest partiell eintauchen zu können.
Die Zahnkrone wird in der Zange festgehalten, während der Defekt dargestellt und mit einem Diamantbohrer etwas erweitert wird, um sämtliches Gewebe aus der Tiefe zu entfernen.
Das Trocknen der Kavität sollte statt mit dem Luftbläser mit Papierspitzen und einem Mikrosauger erfolgen. Für die Dentinkonditionierung sind selbstätzende Adhäsivsysteme vorzuziehen, um negative Auswirkungen der Phosphorsäure auf das vitale Parodont zu vermeiden. Allerdings muss auch bei der Applikation des Adhäsivs mittels Microbrush genau darauf geachtet werden, die Wurzeloberfläche in unmittelbarer Nachbarschaft des Defekts nicht mit dem Monomergemisch zu kontaminieren. Aus diesem Grund sollte das Adhäsiv nach dem Auftragen auch nicht verblasen werden. Das erforderliche Verdunsten des enthaltenen Lösungsmittels kann mit dem Mikrosauger erfolgen, der wenige Millimeter vor der Kavität platziert wird. Direkter Kontakt des Saugers zur Dentinoberfläche ist wiederum zu vermeiden, damit das Adhäsiv nicht komplett weggesaugt werden kann. Das Aushärten sollte mit reduzierter Lichtleistung erfolgen, um eine thermische Schädigung des Parodonts zu vermeiden.
Zwischenzeitlich ist es ratsam, die apikalen Wurzelanteile unterhalb des zu restaurierenden Defekts mit der Nährlösung aus der Zahnrettungsbox anzufeuchten.
Zur Restauration der Kavität werden vorzugsweise fließfähige Komposite eingesetzt. Bewährt hat sich der Einsatz des fließfähigen Bulk-fill-Materials SDR (Dentsply DeTrey, Konstanz). Aufgrund der reduzierten Schrumpfungsspannungen und der großen Aushärtungstiefe ist die Applikation in einer einzigen Schicht ausreichend. Die Konsistenz ist günstig, da sich die Oberfläche selbsttätig nivelliert. Somit ist bei sorgfältiger Applikation ein späteres Konturieren nicht erforderlich. Eine Defektversorgung mit MTA wäre aus biologischer Sicht günstiger, allerdings steht die Auswaschungstendenz des Materials bei suprakrestaler Lokalisation einer Empfehlung entgegen.
Wie bei der Aushärtung des Adhäsivs ist auch hier ein Kompromiss zwischen einer möglichst guten Polymerisation und einem minimalen Temperaturanstieg im Bereich des angrenzenden vitalen Parodonts zu suchen.
Die an der Oberfläche entstandene Sauerstoffinhibitionsschicht enthält unvernetzte Monomere und muss durch sorgfältige und gezielte Politur entfernt werden. Hierzu eignen sich handelsübliche Silikonpolierer.
Vor Replantation muss das Blutkoagulum, das sich zwischenzeitlich in der Alveole gebildet hat, abgesaugt werden. Der Zahn wird replantiert und vorzugsweise mit einer TTS-Schiene flexibel geschient. Aufgrund der vorsichtigen Extraktion durch Rotation ist die Alveole kaum erweitert, sodass der Zahn sofort nach Replantation eine äußerst gute Primärstabilität ohne erhöhte Mobilität aufweist. Als Schienungsalternative kann der Zahn nach punktuellem Anätzen der Oberflächen mit einem Tropfen Flowable-Komposit am Nachbarzahn geschient werden. Diese starre Fixation frakturiert meist schon nach sehr kurzer Zeit bei geringer Krafteinwirkung, was die gewollte physiologische Beweglichkeit des replantierten Zahnes ermöglicht. Durch die Verkeilung im Bereich der Bruchfläche ist der Zahn trotzdem ausreichend stabilisiert.
Nach 1 bis 2 Wochen kann die Schienung entfernt werden. Aus tierexperimentellen Untersuchungen ist bekannt, dass bereits 3 Tage nach Replantation Bindegewebszellen in das Blutkoagulum invadieren und schon nach 2 Wochen neu gebildete Desmodontalfasern zu finden sind, die den Parodontalspalt überbrücken [17].
Im Gegensatz zur intraalveolären Transplantation befindet sich der (meistens mit Komposit) restaurierte Defekt nach einer intentionellen Replantation an der gleichen subgingivalen bzw. subkrestalen Stelle. Somit muss eine partielle Missachtung der biologischen Breite in Kauf genommen werden. Wenn auch klinische Langzeitdaten fehlen, so zeigen aktuelle Fallberichte doch, dass bei einer glatten Restauration ohne Randspalt eine aus parodontaler Sicht tolerierbare Situation zu erwarten ist [18].
Merke: Im Gegensatz zur intraalveolären Transplantation wird der betroffene Zahn bei einer intentionellen Replantation nach extraoraler Behandlung an die gleiche Position in der Alveole replantiert.
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Prognose
Die Ergebnisse einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit zeigen, dass die intraalveoläre Transplantation eine sinnvolle und mit geringen Risiken assoziierte Therapieoption für Zähne mit tiefen subgingivalen Defekten darstellt [19]. Allerdings ist der verfügbare Evidenzgrad niedrig, da lediglich prospektive Fallserien und Fallberichte publiziert wurden.
Den verfügbaren Daten zufolge liegt das Risiko für Zahnverlust bei 5 %. Für progressive Wurzelresorptionen, die den Zahnerhalt kompromittieren, liegt die Rate bei 3 %. Marginaler Knochenabbau ist ebenfalls eine seltene Komplikation (weniger als 4 % der Fälle). Eine erhöhte Mobilität des Zahnes wird in 4,6 % der Fälle beobachtet, in 0,4 % ist sie stark erhöht. Ankylose wurde nicht gefunden.
Nicht progressive Wurzelresorptionen werden mit ca. 30 % zwar recht häufig beobachtet, sind allerdings selbstlimitierend und gefährden nicht den Zahnerhalt [20].
In einer tierexperimentellen Studie wurden die parodontalen Heilungsvorgänge zwischen kieferorthopädisch und chirurgisch extrudierten Zähnen verglichen. Hier traten initiale Resorptionszeichen lediglich nach der chirurgischen Extrusion (intraalveoläre Transplantation) auf. Sie gingen jedoch in allen Fällen in eine vollständige parodontale Heilung über. Somit waren zwischen den beiden Gruppen bereits nach 6 Monaten bezüglich der Heilung keine Unterschiede mehr zu verzeichnen [21].
Für die intentionelle Replantation nach extraoralem Defektverschluss fehlen valide Daten. Für Zähne mit apikaler Parodontitis liegt eine aktuelle retrospektive Untersuchung vor: Nach extraoraler Wurzelspitzenresektion und intentioneller Replantation gelang die apikale Heilung unabhängig von Zahntyp und Patientenalter mit einer Erfolgsrate von knapp 90 %. Eine vorgängige kieferorthopädische Extrusionsphase, um den betroffenen Zahn anzulockern und so die anschließende Extraktion zu vereinfachen, scheint sich dabei günstig auf das Ausbleiben von Resorptionen auszuwirken [22].
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Zusammenfassung
Die Methoden der intraalveolären Transplantation und der intentionellen Replantation können die Grenzen der Zahnerhaltung maßgeblich erweitern, insbesondere bei schwieriger Ausgangssituation wegen tiefer subgingivaler Defekte. Sie bieten eine hohe Erfolgssicherheit unter der Voraussetzung, dass während der Extraktion und der extraoralen Manipulation die Vitalität des Parodonts durch geeignete Maßnahmen erhalten wird.
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Audio-Podcast des gesamten Artikels
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Gabriel Krastl
Prof. Dr. med. dent. 1993–98 Studium der Zahnheilkunde in Tübingen. 1998–2005 Wissenschaftlicher Assistent, ab 2002 Oberarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltung, Universitätsklinikum Tübingen. 2005–2014 Oberarzt an der Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie, Basel, Schweiz. 2006–2014 Gründung und Leitung des Zahnunfallzentrums Basel zusammen mit Prof. Dr. A. Filippi, seit 2014 Ehrenmitglied. 2012 Honorary Clinical Lecturer am Department of Oral Surgery, Biomaterials Unit, School of Dentistry, University of Birmingham (UK). 2014 Habilitation. Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Parodontologie an der Universität Würzburg. Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie. Wissenschaftliche und klinische Schwerpunkte: Ästhetische adhäsive Restaurationen, Dentale Traumatologie, Endodontologie.
Roland Weiger
Jahrgang 1961, Prof. Dr. med. dent. Ordinarius an der Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie der Universität Basel. Studium der Zahnmedizin in Tübingen. 1985 Staatsexamen. 1987 Promotion, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Oberarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltung der Universität Tübingen. 1996 Habilitation, Leitender Oberarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Universität Tübingen. 2000 Professur mit dem Schwerpunkt Endodontologie an der Poliklinik für Zahnerhaltung des Universitätsklinikums Tübingen. 2001 Chairman of the Research Committee, European Society of Endodontology (ESE). 2005 Präsident der Fachkommission „Restaurative Zahnmedizin“ innerhalb der Schweizerischen Vereinigung für Präventive und Restaurative Zahnmedizin (SVPR). Außerdem: Spezialist für Restaurative und Präventive Zahnmedizin der SVPR und Spezialist für Endodontologie der Schweizerischen Gesellschaft für Endodontologie (SEE). Wissenschaftliche Schwerpunkte: Endodontische Mikrobiologie, neue Verfahren zur Wurzelkanalaufbereitung und -füllung, adhäsiver Aufbau wurzelkanalbehandelter Zähne, Prognose endodontischer Behandlungen, Biofilmbildung auf Zahnoberflächen.
Andreas Filippi
Prof. Dr. 1990–1998 Universität Gießen. 1999–2001 Universität Bern. Seit 2001 Stellvertreter des Klinikvorstehers der Klinik für Zahnärztliche Chirurgie, Radiologie, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Basel. 2002 Gründung der Halitosis-Sprechstunde der Universität Basel. 2005 Ernennung zum Professor der Universität Basel. 2006 Gründung des Zahnunfall-Zentrums der Universität Basel (zusammen mit Dr. Krastl). 2007–2013 Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Oralchirurgie und Stomatologie (SSOS).
Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Krastl G, Weiger R. Frontzahnrestaurationen: Brauchen wir u¨berhaupt Keramik?. Quintessenz 2010; 61: 511-520
- 2 Krastl G, Zitzmann NU, Weiger R. Adhäsivaufbau bei wurzelkanalgefüllten Zähnen. Zahnmedizin up2date 2008; 4: 323-346
- 3 Zitzmann NU, Krastl G, Hecker H et al. Endodontics or implants? A review of decisive criteria and guidelines for single tooth restorations and full arch reconstructions. Int Endod J 2009; 42: 757-774
- 4 Thilander B. Orthodontic space closure versus implant placement in subjects with missing teeth. J Oral Rehab 2008; 35: 64-71
- 5 Jemt T, Ahlberg G, Henriksson K et al. Tooth movements adjacent to single-implant restorations after more than 15 years of follow-up. Int J Prosthodont 2007; 20: 626-632
- 6 Pecora NG, Baccetti T, McNamara jr. JA. The aging craniofacial complex: A longitudinal cephalometric study from late adolescence to late adulthood. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2008; 134: 496-505
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- 10 Tegsjo U, Valerius-Olsson H, Olgart K. Intra-alveolar transplantation of teeth with cervical root fractures. Swed Dent J 1978; 2: 73-82
- 11 Krastl G, Filippi A, Weiger R. Frontzahntrauma: Zahnhartsubstanzverletzungen. Zahnmedizin up2date 2008; 2: 519-537
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- 22 Choi YH, Bae JH, Kim YK et al. Clinical outcome of intentional replantation with preoperative orthodontic extrusion: a retrospective study. Int Endod J 2014; 47: 1168-1176
Korrespondenzadresse
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