Psychiatr Prax 2014; 41(01): 57
DOI: 10.1055/s-0033-1359995
Mitteilungen der BDK
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen aus der Bundesdirektorenkonferenz (BDK)

Gerhard Längle
1   Tübingen/Bad Schussenried
,
Thomas Pollmächer
2   Ingolstadt
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
14 January 2014 (online)

 

Bericht aus dem Arbeitskreis Gerontopsychiatrie der BDK

Mitglieder des Arbeitskreises (AK) Gerontopsychiatrie sind ärztliche und psychologische Vertreter von Pflichtversorgungskliniken. Der AK trennt nicht zwischen Fachkliniken und psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern. Die Gerontopsychiatrie verfügt nahezu ubiquitär über differenzierte stationäre, teilstationäre und ambulante Behandlungsangebote inklusive Beratung von Angehörigen, Betreuenden und Heimen.


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Die Mitglieder des AK treffen sich zweimal im Jahr an jeweils wechselnden Klinikstandorten. Dabei stehen der Erfahrungsaustausch zwischen konkret in die klinisch-gerontopsychiatrische Arbeit eingebundenen Akteuren und die Erarbeitung von gemeinsamen Haltungen und Vorgehensweisen im Vordergrund. Informationen über aktuelle und regionale gesundheitspolitische Entwicklungen werden ausgetauscht, Stellungnahmen erarbeitet.

Ein enger Kontakt besteht zur DGGPP, die 1992 aus dem AK heraus gegründet wurde, zu deren „Tochter“ DAGPP und zum Referat Gerontopsychiatrie der DGPPN. Die Mitglieder des AK gehen mit der DGGPP darin konform, dass die gerontopsychiatrische Versorgung vielerorts noch unzureichend ist und dass von daher gerontopsychiatrische Kompetenz bei Fachärzten, Allgemeinärzten, Pflegekräften und anderen in der Versorgung tätigen Berufsgruppen aktiv gefördert werden muss. Die Einführung des gemeinsamen Zertifikats von DGGPP und DGPPN wurde befördert und begrüßt. Die Möglichkeit, im Rahmen der Weiterbildungsordnungen einiger Landesärztekammern die Zusatzbezeichnung „Geriatrie im Fachgebiet der Psychiatrie/Psychotherapie“ zu erwerben, wird einerseits befürwortet, differenziert aber in den Weiterbildungsinhalten andererseits nicht hinreichend die spezifisch gerontopsychiatrischen Ansätze. Von daher fordert die DGGPP die Einführung einer Schwerpunktbezeichnung Gerontopsychiatrie. Der AK spricht sich für eine solche Differenzierung aus.

Bei einer leitlinienorientierten pharmakologischen Behandlung multimorbider älterer Patienten entscheidet sich die Gerontopsychiatrie für eine Leitlinienhierarchie, die die psychischen Belange der Patienten fokussiert. Zahlreiche nichtpharmakologische Therapieverfahren werden im Arbeitskreis diskutiert und ggf. empfohlen. Konditionen äußerer Strukturmerkmale für eine gelingende Behandlung Älterer werden identifiziert. Eine Befragung zur optimalen Stationsgröße ergab, dass knapp die Hälfte der 40 AK-Teilnehmer, die 2010 auf eine Abfrage im AK geantwortet hatten für Demenzstationen bis zu maximal 18 Patienten, die andere Hälfte bis maximal 22 Patienten für vertretbar hielt, wohingegen für altersdepressive Patienten insgesamt größere Einheiten mit bis zu 25 Patienten für möglich gehalten wurden. Große Stationen steigern die Verhaltensauffälligkeiten Demenzkranker und erhöhen nach dem Expertenurteil den individuellen Betreuungsaufwand.

Skalen wie CGI und GAF bilden in der Gerontopsychiatrie die Behandlungsqualität nicht sinnvoll ab. Neben anderen demenz- bzw. depressionsspezifischen Skalen scheint aus Sicht des AK das neuropsychiatrische Inventar (NPI) für die Erfassung des Behandlungsergebnisses geeignet zu sein. Ein diagnostischer Pfad für Demenzkranke wurde erarbeitet und an dieser Stelle publiziert.

Ein aktuelles Thema ist Veränderung der Rechtslage zu Zwangsmaßnahmen im Krankenhaus. Dabei wurden Aspekte des natürlichen Willens wie der Einwilligungsfähigkeit Demenzkranker fokussiert. Ein wesentlicher Hinderungsgrund, hier zu einer gemeinsamen Empfehlung und zu therapeutisch tragfähigen Konzepten zu gelangen, ist die sehr heterogene und häufig vom individuell tätigen Richter abhängige Auslegung rechtlicher Grundlagen, sei es im Rahmen des § 1906 BGB oder auch der – teilweise noch in Entwicklung befindlichen – Landesunterbringungsgesetze, aber auch zur Sturzprophylaxe.

Der AK hat sich stets mit Möglichkeiten zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen in der Gerontopsychiatrie beschäftigt – vgl. z. B. „Redufix“ oder „Werdenfelser Weg“. Zum Thema Gefährdung durch Bauchgurtanwendung wurden mehrere alternative Medizinprodukte und Konzepte zusammengetragen, um in einem individuellen Vorgehen die jeweils mildeste Sicherungsmaßnahme auswählen zu können.

Ein noch nicht gelöstes Problem ist ein vielerorts von den Gesundheitsämtern eingefordertes restriktives Vorgehen etwa bei Patienten mit MRSA-Besiedlungen der Atemwege. Unter Isolierungsbedingungen ist eine (geronto-)psychiatrische Behandlung oft nicht fachgerecht durchführbar. Sollten solche Patienten dann nicht besser bis zur Keimsanierung in somatischen Kliniken verbleiben? Mehrere Kliniken haben mit den (Landes-)Gesundheitsämtern Vereinbarungen geschlossen, nach denen für sie weniger restriktive Regelungen angewendet werden dürfen, wie sie auch für Altenheime gelten.

Daneben stehen praxisrelevante Themen im Vordergrund wie Vokalisationen bei Demenz, Schmerztherapie im Alter, Demenz als palliativ zu behandelnde Erkrankung, Late-onset-alcoholism, Formen des Home-Treatments und IV-Projekte. Klinikinterne Standards bei der Aufklärung zu Medikamenten und Untersuchungen wurden ausgetauscht, sind aber bislang noch nicht verbindlich formuliert.

Die Berichte über die Tagungen sind jeweils inklusive der zur Verfügung gestellten Folien der Einzelvorträge für BDK- bzw. Arbeitskreismitglieder auf der Website der BDK (www.bdk-deutschland.de) einzusehen.

Dr. med. Manfred Koller, Göttingen


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