Epidemiologie
Rupturen der Rotatorenmanschette gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern der Schulter und gelten als
eine der häufigsten Sehnenverletzungen des Menschen. Codman, der sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts
intensiv mit der Epidemiologie und chirurgischen Therapie von Verletzungen der Rotatorenmanschette
beschäftigte, beschrieb in einer Studienpopulation von 46-Jährigen bis über 80-Jährigen postmortal eine
Prävalenz von 39 % für Rupturen der Supraspinatussehne. In einer aktuellen Studie von Yamamoto et al.
wird eine Prävalenz für sonografisch diagnostizierte komplette Rotatorenmanschettenrupturen innerhalb
der allgemeinen Population von knapp über 20 % beschrieben [1].
Bei dem heute zunehmend hohen Funktionsanspruch in Freizeit und sportlicher Aktivität entwickeln
Patienten auch mit kleineren Rupturen Symptome wie Schmerzen und Funktionsverlust. Verletzungen der
Rotatorenmanschette gewinnen damit in der klinischen Arbeit weiter an Bedeutung. Ursache dafür ist in
einer alternden Gesellschaft auch die starke Altersabhängigkeit von Rotatorenmanschettenrupturen:
Yamamoto et al. konnten einen Anstieg der Prävalenz von 6,7 % bei unter 40-Jährigen auf bis zu 45 % in
der Population von über 70-Jährigen nachweisen. Damit verbunden ist auch die Frage, wie Erfolg
versprechend eine operative Rekonstruktion der Rotatorenmanschette beim älteren, möglicherweise
multimorbiden Patienten mit bereits degenerativ veränderten Sehnengewebe ist.
Für die Einordnung der klinischen Bedeutung von Rotatorenmanschettenverletzungen muss betont werden, dass
ein Teil der Patienten mit Rupturen asymptomatisch oder zumindest symptomarm bleibt. Aus sonografischen
Beobachtungen ist bekannt, dass bis zu 50 % der initial asymptomatischen Patienten nach 3 Jahren
Symptome entwickeln, ohne dass dies im Zusammenhang mit einer Größenprogredienz stehen muss. Nur bei
genauester Kenntnis sowohl operativer als auch konservativer Therapiemethoden und der jeweiligen
Prognose ist für diese Patienten ein individueller Therapievorschlag möglich.
Bei einer altersabhängigen Prävalenz von bis zu 45 % bei über 70-Jährigen stellen Rupturen der
Rotatorenmanschette in einer alternden Gesellschaft mit hohem Funktionsanspruch nicht zuletzt eine
sozioökonomische Herausforderung dar.
Ätiologie
Verletzungen der Rotatorenmanschette sind im Zusammenspiel von multiplen auf die Sehne einwirkenden,
extrinsischen Faktoren und in der Sehne selbst sich abspielenden Prozessen, also intrinsischen Faktoren
zu sehen. Die multifaktorielle Genese von Verletzungen der Rotatorenmanschette wurde dabei bereits sehr
früh in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung von Codman betont. Anhand seiner klinischen Erfahrung
und postmortalen Beobachtungen machte er sowohl extrinsische (Trauma, Impingement) als auch intrinsische
(degenerative Veränderungen der Sehne mit Nekrose und Kalzifizierung) Faktoren geltend.
Auf der Suche nach effektiven operativen Therapiemöglichkeiten beschrieb Neer die anteriore
Akromioplastik als Resektion des anterioren, unteren Anteils des Akromions und des akromioklavikulären
Bandes. Aufgrund seiner guten postoperativen klinischen Ergebnisse mit Akromioplastik bei
Rotatorenmanschettenruptur vertrat Neer die These, dass eine Einklemmung zwischen dem akromialen Bogen
und der Rotatorenmanschette in 95 % aller Rupturen als ursächlich anzusehen sei [2]. Der mechanische Konflikt zwischen den Sehnen der Rotatorenmanschette und dem akromialen
Bogen wird „Outlet impingement“ genannt und gilt als wichtiger extrinsischer Faktor. Die Bedeutung des
Impingements in der Pathogenese von Rotatorenmanschettenrupturen konnte durch Beobachtungen gestützt
werden, die eine Korrelation zwischen der von Bigliani in 3 Typen als gerade, gebogen und hakenförmig
eingeteilten Form des Akromions und der Inzidenz von Rotatorenmanschettenrupturen nachwiesen.
Die pathophysiologische Bedeutung intrinsischer Faktoren wird aus der einfachen Feststellung deutlich,
dass das Sehnengewebe der Rotatorenmanschette einem Alterungsprozess unterliegt. Histologisch konnten
von Uthoff et al. in alterndem Sehnengewebe der Rotatorenmanschette mukoide Degeneration, Verkalkung und
fettige Infiltration der Sehnen nachweisen, und diese degenerativen Veränderungen zeigten eine positive
Korrelation mit Rotatorenmanschettenrupturen [3]. Dies erklärt, warum selbst
bei massiven Läsionen in der Rotatorenmanschette in 50 % der Fälle kein traumatisches Ereignis in der
Anamnese zu eruieren ist.
Da die Schulter das Kugelgelenk mit höchstem Bewegungsumfang darstellt, sind die Sehnen der
Rotatorenmanschette im Gegensatz zu den meisten anderen Sehnen des menschlichen Körpers v. a. bei
Rotationsbewegungen höchsten Belastungen und Scherkräften ausgesetzt. Auf mikroskopischer Ebene führt
dies zum Verlust der Faserlängsausrichtung der Kollagenfasern mit Knickbildung und Aufweitung des
interfibrillären Raumes und beschleunigt bei repetitiver Belastung den Alterungsprozess. Vor allem einer
Überbeanspruchung der Rotatorenmanschette durch Überkopfarbeiten oder Maximalbelastung beim Sportler
kommt ätiologische Bedeutung zu. Dies kann zu repetitiven Mikrotraumen führen, sodass schließlich ein
Bagatelltrauma eine komplette Ruptur verursachen kann.
Die Beurteilung von traumatischen Einflüssen auf die Schulter als ätiologischer Faktor von
Rotatorenmanschettenrupturen ist v. a. in der gutachterlichen Beurteilung von Bedeutung. Je nach Studie
führen bis zu 100 % der Patienten ein traumatisches Ereignis als ursächlich an, was aber nicht die
Realität abbildet [4]. Rein traumatische Rotatorenmanschettenrupturen werden
v. a. beim jüngeren Patienten gesehen, 60 % der Verletzungen bei Patienten jünger 45 Jahre treten als
Folge von Sport- und Verkehrsunfällen und nach Schulterluxation auf. Um die Relevanz von traumatischen
Faktoren für Rotatorenmanschettenläsionen zu untersuchen, wurden von Rickert et al. Anstrengungen
unternommen, deren Reißfestigkeit biomechanisch zu ermitteln. Dabei konnte beschrieben werden, dass die
maximale Zugbelastbarkeit mit dem Alter abnimmt. Beim 65-jährigen Patienten waren jedoch immer noch
Zugkräfte bis zu 900 N für eine Ruptur der Supraspinatussehne erforderlich. Somit kann nicht allein
aufgrund des Lebensalters ein traumatisches Ereignis als Ursache einer Ruptur abgelehnt werden. Vielmehr
muss der Unfallmechanismus detailliert anamnestiziert werden. Potenziell ist jede eine Zugbelastung auf
die Sehnen der Rotatorenmanschette verursachende Kraft geeignet, zu einer traumatischen Läsion der
Manschette zu führen.
Mehr und mehr hat sich bis heute die Vorstellung durchgesetzt, dass die Ätiologie von Verletzungen
der Rotatorenmanschette als multifaktorielles Geschehen zwischen degenerativen Prozessen im Rahmen
der physiologischen Alterung, Einklemmung (Outlet Impingement) am akromialen Bogen und traumatischen
Faktoren zu sehen ist.
Diagnostik
Anamnese
Die klinischen Beschwerden, die bei Verletzungen der Rotatorenmanschette schließlich zum ersten
Arztkontakt führen, werden vom Patienten häufig in typischer Weise beschrieben: dumpfer
Schulterschmerz, Funktions- und Kraftverlust, Schmerzexazerbation bei Überkopfarbeit. Führendes
Symptom ist sicherlich der Schulterschmerz. Typischerweise klagen 80 % der Patienten über
nächtliche, den Schlaf störende Schmerzen. Funktionsdefizite sind nicht immer offensichtlich oder
können vom Patienten in der Anamnese nicht eindeutig benannt werden, typisch sind jedoch
Einschränkungen und Beschwerden bei Bewegungen über die Horizontale. Der erfahrene Untersucher wird
diese Symptome gezielt erfragen, um Hinweise auf Einschränkungen in Alltag und Beruf sowie den
Leidensdruck zu ermitteln.
Um im Nachhinein langwierige gutachterlicher Auseinandersetzungen zu vermeiden, muss ein vom
Patienten ggf. angeführtes traumatisches Geschehen detailliert anamnestiziert und dieses
dokumentiert werden. Insbesondere muss eruiert werden, ob durch den beschriebenen Unfallmechanismus
potenziell eine Zugkraft auf Teile der Rotatorenmanschette eingewirkt hat; als typische
Unfallmechanismen hierfür wurden passiv forcierte Rotation, passive Traktion oder axiale Stauchung
nach kranoventral oder ventromedial beschrieben. Des Weiteren kann es im Rahmen einer
Schulterluxation zum Abscheren der Manschette am Glenoid kommen (sog. „Inlet impingement“). Dagegen
führen direkte Unfallmechanismen im Sinne eines Anpralltraumas typischerweise nicht zu einer
Verletzung der Rotatorenmanschette [4].
Der Unfallmechanismus sollte bestmöglich nachvollzogen werden und gibt erste Hinweise für ein
möglicherweise vorliegendes Verletzungsmuster und über evtl. Begleitverletzungen.
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik und Differenzialdiagnostik
von Rotatorenmanschettenläsionen.
Ziel der klinischen Untersuchung muss die Formulierung einer Verdachtsdiagnose sein, diese ist
Voraussetzung für eine zielgerichtete weiterführende Diagnostik mit ggf. bildgebenden Verfahren
und deren sinnvolle Beurteilung.
Codman beschrieb 1934 die Palpation der Rotatorenmanschette, dabei steht der Untersucher hinter dem
Patienten und umgreift die Schulter von kranial, sodass der Daumen die Skapula fixiert und mit dem
Zeigefinger die Rotatorenmanschette ventral des Akromions palpiert werden kann. Die andere Hand des
Untersuchers greift den Unterarm des Patienten bei flektiertem Ellenbogen und kann so
Rotationsbewegungen in der Schulter ausführen. Die Palpation sollte immer im Seitenvergleich
erfolgen. Wolf und Agrawal beschreiben die Palpation eines Niveauunterschieds im Sinne eines Defekts
der Rotatorenmanschette und einer prominenten Tuberositas majus als Hinweis für eine komplette
Rotatorenmanschettenruptur mit einer Sensitivität von 96 % und Spezifität von 97 %. Einschränkend
muss gesagt werden, dass kleine Defekte oder Partialrupturen palpatorisch nur eingeschränkt
beurteilbar sind. Nach Habermeyer erlaubt der Palpationsgriff nach Codman auch die Palpation einer
verdickten Bursa subacromialis und von Krepitationen im subakromialen Raum als Begleiterscheinung
einer Rotatorenmanschettenpathologie.
Die klinische Untersuchung der Rotatorenmanschette beinhaltet die Bewegungsanalyse der Schulter, die
Beurteilung der Muskelkraft und sog. Lag Signs sowie die Funktionsbeurteilung der
Rotatorenmanschette mit einer Reihe klinischer Tests. Murrell et al. untersuchten die Kombination
von 3 klinischen Funktionstests: Außenrotations-Lag Sign, Schwäche des M. supraspinatus und
Impingement Tests. Sie konnten zeigen, dass, wenn alle 3 Tests positiv waren, Patienten mit einer
Wahrscheinlichkeit von 98 % arthroskopisch kontrolliert eine Verletzung der Rotatorenmanschette
aufwiesen, die Sensitivität der kombinierten Tests war mit 57 % jedoch relativ gering. Dabei wurde
in dieser Studie nicht nach Lokalisation der Rotatorenmanschettenruptur getrennt. Hegedus et al.
untersuchten in einer großen Metaanalyse eine Vielzahl klinischer Funktionstests der
Rotatorenmanschette hinsichtlich Sensitivität und Spezifität. Als Ergebnis heben sie v. a. die
klinische Bedeutung des Außenrotations-Lag Sign als Indikator für Verletzungen der
Rotatorenmanschette, des Hornblowers-Zeichen als Test für den M. teres minor sowie des Belly Press
und Bear Hug Test als Funktionstest für den M. subscapularis hervor. Der Bear Hug Test hat mit 60 %
die größte Sensitivität für Verletzungen des M. subscapularis. Insgesamt schwanken die Angaben zur
Sensitivität und Spezifität der einzelnen Tests in der Literatur jedoch deutlich, so wird z. B. für
den Jobe-Test eine Sensitivität von 32,1–98,5 % für Rupturen des M. supraspinatus angegeben.
Teilweise besteht Uneinigkeit, ob Kraftverlust oder Schmerzangabe als positiver Test zu gelten
haben. Itoi et al. untersuchten, bei welchem Schwellenwert des Kraftgrads nach Janda die höchste
Genauigkeit der Funktionstests erreicht wird und kamen zu dem Schluss, dass der Jobe-Test mit einem
Kraftgrad kleiner 5/5 und der Lift-off Test mit Kraftgrad kleiner 3/5 die höchste statistische
Genauigkeit erreichen.
Im klinischen Alltag ist es wichtig, die einzelnen Funktionen der Rotatorenmanschette zielgerichtet
mit verschiedenen spezifischen Tests zu beurteilen, dabei ist es hilfreich, nach einem festen Schema
vorzugehen. Mit etwas Erfahrung und unter Kenntnis der anatomischen und biomechanischen Verhältnisse
ist der Untersucher so in der Lage, die Lokalisation des Rotatorenmanschettendefekts klinisch zu
bestimmen. Die sorgfältige Analyse der Schulterfunktion sollte in jedem Fall zu einer klinischen
Verdachtsdiagnose führen und ist Voraussetzung für jede bildgebende Diagnostik.
Bildgebende Diagnostik
Die bildgebende Diagnostik bei Verdacht auf Ruptur der Rotatorenmanschette folgt einem
standardisierten Vorgehen und beginnt mit konventionell radiologischen Aufnahmen in 3 Ebenen: True
a.–p. Aufnahme mit hängendem, neutralrotiertem Arm bei Rotation des Thorax um 30–45° in Richtung der
betroffenen Schulter, Outlet View (Y-Aufnahme) und transaxilläre Aufnahme.
Rotatorenmanschettendefekte mittlere Größe zeigen eine hohe Korrelation von subchondraler Sklerose,
Zystenbildung und osteophytären Anbauten im Bereich des Tuberculum majus. Da der Kraftvektor der
Muskeln der Rotatorenmanschette nach kaudal gerichtet ist, führen Rupturen typischerweise zu einer
Dezentrierung des Humeruskopfs nach kranial [7]. Hinweis hierfür ist eine
Unterbrechung des Bogens zwischen dem Unterrand des Glenoids und des Humeruskopfs, die sog.
Maloney-Linie. Die Kranialisierung des Humeruskopfs lässt sich anhand des akromiohumeralen Abstands
quantifizieren ([Abb. 1]).
Abb. 1 Schulter True a.–p. in konventioneller Technik bei einem Patienten mit
Rotatorenmanschettenruptur. Es zeigt sich ein Humeruskopfhochstand mit vermindertem
akromiohumeralen Abstand (AHA) und unterbrochener Maloney-Linie.
Eine Reduktion des akromiohumeralen Abstands auf < 7 mm ist ein Hinweis auf Verletzung
mehrerer Sehnen der Rotatorenmanschette und wird von verschiedenen Autoren als negativer
prognostischer Parameter gewertet.
Die konventionell radiologische Bildgebung erlaubt bei Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur eine
differenzialdiagnostische Abklärung von AC-Gelenksarthrose, Tendinitis calcarea und Frakturen.
Die Ultraschalldiagnostik bietet die Möglichkeit einer direkten Darstellung der Sehnen und Muskeln
der Rotatorenmanschette sowie der periartikulären Weichteile, insbesondere der Bursa subacromialis.
Als dynamische Untersuchung ermöglicht die Ultraschalldiagnostik als derzeit einzige bildgebende
Diagnostik die Untersuchung am bewegten Gelenk. Die großen Unterschiede der in der Literatur
dokumentierten Werte für die Sensitivität machen jedoch deutlich, dass die Methode stark
untersucherabhängig ist. In der klinischen Praxis verliert die Sonografie deswegen gegenüber dem MRT
an Bedeutung, wenngleich sie dem erfahrenen Untersucher eine bildgebende Diagnostik mit hoher
Sensitivität und ohne Strahlenbelastung ermöglicht.
Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist heute in der Diagnostik unverzichtbar, muss jedoch immer mit
einer Verdachtsdiagnose und eindeutigen Fragestellung verbunden sein, um die klinische Untersuchung
sinnvoll zu ergänzen. Bradley et al. weisen darauf hin, dass eine unkritische MRT-Diagnostik die
Diagnosesicherheit bei Schulterbeschwerden nicht erhöht, die Therapieentscheidung nicht signifikant
beeinflusst und das klinische Outcome nicht verbessert. Das MRT ermöglicht mit seiner hohen
Auflösung und Differenzierung verschiedener Weichteilgewebe und der Rekonstruktion verschiedener
Raumebenen (transversal, axial, parasagittal) eine Aussage über Lokalisation und Größe der Ruptur,
Sehnenretraktion, muskuläre Atrophie und Markraumveränderungen (sog. „Bone bruise“). Die
intraartikuläre Injektion von Kontrastmittel (MR-Arthrografie) erhöht die Sensitivität der
MRT-Diagnostik, insbesondere für artikulärseitige Partialdefekte der Rotatorenmanschette ([Abb. 3]).
Abb. 2 Gezeigt ist die Rechtsseitenlagerung zur arthroskopischen Rekonstruktion der
Rotatorenmanschette der linken Schulter. Der linke Arm wird dabei mit 6 kg Gewicht in leichter
Abduktion gehalten und zusätzlich im Bereich des Oberarms unterstützend nach lateral gezogen.
Angezeichnet sind anatomische Landmarken: Akromion, Korakoid, Klavikula und korakoakromiales
Band. Zusätzlich sind das dorsale (1), das anterosuperiore (2) und das anteroinferiore (3)
Portal markiert.
Abb. 3 Fallbeispiel 1. 61-jähriger Patient mit intraoperativ kompletter Ruptur der
Supraspinatussehne (Bateman II, Patte I). In der Schulter-true-a.–p.-Aufnahme ist die
Maloney-Linie nicht unterbrochen (Vergleich [Abb. 1]), es zeigt sich
kein wesentlicher Humeruskopfhochstand (a). Im kontrastmittel-(KM-)unterstützten MRT der
Schulter zeigt sich eine ansatznahe Ruptur der Supraspinatussehne am Tuberculum majus mit
Kontrastmittelaustritt von intraartikulär und nur leichter Retraktion der Sehne (b). Das
Tangentzeichen als Hinweis auf Muskelatrophie ist negativ, das Verhältnis zwischen Muskelbauch
und Fossa supraspinatus ist aber bereits reduziert (c). Intraoperativ lässt sich die
Ruptur von intraartikulär einstellen (d), zusätzlich zeigt sich als Folge eines
Impingements eine fransige Auffaserung des Schulterdachs (e). Von subakromial lässt sich
die ansatznahe Ruptur am Tuberculum majus darstellen (f), die Rekonstruktion gelingt mit
einer Naht in „Double Row Suture Bridge“-Technik (g).
Die MRT-Bildgebung der Schulter ermöglicht die Beurteilung von Degeneration und fettiger Atrophie der
Muskeln der Rotatorenmanschette, hierfür müssen geeignete T1-gewichtete Sequenzen durchgeführt
werden [8]. Über eine Linie, die zwischen Spina scapula und Korakoid auf
Höhe des Glenoids gezogen wird, kann in der axialen Schnittebene die muskuläre fettige Atrophie
zuverlässig abgeschätzt werden: Liegt der Muskelbauch des Supraspinatusmuskels unter dieser Linie,
ist das „Tangent sign“ positiv, muss von einer wesentlichen Atrophie des Muskels ausgegangen werden
([Abb. 4]).
Abb. 4 Fallbeispiel 2. 59-jährige Patientin mit intraoperativ kompletter Ruptur der
Supraspinatus- und Infraspinatussehne (Bateman III, Patte III, V-Form). In der
Schulter-true-a.–p.-Aufnahme ist die Maloney-Linie nicht unterbrochen (Vergleich [Abb. 1]), es zeigt sich kein wesentlicher Humeruskopfhochstand
(a). Im KM-MRT der Schulter zeigt sich eine Ruptur der Supraspinatussehne mit
Kontrastmittelaustritt und Retraktion des Sehnenstumpfs bis unter das Glenoid (b). Im
Liegen tritt der Humeruskopf weit nach kranial unter das Schulterdach (b). Die
Subscapularissehne ist intakt, die Bizepssehne ist jedoch etwas nach medial aus dem Sulcus
luxiert und stellt sich ausgedünnt dar (c). In den sagittalen Schnitten zeigt sich
bereits eine deutliche Atrophie des Supraspinatusmuskels, das Tangentzeichen ist jedoch noch
negativ (c). Intraoperativ zeigt sich ein großer und ausgefranster Defekt der
Rotatorenmanschette (f), von subakromial liegt der Blick auf das Glenoid frei (h).
Die Rekonstruktion gelingt nach der „Margin Convergence“-Technik (e). Dabei wird der
Defekt schrittweise von medial nach lateral verschlossen, es wird zunächst ein Faden medial
vorgelegt und geknotet, danach wird ein weiterer Faden lateral vorgelegt und geknotet. So
gelingt schließlich ein guter Verschluss des Defekts, zuletzt wird die Sehne mit einem weiteren
Fadenanker am Footprint-Areal reinseriert (nicht gezeigt). Von subakromial zeigt sich nun ein
kompletter Verschluss des Defekts (i).
Der Grad der fettigen Atrophie der Muskeln der Rotatorenmanschette hat Einfluss auf die Prognose
nach operativer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette.
Die Computertomografie (CT) findet aufgrund der weniger guten Differenzierung der Weichteile und der
Strahlenbelastung nur noch bei Kontraindikation zur MRT-Diagnostik (z. B. Metallimplantate,
Klaustrophobie) Anwendung.
Klassifikation
Die Klassifikation der Rotatorenmanschettenruptur spiegelt zunächst den Versuch einer deskriptiven
Zuordnung und Einteilung wider. Für die klinische Praxis ist aber entscheidend, dass sich aus dem
Schweregrad auch eine Aussage über die Prognose der Verletzung treffen lässt. Über die Zuordnung von
Größe und Form und in Kenntnis der Prognose bietet sich schließlich die Möglichkeit, nach Abschluss der
Diagnostik eine evidenzbasierte Therapieentscheidung zu treffen.
Nach Bateman erfolgt die Einteilung der kompletten Rotatorenmanschettenruptur nach Größe des Defekts,
v. a. Massenrupturen Typ IV nach Bateman zeigen signifikant schlechteres Outcome ([Tab. 1]).
Tab. 1 Komplette Rotatorenmanschettenruptur – Klassifikation nach
Bateman.
Grad
|
typische Größe
|
Bezeichnung
|
I
|
< 1 cm
|
klein
|
II
|
1–3 cm
|
mittel
|
III
|
3–5 cm
|
groß
|
IV
|
> 5 cm
|
massiv
|
Vor allem für die Prognose nach operativer Rekonstruktion spielt der Grad der Retraktion der betroffenen
Sehne eine entscheidende Rolle. Dieser Zusammenhang wurde von Patte beschrieben, der auch eine
entsprechende Klassifikation vorschlug ([Tab. 2]). Lässt sich der retrahierte
Sehnenanteil nicht ausreichend mobilisieren, ist eine spannungsfreie Refixation am Footprint-Areal und
damit physiologische Muskelarbeit nicht möglich.
Tab. 2 Komplette Rotatorenmanschettenruptur – Klassifikation nach
Patte.
Grad
|
Beschreibung
|
I
|
Rupturrand zwischen Tuberculum majus und Apex humeri
|
II
|
Rupturrand zwischen Apex humeri und Glenoid
|
III
|
Rupturrand medial Glenoid
|
Rupturen können nach Habermeyer entsprechend der Lokalisation einem ventralen, kranialen und dorsalen
Sektor zugeteilt werden: dem ventralen Sektor A werden Subscapularis, Rotatorenintervall und lange
Bizepssehne zugeordnet, dem kranialen Sektor B die Supraspinatussehne und dem dorsalen Sektor C
schließlich die Sehnen von Infraspinatus und Teres minor [5]. Ellman et al.
führte schließlich eine Klassifikation der kompletten Rotatorenmanschettenruptur ein, die Größe und
Lokalisation gemeinsam berücksichtigt [6] ([Tab. 3]).
Tab. 3 Komplette Rotatorenmanschettenruptur – Klassifikation nach
Ellman.
Grad
|
typische Größe
|
Bezeichnung
|
I
|
< 2 cm
|
klein
|
II
|
2–4 cm
|
groß
|
III
|
> 4 cm
|
massiv
|
IV
|
|
Cuff-Arthropathie
|
Lokalisation
|
A
|
Supraspinatus
|
B
|
Infraspinatus
|
C
|
Teres Minor
|
D
|
Subscapularis
|
Die Einführung der arthroskopischen Technik am Schultergelenk mit Exploration von artikulär und
subakromial erlaubte die Unterscheidung des Defekts in komplette, die gesamte Sehne betreffende Rupturen
und Partialrupturen. Nach Ellman erfolgt eine arthroskopische Einteilung der Partialrupturen nach
Lokalisation in artikulärseitig, bursaseitig oder intratendinös und nach Größe des Defekts ([Tab. 4]). Snyder et al. erweiterten die Klassifikation entsprechend ihrer
klinischen Erfahrung um den makroskopischen Aspekt an der Defektstelle der Partialruptur. Sie
beschrieben ein Spektrum der Sehnenverletzung von Grad I mit Bursitis bzw. Synovitis und leichten,
lokalisierten Ausfransungen der Kapsel bis hin zu Grad IV mit Fransen- und Rissbildung in Sehnenfasern,
sowie Lappenriss unter Retraktion der betroffenen Sehnenanteile.
Tab. 4 Partielle Rotatorenmanschettenruptur – Klassifikation nach
Ellman.
Grad
|
Größe
|
I
|
< 3 mm tief
|
II
|
3–6 mm tief
|
III
|
> 6 mm tief
|
Lokalisation
|
A
|
artikulärseitig
|
B
|
bursaseitig
|
C
|
interstitiell
|
Die bisher vorgestellten Klassifikationen konzentrieren sich auf die rupturierte Sehne. Die
Rekonstruktion der rupturierten Sehne erfordert jedoch, soll sie in ihrer Funktion über eine reine
Tenodese hinausgehen, eine Betrachtung der Funktionsfähigkeit der dazugehörenden Muskeln. Die Einführung
der Schnittbildgebung (CT und MRT) ermöglichte bereits präoperativ neben der Beurteilung des Defekts der
Rotatorenmanschette auch die Beurteilung von ggf. vorhandenen pathologischen Veränderungen der
umgebenden anatomischen Strukturen und stellte damit neue Herausforderungen an die bestehenden
Klassifikationssysteme. Dabei konnte gezeigt werden, dass ein chronischer Defekt der Sehne zu einem
Mangel an Kontraktion im betroffenen Muskel und schließlich zu fettiger Degeneration und Atrophie führt
([Abb. 3] und [4]).
Thomazeau klassifizierte nach MRT-morphologischen Kriterien den Schweregrad der Atrophie im
Supraspinatusmuskel nach Ruptur der Sehne ([Tab. 5]). Goutallier et al.
entwickelten anhand von computertomografischen Kriterien eine Einteilung nach Anteil der fettigen
Degeneration der Muskeln der Rotatorenmanschette nach Sehnenruptur. Der Schweregrad der fettigen
Infiltration korreliert mit dem Patientenalter und schreitet je nach betroffenem Muskel unterschiedlich
schnell voran, wobei die fettige Degeneration v. a. im Subscapularis schnell progredient ist. Ein
bereits fortgeschritten fettig degenerierter Muskel verschlechtert das funktionelle Outcome.
Tab. 5 Muskelatrophie im MRT – Klassifikation nach Thomazeau.
Grad
|
Verhältnis Muskel/Fossa supraspinata
|
Bezeichnung
|
I
|
1,00–0,60
|
normale oder nur geringe Atrophie
|
II
|
0,60–0,40
|
mäßige Atrophie
|
III
|
< 0,40
|
schwere Atrophie
|
Fettige Degeneration und Atrophie der Muskeln der Rotatorenmanschette nach Rotatorenmanschettenruptur
haben Einfluss auf Therapiewahl und Therapieerfolg und müssen bereits präoperativ mit entsprechenden
diagnostischen Maßnahmen evaluiert werden.
Therapie
Konservative oder operative Therapie?
Betrachtet man die Literatur, so gibt es auch heute noch häufig Unklarheiten darüber, wann eine
Rotatorenmanschettenruptur konservativ oder operativ therapiert werden sollte. Eine allgemeingültige
Antwort wird es hierfür auch sicherlich nie geben, denn das passende Therapieregime sollte
individuell erstellt werden, wobei nicht nur die Art und Ausprägung der Verletzung, sondern auch die
Ziele und körperlichen Ansprüche des Patienten berücksichtigt werden sollten. Bei Partialrupturen
oder eher kleinen und wenig symptomatischen Komplettrupturen kann sicherlich zunächst die Indikation
zur konservativen Therapie gestellt werden. Ebenso ist man sich weitestgehend darüber einig, dass
eine operative Rekonstruktion bei sehr großen, degenerativen Defekten, die bereits mit irreversiblen
strukturellen Veränderungen einhergehen, aufgrund der schlechten Erfolgsaussichten nicht
durchgeführt werden sollte. Auch hier wäre eine konservative Therapie zunächst Mittel der Wahl.
Als klare Kontraindikationen für ein konservatives Vorgehen sieht Habermeyer ein akutes Trauma ohne
bekannten Vorschaden der Rotatorenmanschette, eine primäre Beteiligung der Subscapularis- oder
Infraspinatussehne sowie einen hohen körperlichen Anspruch bei aktiven Patienten [5].
Ein Faktor, der bez. der Therapieentscheidung immer wieder kontrovers diskutiert wird, ist das
Patientenalter. In einer Studie von Cofield konnte gezeigt werden, dass eine direkte Korrelation
zwischen Patientenalter und Defektgröße der Rotatorenmanschette besteht, und dadurch ein
schlechteres postoperatives Ergebnis bei älteren Patienten bedingt ist. Andererseits gibt es
Arbeiten, deren Ergebnisse Mut machen, die Indikation zur Operation auch auf ältere Patienten
auszuweiten. So konnten Böhm et al. in einer Studie aus dem Jahr 2006 auch bei Patienten über 60
Jahre ein gutes und mit jüngeren Patienten vergleichbares Outcome nach
Rotatorenmanschettenrekonstruktion feststellen [9]. Auch die klinischen
Ergebnisse von Djahangiri et al. nach Rekonstruktion der Supraspinatussehne bestätigen die Ansicht,
dass ältere Patienten ebenso von einer operativen Therapie profitieren und nicht länger bevorzugt
konservativ behandelt werden sollten.
Vielfach konnte gezeigt werden, dass eine Verletzung der Rotatorenmanschette einen progredienten
Verlauf hinsichtlich Defektgröße und Beschwerdesymptomatik nimmt, weshalb bei kompletten Rupturen
ein zunächst konservatives Vorgehen kritisch bedacht werden muss. Bei 50 % der konservativ
behandelten Patienten lässt sich innerhalb von 18 Monaten eine Größenprogredienz der Läsion
feststellen, und laut Yamaguchi et al. entwickeln 50 % der Patienten mit zunächst asymptomatischen
Rotatorenmanschettenrupturen innerhalb von 3 Jahren schmerzhafte Beschwerden.
Nach 18 Monaten kann in knapp 50 % der konservativ behandelten Patienten eine Größenprogredienz
des Defekts der Rotatorenmanschette nachgewiesen werden.
In pathophysiologischen Untersuchungen konnten zwar die Einsprossung von neuen Blutgefäßen und eine
erhöhte Fibroblastenaktivität in Rotatorenmanschettenrupturen nachgewiesen werden, eine spontane
Heilung mit Verschluss des Defekts konnte bisher jedoch noch nie festgestellt werden. Stattdessen
zeigen komplette Rupturen der Rotatorenmanschette eine progrediente Degeneration mit rascher
Retraktion der Sehne und Verfettung der Muskulatur. Untersuchungen am Tiermodell haben zudem
gezeigt, dass diese Veränderungen bei einer verzögerten Sehnenrekonstruktion irreversibel sind.
Daraus folgernd lässt sich sagen, dass bei akuten, kompletten und symptomatischen
Rotatorenmanschettenrupturen eine operative Rekonstruktion indiziert ist, die frühzeitig innerhalb
von 3 Monate erfolgen sollte. Von einem konservativen Therapieversuch wird in diesen Fällen
abgeraten, es sei denn, der Patient lehnt eine Operation grundsätzlich ab [10].
Operative Therapie
Erstmalig beschrieben wurde die operative Rekonstruktion der Rotatorenmanschette durch Codman im Jahr
1911, nachdem er 2 Patienten mit einer offenen Naht der Supraspinatussehne versorgte und über ein
zufriedenstellendes Ergebnis 3 Monate postoperativ berichtete. Einen weiteren großen Meilenstein
legte Neer mit seiner Arbeit aus dem Jahr 1972, welche über lange Zeit als Standard bei der Therapie
von extrinsischen Rotatorenmanschettenrupturen galt. Über einen anterosuperioren Zugang mit
Deltoideussplit bis 5 cm distal des Akromioklavikulargelenks beschrieb er die subakromiale
Dekompression, die anschließende Mobilisation der Sehnen und Muskeln sowie schließlich die
transossäre Naht der Rotatorenmanschette. Auch Maßgaben für die postoperative Nachbehandlung wurden
durch Neer festgelegt. In den folgenden Jahren kam es v. a. durch die zunehmende Verbreitung der
Schulterarthroskopie zu einer stetigen Weiterentwicklung der etablierten Techniken. So beschrieb
Levy die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette in „Mini-open“-Technik, indem er einer
arthroskopischen subakromialen Dekompression (ASD) eine minimalinvasive Rekonstruktion der
Rotatorenmanschette über einen Deltoideussplit folgen ließ. Im Zuge der zunehmenden operativen
Erfahrung und verbesserter Techniken im Bereich der Schulterarthroskopie kam es schließlich zur
Entwicklung erster rein arthroskopischer Verfahren mit sehr guten postoperativen Ergebnissen.
Mit der konsekutiv zunehmenden operativen Erfahrung und der enormen Erweiterung der technischen
Möglichkeiten im Bereich der arthroskopischen Technik am Schultergelenk gilt die arthroskopische
Therapie heute als Standard der operativen Therapie der Rotatorenmanschettenruptur [11].
Indikation zur operativen Therapie
Indikation zur operativen Therapie
Bezüglich der Indikationsstellung zur operativen Therapie spielt das Patientenalter weiterhin eine
wichtige Rolle. Wie bereits beschrieben ist das postoperative Outcome nach
Rotatorenmanschettenrekonstruktion mit zunehmendem Alter weniger gut. Dennoch konnte die Indikation zur
Operation aufgrund der guten Ergebnisse neuerer Studien zuletzt auch auf ältere Patienten ausgeweitet
werden [9]. Älteren Patienten kann aufgrund dieser Ergebnisse eine operative
Therapie nicht grundsätzlich vorenthalten werden. Wolf et al. empfehlen, bei Patienten > 50 Jahre bei
klinischem Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur zunächst 6–12 Wochen konservative Therapie
auszuschöpfen.
Anders gestaltet sich das Vorgehen bei jüngeren Patienten mit nachgewiesener kompletter
Rotatorenmanschettenruptur. Aufgrund der Gefahr der raschen Ausbildung irreversibler, degenerativer
Veränderungen ist die Empfehlung hier ganz klar eine frühzeitige operative Rekonstruktion, auch wenn
hierfür bislang keine evidenzbasierten Studienergebnisse vorliegen.
Ob die Symptomdauer einen prognostischen Faktor darstellt, konnte bisher nicht abschließend geklärt
werden. Einerseits beschreibt Ellman schlechtere postoperative Ergebnisse bei längerer
Schmerzsymptomatik, andererseits konnte Romeo keine Korrelation zwischen der Symptomdauer und dem
postoperativen Outcome feststellen. Eine klare Indikation zur frühzeitigen operativen Rekonstruktion der
Rotatorenmanschette besteht bei jungen und mittelalten Patienten mit traumatischen Rupturen [10]. Ebenso besteht weitestgehend Einigkeit über die absoluten
Kontraindikationen für eine operative Rekonstruktion der Rotatorenmanschette: fortgeschrittene
Omarthrose, Defektarthropathie, florider Infekt der Schulter und Parese des N. suprascapularis oder des
Armplexus. Eine mangelnde Patientencompliance ist mit Blick auf die postoperative Nachbehandlung als
relative Kontraindikation zu sehen. Weitere wichtige Entscheidungsfaktoren bez. einer operativen oder
konservativen Therapie sind v. a. die Ausprägung der Sehnenretraktion und die Ausprägung einer ggf.
bereits bestehenden fettigen Muskelatrophie. Als kritische Grenzen zur OP-Indikation sehen wir hier eine
Sehnenretraktion ≥ Grad 3 nach Patte sowie eine fettige Muskelatrophie ≥ Stadium 3 nach Goutallier, da
sonst mit schlechten postoperativen Ergebnissen zu rechnen ist und v. a. bei höhergradiger
Muskeldegeneration das Risiko einer Reruptur signifikant erhöht ist [8]. Zudem
gilt ein verringerter akromiohumeraler Abstand als negatives prognostisches Kriterium für das
postoperative Ergebnis. Walch et al. konnten feststellen, dass ein präoperativer akromiohumeraler
Abstand < 7 mm mit schlechteren postoperativen Ergebnissen im Constant-Score und einer geringeren
Wiederherstellung der Kraft korreliert [7].
Die Indikation zur operativen Therapie sollte bei drittgradiger Sehnenretraktion nach Patte, fettiger
Atrophie des Muskels Stadium III oder IV nach Goutallier sowie Reduktion des akromiohumeralen
Abstands auf < 7 mm sehr zurückhaltend gestellt werden, da die postoperativen Ergebnisse
teilweise unbefriedigend sind und im Falle von fettiger Degeneration das Risiko einer Reruptur
signifikant erhöht ist.
Offen chirurgische, Mini-open und arthroskopische OP-Techniken
Die arthroskopische Technik zur Rotatorenmanschettenrekonstruktion hat sich in den letzten Jahren
immer weiter entwickelt, sodass heute fast alle Verletzungen von der Partialruptur bis zur
Massenruptur arthroskopisch versorgt werden können [11].
Neben der besseren Weichteilschonung durch die kleineren Hautinzisionen weist die arthroskopische
Rekonstruktion im Vergleich zur offenen Technik noch verschiedene weitere Vorteile auf. So bestehen
eine bessere Übersicht im subakromialen Raum und eine bessere Möglichkeit zur funktionellen und
dynamischen Beurteilung der Rotatorenmanschettenverletzung. Die Sehnenqualität, die
Sehnenretraktion, die Rupturform und die Mobilisierbarkeit der Sehnenenden können arthroskopisch
sehr gut evaluiert werden, und v. a. rein intraartikuläre Läsionen können arthroskopisch besser
beurteilt werden.
Eine sorgfältige diagnostische Arthroskopie gilt als diagnostischer Goldstandard bei
Rotatorenmanschettenverletzungen und hat jeder Therapie, ob offen chirurgisch oder
arthroskopisch, vorauszugehen ([Abb. 3] und [4]).
Im Zuge der fortschreitenden Verbreitung und Akzeptanz der Schulterarthroskopie erfolgten schließlich
erste Studien, die gute postoperative Ergebnisse nach rein arthroskopischer
Rotatorenmanschettenrekonstruktion nachweisen konnten [12]. Es liegen
heute zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten vor, die das postoperative Ergebnis der verschiedenen
Operationstechniken (offen, mini-open oder arthroskopisch) anhand von klinischen Scores,
körperlicher Untersuchung und bildgebender Verfahren untersucht haben. Wenngleich es keine
prospektive Studie gibt, die alle 3 Techniken auf einmal miteinander verglichen hat, so konnte im
direkten Vergleich von jeweils 2 der unterschiedlichen OP-Techniken kein signifikanter Unterschied
im klinischen Outcome festgestellt werden. Als gewisser Vorteil der arthroskopischen Technik im
kurzfristigen Follow-up konnte zwar eine bessere postoperative Schmerzreduktion und schnellere
postoperative Mobilisierung nachgewiesen werden, im langfristigen Follow-up war dieser Unterschied
jedoch nicht mehr signifikant. Mit der Rerupturrate nach erfolgter
Rotatorenmanschettenrekonstruktion beschäftigten sich Vermae et al., wobei 2 Jahre postoperativ kein
signifikanter Unterschied zwischen arthroskopischer und Mini-open-Technik festgestellt werden
konnte.
Trotz der zunehmenden Erfahrung und technischen Weiterentwicklung im Bereich der Schulterarthroskopie
wird die rein arthroskopische Behandlung von Komplettrupturen der Subscapularissehne weiterhin
kontrovers diskutiert. Zwar gibt es einzelne Arbeiten, die gute, und mit der offenen Technik
vergleichbare postoperative Ergebnisse aufweisen, jedoch ist zu bedenken, dass diese Studien von
absoluten Spezialisten der arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion durchgeführt
wurden.
Die rein arthroskopische Rekonstruktion der Subscapularissehne stellt hohe Ansprüche an die
Erfahrung und technischen Fertigkeiten des Operateurs, weshalb in diesen Fällen die offen
chirurgische Technik indiziert sein kann.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Trend bei der operativen Behandlung von
Rotatorenmanschettenrupturen in den letzten Jahren weg von der offen chirurgischen Technik hin zum
rein arthroskopischen Vorgehen geht. Dies ist v. a. durch die bessere Akzeptanz durch die Patienten
bedingt. Evidenzbasierte Unterschiede im postoperativen Outcome zwischen den verschiedenen
OP-Verfahren konnten bisher nicht nachgewiesen werden. So konnte auch ein Expertenkomitee der AAOS
in einer 2011 veröffentlichten Leitlinie aufgrund der vorliegenden Studienlage keine Empfehlung für
eine überlegene operative Therapietechnik abgeben [13].
Lagerung zur arthroskopischen Rekonstruktion
Die arthroskopische Refixation von Rupturen der Rotatorenmanschette kann grundsätzlich in der sog.
Beach-Chair-Position oder in Seitenlage erfolgen. Weitverbreitet ist die Beach-Chair-Position. Im
Vergleich zur Seitenlagerung hat man oft bessere Möglichkeiten, durch Rotation oder Abduktion des
Armes die Spannung des Verschlusses zu reduzieren. Darüber hinaus empfiehlt sich die
Beach-Chair-Lagerung, wenn u. U. eine intraoperative Konversion auf ein offenes Verfahren notwendig
werden sollte. Nachteilig können jedoch nach oben aufsteigende Gasblasen sein, die das Gesichtsfeld
verlegen, sofern eine Hochfrequenzablation ohne Absaugung verwendet wird.
Wir bevorzugen die Seitenlagerung ([Abb. 2]). Dabei wird der Patient
stabil auf einer Vakuummatratze gelagert. Um eine Druckschädigung des N. axillaris zu vermeiden,
wird die kontralaterale Schulter druckstellenfrei gelagert. Diesbez. wird die Vakuummatratze an
dieser Stelle ausgespart und der Thorax mit einer Rolle angehoben. Durch die Aufhängung des zu
operierenden Armes an einem Doppelarmhalter mit ca. 5–6 kg Extensionsgewicht gelingt eine dosierte
Extension des Armes und somit ein komfortabler Zugang zum Schultergelenk. Bei der Lagerung des
Patienten sowie Positionierung des Doppelarmhalters ist darauf zu achten, dass der Körper weder nach
vorn oder hinten verkippt ist, um die Orientierung während der Arthroskopie nicht zu erschweren und
den subakromialen Raum nicht unnötig einzuengen.
Die Lagerung des Patienten zu arthroskopischen Eingriffen an der Schulter ist besonders wichtig.
Sie muss sorgfältig erfolgen, um intraoperative Komplikationen und Probleme zu vermeiden.
Die Bedeutung der Akromioplastik in der operativen Therapie der
Rotatorenmanschettenruptur
Die Impingement-Beschwerden stehen weiterhin im Vordergrund der klinischen Symptome von Rupturen der
Rotatorenmanschette. Diesbez. wurde bereits von Neer die anteriore Akromioplastik beschrieben. Dabei
wird ein knöcherner Keil vom anterioren Unterrand des Akromions abgemeißelt und das Lig.
coracoacromiale durchtrennt. Im Rahmen der arthroskopischen Operationstechniken wurde die
Akromionplastik entsprechend angepasst. Mithilfe einer Walzenfräse wird in der Technik nach Ellman
der anteriore Akromionsporn von lateral nach medial und von anterior nach posterior abgetragen.
Dieses Vorgehen ist auch heute noch ein weitverbreiteter Bestandteil der arthroskopischen
Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Während früher das Lig. coracoacromiale regelhaft durchtrennt
wurde, wird gegenwärtig versucht, dieses möglichst zu erhalten und nur von der Unterfläche des
Akromions abzuschieben. Hintergrund für dieses Vorgehen ist die Befürchtung, andernfalls den
Ursprung des M. deltoideus zu schwächen, den korakoakromialen Bogen zu destabilisieren und
Verklebungen zwischen der rauen, angefrischten Unterfläche des Akromions und der Rotatorenmanschette
zu provozieren. Mittlerweile erscheint es erwiesen, dass die Langzeitergebnisse der arthroskopischen
subakromialen Dekompression bei Patienten mit subakromialem Impingement den Ergebnissen nach offener
subakromialer Dekompression überlegen sind. Budoff et al. demonstrieren ihre guten Ergebnisse nach
Versorgung per Débridement von Partialrupturen der Rotatorenmanschette ohne Akromionplastik. Es
wurden lediglich „knöcherne Auswüchse“ sparsam reseziert. Budoff erklärt dieses damit, dass bis zu
90 % der Rotatorenmanschettenrupturen als Folge eines Non-Outlets resultieren. Er unterstreicht
insbesondere die Bedeutung von Überlastung und Übernutzung. Hyvönen relativiert darüber hinaus die
Bedeutung der subakromialen Dekompression. Er zeigte, dass die alleinige arthroskopische
Dekompression das natürliche Fortschreiten einer Partialruptur zu einer Komplettruptur der
Rotatorenmanschette nicht aufhalten kann. Belegt werden diese Ergebnisse durch eine Metaanalyse, die
keine signifikanten Unterschiede im Outcome nach arthroskopischer Rekonstruktion der
Rotatorenmanschette mit oder ohne arthroskopische subakromiale Dekompression aufzeigt.
Im Rahmen einer arthroskopischen Refixation der Rotatorenmanschette empfehlen wir eine nur
sparsame subakromiale Dekompression mit Bursektomie der Bursa subacromialis. Eine routinemäßige
ASD ist nicht indiziert. Sie sollte bevorzugt bei einer Form des Akromions Typ III nach Bigliani
und nachgewiesener Supraspinatusruptur und bei enthesiopathischen Traktionsosteophyten
erfolgen.
Die Refixation der Rotatorenmanschette – Double-Row versus Single-Row Fixation
Bis heute wurde eine Fülle von Nahttechniken entwickelt, um die Rotatorenmanschette zu refixieren. Im
Wesentlichen lassen sich einreihige von zweireihigen Techniken unterscheiden. Erstere werden auch
heute noch zahlreich in Form von einfachen Nähten, Matratzen-Nähten und Modifikationen der
Mason-Allen-Naht angewendet. Um den Anpressdruck der Rotatorenmanschette auf dem Footprint-Areal zu
erhöhen, haben sich daneben verschiedene zweireihige Nahttechniken etabliert ([Abb. 3]). Insbesondere die zweireihigen Nahtbrücken-Techniken zeigen eine deutliche
Verbesserung der biomechanischen Fixierungseigenschaften. Sie unterscheiden sich durch eine
biomechanisch verbesserte Auflage der Rotatorenmanschette und weisen deutlich bessere Eigenschaften
hinsichtlich der Auszugskräfte, Spaltbildungen und Scherkräfte auf. Typischerweise wird dabei die
mediale Ankerreihe nahe der Knochenknorpelgrenze eingebracht. Die laterale Ankerreihe findet sich im
Bereich der lateralen Wange des Tuberculum majus. Jüngste Entwicklungen basieren auf einer komplett
knotenlosen Technik. Diese verhindern nicht nur ein sekundäres Lösen der Knoten, sondern sind auch
noch schneller durchführbar.
Sowohl kernspintomografisch als auch computertomografisch ließen sich von Charousset et al. und
Sugaya et al. überlegene strukturelle Heilungsraten nach doppelreihiger Refixationen der
Rotatorenmanschette beobachten. Jedoch gelingt es bis heute nicht, diese biomechanischen und
biologischen Vorteile der doppelreihigen Versorgung im Rahmen von klinischen Studien auf
Level-I-Evidenzebene widerzuspiegeln. Chen et al. veröffentlichten diesbez. 2013 eine Metaanalyse
der gegenwärtigen Evidenz. In einer 1. Analyse wurden 6 prospektiv randomisierte Studien
eingeschlossen. Diese zeigten zusammenfassend keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der
Endpunkte Constant-, UCLA- und ASES-Score. In einer weiteren, 2. Analyse wurden zusätzlich 4
prospektive und 2 retrospektive Kohortenstudien berücksichtigt. Dieses erlaubt eine zusätzliche
Subgruppenanalyse. In der Subgruppe von Rupturen < 3 cm ließen sich ebenfalls keine signifikanten
klinischen Unterschiede anhand von funktionellen Scores und strukturellen Einheilungsergebnissen
nachweisen. Anders scheint es mit größeren Rupturen zu sein. In der Subgruppe von Rupturen > 3 cm
wurden signifikante Vorteile der doppelreihigen Fixierung anhand des ASES- und UCLA-Score
beobachtet. Auch erscheint derartig die strukturelle Einheilung der Rotatorenmanschette
verbessert.
Auffällig ist in jedem Fall der veränderte Versagensmodus nach doppelreihiger Versorgung von
Rotatorenmanschettenrupturen. Während nach einreihiger Naht die Rotatorenmanschette lateral ausreißt
und sich oft noch reichlich Gewebe zur späteren Refixation findet, zeigt die Reruptur nach
doppelreihiger Versorgung ein gänzlich anderes Bild. Hier rupturiert die Manschette medial der
medialen Nahtreihe. Zwischen den Ankerreihen verbleibt regelhaft Gewebe der Rotatorenmanschette, das
weiterhin das Footprint-Areal überdeckt. Dieses kann bei der Revisionsoperation nicht weiter
erhalten werden, sodass eine Defektsituation eintritt, die entsprechend ungünstiger versorgt werden
kann und eine deutlich schlechtere Prognose hat.
Die aus der offenen Chirurgie gewohnten transossären Refixationstechniken lassen sich zwar ebenfalls
arthroskopisch anwenden. Sie haben sich jedoch bisher nicht durchsetzen können. Im Gegensatz dazu
sind Nahtanker weitverbreitet ([Abb. 3]). Sie stehen in verschiedenen
Werkstoffen zur Verfügung. Neben bioresorbierbaren Ankern sind Titan-, PEEK- und Bio-Composite-Anker
gebräuchlich. Letztere erlauben einer verbesserte Integration des Ankers im Knochen, sowie ein
Einwandern von Stammzellen zur frisch refixierten Rotatorenmanschette. Unklar ist bis heute, welcher
Werkstoff die meisten Vorteile bietet. Titananker sind zwar inert, produzieren jedoch im Rahmen von
MRT-Kontrolluntersuchungen erhebliche Artefakte, die eine weitere Beurteilung der
Rotatorenmanschette nicht mehr zulassen. Bioresorbierbare Ankersysteme sind wiederholt durch
mitunter nicht unerhebliche Lysesäume aufgefallen und dadurch in die Diskussion geraten. Somit liegt
die Hoffnung in den jüngsten Entwicklungen von PEEK- und Bio-Composite-Ankern.
Wichtig ist in jedem Fall, die Ankersysteme korrekt einzubringen, um somit das Risiko eines
Ankerausrisses zu vermindern. Dabei soll der in einem spitzen Winkel relativ zur Zugrichtung der
Rotatorenmanschette implantiert werden.
Postoperative Ergebnisse und Prognose nach operativer Rekonstruktion
Postoperative Ergebnisse und Prognose nach operativer Rekonstruktion
Eine Analyse der gegenwärtigen Literatur führt zu dem Schluss, dass die Ergebnisse nach Rekonstruktion
von Rotatorenmanschettenverletzungen unterschiedlicher Größe insgesamt ermutigend sind. Sie unterstützen
ein operatives Vorgehen. Heutzutage wird überwiegend ein arthroskopisches Vorgehen gewählt. Soweit nicht
anders vermerkt, werden in allen unten angegebenen Studien arthroskopische Verfahren verwendet. Dabei
unterscheiden sich die Ergebnisse nach offener und arthroskopischer Refixation von
Rotatorenmanschettenrupturen klinisch nicht signifikant.
Die Behandlung von Partialrupturen der Rotatorenmanschette hat eine gute Prognose ([Tab. 6]). Nach arthroskopischer Therapie kann ein postoperativer ASES-Score von mindestens 80
erwartet und ein UCLA-Score von über 31 erwartet werden. Deutsch et al. demonstrieren 3 Jahre nach
arthroskopischer Therapie eine signifikante Schmerzreduktion, sowie ein zufriedenstellendes Ergebnis
(mindestens „gut“) bei 98 % aller Patienten. Der ASES-Score betrug in diesem Nachuntersuchungszeitraum
93.
Tab. 6 Postoperative Ergebnisse nach Rekonstruktion partieller
Rotatorenmanschettenrupturen.
Studie
|
n
|
Nachuntersuchungszeitraum (Monate)
|
postoperative Ergebnisse (präoperativ/postoperativ)
|
Deutsch A 2007
|
41
|
38
|
ASES 93 98 % zufriedenstellendes Ergebnis VAS 6,5/0,8
|
Kim KC 2013
|
32
|
17
|
ASES 79 UCLA 35,7 VAS 6,1/1,9
|
Kamath G 2009
|
37
|
39
|
ASES 83 VAS 6,5/2,7 93 % Patientenzufriedenheit
|
Porat S 2008
|
36
|
42
|
UCLA 31,5 83 % zufriedenstellendes Ergebnis
|
Tauber M 2008
|
16
|
Minimum 18
|
UCLA 32,8 VAS 7,9/1,2 94 % Patientenzufriedenheit
|
Weber SC 1999
|
33
|
38
|
UCLA 31,6
|
Auch bei kleinen bis mittelgroßen Komplettrupturen der Rotatorenmanschette ist das postoperative Ergebnis
prognostisch sehr gut ([Tab. 7], [Abb. 3]). Die
Ergebnisse sind vergleichbar mit denen bei Partialrupturen. Aktuelle Studien belegen einen
postoperativen ASES-Score zwischen 88 und 95. Die Schmerzreduktion ist signifikant und die
Patientenzufriedenheit sehr hoch. Bei kompletten kleinen bis mittelgroßen Defekten der
Rotatorenmanschette konnte in aktuellen Studien ein postoperativer ASES-Schulter-Score zwischen 88 und
95 bei signifikanter Schmerzlinderung und hoher Patientenzufriedenheit beschrieben werden. Pearsall et
al. veröffentlichen Ergebnisse 51 Monate nach operativer Versorgung und beobachten einen UCLA-Score von
31. Die Schmerzen waren bei einer Reduktion um 4,4 Punkte auf der visuellen Analogskala mit 3,4 Punkten
noch vergleichsweise hoch.
Tab. 7 Postoperative Ergebnisse nach Rekonstruktion kompletter, kleiner bis
mittelgroßer Rotatorenmanschettenrupturen.
Studie
|
n
|
Nachuntersuchungszeitraum (Monate)
|
postoperative Ergebnisse (präoperativ/postoperativ)
|
Verma NN 2006
|
71
|
39
|
ASES 95 VAS < 1,0 99 % Patientenzufriedenheit
|
Neyton L 2013
|
107
|
16
|
Constant 54,5/80
|
Ames JB 2012
|
115
|
36
|
ASES 59/93
|
Pearsall AW 2007
|
52
|
51
|
UCLA 14/31 VAS 7,8/3,4
|
Lee E 2007
|
36
|
16,5
|
ASES 46/89
|
Millett PJ 2011
|
217
|
75,6
|
ASES 88 Patientenzufriedenheit im Mittel 8 auf einer Skala von 0–10
|
Nach arthroskopischer Rekonstruktion von partiellen bis mittelgroßen Rupturen kann eine sehr hohe
Patientenzufriedenheit beobachtet werden. Die Schmerzreduktion ist signifikant, eine Verbesserung
von Kraft und Funktion der Schulter ist oft festzustellen.
Die operative Versorgung von Massenrupturen schneidet erwartungsgemäß weniger gut ab ([Tab. 8]). Zufriedenstellende Ergebnisse lassen sich nur bei ca. 75 % aller
Patienten beobachten. Es kann ein UCLA-Score mit Werten zwischen 29 und etwas über 30 Punkten erwartet
werden. Gleichwohl scheinen die Patienten von einem operativen Vorgehen zu profitieren. Die
postoperative Schmerzreduktion erscheint signifikant. Es werden VAS-Werte zwischen 0,9 und 1,3
dokumentiert. Entsprechende Langzeitergebnisse werden von Denard et al. publiziert. Sie berichten 10
Jahre nach operativer Versorgung von Massenrupturen über gute Langzeitergebnisse mit einem ASES-Score
von 87 Punkten. 78 % aller Patienten waren nach 10 Jahren mit ihrem Ergebnis zufrieden.
Tab. 8 Postoperative Ergebnisse nach Rekonstruktion von
Rotatorenmanschettenmassenrupturen.
Studie
|
n
|
Nachuntersuchungs-Zeitraum (Monate)
|
postoperative Ergebnisse (präoperativ/postoperativ)
|
Iagulli ND 2012
|
86
|
24
|
UCLA: partielle Rekonstruktion 29,5 komplette Rekonstruktion
29,6 zufriedenstellendes Ergebnis: partielle Rekonstruktion 76 %, komplette
Rekonstruktion 71 %
|
Denard PJ 2012
|
126
|
99
|
ASES 86,6 UCLA 30,5 VAS Schmerz 6,3/1,3 78 % zufriedenstellendes
Ergebnis
|
Chung SW 2013
|
108
|
32
|
ASES 83 VAS 5,0/1,3 65 % zufriedenstellendes Ergebnis
|
Park JY 2013
|
36
|
37,6
|
ASES 88,1 VAS 6,4/0,9
|
Nachbehandlung nach operativer Rekonstruktion
Nachbehandlung nach operativer Rekonstruktion
Um ein positives funktionelles Ergebnis nach operativer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette zu
erreichen, ist eine konsequente postoperative Nachbehandlung entscheidend.
Hauptziele der Nachbehandlung nach arthroskopischer Rekonstruktion sind ein Vermeiden von
postoperativer Schultersteifheit und Verbesserung der Funktion und Kraft.
Eine erfolgreiche krankengymnastische Beübung erfordert die individuelle Anpassung an den intraoperativen
Befund und die im Einzelnen vorgenommene operative Rekonstruktion. Ziel ist zunächst eine Ruhigstellung
in einer Position, die eine Zugbelastung der betroffenen Sehne vermeidet und so eine Anheilung der Sehne
ermöglicht. Dies wird häufig durch eine Ruhigstellung im Schulterabduktionskissen erreicht. Wichtig ist,
dass von Beginn an eine passiv assistierte Beübung der Schulter durch den Therapeuten und im
Motorbewegungsstuhl erfolgt. Unter diesen Umständen führt eine Ruhigstellung für bis zu 6 Wochen nicht
zu einem signifikant eingeschränkten Bewegungsumfang nach 12 Monaten.
Über den Zeitpunkt des Beginns mit aktiver physiotherapeutische Beübung liegen nur ungenügende Daten in
der aktuellen Literatur vor. Eine frühe aktive Mobilisation gefährdet die Heilung der Sehne und kann zum
Ausreißen der rekonstruierten Sehne führen, weshalb die meisten Autoren zunächst eine Restriktion der
aktiven Bewegung bevorzugen. Klintberg und Kollegen konnten zeigen, dass eine frühe aktive und passive
Beübung ab dem 1. postoperativen Tag keine negative Auswirkung auf das funktionelle Ergebnis hat, bei
einer kleinen Studienpopulation von 9 Patienten konnten jedoch auch keine signifikanten Verbesserungen
des Ergebnisses analysiert werden. Letztlich entscheidet der Operateur anhand des intraoperativen
Befunds über die Dauer der Restriktion für aktive Beübung nach intraoperativen Befund (Rupturgröße,
Sehnenqualität, Spannung der Sehne nach Rekonstruktion).
In einer Umfrage an deutschen orthopädischen und unfallchirurgischen Kliniken wurde nach dem Zeitpunkt
des Beginns mit aktiver und passiver Beübung gefragt. 66,5 % empfehlen eine passiv assistierte Beübung
ab dem 1. postoperativen Tag und nach 5 Tagen wurde an 80 % der Kliniken mit einer passiven Mobilisation
begonnen (18,3 % keine Angaben). Mit aktiver Beübung wird in 10 % der befragten Kliniken in der
1.–3. Woche begonnen, in 18,7 % in der 4. Woche und bis zur 6. Woche haben 64,1 % mit der aktiven
Beübung begonnen (21,4 % keine Angaben).
Wir bevorzugen eine Ruhigstellung für 6 Wochen im 15° Schulterabduktionkissen, da so die Vorspannung der
Rotatorenmanschette postoperativ reduziert werden kann. Mit passiver Abduktion und Flexion beginnen wir
am 1. postoperativen Tag, die aktive Flexion/Extension und Rotation wird ab der 4. Woche beübt, nach 6
Wochen wird die Bewegung auch in Abduktion und Adduktion freigegeben.
Eine frühe additive Behandlung im Motorbewegungsstuhl (Continuous passive motion – CPM) führt zu einer
signifikant früheren Wiederherstellung der Beweglichkeit im Schultergelenk [14]. Wir setzen CPM mit guten Ergebnissen sowohl im stationären als auch im poststationären
Bereich für bis zu 4 Wochen ein.