Diabetes aktuell 2013; 11(06): 242
DOI: 10.1055/s-0033-1360442
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

EHFG 2013 – Psychosoziale Belastungen von Diabetes unterschätzt

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Publication Date:
02 November 2013 (online)

 

    Die geradezu pandemische Verbreitung von Diabetes stellt eine enorme Belastung für Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme in Europa dar, gerade in Zeiten der ökonomischen Krise und des demografischen Wandels, berichteten Experten beim European Health Forum Gastein (EHFG). Derzeit sind in den OECD-Ländern rund 83 Millionen Menschen von Diabetes betroffen, bis zum Jahr 2030 werden es Schätzungen zufolge 100 Millionen sein. Gesundheitssysteme müssten den Blick auf die gesamte Tragweite der Pandemie schärfen, so der Tenor der Diskussionen.

    "Vor allem die hohen psychosozialen Belastungen von Diabetes für Patienten und ihre Angehörigen sind noch ein weitgehend blinder Fleck in der Gesundheitspolitik. Innovative Gesundheitssysteme müssen sich dieser Dimension verstärkt annehmen", sagte Dr. Jens Kröger, Leiter des Diabeteszentrums Hamburg Bergedorf und Vorstandsmitglied der Deutschen Diabetes-Hilfe beim EHFG.

    Ergebnisse von Dawn 2 vorgestellt

    Wie dramatisch diese psychosozialen Krankheitsfolgen sein können, zeigt die in 17 Ländern und 4 Kontinenten durchgeführte Studie "Diabetes Attitudes, Wishes and Needs 2" (DAWN 2), die auf dem EHFG diskutiert wurde. Mit insgesamt 15 438 Teilnehmern, darunter 8596 Patienten, 2057 Angehörigen und 4785 Behandlern, ist DAWN-2 die umfassendste wissenschaftliche Erhebung zu den psychosozialen Belastungen von Diabetespatienten und deren Angehörigen.

    Einige zentrale Ergebnisse der Erhebung: 44,6 % der Menschen mit Diabetes empfinden ihre Krankheit als hohe Belastung, 13,8 % leiden deshalb an Depressionen. Für rund ein Fünftel aller Diabetiker wirkt sich ihre gesundheitliche Situation negativ auf familiäre und soziale Beziehungen aus, nur etwas weniger als die Hälfte aller Betroffenen sehen sich in der Bewältigung des Lebensalltags beeinträchtigt.

    Nur knapp die Hälfte aller Menschen mit Diabetes (48,8 %) nimmt an Diabetes-Schulungsprogrammen teil. Trotz neuer Medikamente und Therapieformen verfehlen viele Diabetiker den angestrebten Blutzuckerwert. Und auch wenn 85 % der Menschen mit Diabetes auf die Hilfe aus dem familiären Umfeld zurückgreifen können, ist die öffentliche Unterstützung in vielen Ländern unzureichend.

    "Die Studie zeigt deutlich Defizite im Management chronischer Krankheiten auf", so Kröger. "Probleme bei der psychosozialen Unterstützung der Patienten, bei den Rahmenbedingungen sowie der interdisziplinären Versorgung müssen behoben werden."


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    Hohe Belastungen für Angehörige

    Erheblich sind auch die psychosozialen Folgen, denen die Angehörigen von Diabetikern ausgesetzt sind. Für mehr als ein Drittel aller Angehörigen (35,3 %) stellt die Diabeteserkrankung des Patienten eine hohe Belastung dar, zeigt die DAWN-2-Studie. 61,3 % der Familienmitglieder belastet die Sorge um eine mögliche Hypoglykämie ihres Angehörigen mit Diabetes. Negative Auswirkungen auf die emotionale Befindlichkeit werden von 44,6 % aller Familienangehörigen angeführt. Problematisch ist, dass immerhin 37,1 % der Angehörigen nicht wissen, wie sie im Fall einer Diabeteserkrankung eines Mitmenschen helfen und unterstützend zur Seite stehen können. Zugleich haben knapp 40 % der Familienmitglieder das Bedürfnis, stärker in die Diabetesversorgung ihres Angehörigen eingebunden zu werden. An Schulungsprogrammen nehmen derzeit nur 23,1 % der Angehörigen teil.

    "Angesichts dieser Ergebnisse muss das gesundheitspolitische Ziel im Diabetesmanagement sein, die patientenzentrierte Versorgung, das Selbstmanagement und die psychosoziale Unterstützung zu fördern sowie Angehörige stärker einzubinden", forderte Kröger.

    Pressemitteilung EHFG, 2.10.2013


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