Der Katzenpatient
Abhängig von ihrer Sozialisierung und ihrer Erfahrung im Umgang mit Menschen reagiert jede Katze
unterschiedlich auf neue Eindrücke und Stress. Das natürliche Verhalten der Katze besteht primär
darin, einer Gefahr aus dem Weg zu gehen und das nächste sichere Versteck aufzusuchen. In sehr
seltenen Fällen – bedingt durch schlechte oder schmerzhafte Erlebnisse – reagiert eine Katze mit
aggressivem Verhalten.
Bevor die Katze in die Praxis kommt, erlebt sie eine ganze Reihe stressiger Situationen.
Zuerst sperrt sie der besorgte Besitzer in einen Transportbehälter ein. Der Mangel an
Fluchtmöglichkeiten verursacht Angst und Stress. Der Transport gestaltet sich fast immer als
schaukelnd und schüttelnd. Damit wird der Katze quasi der Boden unter den Pfoten weggerissen:
ein erneuter Stressauslöser. Im Wartezimmer wird sie mit fremden Gerüchen und Geräuschen
konfrontiert. Im schlimmsten Fall bellt der Hund neben ihr. Diese Situation verursacht zusammen
mit dem Eingesperrtsein im Transportkorb eine ungeheure Angst.
Zusammenfassend hat die Katze, bevor sie im tierärztlichen Sprechzimmer überhaupt angekommen ist,
eine unglaublich belastende Zeit hinter sich gebracht. Zudem ist sie eventuell noch krank.
Das Wartezimmer
Um den Stress zu reduzieren, sollte das Wartezimmer eine möglichst freundliche und ruhige
Atmosphäre ausstrahlen. Optimal wären getrennte Wartebereiche für Hunde und Katzen. Diese
sind jedoch leider fast nur in Kliniken realisierbar. Eine räumliche Trennung innerhalb eines
Raumes (z. B. durch einen Paravent) bringt keine wesentlichen Vorteile und ist daher nicht
empfehlenswert. Wenn keine getrennten Wartebereiche für Hunde und Katzen möglich sind, ist es
besonders wichtig, dass Katzen nicht neben Hunden warten müssen. Die im Empfang arbeitenden TFA
sollten sich schnell und kompetent bemühen, eine solche Situation zu vermeiden. Sie sollten den
Katzenbesitzer baldmöglichst in ein separates Sprechzimmer geleiten. Auch gut organisierte
Terminsprechstunden minimieren die Wartezeiten und somit den Stress für die Patienten.
Die immer wiederkehrende Situation eines schnüffelnden, gar bellenden Hundes vor einem am Boden
abgestellten Katzenkorb ist der schlimmste Stress, den man einer Katze antun kann. Erhöhte
Abstellmöglichkeiten für den Katzenkorb in Form kleiner Tische oder Bretter bieten eine
einfache und ideale Lösung für dieses Problem (▶
Abb.
[
1
]). Sollten die Katzenbesitzer diese Möglichkeit nicht nutzen und den Katzenkorb
auf den Boden stellen, ist es Aufgabe der Mitarbeiter, sie auf eine geeignetere
Abstellmöglichkeit hinzuweisen.
Abb. 1
Erhöhte Abstellmöglichkeiten für Katzenkörbe im Wartezimmer reduzieren den Stress
der Patienten.
(© M. Bartels)
Viele Kunden vergessen, eine Decke oder ein Tuch zum Abdecken des Korbes mitzunehmen
(▶
Abb.
[
2
]). Das Praxisteam sollte daher
jedem Katzenbesitzer, dessen Korb nicht zugedeckt ist, sofort eine Decke oder ein Tuch zur
Verfügung stellen.
Abb. 2
Eine Decke über dem Transportkorb trägt wesentlich zur Beruhigung der Katze bei.
(© M. Bartels)
Transportboxen aus Kunststoff, die der Größe der Katze angepasst sind, eignen sich für den
Transport zum Tierarzt am besten. Sie sind empfehlenswert, da sie sich vernünftig reinigen
lassen. Das direkte Einsprühen der Box mit einem Pheromon-Präparat wird erfahrungsgemäß von
manchen Katzen als unangenehm empfunden.
Im Wartezimmer sollten stets ausreichend Zeitschriften, Bücher und Informationsmaterialien
speziell für Katzenbesitzer ausliegen.
Das Sprechzimmer
Ein Sprechzimmer für Katzen muss ruhig sein und möglichst eine entspannte Atmosphäre vermitteln.
Laute Geräusche, z. B. durch Straßenlärm oder klingelnde Telefone, sind zu vermeiden. Die
Fenster müssen daher geschlossen bleiben und die Telefone aus diesem Zimmer verbannt werden.
Laute, aufgebrachte Stimmen oder lautes Türenöffnen sind ebenfalls ungünstig. Das Praxisteam
sollte daran gewohnt sein, sich leise zu verhalten.
Gedämpftes Licht trägt ebenso wie die erwähnte Decke über dem Transportkorb wesentlich zur
Beruhigung der Katze bei.
Das Sprechzimmer sollte stets von fremden und für die Katze unangenehmen Gerüchen (Hund,
Alkohol, Medikamente, Kot und Urin von anderen Tieren, Schweiß von Menschen) befreit sein.
Idealerweise sollten separate Sprechzimmer für Hunde und Katze benutzt werden. Ist dies nicht
realisierbar, muss das Sprechzimmer nach der Untersuchung eines Hundes kurz gelüftet
werden, bevor eine Katze untersucht wird.
Der Geruch von Desinfektionsmitteln ist meistens sehr unangenehm für die Katzen. Der
Behandlungstisch sollte deshalb nach der Desinfektion sorgfältig trocken gewischt werden. Auch
die desinfizierten Hände müssen richtig trocken sein, bevor man mit der Untersuchung
beginnt.
Der Einsatz von Pheromon-Präparaten als Zerstäuber im Sprechzimmer trägt zur Entspannung der
Patienten bei.
Zur Grundausstattung eines Katzensprechzimmers gehören folgende Elemente:
-
Zwei spezielle Waagen, eine für kleine und eine für große Katzen.
-
Kleine Wasser- und Fressschalen: Das Wasser ist nach dem Transport – insbesondere an
heißen Tagen – unerlässlich und die Leckerlis helfen bei der Untersuchung
ängstlicher Patienten. Die Schalen werden samt Inhalt nach jedem Patienten
gewechselt und die Näpfe mit kochendem Wasser gereinigt.
-
Eine kleine und sehr leise Schermaschine (▶
Abb.
[
3
]), die von den Katzen besser toleriert
wird.
-
Ein Körbchen mit Spielzeug, das am besten auf einem der Praxismöbel gelagert wird. Da
der Praxisboden letztendlich nie sauber ist, sollten die Katzen nicht auf dem Boden
laufen. Sie dürfen sich aber auf dem Behandlungstisch und auf den Praxismöbeln frei
bewegen.
-
Eine saubere, warme Abdeckung (z. B. ein Handtuch oder eine Decke) für den
Behandlungstisch, da Katzen keine Edelstahltische mögen. Die Anwendung von
Gummimatten, die nicht nach jeder Untersuchung gewechselt und in der Waschmaschine
gereinigt werden, wird aus hygienischen Gründen nicht empfohlen.
-
Feline Anatomiemodelle (▶
Abb.
[
4
]) sowie ein Farbatlas zur Erklärung von Sachverhalten.
Abb. 3
Eine kleine und sehr leise Schermaschine wird von den Katzen besser toleriert.
(© M. Bartels)
Abb. 4
Felines Anatomiemodell zur Demonstration für Katzenbesitzer.
(© M. Bartels)
Der Röntgen- bzw. Ultraschallraum sollte über spezielle Lagerungshilfen verfügen, die dem
Körper und der Größe der Katze angepasst sind.
Der Stationsbereich
Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Stationsbereich gewidmet werden.
Getrennte Stationsbereiche für Hunde und Katzen sind unerlässlich: Wenn sie nicht
realisierbar sind, sollten zumindest die Operationen von Hunden und Katzen an getrennten
Tagen geplant werden.
Jede Katzenbox wird mit weichen, leicht waschbaren Decken oder Tüchern ausgelegt. Bei einem
Aufenthalt von mehreren Stunden wird eine kleine Katzentoilette bereitgestellt. Die Besitzer
müssen dazu gefragt werden, welche Katzenstreu die Katze gewohnt ist. Zudem sollte ein kleines
Kuscheltier oder Kissen zur Verfügung gestellt werden, das anschließend gewaschen wird. Wasser-
und Futternäpfe müssen so weit wie möglich von der Katzentoilette entfernt stehen. Falls
medizinisch nicht anders indiziert, wird in der Station das gewohnte Futter angeboten. Ein
simpler Pappkarton bietet eine praktische Versteckmöglichkeit und wird von vielen Katzen
auch gerne als Hochsitz ausprobiert (▶
Abb.
[
5
]).
Der Blickkontakt zwischen einzelnen Katzenboxen ist nicht zwingend zu vermeiden. Manche Katzen
unterhalten sich regelrecht auf der Station.
Abb. 5
Im Stationsbereich bietet ein Pappkarton eine ideale Versteckmöglichkeit.
(© M. Bartels)
Sollte einer der Patienten im Stationsbereich panisch reagieren, wird eine Decke vor der Box
aufgehängt, um diese abzudunkeln. Besonders ängstliche Katzen lassen sich oftmals durch mehrere
warme Decken oder Tücher, die vorher mit Pheromonen
eingesprüht worden sind, beruhigen (▶
Abb.
[
6
]).
Abb. 6
Eine mit Pheromonen eingesprühte Decke beruhigt besonders ängstliche Katzen.
(© M. Bartels)
Postoperativ sollte eine Wärmequelle in Form eines Wärmekissens nicht fehlen (▶
Abb.
[
7
]). Um eine Wunde nach einer Operation oder
einer Verletzung zu schützen, sollten Katzenbodys anstelle von Halskragen verwendet
werden (▶
Abb.
[
8
]).
Abb. 7
Wärmekissen als postoperative Wärmequelle.
(© M. Bartels)
Abb. 8
Ein Katzenbody sollte bei Bedarf anstelle eines Halskragens benutzt werden.
(© M. Bartels)
Während Hundebesitzer akzeptieren, dass ihr Tier stationär allein bleibt, möchten Katzenbesitzer
gerne nach einem chirurgischen Eingriff bei ihrer Katze sitzen (▶
Abb.
[
9
]). Daher sollten im Stationsbereich hierfür geeignete Sitzmöglichkeiten
vorhanden sein.
Abb. 9
Katzenbesitzer möchten gerne nach einer Operation bei ihrer Katze sitzen.
(© M. Bartels)
Für Katzenwelpen sind spezielle Katzenhöhlen durch das
Praxisteam vorzubereiten, in denen zusätzlich Decken und Spielzeuge untergebracht werden
(▶
Abb.
[
10
]).
Abb. 10
Spezielle Katzenhöhle für Katzenwelpen.
(© M. Bartels)
Schulung des Praxisteams
Katzenbesitzer sind meist gut via Internet informiert. Sie haben daher besondere Ansprüche an eine
Katzenpraxis. Das Praxisteam sollte für einen liebevollen und
ruhigen Umgang mit den Katzenpatienten geschult werden. Katzen mögen es nicht, grob oder
hektisch angefasst zu werden. Ein einziger nicht geeigneter Mitarbeiter verdirbt das ganze
Team.
Im Idealfall versucht man, die Behandlungstermine auf einige Vormittage/Nachmittage zu
konzentrieren, was allerdings aus Erfahrung nicht immer realisierbar ist.
Die Mitarbeiter am Empfang sollten sich jedoch bemühen, lange Wartezeiten durch die Vergabe
sinnvoll geplanter Termine zu vermeiden.
Häufig werden schon vor dem ersten Besuch gezielte Fragen zur Katzengesundheit gestellt. Somit sind
die TFA quasi die Eintrittspforte für eine vertrauensvolle Beziehung zur Katze und deren
Besitzer. Gezielte Fragen zu Themen wie Verhalten, Fütterung und Ernährung müssen vom ganzen
Praxisteam kompetent beantwortet werden. Damit alle Mitarbeiter korrekte und einheitliche
Informationen liefern, wird es empfohlen, die wichtigsten Fakten schriftlich zu fixieren und
regelmäßige Schulungen für das Praxisteam zu
organisieren.
Literatur bei der Verfasserin.