Bei der Therapie des Typ-2-Diabetes stehen heute individuelle Therapieziele unter Berücksichtigung von Patientenwünschen, Diabetesdauer, Komorbiditäten sowie Hypoglykämierisiko und Gewichtsentwicklung u. a. im Vordergrund. "Starre Therapieschemata wurden in den letzten Jahren immer mehr von individuellen Behandlungskonzepten abgelöst", betonte Dr. Marcel Kaiser, Frankfurt, im Rahmen einer Pressekonferenz post-EASD und ergänzte: "Der frühe Einsatz risikoarmer Therapiestrategien wie Inkretin-basierte Behandlungsoptionen und moderne Basalinsuline mit gegenüber NPH-Insulin vermindertem Hypoglykämierisiko ermöglichen dabei eine verbesserte Diabetesbehandlung."
Frühe Reduktion von HbA1c und Gewicht mit GLP-1-basierten Therapieoptionen
Aufgrund ihrer möglichen positiven Eigenschaften (effektive Blutzucker-kontrolle, ein in Abhängigkeit des Kombinationspartners vergleichsweise geringes Hypoglykämierisiko und Gewichtsreduktion) eignen sich GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid (Victoza®) besonders für den Einsatz in der frühen Phase des Typ-2-Diabetes. Sie werden daher im Positionspapier der amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften (ADA/EASD) sowie den aktuellen Nationalen VersorgungsLeitlinien zu den möglichen Therapieoptionen direkt nach Metformin gezählt [
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], [
2
].
Dieses Vorgehen wird durch eine beim EASD 2013 präsentierte Analyse der nicht-interventionellen retrospektiven post-Marketing Datenauswertung EVIDENCE ("Case-note-Survey") bestätigt: Patienten, die eine kürzere Diabetesdauer und weniger Vortherapie aufwiesen, profitierten besonders von einer Behandlung mit Liraglutid. So sank der HbA1c bei Patienten, die vor Beginn der Therapie nur ein orales Antidiabetikum (OAD) eingenommen hatten, unter Liraglutid durchschnittlich um 1,4 %, bei Vorbehandlung mit 2 OAD um 1,14 % – das ist jeweils signifikant mehr als bei Patienten, die bereits 3 oder mehr OAD zu Beginn der Liraglutid-Therapie einnahmen oder die mit Insulin vorbehandelt waren (alle p-Werte < 0,001; Abb. [
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]) [
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]. Neben der Intensität der Vortherapie kann auch die Erkrankungsdauer als Prädiktor für das Ansprechen auf Liraglutid herangezogen werden: Patienten mit einer Diabetesdauer von bis zu 5 Jahren bzw. zwischen 6 und 10 Jahren profitierten mit einer signifikant stärkeren HbA1c-Senkung unter Liraglutid als Patienten, deren Erkrankung schon länger als 10 Jahre anhielt [
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]. "Doch auch jene Patienten, die bereits lange an Diabetes erkrankt (> 10 Jahre) bzw. die intensiv vorbehandelt sind, zeigen klinisch relevante Effekte unter Liraglutid," resümierte Prof. Dr. Werner Kern, Ulm.
Abb. 1 Patienten profitieren von einer signifikant größeren durchschnittlichen HbA1c-Senkung unter Liraglutid, wenn sie eine weniger intensive Vortherapie erhalten haben.
Patienten bevorzugten Liraglutid
Diese Daten stehen im Einklang mit den Ergebnissen klinischer Studien, die Liraglutid eine schnelle und langanhaltende HbA1c-Senkung sowie eine Gewichtsreduktion bestätigen [
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]. Patienten, die von Sitagliptin auf Liraglutid umgestellt wurden, profitierten davon mit einer weiteren Abnahme des HbA1c und des Körpergewichtes [
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]. Die verbesserte glykämische Kontrolle unter Liraglutid im Vergleich zu Sitagliptin bestätigte auch eine weitere auf dem EASD präsentierte Auswertung der EVIDENCE-Studie: Nach der Umstellung vom DPP-4-Inhibitor auf den GLP-1-Rezeptoragonisten sanken HbA1c, Nüchternblutzucker (NBZ) und Körpergewicht signifikant [
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]. Darüber hinaus waren die Patienten nach der Umstellung von Sitagliptin auf Liraglutid insgesamt zufriedener mit der Therapie als zuvor [
5
].
Intensivierung mit Insulin detemir: Effektive HbA1c-Kontrolle
Bei einer Progression des Typ-2-Diabetes unter Metformin und Liraglutid kann die Behandlung durch die Zugabe des Basalinsulins Insulin detemir (Levemir®) intensiviert werden. Aktuelle Daten von Rosenstock et al. zeigten, dass die Addition von Insulin detemir zu einem deutlichen Rückgang von HbA1c und NBZ führte [
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]. Kern betonte: "Trotz der Zugabe von Insulin detemir bleibt in der Regel die unter Liraglutid erzielte Gewichtsabnahme erhalten. Unter Insulin detemir traten außerdem keine schweren Hypoglykämien auf und die Raten an leichten Hypoglykämien waren mit 0,034–0,228 Ereignissen pro Patientenjahr niedrig".
Insulin degludec vs. Insulin glargin: Kombinierter Endpunkt häufiger erreicht
Eine mögliche Alternative bei der Intensivierung der Therapie von Menschen mit Typ-2-Diabetes mittels basalunterstützter oraler Therapie (BOT) könnte Dr. Jörg Lüdemann, Falkensee, zufolge Insulin degludec (Tresiba®) sein: Insulin degludec ist ein neues Basalinsulin mit einem stabilen Zeit-Wirkungsprofil, einer niedrigen intraindividuellen Variabilität und einem langen blutzuckersenkenden Effekt, der über 42 Stunden anhält [
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]–[
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]. In einer gepoolten retrospektiven Analyse aus 4 randomisierten offenen klinischen Treat-to-Target-Studien über 26 und 52 Wochen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes konnten Zinman et al. zeigen, dass es unter einer BOT mit Insulin degludec um 82 % wahrscheinlicher ist, einen NBZ < 90 mg/dl (5 mmol/l) ohne bestätigte nächtliche Hypoglykämien zu erreichen als mit Insulin glargin (OR = 1,82; 95 %-KI: 1,49–2,22; p < 0,05; Abb. [
2
]) [
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].
Abb. 2 Signifikant mehr Patienten unter Insulin degludec als unter Insulin glargin erreichten den NBZ-Zielwert ohne Hypoglykämien – so das Ergebnis einer gepoolten Analyse von 4 Treat-to-Target-Studien [mod. nach [
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]].
Eine große Metaanalyse aus 7 klinischen Studien, die insulinbehandelte Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes einschloss, zeigte außerdem, dass bei Insulin degludec und Insulin glargin eine größere intraindividuelle und von-Tag-zu-Tag-Variabilität des NBZ mit einer höheren Rate an bestätigten Hypoglykämien bei BOT-Patienten assoziiert ist. "Eine Reduktion dieser Variabilität könnte die Hypoglykämierate der Patienten senken", fasste Lüdemann abschließend zusammen [
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].
Monika Walter, München
Quelle: Media Lunch post-EASD: "Individualisierte Therapiekonzepte des Diabetes Typ 2 – vom Zielkorridor zum Patient Need", Köln, 17. Oktober 2013.
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz